knöchern (Sonett)

Till Müller

Mitglied
Die Knochen klappern krachend brechen Still
Die Stille ist gebrochen, Overkill
Bedrohung aus der Kälte, kalter Krieg
Gedenket der Geschichte ohne Sieg

Die heißen Reden in der kalten Luft
Wir reden davon was der Redner ruft
Wir bauen Mauern fest um uns'ren Geist
Und hoffen trotzdem dass du's besser weißt

Betrug gewann dem Redner jede Wahl
Er lenkt das Land und steuert auch die Presse
Ein wirklich schwerer Fall von "Unschuldsfresse"

Doch sei die Maske auch aus hartem Stahl
Und käme kein Gefühl hervorgekrochen
Auch er ist nur ein Mensch, auch er hat Knochen
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

Mitglied
Hallo Till Müller,

wenn ich Deinen Text richtig verstehe, dann geht es hier doch darum, dass auch der lügende Redner verletzlich ist.
Am Ende könnte da stehen, ausgehend von den brechenden Knochen am Anfang, dass auch des 'Übeltäters' Knochen brechen, und dann klingt es für mich nach einer Gewaltandrohung.
Wolltest Du das schreiben?

Liebe Grüße
Petra
 

Till Müller

Mitglied
Hallo Petra,

Danke für die Antwort. In etwa hast du recht, obwohl es mir weniger um die Gewaltandrohung geht (wie sollte ICH denn dem allmächtigen Redner etwas antun?) als vielmehr um die Tatsache dass auch er nicht unverletzlich ist, obwohl es manchmal so scheint.

Die Inspiration für den Redner war übrigens Putin, der es ja auch oft so darstellt, als wäre er der unbesiegbarer Alleinherrscher.

LG
Till
 

sufnus

Mitglied
Hey Till,

hier scheint mir tatsächlich mal ein "Flow" der ergiebigen Art eingetreten zu sein. Ich bin gegenüber Gedichten, bei denen der Text komplett die Regie übernimmt und die Autorin oder der Autor völlig hilflos nebendran stehen, immer etwas misstrauisch - dito auch bei Texten, die völlig dem eisternen Griff des Verfassers ausgesetzt sind und sich gar nicht entfalten können. Bei Deinem Gedicht scheint sich ein ganz guter Mittelweg zwischen bewusstem Schreiben und freiem Wortfluss eingestellt zu haben. Etwas schwächer (und womöglich zu "bewusst" gesetzt) ist nur die S3 und ich frage mich, ob die Grundidee wirklich genug "Stoff" für ein Sonett hergibt. Womöglich wäre ein dreistrophiger Zwölfzeiler die geschmeidigere und schmissigere Variante.

Vorschlag ins Unreine zur Kürzung mit noch ein paar nebensächlichen Klitzigkeitsmodifikationen:

Die Knochen klappern, knacken, brechen still.
Die Stille ist gebrochen. Overkill.
Bedrohung aus der Kälte, kalter Krieg,
gedenket der Geschichte ohne Sieg.

Die heißen Reden in der kalten Luft.
Wir reden davon, was der Redner ruft.
Wir bauen Mauern fest um jeden Geist
und hoffen trotzdem, dass dies Geist beweist.

Doch sei die Maske auch aus hartem Stahl
und käme kein Gefühl hervorgekrochen:
Der Ausgang war noch stets total fatal.
Auch er ist nur ein Mensch. Auch er hat Knochen.

LG!

S.
 

Till Müller

Mitglied
Hi snufus,

toll dass du dir die Zeit genommen hast das Gedicht zu überarbeiten. Mir selbst gefällt S3 auch am wenigsten. Ich habe versucht ein bisschen klarer zu machen worum es geht, also was die Grundidee hinter dem Gedicht war.

Ein wirklich schwerer Fall von "Unschuldsfresse"
Die Zeile ist absichtlich umgangssprachlicher mit "wirklich" und "Unschuldsfresse". Aber die anderen Zeilen sind aber tatsächlich nichts besonderes, sondern hauptsächlich aufgrund der Form entstanden.

LG
Till
 



 
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