Knapp entkommen
„Nun sträub‘ dich nicht so.“
Die beiden Schergen des Königs fassten mich unter die Arme. Meine Füße wurden über den Boden geschleift bis zur Treppe des Galgens. Der König und eine Frau standen auf der Balustrade, um das Schauspiel zu beobachten. Sie stritten. Wortfetzen wehten über den Wind zu mir herüber:...“ein Dieb hängen?“ schimpfte der König, . „...Gesetz...“ antwortete die Frau. „ .....Rechthaberin....“
Unter und vor mir standen mindestens zwanzig Leute, die den Streit des Königs nicht beachteten. Sie reckten die Hälse, um jede Einzelheit meines Kampfes mitzubekommen. Ich machte mich so schwer wie möglich, und hakte mein linkes Bein um einen Pfosten des Galgengerüstes. Während der eine Soldat mich keuchend zog, drückte der andere schwer atmend. Der Henker kam ihnen zu Hilfe und das gab den Ausschlag. Von oben fasste der Henker um meine Arme, der Soldat unten bog mein Bein um den Pfosten zurück und sie hievten mich zu Dritt auf das Gerüst.
Meine Gedanken rasten. Wenn ich je in meinem Leben eine gute Idee brauchte, dann jetzt, aber natürlich fiel mir nichts ein. Der Henker und die beiden Schergen stellten mich unter dem Galgen, der Henker legte mir die Schlinge um meinen Hals. Ich holte tief Atem und spreizte die Nackenmuskeln, als ob das helfen könnte. Die Soldaten machten, dass sie vom Galgen herunterkamen, als wäre er ihnen unheimlich. Der Henker zog mit einem Ruck am Seil, wobei er das Seil genau beobachtete, es war schon brüchig. Ich gurgelte und schnappte nach Luft. Die Zuschauer jubelten. Was der König tat, konnte ich nicht sehen. Ein merkwürdiges Gefühl zog mir am Rückgrat hoch. War das jetzt das Ende? Das Seil, ein uraltes, schabte mir den Hals wund. „Mensch Henker, willst du mich zerschneiden oder hängen?“ knurrte ich. Nie einen dummen Witz auslassen, auch wenn die Lage noch so verzweifelt ist!
Der Henker nahm mich ernst. Er zog wütend die Schlinge enger. „Halt den Mund, ich konnte kein neueres Seil finden. Ich werd dich schnell und ohne Umschweife hängen. Was willst du mehr vom Leben? Willst du, das ich meine Arbeit verliere?“ Ich japste nach Luft, der Henker wollte mir das Tuch überziehen, ich japste, sprudelte „M.rd“, „M.rdpl.n“. Die Menge hielt die Luft an. Der König rief: „Was?“
Der Henker stülpte mir das Tuch über, alles wurde schwarz. Ich bekam keinen Ton mehr raus. „Halt,“ hörte ich die hohe sich überschlagende Stimme des Königs. Der Henker hörte nicht, er wollte mich endlich hängen und schob mich über die Klappe. „Halt ein, Henker!“ Der Henker band ungerührt die Gewichte um meine Füße, die mich nach unten ziehen sollten.
„Wache!“, schrie der König, „los ihr Schlafmützen, haltet ihn auf!“ Ich hörte die Schritte der alten Soldaten langsam das Holzgerüst heraufpoltern, der Henker stieß mich über die Klappe, und ich hing da. Freischwebend über der Erde, gehalten von einem Strick um meinen Hals, mir wurde rot vor Augen. Meine Füße hatte er zusammengebunden, aber die Gewichte nicht mehr befestigen können, ich röchelte, während der Henker mit den Schergen rang, wie ich an den Geräuschen hörte. Dann wurde mir schwarz vor Augen.
Als ich die Augen öffnete, beugte sich der König und sein Bruder über mich. Ich lag mit dem Rücken auf dem Boden des Henkergerüstes. An einem Pfahl lehnte der Henker, genau wie ich, an Händen und Füßen gebunden.
„Sagtest du Mordplan?“ der König trat aufgeregt von einem Bein aufs andere.
„Herr, ihr hattet richtig erkannt, dass ich nicht nur beabsichtigte, Schmuck und Edelsteine zu stehlen, als ich in euren Palast eindrang!“
Ich hatte keine Ahnung, dass diese Bruchbude ein königliches Schloß war. Als ich nachts die Stadt erreichte, hatte ich Hunger wie ein Bär. Deshalb war ich das erste größere Haus eingebrochen. Verdammt, ich konnte doch nicht damit rechnen, dass es so gut bewacht wurde. Hunger. Deshalb hatte ich das erste Gebot eines reisenden Diebes, \'Sehe dich vorher genau um\', gebrochen.
Das würde ich nie wieder tun. So oder so.
„So, was wolltet ihr denn in meinem Schloß?“ der lodernde Blick des Königs sagte mir, dass hier etwas los war, von dem ich nicht wußte. Die Schwester hatte einen roten Kopf und wischte mit einem Taschentuch ihren Schweiß von der Stirn.
„Ihr solltet ermordet werden.“
Der König prallte nicht zurück, wie ich erwartet hätte, noch schrie er \"Unsinn\" oder lachte mich aus. Er hob den Kopf, als wollte er „Aha“ sagen.
„Ich befehle euch, sagt mir von wem!“
Ich hüpfte mit meinen gebundenen Füßen zu der Frau, mit dem der König sich so interessiert unterhalten hatte und warf mich vor ihr auf den Bauch:
„Verzeiht, Herrin, ich hatte bei den Augen meiner Kinder geschworen, euch nicht zu verraten.
