Koma

ahorn

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Was ist echt, was ist Vision.
Ist Realität nicht subjektive.
Nimmt nicht jeder die Welt anders war.
Wie erlebt man ein Computerspiel mit Virtual-Reality-Headset und Datenhandschuh?
Real, Fiktive.

Verschwimmen irgendwann die Grenzen.



Koma
Eine Science-Fiction-Kriminal-Groteske



Schaulaufen
Es war für mich, so glaubte ich, normal in einem Umkleidebereich zu stehen, in dem Männer in der Regel vor und ihre Damen in den Kabinen verweilten. Nur, dass ich weder auf meine Freundin noch Schwester oder sonst einer weiblichen Person wartend ausharrte. Denn ich selbst betrachtete mich im Spiegel und begutachtete einen Rock. Meine Ex hatte mich darauf gebracht. Egal, was die Leute sagten, es gab kaum etwas Luftigeres, als im Sommer einen Rock zu tragen. Ich hatte kein Problem damit, den schützenden Bereich der Kabine zu verlassen, wieso auch, denn ich trug ja Röcke. Ausnahmslos schlichte Knielange, entgegen dem, der in diesem Moment auf meinen Hüften ruhte. Es war ein violetter Tellerrock mit floralem Motiv, der um meine Waden spielte.
„Steht dir!“
Erschrocken von der Ansprache wandte ich mich um und blickte in ein Mädchengesicht.
„Für einen Mann“, vervollständigte die Schöne ihren Satz.
Wie sie das aussprach? Als hätte ich eine Krankheit.
„Darf ein Mann keinen Rock tragen?“
Sie winkte ab. „Natürlich. Nur mit deinen langen Haaren dachte ich, du wärst weiblich.“
„Und keine langen Haare?“
Irgendwie bewunderte ich ihre Haare. Warum wusste ich nicht. Ich schien ein Faible für lange Haare zu haben, denn die Ihrigen reichten ihren fast bis zum Gesäß.
„Steht dir!“, wiederholte sie.
„Wer?“
„Der Rock.“
„Ist der nicht zu weiblich?“
„Ist egal. Er steht dir.“
Ich hob den Stoff des weiten, über meine Knie fallenden Rock. „Meinst wirklich?“
„Warum sollte ich dich belügen?“
„Aus Höflichkeit?“
„Kenn ich nicht! Probier das über! Bei deinen geilen Body.“
Erst in diesem Moment, als sie mir ein Kleid reichte, begriff ich, dass sie, wie ich den Ort zwecks einer Anprobe aufgesucht hatte. Klar, für was sonst.
„Das ist ein Kleid?“
„Und?“
„Ich bin ein Mann.“
„Und?“
Ihre Augen zogen mich an. Ohne mich zu versehen, stand ich wieder in meiner Kabine, bis auf meiner Unterhose nackt. Sie streifte mir das Sommerkleid über, schloss dann den Reißverschluss und zerrte mich erneut vor dem Spiegel im Vorraum.
Irgendwie fühlte ich mich lächerlich.
„Steh dir!“
„Du spinnst!“
„Warum sollte ich? Ich bin Florence.“
„Bernd.“
Sie öffnete ihre Handtasche und zückte eine Visitenkarte. „Wir suchen geile, ausgefallene Models. Schau mal am Wochenende vorbei.“ Sie hob ihren Zeigefinger, lächelte. „Aber nur in dem Kleid, sonst lassen wir dich nicht rein.“

