Ein gutes Motiv, finde ich, gut für einen Aphorismus in Versen, wie eben hier.
Bescheidenheit sei eine Zierde:
Nein, es ist die reinste Begierde!
Wohl eher: "sie ist ..." (die Bescheidenheit)
Wonach gierst Du? Nach Lob für Verzicht,
für Nachgeben, Zurücknehmen, erfüllte Pflicht?
Hier häufen sich bei den ersten beiden Substantiven - und gleich noch einmal beim zweiten plus dritten (!) - jeweils drei unbetonte Silben; vielleicht gehts mit Umstellen:
Zurücknehmen, Nachgeben, nüchterne Pflicht?
Du siehst, ich habe gleich noch das Attribut der Aussage eingeschmiegt.
Das ist jedoch eher Selbstkasteiung,
Mord am Selbst, nicht Selbstbefreiung.
Hier kippt aber die (durchaus tragfähige, genügende) Aussage des Aphorismus in einen anderen, geradezu entgegengesetzten Gedanken um: Zuerst wird scheinbare Selbstbescheidung aufgedeckt als egoistische Gier; nun auf einmal ist sie doch eine wahre Selbsteinschränkung, obwohl ihr fishing for sympathy gerade erst blamiert worden ist?
Dazu gleich noch ein dritter Gedanke, nämlich: Bescheidenheit beanspruche Selbstbefreiung. Wo tut sie das denn? Der Bescheidene beschränkt sich bewußt im Dienst an der Freiheit des Arbeits-, Gesprächs- oder Bedürfnis-Partners.
Der erste Gedanke (Paradoxie der lobheischenden Abweisung des Lobs) sollte nicht verloren gehen, denke ich.