kollateralschäden

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HerbertH

Mitglied
die erde bricht auf
der himmel öffnet alle schleusen
die straßen spucken immer neue
flüchtlinge in die scheunen
nur für die nacht
bevor die angst sie weiter
treibt vor sich her
wie der treiber das wild
denn die jagd ist angeblasen
und die strecke sind kinder
und frauen und alte
denn nichts hält die fremden
armeen die nichts kennen
als den tod und
den eigenen schmerz
über die sterbenden
durchlöcherten versehrten
die aus den gräben
in allen sprachen
nach rache rufen
 

revilo

Mitglied
Moin Herbert.....ein schwieriger Text, ein noch schwierigeres Thema.......

was zumindest meinen Lesefluss erheblich stört, sind die vielen Zeilenumbrüche.....das wirkt ein wenig bemüht und klingt zu sehr nach Prosa.....außerdem empfehle ich eine Kürzung, was aber sicherlich kein einfaches Unterfangen ist......

" straßen spucken" gefällt mir nicht...." treibt vor sich her"..."wie die treiber das wild" ist doppelt gemoppelt....die ersten beiden Zeilen würde ich straffen.......

erde und himmel brechen auf......

auf jeden Fall ein interessantes Gedicht, an dem Du allerdings noch arbeiten musst.......

LG revilo
 

Label

Mitglied
Lieber Herbert

in meiner Vorstellung spucken Gebäude oder Räume Menschen aus
was hieltest du davon


der himmel öffnet alle schleusen
die straßen [blue]fluten[/blue] immer neue
flüchtlinge in die scheunen
nur für die nacht
bevor die angst sie weiter
[blue]hetzt[/blue] vor sich her
wie der treiber das wild
denn die jagd ist angeblasen


seit die Menschheit sich die Lebensgrundlage Anderer gewaltsam aneignet, entstehen immer wieder die gleichen Situationen.
Was sich änderte waren immer größer werdende betroffene Gebiete, größere Heere und weiter reichende Waffen.

mit einem lieben Gruß
Label
 

Monochrom

Mitglied
Ein paar Vorschläge

Hi,

ich finde das Gedicht thematisch gut und auch der Fluss des Textes ist interessant.

Einige Sachen sind mir aufgefallen. Ich schreibe einfach mal Vorschläge nieder,
nur um Dir Anstösse zu geben. Ich habe zunächst etwas gekürzt:
(...) vielleicht auslassen:

die erde bricht auf
(der himmel öffnet alle schleusen)
(die) straßen spucken (immer neue)
flüchtlinge in die scheunen
(nur) für die nacht
bevor die angst sie weiter
treibt vor sich her
(wie der treiber das wild)
denn die jagd ist angeblasen
und die strecke sind kinder
und frauen und alte
denn nichts hält die fremden
armeen die nichts kennen
als den tod und
den eigenen schmerz
über die sterbenden
durchlöcherten versehrten
die aus den gräben
(in allen sprachen)
nach rache rufen

Dann habe ich noch ein paar Vorschläge bezüglich der Wortwahl. Auch dies nur in meinem Ansinnen, etwas Textarbeit zu machen. VIelleicht passt Dir ja etwas davon.

die erde bricht auf
(regen) straßen drängen = regenstraßen als Wortgefüge für den Ersatz von (der himmel öffnet alle schleusen); dann statt "spucken" vielleicht "drängen" als "von der straße drängen", wobei "straßen spucken" eine gute Alliteration ist.

flüchtlinge in die scheunen
für die nacht
bevor die angst sie (weiter/ wieder)
treibt (vor sich her) denn die jagd = "vor sich her" klingt für mich nicht so gut. vielleicht weglassen, dafür den Zeilenumbruch ändern.
ist angeblasen

die strecke sind kinder = Die Reihung von "und" vielleicht auslassen
frauen alte (nicht gewachsen) = das fehlt meines Erachtens
Die beiden Verse vielleicht weglassen.

nichts hält die fremden
armeen (über)
tod und schmerz
(der) sterbenden
durchlöcherten versehrten
die aus den gräben
nach rache rufen

So ergäbe sich folgendes:

die erde bricht auf
regenstraßen drängen
flüchtlinge in die scheunen
für die nacht
bevor die angst sie wieder
treibt denn die jagd
ist angeblasen
nichts hält die fremden
armeen über
tod und schmerz
über die sterbenden
durchlöcherten versehrten
die aus den gräben
nach rache rufen

Na ja, so wäre mal mein Versuch, den Text zu verdichten und zu straffen. Freue mich über Deine Meinung zu dem Vorschlag.

LG, Monochrom
 

HerbertH

Mitglied
Danke für Eure Rückmeldungen. Über die Vorschläge muss ich ein wenig nachdenken. Sicher ist einiges davon berechtigt.

Liebe Grüße

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
die erde bricht auf
der himmel öffnet alle schleusen
die straßen spucken immer neue
flüchtlinge in die scheunen
nur für die nacht
bevor die angst sie weiter
hetzt vor sich her
wie der treiber das wild
denn die jagd ist angeblasen
und die strecke sind kinder
und frauen und alte
denn nichts hält die fremden
armeen die nichts kennen
als den tod und
den eigenen schmerz
über die sterbenden
durchlöcherten versehrten
die aus den gräben
in allen sprachen
nach rache rufen
 

HerbertH

Mitglied
die dopplung habe ich entfernt.

