Ich denke, lieber Franke,
über das "nach" nach.
Zeitlich genommen - und ich glaube, das ist das erste Verständnis der meisten Lesersterninnen: Eine Grille zirpt, dann folgt ein Gedicht (woher und warum auch immer), und in einer Art von Sprachebenensprung eine globale Wertung, daß alles "gesagt" sei. Aber warum folgt dem Zirpen der Grille ein Gedicht? Sind das nicht Worte zuviel? Ist nicht mit dem Zirpen der Grille schon alles gesagt?
Oder, Alternative: Ein Nachsetzen, Hint-an-setzen des Gedichtes nach dem Zirpen. Dann wäre es nicht das Gedicht, mit dem alles gesagt wäre, sondern die globale Wertung, die das Gedicht dem Zirpen nachordnet. Aber das ist gewiß nicht das erste Verständnis, das dem lesenden Sinn in den Sinn kommt, sondern ein verborgenes, untergründiges.
Es ist aber vielleicht stirnerunzlig, einem Haiku einen Untergrund unterzuschieben, und diesen auch noch aus einer reflektierenden Warte, die im Widerspruch dazu steht, "unmittelbar ins Herz zu zielen", also zum Zen-Charakter des Haikus.
Denke ich.
Das heißt: das Grillenzirpen müßte allein da stehen, es müßte damit alles gesagt sein, ohne daß das extra gesagt werden würde. Natürlich dürfte dem kein Gedicht noch nachfolgen, sondern das Zirpen selbst müßte in seiner allessagenden Poesie sich aussprechen. Wie das Wasserklatschen des Frosches und das Blütenabraufen des Pferdes usw.
(Deshalb bin ich ja auch bei meinen vier Haikus (hier in der Nähe) nicht sicher, ob sie "richtig" sind. Ich spiele ja mit symbolisch verstehbaren Metapherwörtern, schließe das reflektierende Verständnis also nicht so aus, wie es bei einem Haiku sein müßte. Aber wen interessiert das schon. Die Haiku-Diskussion findet sich da jedenfalls nicht. Seis drum.)
Auf jeden Fall "ist es haiku", mit dem Grillenzirpen "alles gesagt" sein zu lassen. Das würde ich hier nicht verlieren wollen.
grusz, hansz