Die nächsten Tage war ich hin- und hergerissen. Das Wort Model schwirrte mir andauernd im Kopf herum. Ich hatte kein Engagement, daher Zeit im Überfluss und Geld brauchte jedermann. Nur der Gedanke daran, in dieses Kleid zu schlüpfen, in aller Öffentlichkeit mit Bus und Bahn dort anzureisen oder fast eine Stunde zu Fuß mitten durch die Stadt zu gehen, quälte mich.
Vielleicht hatte sie mich verarscht, würde sich vor Lachen bepissen. Oder, es war eher eine Art Beweis, dass ich Anweisungen befolgte, beziehungsweise gar eine Mutprobe.
Der Reiz, etwas von der Norm Abweichendes zu unternehmen, hatte gesiegt. Da stand ich nun in meiner Wohnung in einem cremeweißen Sommerkleid mit rüschenbesetzten Trägern und hatte ein Problem. Wohin mit meinem Schlüssel und meiner Brieftasche? Ich besaß, was vollkommen logisch war, keine Handtasche. Wozu auch, all meine Röcke, bis auf meinen neuen, den ich bis auf der Anprobe nie getragen hatte, verfügten über Taschen.
Ich erinnerte mich daran, dass ich einen Rucksack besaß. Bloß wo hatte ich diesen das letzte Mal gesehen. Langsam in Zeitnot geratend, durchwühlte ich all meine Schränke. Wieso geriet ich ihn Zeitnot. Ich hatte alle Zeit der Welt. Es war eher ein Drang, ein Verlangen. Wollte ich es ihr zeigen, dass ich ...? Egal!
Ich konzentrierte mich, dachte an den Rucksack, eine Handtasche oder etwas Gleichwertiges. Im letzten, im Küchenschrank, fand ich ihn, einen Rucksack und war entsetzt. Es war einer von Typ Armee, hässlich. Wo hatte ich diesen her?
Dann doch lieber ein Einkaufsbeutel. Meine Habseligkeiten in den Beutel verwahrt, ging ich wieder in die Diele, schlüpfte in meine Turnschuhe und wunderte mich. Auf meinem Schuhschrank ruhte eine weiße Handtasche. Typ Königin Elisabeth.
Ich konnte mich nicht daran entsinnen, mir eine derartige Tasche zugelegt zu haben. Die einzige vernünftige Erklärung, die ich fand, war, dass meine Ex dieses Ding vergessen hatte. Egal. Ich nahm sie in meinen Besitz.
Die Fahrt zu Florences Adresse nahm mich mit. Nicht aus dem Grunde, dass mich alle anstarrten, ganz im Gegenteil. Niemand schien den Mann im Sommerkleid wahrzunehmen. Keine scheelen Blicke, kein Getuschel, nichts. Als wäre es selbstverständlich, dass ein Mann ein Kleid trug.
Ich ignorierte diese leeren Seelen, ließ die Häuserfronten an mir vorbeigleiten, bis ich mein Ziel erreichte.
Der Ort war mir fremd. Wie oft in meinem Leben hatte ich einen Bus in einem Gewerbegebiet verlassen? Gleichwohl mir die Tristesse Angst einflößte, schritt ich auf die Halle, an deren Front in übergroßen Lettern die Hausnummer prangt, zu.

„Hey Bernd, da bist du endlich, komm rein.“
Florence führte mich durch einen halbdunklen Gang. Wir gingen in eine Art Saal. Auf einer Bühne stolzierten zwei Frauen auf und ab, präsentierten schwingend ihre Kleider.
Nachdem Florence einen Vorhang geöffnet hatte, trat ein Mann, der wie Weihnachtsbaum mit Schmuck behängt war, auf und zu.
„Machst du ihn mal fertig?“
„Florence Schätzchen eine Kleinigkeit für mich“, sprach dieser nasal, wobei er mit den Armen fuchtelte.
Er wandte mir sein Gesicht zu. „Ulrich, kannst auch gern Ulrike zu mir sagen, und du?“
„Bernd.“
„Schätzchen, deine Haare sind zwar grauenvollen“, er musterte mich. „Dein Body ... phänomenal.“
Was hatten die immer wieder mit meinen Körper. Ich fand mich normal.
„Komm, setz dich.“
Dann zupfte irgendwer an meinen Haaren, ich nahm an, dass es Ulrich sei.
„Ulrike ist er fertig.“
„Immer Schätzchen.“
Florence Kopf erschien in meinem Gesichtsfeld. „Ey, echt krass, richtig scharf der Kleine. Sandra zieh in um.“
„Wer soll mich umziehen? Und warum?“
„Hey, das ist hier ein Shooting. Wir machen Modefotos, da muss man sich umziehen.“
„Das kann ich selber“, erboste ich mich, denn die Scham darüber, dass mich jemand begrapschen sollte, erfasste mich.
„Ulrike, hilf der Diva“, und an mich gewandt. „Den Aufstand ziehen wir dir von der Gage ab.“
Ich entblößte mich bis auf meine Unterhose.
Ulrich tippte auf meine Brust. „Florence Schätzchen, was machen wir hiermit?“
„Ändern können wir es nicht, aber“, sie zwinkerte ihm zu, „ein bisschen Mogeln und du Bernd ziehst diese lächerliche Boxershorts aus, die ist total unerotisch.“
Dann drängte eine Stimme, woher sie kam, konnte ich nicht erfassen, zur Eile. Ulrich zog mir einen Büstenhalter über und ich zerrte mir einen weißen mit Spitze besetzten, seidigen Slip über. Ich wehrte mich nicht, es war nur Stoff, jedoch war ich skeptisch, wie mein Geschlechtsteil samt Anhang dort einen Platz fand. Es fand Platz, mehr noch keine Beule bildete sich ab.
Das erste Kleid flutschte über meinen Körper. Ulrich schloss den Reißverschluss, während ich in Pumps schlüpfte, bei deren Anblick ich mich bereits auf den Boden liegend sah.
Nichts dergleichen geschah. Eine Garderobe nach der anderen präsentierte ich, elegant mit Hüftschwung, als hätte ich nie etwas anderes als gemodelt.
Doch keine Kamera erblickte ich, nur eine weibliche Stimme, die als käme sie aus dem nichts, mir Anweisungen erteilte.

