Klein-Biene aus dem Katalog

Wittelsbach

Mitglied
Klaus, 17 Jahre alt, mit seinen Schwestern im Katalonienweg
Da ich in vielen Tagebucheinträgen auch meine eigenen Lieder erwähne, hier der Link:
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Klein Biene auf dem Katalog
24.06.1975
„Onkel Klaus sagt, ich bin aus Katalog!“ beschwerte sich Biene, während die anderen Schwestern laut Stühle rückend Platz nahmen.
„Du glückliche! Damit unterscheidest du dich von allen anderen hier!“ Ich schnitt meinen Stuten etwas dicker ab, was keiner der Bälger bemerkte, da sie immer noch mit dem Verstauen der Hinterläufe unterm Stuhl beschäftigt waren. Meine Mutter hantierte mit dem Wasserkessel.
Ich verteilte die Brotschnitten und zog die Butterdose in meine Richtung, auch wenn das Buttermesser noch nicht zu sehen war. Man könnte eigentlich auch mal ein zweites Buttermesser ins Spiel bringen. Aber nein, dann maulten die Schwestern, sie hätten noch mehr abzuwaschen. Ob ich mich nicht auch am Abwasch beteiligen könnte.
Ein- oder zweimal im Jahr kommt dieses leidige Thema auf den Tisch, auf den Küchentisch. Ein Mann sollte auch Geschirr abwaschen!
Natürlich nicht, erkläre ich der Brut bei jedem Aufbegehren in ruhig gesetzten Worten. Sobald ein Mann die Spülbürste zu Händen nimmt, mutiert er zu einer Frau. Bei jedem Abwasch etwas mehr, bis ich dann auch nur eine von vielen Schwestern wäre.
„Einen Namen hätten wir schon für dich!“ hatte die freche Schwester Christiane bei der letzten Diskussion dieser Art geantwortet. „Die fesche Claudia! Sag Bescheid, wenn es soweit ist. Äußerlich sieht man bei dir ja jetzt schon keinen Unterschied!“
Ach, wäre das schön, nur Brüder als Geschwister zu haben! Oder ein umsorgtes Einzelkind zu sein!
Besser also, ich fragte nicht nach einem zweiten Buttermesser. Dafür zog ich den Quelle-Katalog zu mir her und blätterte ihn auf.
„Auf diesen Seiten sind die Kinder. Mal schauen, ob ich dich hier finde, Biene! Oh, – ich glaube dein Model hat man entfernt. Hatte wohl zu viele Fehler. Sonst hätten wir dich nochmal bestellt und du hättest einen Zwilling.“
Biene schaute mich fragend an.
„Ein Zwilling ist ein Mensch, der genauso aussieht wie du. Der sich genauso bewegt wie du und genau zur gleichen Zeit die gleichen Worte sagt wie du!“
„Was erzählst du wieder für einen Schwachsinn, Klaus.“
„Biene, wenn es dich hier am Tisch doppelt gibt, und deine Zwillingsschwester haut ihre Kaffeetasse um, weiß keiner wer das wirklich war. Weil die Schwester ja genauso aussieht wie du. Man weiß also nicht, ob das Biene oder Bohne war. Und keiner von euch beiden bekommt Taschengeld-Entzug!“
„Sabine bekommt noch kein Taschengeld!“ informierte uns meine Mutter.
„Will auch eine Bohne haben!“ sagte Biene und ließ ihre Ratte hin und her laufen.
Ich blätterte weiter nach hinten. Hier waren scharfe, junge, willige Bräute in Bikinis abgebildet. Dessous nannte sich der Fummel, kannte man ja von Janet. Etwas Schmerzhaftes zuckte bei diesem Namen durch meine Brust. Schnell stellte ich den Katalog hochkant hin, mit dem Rücken zu mir. „Und hier seht ihr meine nächste Freundin. Welche nehmen wir?“ Alle schauten sich aufmerksam die Abbildungen an. Selbst mein alter Herr ließ die Zeitung etwas herab sinken.
„Die sieht ganz nett aus.“ Monika zeigte mit dem Buttermesser auf ein Model mit nackenlangen Haaren.
„Die Haare sind viel zu kurz!“ Ich schüttelte den Kopf. „Und es gibt nur ein Bild von ihr. Man sieht nicht ihren Popo. Wahrscheinlich ist der zu flach!“
„Klaus!“ sagte meine Mutter, während sie das heiße Wasser abwechselnd in die Kathreiner’s Kneipp-Malzkaffee-Kanne und dem Eduscho – Kaffeefilter laufen ließ.
„Das hier ist ein feuriges Dingelchen!“ Ich zeigte auf eine langbeinige Blondine mit langen geringelten Haaren. „Hier ist auch ein Photo von dem Bikini-Unterteil über ihren straffen, runden Popo.“ Vater linste wieder über seinen Zeitungsrand.
„Dieses Mädchen namens Bustier Provence wird demnächst hier mit am Tisch sitzen. Könnt ihr dahinten schon mal zusammen rücken. Und die dumme Strickliesel kommt auch weg! Am Namen müssen wir aber noch etwas drehen!“
„Nenn sie doch BH wie Geha.“ schlug die strunzdumme Schwester Christiane vor.
„In ein paar Jahren, – in ein paar vielen Jahren werden wir auch für dich einen Herzensjungen bei Quelle ordern!“ versprach ich ihr.
„Oder wir nennen sie Sweet Round Popo!“ sagte Ulrike, um auch etwas zur Unterhaltung beizutragen.
„Oder Barbie-Puppe!“ meinte Schwester Katharina, die sich schon immer vergeblich eine dieser nichtssagenden Plastikpuppen gewünscht hatte.
„Oder Wilde Fantasie!“ sage mein Vater. Wir waren alle ganz still und schauten erschrocken in seine Richtung. Aber die Zeitung war schon wieder hochgezogen. Meine Mutter grinste hingegen vergnügt. Widerlich, wenn man sich irgendwie vorstellte, wie sich erwachsene Eltern auf irgendeine Weise im Bett begegnen könnten. Jetzt ein Lindener Spezial würde meine Nerven beruhigen.
„Oder Ratte!“ schlug Biene vor.
Ich strich dem verwirrten Kleinkind über den Kopf! „Dann hätten wir ja zwei Ratten am Tisch!“
„Ja, Zwillinge!“ krähte der Zwerg.
 



 
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