kleines gebet zum sonntag

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O

orlando

Gast
Dem stimme ich gern (noch einmal) zu.
Vor Ausbruch des grünlichen Neo-Realismus gab es viel mehr formal und inhaltlich originelle Werke im Forum. Unica überzeugte mich in dieser Hinsicht eigentlich immer.
Denn: Früher war alles besser. Man musste auch nicht dauernd von "früher" reden. ;)
Liebe Grüße
HeidrunDorlando8verzwergt
 
F

Fettauge

Gast
Auf dass mich alle abscheulich finden: Ich finde den Text derartig banal, mainstreamgerecht und unausgereift, dass ich es überflüssig finde, noch ein weiteres Wort zu verlieren. Die Begeisterung aber verwundert mich nicht im geringsten.

Fettauge
 

Walther

Mitglied
lb fettauge,

warum wundert mich dein statement nicht?

mußtest du dein häufchen setzen, weil man deine wunderbaren fähigkeiten nicht nachhaltig genug estimiert? weil man deine larmoyanz nicht beifallspendend goutiert? weil man deine instrumentalisierung von sprache und form für einen irgendwie gearteten inhalt nicht unablässig bejubelt?

ich finde, daß man ein gutes gedicht gut nennen darf. und ich finde auch, daß man trauer tragen darf, wenn jemand sein talent verschwendet. und letztens finde ich, daß du mal an dir arbeiten solltest.

und zwar in jeder hinsicht. und das war so herablassend gemeint wie dein statement.

lg w.
 
F

Fettauge

Gast
Walther, man sollte immer vermeiden, von sich selbst auf andere zu schließen. Dieser Text ist ein Paradebeispiel für die gegenwärtig rasant um sich greifende Irrationalität auf allen Gebieten des Lebens, nicht nur der Lyrik, die sich in sie aber ungehemmt einpasst. Ich habe wohl zuviel von diesem Zeugs gelesen und gehört, als dass ich hier auch nur den Anflug von Originalität oder Einfallsreichtum entdecken könnte. Dass du aber glaubst, du müsstest mir Ratschläge erteilen - meinst du nicht auch, dass das etwas kühn ist? Um nicht zu sagen: ungezogen?

Fettauge
 

unica

Mitglied
warum schreibe ich (du, er, sie) ein gedicht? wohl nicht um der rationalen welt etwas rationales hinzuzufügen. dennoch, der ton und die form sind wichtig, um etwas hörbarer zu sein. das gilt für alles geschriebene, auch für kommentare.
 
D

Dominik Klama

Gast
Öhm... Wie lief die Diskussion denn dann weiter? Ist man inzwischen zu der "Werk-des-Monats"-Richtlinie gelangt, wonach dieses nur noch von Autoren stammen darf, die mindestens drei Jahre nichts Neues mehr veröffentlicht haben?

Zum Text an sich:
Find ihn voll gut.

"Lieber Gott, du schaust" muss allerdings ziemlich österreichisch-bayerisch sein, ansonsten hieße es eher "Lieber Gott, du siehst".
 
F

Fettauge

Gast
Da ich aufgefordert wurde, zum Vorschlag, diesen Text zum Text des Monats zu krönen, verweise ich auf meinen Kommentar, den ich dahingehend erweitern möchte:

Der Text beruft sich schon im Titel auf Irrationales, nämlich auf ein Gebet, verweist also darauf, dass er bemüht ist, christliches Gedankengut, wenn man so sagen will, in die Literatur als Selbstverständlichkeit einzufügen - auch wenn das die Autorin vielleicht gar nicht beabsichtigt oder bemerkt haben sollte. Religiöses gehört in die Kirche.

Der Text selbst hat kleine sprachliche Reize, zum Beispiel das Wortspiel zwei - entzwei, ansonsten aber sehe ich keinerlei Anlass, ihn als beispielhaft für einen guten Text hinzustellen. Das Ich schwelgt im Wunsch, etwas zu bekommen, etwas haben zu wollen. Darin liegt der Text natürlich voll im Trend des gegenwärtigen Mainstreams, und das geht so weit, dass das Ich nicht nur materielle Dinge besitzen will, sondern sogar Menschen, einen Arbeiter, einen Koch, einen Dichter. Ich will ja nicht gerade von dem Wunsch nach Wiedereinführung der Sklaverei reden, das wäre nun wirklich zu hoch gegriffen, eröffnet aber nichtsdestotrotz Einblicke in das ziemlich blasierte Haben-Denken der Autorin. Ich würde den Text nur dann akzeptieren, wenn er sich selbst "auf die Schippe" nehmen würde.