„Du warst echt gut.“
„Danke!“
Ich verspürte einen gewissen Druck.
„Wo ist hier die Toilette?“
Florence runzelte die Stirn. „Was?“
„Das Klo!“
„Du bist merkwürdig. Gibt’s hier nicht. Wozu auch.“
Ich sah sie scheel an. „Um zu pinkeln.“
„Wie wäre es mit einem Absacker. Bei mir. Ich habe ein Klo.“
Mir war klar, sie machte sich über mich lustig. Dennoch sagte mir mein Instinkt, dass ich den Weg nach Hause nicht mehr schaffen würde und mich einfach in einem Sommerkleid an die nächste Hauswand zu stellen, war mir dann doch eher, na ja.
„Wo wohnst du?“
„Gleich um die Ecke.“
Sie hatte nicht gelogen. Nach nicht einmal fünf Minuten standen wir vor einem schmucklosen Mehrfamilienhaus. Der Druck meiner Blase trieb mich das Treppenhaus herauf. Florence folgte mir, öffnete die Wohnungstür, zeigte mir ihr Bad, in das ich eilte.
Obgleich ich beim Lüpfen meines Kleides eher den Anschein hatte, ich betrachtete den Schritt einer Frau, war ich sofort, nachdem ich mir den Slip herunterzog, erleichtert, dass alles da war, was dort hingehörte. Dass ihre Toilettenspülung defekt war, nahm ich schlichtweg hin.
„Ich bin im Schlafzimmer.“
Ich ging zu ihr. Ihr Anglist entzückte mich. In einem Negligé gekleidet, rekelte sie sich auf ihrem Bett.
„Komm, las uns ein bisschen Spaß haben“, unterbreite sie mir, wobei sie auf ihre Matratze klopfen.
Ich kam ihrer Bitte nach, legte mich zu ihr und drückte meine Lippen auf die ihrigen.
„Florence mein Schatz ich bin zu Hause, wo bist ...“



Sushi

„Bernadette wollen wir?“
Ich starrte in das Gesicht eines bärtigen Mannes, dessen Arm leicht, auf meiner Schulter ruhte. Seine andere Hand klopfte auf meine schwarz bestrumpften Knie. Meine Beine waren überschlagen, mein Oberkörper war in ein azurblaues Partykleid gehüllt und meine Füße steckten in gleichfarbigen Pumps.
Irgendwie fühlte ich mich verwirrt, als wäre ich nicht mehr ich.
Eben lag ich noch auf Florence Bett und wollte mich daran machen, sie zu vernaschen. Ich betrachtete mich, den Mann neben mir, ein weiteres Mal. Nun schien ich der Bonbon zu sein. War ich betäubt worden?
„Wer sind sie?“
„Marvin.“
Seine Antwort erschien mir ehrlich, seine Augen ließen es mich erahnen.
„Was machen wir hier?“
„Bernadette, Marvin wo bleibt ihr denn, kuscheln könnt ihr später“, erklang es aus dem Flur.
Es erschien mir, als vernahm ich Florences Stimme.
„Marvin ihr müsst nicht mit. Unser Bett steht euch gerne zur Verfügung“, rief eine Männerstimme.
Ein eiskalter Schauer rann über meinen Rücken.
„Schatz ich glaube nicht, dass Bernadette Marvins Typ ist?“
„Ich würde sie nicht von meiner Bettkante schmeißen“, antwortete erneut die Männerstimme.
„Untersteh dich!“
„Ich glaub, wir sollten“, forderte dieser Marvin mich auf.
„Wohin?“
„Sushi essen, immerhin wolltest du zum Japaner?“
Es hätte mich niemand, erst recht nicht der Marvin, aufgehalten, darüber war ich mir in diesem Moment sicher. Einfach die Heimfahrt antreten, den Tag abhaken, eine Option, dennoch wünschte ich, zu erfahren, was passiert war. Daher spielte ich mit.
„Marvin entschuldige, ich war woanders. Wir müssen nicht essen gehen, können gleich nach Hause fahren.“
„Du gehst, ganz schön schnell rann. Wir haben uns vor einer halben Stunde erst kennengelernt“, teilte er mir ruhig mit.
Gut. Mindestens eine halbe Stunde fehlte mir.
„Bernadette, beruhige dich, am Anfang ist es meist verwirrend“, flüsterte er mir zu.
Meine vorher gefühlte Gemütsruhe, kippte in Angst um.
„Ich muss zuerst für kleine Mädchen.“
„Bitte!“
Ich eilte ins Bad, zerrte meinen Slip herunter und war erleichtert. Eine halbe Stunde?

