*** Knasttagebuch Teil 1 ***

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spiderberlin

Mitglied
...um 6 Uhr wecken, alles ist wie immer. Frühstück wie gewohnt. Um 8 Uhr kommt mein "Lieblingsschließer". Wir haben uns schon gegenseitig ins Herz katapultiert, zumindest so weit, das mich bei seinem Anblick keine Übelkeit überkommt.

Nach drei Monaten darf ich mal wieder meine ganz normalen zivilen Klamotten tragen. Da habe ich mich aber richtig fein gemacht für meine Gerichtsverhandlung.

Endlose Gänge an derem Ausgang mir die Knebelkette ums
Handgelenk geschnallt wurde. Meinem Freund machte es offensichtlich Spaß mir mein Ärmchen damit so einzuschnüren das mir fast die Luft wegblieb.

Es war nur ein kurzer Weg den ich durch ca.20 Meter Freiheit zurücklegen mußte.

Ein neutralgraues Auto vom typ "Barkas" erwartet mich, äußerlich nicht zu unterscheiden von "normalen" Autos des gleichen Typs.

Knebelkette ab und Handschellen um. Eingepfercht in eine von wie ich glaube 6 kleinen Zellen die meinen Beinen kaum Raum lassen. Ein Fenster gibt es nicht.

Der harte Stahl wurde wie aus Prostest extra fest umgelegt und läßt meine Hände in allen Farben schimmern.

Die Fahrt dauert nicht lange, wie lange kann ich nicht sagen, eine Uhr habe ich schon seit drei Monaten nicht mehr.

Aussteigen, und ich sehe vor mir das Gebäude des Kreisgerichtes Leipzig. Ich hatte früher mal ein anderes Gefühl davon als ich im "normalen" Leben" daran recht gedankenlos vorbei ging.

Jetzt wird dieses Gebäude darüber entscheiden für wie lange ich kein "normales Leben" mehr führen darf.

Handschellen ab und rein in den Gerichtssaal. Mein Anwalt, ein Unteranwalt der Spitzengröße für Freikäufe ins andere Deutschland schlechthin, führte noch ein kurzes Gespräch mit mir. Ich sah ihn in den vergangenen 3 Monaten auch nur drei mal. Für ihn Routine, für mich lebensbestimmend.

Meine lieben Kollegen sind auch erschienen. Haben sich recht positiv zu mir und meiner Person geäußert. Alles war eine Farce und wirkte wie abgekartet.

Nach meiner Äußerung das ich in keinster Weise vorhabe diesen Staat weiterhin mit meiner Anwesenheit zu belästigen forderte die Staatsanwältin zwei Jahre Haft.

Sie ist ziemlich ausgerastet, worüber ich dann doch grinsen mußte. Ich hatte doch eh nichts mehr zu verlieren.

Bei meinem Verteidiger hatte ich den Eindruck als wenn ich für ihn der Angeklagte wäre den er auch noch auf seine Missetat hinweisen muß, das es doch nun wirklich nicht rechtens ist die Deutsche Demokratische Republik auf ungesetzlichem Wege zu verlassen.

Nach 20 Minuten war der Spuk vorbei und ich wußte das ich wohl für 14 Monate nicht mehr die Gelegenheit haben werde dieses Gerichtsgebäude noch einmal von außen zu sehen.

Ich habe nichts empfunden, es war alles ziemlich leer in mir. Der Rückweg war der gleiche. Knebelkette um, Knebelkette ab, Handschellen um, rein ins Auto und zurück in mein neues altes zu Hause.

Ich sah das Grinsen meines "Lieblingsschließers" und wußte doch schon das ich in spätestens 14 Monaten jenseits der Grenze sein werde. Das wußte er auch und ich habe so etwas wie Verachtung und Haß, vielleicht auch Neid in seinen Augen gesehen, welches mich nur noch überzeugter machte das der Weg der vor mir lag nicht der einfachste sein wird aber für mich der richtige.

3 Monate Untersuchungshaft hatte ich um und noch 11 Monate geschlossenen Strafvollzug vor mir....

Und dann werde ich diese süffisanten von sich und diesem Staat so überzeugten Fressen nie wieder sehen müssen. Ich war mir meiner Sache sicher...ganz sicher....

*** Ich weiß nicht ob ich die anderen Teile auch noch alle bringen soll. Das hier ist nur ein Versuch. ***
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo spiderberlin,

am Schluß las ich: "Ich weiß nicht ob ich die anderen Teile auch noch alle bringen soll. Das hier ist nur ein Versuch." Und ich meine: "Unbedingt:" Das Thema, finde ich, spricht für sich. Mir persönlich ist das zwar etwas zu sehr im Telegrammstil gehalten, aber das ist reine Geschmackssache.
Und noch etwas: Bis jetzt scheint mir das Ganze leider nur die Farben schwarz und weiß zu kennen. Gab es überhaupt keine Grautöne - z. B. Menschen mit zwiespältigen Gefühlen?
Ich bin echt gespannt, was daraus wird.

Gruß Ralph
 

spiderberlin

Mitglied
doch ralf, ich werde den nächsten teil auch bald bringen. das ist ja auch erst der erste und somit schon älteste. ich denke das du aus den anderen teilen vielleicht etwas mehr grautöne heraus lesen kannst. insgesamt sind es wohl so 15 schätze ich. guten rutsch wünscht der spider:)
 



 
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