Sprachlich tändelt der Text zwischen Schlafzimmer und Schulhof, nicht sehr gekonnt, die Sprache bleibt an der Oberfläche, wenig bis gar nicht geformt, Bemerkenswertes kann ich nicht feststellen.

Aber vielleicht sind all die Dinge, die mir aufstoßen an diesem Text, genau die, die hier allgemein gefallen und für beispielhafte Literatur gehalten werden.

Ein Gegenvorschlag: Seht euch doch mal die Texte vom Lupenleser an, der Verse schreibt, die neben dem Geschüttelten auch ganz nebenbei sehr gekonnt auf die menschliche Natur eingehen. Hinter dieser Leistung würde ich stehen, da hättet ihr meine volle Zustimmung, nicht aber für das "Kleine Gebet zum Sonntag".

Fettauge
 
D

Die Dohle

Gast
hahahaha ...
aber bitte, bilde sich doch bitte keine/r ein zu wissen, weshalb wofür wogegen da gelacht wird.
im übrigen, lachen ist gesund. köstlich, und niesen muß ich auch.
das sag ich, die dohle ;-)

liebe grüße
 
D

Dominik Klama

Gast
Sklavenbesitz wäre ja ganz okay. Aber Fettauge möchte ich als Sklaven nicht besitzen müssen, das würde mir dann doch etwas zu anstregend.
 

John Wein

Mitglied
Hallo Unica, hallo werte Kommentatorenschaft,

Also, mir erschließt sich auch nicht, was diesen Text zum Werk des Monat qualifizieren soll.
Toll und ansprechend mag er vielleicht sein und von mir aus auch künstlerisch in seiner Mitte abgehoben und mit Finesse in Szene gesetzt. Die Doppelbödigkeit suche ich noch und das Hörbare oder besser das Klingende und die wichtige Form in der Mitte.
Aber ich gestehe freimütig, dass ich auch nicht modern künstlerische Art des Formulierens durchschaue. Ich habe auch nur begrenzte Fähigkeiten zu unterscheiden was und was nicht in der Richtung en Vogue ist, um mir ein ein einigermaßen qualifiziertes Urteil bilden zu können, geschweige denn die Fähigkeit zu besitzen, ein eventuelles Fehlurteil der sachkundigen Kommentatoren Gilde zu wiederlegen.
Vielleicht kenne ganz einfach gesagt nicht die Autorin persönlich, wahrscheinlich käme ich dann auch zu einem anderen Ergebnis.
J.W.
 
D

Die Dohle

Gast
nelson mandela ist friedennobelpreisträger
und
barak obama ist friedensnobelpreisträger.

so ist das mit auszeichnungen. es ist die in die welt getragene subjektivität einer wie auch immer installierten deutungshoheit.
ich meine das keineswegs abfällig.
es ist legitim, den bezogenen text hier gut zu finden. soweit ich die kriterien für das WdM kapiert habe, ist es legitim, dem dieses zu verleihen. dramatisch und gefährlich wird es, wenn der text exemplarisch zu dem kriterium erhoben wird, was lyrik sei und wie lyrik ausschließlich daherzukommen habe.

also, sehr subjektiv:
mir gefällt der hier besprochene text, wortgefüge, bilder, usw. erreichen meine vorstellung von humor. und mein name ist nicht allmächt. es ist nicht notwendig, sich zu zwingen, meiner sicht hinterherzudackeln. falls aber noch wer diesen text ähnlich wie ich betrachtet, dann wird mich das nicht in eine tiefe depression stürzen, sowenig, wie die möglichkeit, dass dieser text jemand überhaupt nicht anspricht.

er ist gesund, schön und in ordnung, dieser umstand. weil wir alle dann so viele unterschiedliche sichten in die welt kennen lernen werden, wie es autoren gibt. jedenfalls wünsch ich mir das. über die qualitäten der dargebrachten form, über die streiten wir dann bei einem guten glas wein. respektvoll und wenn´s irgend geht mit humor ...

lg
die dohle
 
D

Dominik Klama

Gast
WdM Februar: „kleines gebet zum sonntag“ von unica, letzte Neuerscheinung Februar 2014
Entschuldigung, ich hatte übersehen, dass es auch einen neuen Text von ihr gab, der sonst letzte kam von November 2011.