Auf dem Bürgersteig eilte ich, so flink es mir meine Schuhe erlaubten, auf Florence zu, holte sie ein und zerrte sie aus den Fängen des Mannes, der seinen Arm sie gelegt hatte.
„Wer ist das?“
„Marvin?“
„Der andere?“
„Mein Mann.“
„Was ist passiert?“
„Wie? Wann?“
„Ich bin zu dir ins Bett und dann?“
„Oh, ein paar Bytes verloren, Süßer. Kein Problem ich spiel sie dir rüber.“
„Wie spielen, erzähle mir einfach, was passiert ist?“
„Ich hasse Analoge“, murmelte Florence. „Immer diese Zeitverschwendung.“
Ich hatte keinen Schimmer davon, was sie meinte, trotzdem überzeugte ich sie, es mir nüchtern zu berichten.

Als ich mich gerade anschickte, ihr unters Negligé zu greifen, kam ihr Gatte Heino, nach Hause. Da dieser nicht nur, wie sie mir erzählte, eifersüchtig, sondern sogleich auch jähzornige war, zu Gewalt tendierte, hätte sie mich ihm als Bernadette vorgestellt. Eine Lüge, welche ich ihr nach ihrer Schilderung verzieh.
Heino jedoch hatte seinen Kumpel Marvin mitgebracht und vorgeschlagen, zu viert essen zu gehen, einen netten Abend verbringen.
Wiederum versuchte mich Florence, aus der Bredouille zu retten. Sie berichtete ihrem Heino, dass ich einen schweren Tag gehabt, außerdem nichts Passendes anzuziehen hätte. Woraufhin Heino ihr entgegnete, ich solle mich über ihren Kleiderschrank hermachen.
Nach ihrer Aussage wäre ich sogar darüber begeistert gewesen. In neuer Montur wäre ich ins Wohnzimmer gestürmt und hätte mich, als würden wir uns bereits jahrelang kennen, an Marvins Seite gesetzt.
Der Rest entsprang, davon war ich überzeugt, eher ihrer Fantasie. Ich sollte über seinen Bauch gestrichen, und mit der Begründung, ich liebe Fisch, nach Sushi verlangt haben.

Die Sushibar war nüchtern, beinahe kalt eingerichtet. Ein Förderband schlängelte sich durch das Lokal, auf dem die Speisen lagen. Gleichsam kalt, gleichgültig, fast melancholisch saßen die Gäste zur Rechten, wie zur Linken des Bandes und stopften sich roboterhaft die Speisen in den Mund.
Florence und Heino setzten sich. Marvin und ich nahmen ihnen vis-à-vis Platz. Das Sushi war grauenvoll. Trotzdem stopfte ich es in mich hinein, als hätte ich seit Jahren nichts mehr gegessen. Florence unterhielten sich mit Heino und Marvin stocherte in seinem Essen herum. Romantik war etwas anders.
Ich versuchte, eine Unterhaltung mit ihm zu beginnen, jedoch mehr als ein Stottern kam nicht über meine Lippen. Dies lag bestimmt nicht daran, dass ich in einem Kleid neben ihm saß. In Kleidern steckte ich seit Stunden. Seine Gedanken, welche ich berechnete, seine Fantasien, wie der Abend nach seinem Wunsch ausklingen würde, lähmten mich.
Heino und Florence erhoben sich, wünschten uns einen weiteren netten Abend, obwohl sie nicht nett gesagt hatten. Das Wort, was ich vernahm, ignorierte ich.
„War ein netter Abend mit dir.“
„Danke!“
„Ich muss dann“, stotterte ich erneut.
„Ich kann dich bringen.“
„Mach dir keinen Umstand.“
„Das ist kein Umstand.“
Er brachte mich heim.