'die straßen spucken' finde ich eigentlich ganz gut. Es noch zu verstärken wäre eher angebracht als es zu entschärfen. Vielleicht hätte ich gleich "die straßen kotzen" schreiben sollen.

Über die andern Punkte muss ich noch weiter nachdenken.
 

HerbertH

Mitglied
variante

die erde bricht auf
der himmel öffnet alle schleusen
selbst straßen spucken und kotzen

flüchtlinge kauern in scheunen nur für die nacht
bevor die angst sie vor sich her hetzt
wie treiber das wild denn die jagd ist angeblasen

und die strecke sind kinder frauen und alte
denn nichts hindert die fremden

armeen die nichts kennen als tod und den schmerz
der eigenen sterbenden durchlöcherten und versehrten
die aus den gräben in allen sprachen nach rache rufen
Ich habe mich von den Vorschlägen anregen lassen, sie aber nicht eins zu eins übernommen.

Ist diese Variante besser?
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Hallo,

ich sage dein, die Strophen unterbrechen den Fluß.

Hier mal mein Vorschlag:

die erde bricht auf
der himmel öffnet die schleusen
die straßen spucken immer neue
flüchtlinge in die scheunen
nur für die nacht
bevor die angst sie weiter treibt
wie wild
denn die jagd ist angeblasen
und die strecke sind kinder
und frauen und alte
denn nichts hält die fremden armeen
die nichts kennen
als den tod und
den eigenen schmerz
über die sterbenden
durchlöcherten versehrten
die aus den gräben
in allen sprachen
nach rache rufen

LG Franka
 

HerbertH

Mitglied
die erde bricht auf
der himmel öffnet die schleusen
die straßen spucken immer neue
flüchtlinge in die scheunen
nur für die nacht
bevor die angst sie weiter treibt
wie wild
denn die jagd ist angeblasen
und die strecke sind kinder
und frauen und alte
denn nichts hält die fremden armeen
die nichts kennen
als den tod und
den eigenen schmerz
über die sterbenden
durchlöcherten versehrten
die aus den gräben
in allen sprachen
nach rache rufen
 

HerbertH

Mitglied
Hallo Franka,

Dein Vorschlag ist ja sehr nah bei der ursprünglichen Version. Ich habe
ihn - Dein Einverständnis voraussetzend - übernommen.

Vielen Dank an Dich und all die anderen Textarbeiter :)

Liebe Grüße

Herbert
 
P

penelope

Gast
zunächst will man grausamkeiten nicht, aber es sind die dinge, die uns leiten und die wir sichtbar machen müssen...

dieses gedicht, ja, es brodelt und blubbert, als sei es von einem hexenmeister in seiner küche ausgedacht, als wären hier alchimistische wörter am werk gewesen, um aus der ursuppe unserer sprache etwas schreckliches zu brauen: eine apokalyptische szene unserer welt einfach ins bild gesetzt...

schon irritierend und erschreckend, aber genau auch das soll ja lyrik leisten... hier wird es meisterhaft umgesetzt...

lg penelope
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Penelope,

dieser Versuch, das Schreckliche in Worte zu setzen, entstand nach einer Sendung über Vertreibungen im Krieg, wo so viel Leid entstand und auch heute noch entsteht. Diese Hexenküche der Grausamkeiten brodelt unter unseren Füßen weiter und wirft überall Blasen. Wenn das Gedicht das transportieren kann, freut es mich natürlich sehr. Aber es ist nur ein mattes Abbild, so wie jemand nicht in die Sonne blicken kann, weil das zu grell ist, aber ein Spiegelbild der Sonne im Teich gerade noch aushält.

Danke und liebe Grüße

Herbert
 
O

orlando

Gast
Hallo Herbert,
du zeigst uns 19 ungereimte Verse, die in einer einzigen Versgruppe zusammengefasst sind, was sehr gut zum Themenkomplex Krieg, Flucht und Vertreibung passt.
Du setzt teilweise auffällige Versgrenzen, wodurch die Substantive aufgrund ihrer hervorgehobenen Position am Versende besonders in die Wahrnehmung des Lesers rücken. - Der Adressat des Textes bleibt ungenannt, so dass die Sache einen allgemeingültigen Charakter erhält.
Klang und Rhythmus empfinde ich harmonisch.
Die durchgängige Kleinschreibung erlaubt eine erweiterte Lesart.

Du beschreibst die Schrecken des Krieges und bedienst dich dabei allegorisch der Natur, bzw. des Jagdmotivs. Dadurch schaffst du einerseits notwendige Distanz zum schrecklichen Geschehen, andererseits verstärkst du aufgrund des Treibjagdszenarios auch das Gefühl von Abscheu, das sich mehr und mehr Bahn bricht.
Insbesondere natürlich bei dem Wort "Strecke."
Alles andere ist wohl in den vorherigen Kommentaren bereits erläutert worden. Und mir bleibt zu sagen:
Die jetzt gültige Version gefällt mir vortrefflich.
LG, orlando
 

HerbertH

Mitglied
die erde bricht auf
der himmel öffnet die schleusen
die straßen spucken immer neue
flüchtlinge in die scheunen
nur für die nacht
bevor die angst sie weiter treibt
wie wild
denn die jagd ist angeblasen
und die strecke sind kinder
und frauen und alte
denn nichts hält die fremden armeen
die nichts kennen
als den tod und
den eigenen schmerz
über die sterbenden
durchlöcherten versehrten
die aus den gräben
in allen sprachen
nach rache rufen

Rezitation: mp3/112075_clip006.mp3
 



 
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