Außerdem sieht es so aus:
WdM Januar: „Mütterlich“ von Herbstblatt, letzte Neuerscheinung Januar 2010
WdM Dezember: „Julia“ von DarkskiesOne, letzte Neuerscheinung Oktober 2004
WdM November: „Rückblick“ von achras, bisher nur dieses Werk, Oktober 2013
WdM Oktober: „Schatten“ von presque_rien, letzte Neuerscheinung Februar 2012
WdM September: „Der Weg zum Friedhof“ von Hagen, letzte Neuerscheinung Februar 2014
WdM August: „das flüstern ist ein leises“ von Walther, letzte Neuerscheinung Februar 2014
WdM Juli: „Olga Kurylenko“ von Tammuz, letzte Neuerscheinung September 2013
WdM Juni: „Am Klavier“ von Andere Dimensionen, letzte Neuerscheinung Januar 2014
WdM Mai: „Die Tulpe“ von Claudianne, letzte Neuerscheinung November 2013
WdM April: „DIN“ von R. Herder, letzte Neuerscheinung Oktober 2010
WdM März: „Ypsilons Schwester“ von Dr. Time, letzte Neuerscheinung April 2013
WdM Februar: „Haushaltshilfen“ von huwawa, letzte Neuerscheinung Februar 2013
WdM Januar: „Die Stringtheorie“ von Ironbiber, letzte Neuerscheinung Januar 2014

Auch hier also muss ich meinen Eindruck revidieren und relativieren. Es ist keine Wahrheit, es ist eher „gefühlte“ Wahrheit gewesen. Mehrfach ist man bei WdM auf Mitglieder gestoßen, von denen man noch nie was gehört hatte. Dann das Profil nachgeschaut und öfter stellte sich raus, dass die Leute seit Jahren schon nicht mehr mit von der Partie waren.
Allerdings habe ich grundsätzlich gar nichts gegen eine gewisse Quote solcher WdMs, ich finde das (auch) eine Aufgabe von WdM, an in Vergessenheit geratene Autoren und Texte zu erinnern. Und, wenn man es wie in den Fällen Tammuz oder achras, Autoren nominiert, die noch nicht besonders lange dabei sind und nicht gerade viele Texte vorzuweisen haben, finde ich das auch okay, zeugt es doch von einem gewissen Mut, sich sichtbar und unabgesichert auf die Seite einer „neuen Hoffnung“ zu stellen.
Allerdings ist schon auch eine leichte Tendenz zum Kartelleichen-Prämieren nicht zu übersehen. Über die Hälfte hat nichts mehr eingestellt im letzten Vierteljahr.


Wenn ich sagen sollte, warum mich der Unica-Text anspricht: Wegen seiner Schnoddrigkeit, Hingeworfenheit, Unernste. (Womit er ganz anders ist als das Meiste, was es von ihr sonst hier zu lesen gibt.) Es kommt etwas Leichtes, Schaumiges daher - und ist doch auch mit einem gewissen Gewicht versehen.

Es ist ein klassischer Topos, diese verschmitzten kleinen Zwiesprachen mit dem Herrgott. Der immer ein Lieber ist in diesem Fall, welcher einen lieb hat, darum kann man sich was wünschen von ihm.

Der liebe Gott sieht alles“. Vielleicht kennen Sie diesen Satz aus Ihrer Kindheit. „Sei brav, denn der liebe Gott sieht alles“. Jesus selbst spricht vom Vater, der das Verborgene sieht.
http://www.alt-katholisch.de/fileadmin/red_ak/CH-Archiv/arc_09/9-3-3.htm

Gelegentlich stiehlt, wie auch in dieses Gedicht, sich ein wenig Erschöpfung ins Wünschen ein:
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren lass die Winde los. Befiehl den letzten Früchten voll zu sein; gib ihnen noch zwei südlichere Tage
http://www.rilke.de/gedichte/herbsttag.htm

Es ist sowohl komisch wie bedenkenswert, wenn man sich für die Zwiesprache eine Katze, keinen Mann, wünscht, einäugig, ein Spiel mit Zwiesprache, während man „fürs Intime“ einen ungewaschenen Arbeiter möchte. An der Stelle unterbrach ich die Lektüre und klickte ins Dichterprofil, wer ist die denn, stand aber nicht dort. Kann den ungewaschenen Arbeiter jedenfalls einigermaßen nachvollziehen. Aber, typischer Zweispalt jeder Schriftstellerexistenz, das platt Vitale reicht nicht hin, es muss auch „das Innige“ sein - daher die Dichter auch noch. Und „das Künstlerische“ besorgen uns die verschrobenen Aufschneider. Das ist keine Fragmentierung von Menschen nach ihrer Verwendungsfähigkeit, das ist einfach so, da schaue man sich einen Jonathan Meese, Joseph Beuys oder Anselm Kiefer an!

