Köder

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anemone

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Zwischen Daniels Daumen und Zeigefinger kringelte sich der Wurm, doch es gab kein Entkommen für den Köder. Lebendig wurde der Zappler von diesen schmutzigen Anglerfingern aufgespießt, um an einem Haken ins Wasser eingetaucht zu werden und auf seinen Tod im Maul eines Fisches zu warten. Doch er hatte nicht mit der Ungeduld des Anglers gerechnet; dieser schien heute seinen schlechten Tag zu haben.

Er war nervös und schaute ständig auf seine Armbanduhr. Wo blieb nur Jan? Er hatte ihm doch versprochen zu kommen! Die Angel wurde von ihm ins Wasser geworfen und wieder an Land gezogen und dieser Vorgang hatte zur Folge dass der Wurm von diesem stetigen Schleudergang vom Haken geriet und im Ufergras liegen blieb. Schnell versuchte er in den weichen Boden unter ihm zu entkommen, der dicke Anglerstiefel hinderte ihn allerdings daran, der gerade einen Schritt rückwärts nahm und es hätte nur ein Stückchen gefehlt und er wäre davon zertreten worden.

Nein, das Leben als Wurm war kein feines Leben. Besser man ließ sich erst gar nicht an der Oberfläche des Bodens sehen. Überall lauerten dort die Gefahren: Die Enten lagen ebenfalls an der Uferböschung herum, sie vertrugen auch schon mal ein Häppchen Wurm.

Wie gerne hätte der Wurm es gesehen, dass ihn seinesgleichen in den Erdboden zöge oder ein Schlupfloch bereit hielte. Aber nein: Es dachten alle nur an sich und ihre eigene Haut.

Schweres Getrampel kam näher, er bemerkte es am Zittern des Bodens. Es war Jan, der mit einer Tüte Chips auf der Hand kauend seinen Freund begrüßte. Dabei verlor er laufend Krümel und einer davon wagte es auf ihn zu fallen, den Wurm. Es roch nach Paprika und Kartoffeln und Gewürzen. Jan bot Daniel großzügig von seinen Chips an. Die Wurmfinger von Daniel griffen bedenkenlos hinein in die Tüte und während sie an der Uferböschung jetzt mit Fliegenmaden weiter angelten verschwanden die Chips in die Mägen der beiden Jungen, die die Hoffnung noch lange nicht aufgaben, einmal einen Biss an der Angel zu spüren.

Jan sorgte zunächst einmal für eine bequeme Sitzgelegenheit, denn ihn ermüdete das lange Stehen mit der Angel. Schon bald saßen beide gemütlich an der Uferböschung und als jemand ihren Fischereischein sehen wollte waren sie eingeschlafen. Es tippte sie jemand auf die Schulter: „Darf ich bitte mal ihren Fischereischein sehen!?“ Die Anglerfinger griffen in die Gesäßtasche ihrer Angelhosen. „Sie wissen, dass als Köder in diesem Gewässer nur Blinker erlaubt sind!“ Welch ein Glück für die Würmer und Fliegenmaden!
 

Amanita

Mitglied
Einmal Wurm sein...

>> Überall lauerten dort die Gefahren: Die Enten lagen ebenfalls an der Uferböschung herum, sie vertrugen auch schon mal ein Häppchen Wurm. <<

Das fand ich dolle witzig. :)

Liebe Grüße.
 



 
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