Aber ihr seht, die Not zwingt mich.“
Die Frau bekam vor Schreck kein Wort heraus.
„Du, meine Schwester, wolltest meinen Tod?“ schrie der König.
„Nie im Leben, beim Augenlicht unserer Mutter...
„Lass‘ unsere Mutter aus dem Spiel. Bindet sie und knebelt sie! Ich habe mir ihr verlogenes Getue schon lange genug angehört. “
„So“, er wandte sich zu mir um, „du wolltet mich also umbringen.“
„Nein, Herr,“ schrie ich in höchster Not und versuchte, die Fußfesseln abzustreifen. „Ich sollte doch nur das Schloßtor öffnen, um den Mörder einzulassen.“
„Und wer soll denn der Mörder sein?“
„Ein Mann, der schon häufiger getötet hat, mein König, ein Mann, der Übung darin hat.“
Die Soldaten sanken auf die Knie:
„Gnade Herr,“ riefen sie gleichzeitig.
„Ja wer denn, so redet in Teufels Namen!“
„Der Mann, der mir das Maul stopfen wollte, bevor ich gestehen konnte.“
Der Henker protestierte „ Nein, Herr, ich ....
„Knebelt ihn!“ brüllte ich die beiden Schergen an.
Irritiert gab ihnen der König ein Tuch, und sie stopften es ihm schneller ins Maul, als ich es ihrem Alter zugetraut hätte, ehe der Henker noch ein „ich kenne den Mann gar nicht“ rufen konnte, und banden um den Mund ein zweites Tuch.
„Um was wolltet ihr mich um Gnade bitten?“ fragte der König, sich am Kopf kratzend, die Schergen.
Beide Schergen drucksten des Redens ungeübt, hin und her.
„Weil....weil wir in der Nacht nicht genügend aufgepaßt haben.“
„Ach ja, daran hatte ich noch nicht gedacht. Eure Strafe kriegt ihr später.
Der König wandte sich mir zu.
„Ich weiß nicht recht, ob ich dir grollen oder danken soll,“ der König kratzte sich am spärlichen Haar,
„du hast mir das Leben gerettet, zuvor hast du mitgeholfen, es zu nehmen.“
Ich schluckte.
„ Es wird heute noch genug gestorben,“ er wandte sich der Menge zu, „meine Untertanen sollen nicht umsonst gewartet haben.“ Die Menge lachte und klatschte.
Ich atmete erleichtert auf und kam auf die Beine. Ein Dieb muß aufstehen können, auch wenn Arme und Beine gefesselt sind.
„König, gebt mir eine Arbeit, ich möchte mich nützlich machen.“
„Was kannst du denn?“
„Henken.“
„Mir ist durchaus aufgefallen, dass bald eine Stelle frei wird. Hast du das gelernt?“
„ Gerade vor ein paar Minuten.“
Der König und die Menge lachte.
„Nehmt ihn, der ist witzig,“ rief einer aus der Menge und andere fielen ein.
„Ihr habt sofort Arbeit. Einen Richter haben wir nicht. Das mache ich. Das ist billiger.
Bezahlen tue ich auch nicht. Ihr müßt euch schon bei den Gehängten bedienen. Und da habt ihr einen schon einen fetten Fisch. Er deutete mit dem Kinn auf seine Schwester.
Euch gehört alles, was sie am Leibe trägt. Tut euer Werk. Aber wartet, bis ich oben auf der Balustrade bin, und eine Decke auf meine Knie gelegt habe. Es ist so kühl heute.“
Der König wetzte in sein Schloß.
„Helft mir,“ sagte ich zu den Schergen und blickte auf meine Fesseln. Beide befreiten mich davon.
„Woher habt ihr alles gewußt, vor allem das mit uns?“, fragte mich der Ältere der beiden leise.
„Ein Dieb muß alles wissen. Nun helft mir bei der Arbeit.“ Beide rührten sich nicht. Ich faßte in die Hosentasche der sich windenden Schwester und holte ihren Geldbeutel heraus. Er war schwer und so voll, dass die Goldstücke nur dumpfe Geräusche machte.
„Wie kann eine so zarte Person nur einen so schweren Geldbeutel schleppen?“
Ich warf jedem der beiden Soldaten ein Goldstück zu. „Oder wollt ihr selbst den Strick spüren?“
Was nun besser half, das Goldstück oder die Drohung, jeden falls halfen sie mir, den beiden den Strick um den Hals zu legen, und sie in Position zu stellen.
„Ihr bekommt statt einer Hängung sogar zwei,“ rief ich der Menge zu. Die Menge applaudierte. Der König hatte es sich auf der Balustrade bequem gemacht, mit einem hohen Stuhl, eine dicke Decke über die Knie und winkte mir, ich solle anfangen.
Ich öffnete die Klappe mir einem Hebel, die Schwester wand sich noch ein wenig, rutschte nicht glatt durch die Öffnung, na ja, ich war ja noch neu.
Der Henker, Pardon, ehemalige Henker drehte und wand sich.
„Du bist kein Vorbild.\"
Laut rief ich: \"Was beschwerst du dich über den alten Strick?, wenn er für mich gut war, dann ist er es für dich allemal.“
Die Leute applaudierten wieder.
Ich winkte ihnen zu. Wir würden noch viel Freude miteinander haben.