Die blinkende Madonna.
Klasse Bild! Muss man erst mal finden. An was es ursprünglich gemahnte, weiß nur, die es geschrieben hat, bestimmt was ganz anderes, aber ich biete an:
As human gods aim for their mark
Made everything from toy guns that spark
To flesh-colored christs that glow in the dark
It's easy to see without looking too far
That not much
Is really sacred.
http://www.lyricsfreak.com/b/bob+dylan/its+alright+ma_10043088.html

Was die Vorteile eines alten Saabs sind, kann ich als Nicht-Autofahrer nicht erahnen, aber, wie ja auch gesehen wurde, man kann es nicht lesen, ohne an Janis Joplin zu denken. Das ist doch auch was: Spiel zwischen lyrischen Texten, Spiel mit Zitaten und Anspielungen. Es gibt einen Unterschied zwischen Klauen und Rüberwinken.
Oh lord won't you buy me a Mercedes Benz.
My friends all drive Porsches, I must make amends.
Worked hard all my lifetime, no help from my friends.
So oh lord won't you buy me a Mercedes Benz.
http://www.lyricsfreak.com/j/janis+joplin/mercedes+benz_20069845.html
Schlechte Lyrik ist das durchaus nicht gewesen, da wiederspreche ich entschieden.

Einfallsreich ist der Satzanfang mit den gewetzten Messer. Wen will sie massakrieren, fragt man sich, dann stellt sich raus, dass sie einen guten Koch braucht, der es besser kann als sie selbst.

Es gibt natürlich schon mindestens ein Gedicht, das mit „Lieber Gott“ anfängt:
Lieber Gott, gib doch zu,
dass ich klüger bin als Du.
Und nun nimm doch endlich hin,
dass ich was besondres bin.
So, und nun preise meinen Namen,
denn sonst setzt es was. Amen!
Das wurde von Otto Waalkes vorgetragen bekannt, ausgedacht hatte es sich Robert Gernhardt.
http://www.releaselyrics.com/eac9/otto-waalkes-das-gebet/

Und es gibt, wie ja immer, ein passendes Goethegedicht, nämlich eines mit „Eins und Alles“ im Titel, das uns erzählt, dass es nicht gut ist, Forderungen zu stellen:
Eins und Alles

Im Grenzenlosen sich zu finden,
Wird gern der Einzelne verschwinden,
Da löst sich aller Überdruß;
Statt heißem Wünschen, wildem Wollen,
Statt läst'gem Fordern, strengem Sollen
Sich aufzugeben ist Genuß.

Weltseele, komm' uns zu durchdringen!
Dann mit dem Weltgeist selbst zu ringen
Wird unsrer Kräfte Hochberuf.
Teilnehmend führen gute Geister,
Gelinde leitend, höchste Meister,
Zu dem, der alles schafft und schuf.

Und umzuschaffen das Geschaffne,
Damit sich's nicht zum Starren waffne,
Wirkt ewiges lebend'ges Tun.
Und was nicht war, nun will es werden
Zu reinen Sonnen, farbigen Erden,
In keinem Falle darf es ruhn.

Es soll sich regen, schaffend handeln,
Erst sich gestalten, dann verwandeln;
Nur scheinbar steht's Momente still.
Das Ewige regt sich fort in allen:
Denn alles muß in Nichts zerfallen,
Wenn es im Sein beharren will.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ich lese es nach längerer Zeit heute wieder - es ist toll! Ich bin hellauf begeistert.
 

Vessel

Mitglied
ich finde das in seinem unverhohlenem zynismus irgendwie schwach. etwas subtiler wäre schön. auch wenn ich hier zu neu bin, um zu wissen, was dieser "text des monats"-stempel genau bedeutet oder wie er vergeben wird, so hat er mich doch auf den text aufmerksam gemacht.
 

Nil

Mitglied
Das erste, was ich dachte war: Das ist naiv. Und genau so ist es wohl auch gemeint und das meine ich nicht abwertend.
Da will jemand alles haben, weil er Angst davor hat, etwas zu verlieren.
Denn eins und eins ist viel zu schnell entzwei und Gott soll einem das ermöglichen. Überhaupt soll die höhere Instanz für alles hinhalten.
Jedenfalls hab ich es so verstanden. Und die letzte Zeile fand ich echt komisch…

Eine Sache wäre aber noch, damit ich auch mal was konstruktives von mir gebe: Am Anfang würde ich "schaust doch alles" zusammenziehen und in eine Verszeile packen. So lässt es sich für mich besser lesen.

Lg,
Nil
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ja, das ist die Leselupe.
"unverhohlener Zynismus" - "naiv" - -
Hier tummeln sich die Gedichtehasser.

Nein, es hat sich nicht gelohnt, hier wieder reinzuschauen. Die Dichterin dieses frischen Liedes schreibt ja nicht weiter für die Lupa, und die hinterhergekommenen Kommentatoren schreiben nur [strike]Stuss und stercus[/strike]...
 



 
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