„Auf einen Kaffee?“
Wie ich auf diesen Satz kam, war mir schleierhaft und was bei Weitem schlimmer war, er willigte ein.
Dass Menschen sich immer selbst Fallen stellten, kam mir in den Sinn, als ich meine Wohnungstür öffnete. Ich wies ihm einen Platz auf einem Sessel im Wohnzimmer, dann floh in die Küche. Abstand in derart prekäre Lage, war, dachte ich mir, angesagt.
In meiner Küche wunderte ich mich erneute. Ich fand keine Kaffeemaschine. Dabei gab es in fast jedem Haushalt eine. Trank ich keinen? Ich trank! Ich öffnete zum zweiten Mal an diesem Tag alle Schränke, sogar die Schubfächer durchsuchte ich. Ausgesprochen viel Hausrat besaß ich nicht.
Das Schlagen der Türen hatte sicherlich Marvin alarmiert, denn er erschien in meiner Küche.
„Ist was?“
„Ich habe keine Kaffeemaschine.“
„Beruhige dich.“
Er öffnete einen Hängeschrank und holte ein Glas zum Vorschein.
„Löslicher geht auch.“
War ich blind? Vor Sekunden hatte ich denselben Schrank geöffnet und außer ein paar Tassen und Tellern war dieser leer gewesen.
„Setz dich, mach es dir in deinem Wohnzimmer bequem. Ich mache das“, forderte er mich auf.
Ich hatte mich kaum auf mein Sofa gesetzt, da kam er bereits, hielt mir eine Tasse entgegen.
Während ich die Tasse annahm, setzte er sich neben mich. Ich nahm einen Schluck. Mehr als Wasser schmeckte ich nicht. War vielleicht doch kein Löslicher gewesen? Der Augenblick schien mir gekommen, ihm reinen Wein einzuschenken.

„Marvin, ich bin kein Model, sondern Cellist und heiße Bernd.“
Ich hatte vermutete, dass er nach meiner Beichte erstarrte. Doch dieses tat er nicht. Marvin fror förmlich ein, nicht einmal das Zucken einer Wimper erspähte ich. Nach quälenden Sekunden taute er auf.
„Alles Gut. Habe kein Problem. Muss dann.“
Er erhob sich, wandte dabei mir sein Gesicht zu. „War ein netter Abend. Vielleicht wiederholen wir diesen. Ich melde mich.“
Wie ich reagiert, wenn ich von einer Frau erfahren hätte, dass sie Bernd hieß, konnte ich nicht sagen, daher stand ich gleichfalls auf und begleitet ihn zur Wohnungstür.
Ob er oder ich zuerst die Klinke umfasst hatte, konnte ich nicht mehr herausfinden. Jedenfalls schien mich die Berührung zu einer Aktion hinreißen, dessen Sinn ich nicht verstand.
Ich schlang meine Arme um seinen Hals, zog mich an seinem Nacken hoch, presste meine Lippen auf die seinigen, und drückte mein rechtes Bein an sein Linkes. Hätte er sich nicht aus meiner Umklammerung gezerrt, meine Wohnung verlassen, dann hätte ich ihm im Wahn die Kleider vom Leib gerissen.

Es war mitnichten mein Tag. Eine heiße Dusche war für mich der rechte Weg, um diesen verflixten Tag hinweg zu spülen. Ich riss mir das Kleid vom Leib, donnerte die Pumps in die Ecke und befreite meine Beine von den schwarzen Halterlosen.
Den endgültigen Schlag erhielt ich, nachdem ich mich des Büstenhalters entledigt hatte. Dass ich keinen Busen mein Eigen nannte, war für mich greifbar, denn dort war nichts. Einzig der Büstenhalter besaß die Fähigkeit, einen Betrachter zu täuschen.
Wie mein Slip jedem, in erster Linie mir vorgaukelte, dass ich kein männliches Geschlechtsorgan hatte. Auf welcher Weise war mir schleierhaft. Ich hatte keine plausible Begründung. Es funktionierte.
Bei einem Büstenhalter war die Lage trivialer. Man stopfte diesen aus. Allerdings fielen keinerlei Polster herab oder klebten in seinem Innern. Es war ein ganz normaler Büstenhalter.
Trotzdem hatte ich, als ich mir diesen wieder anlegte, sowohl ein Dekolleté sowie die dazugehörigen Brüste. Sie hüpften, als ich sprang, und schmerzten, nachdem ich sie gekniffen hatte.
Damit war das Rätsel gelöst. Es war kein verflixter Tag gewesen. Es war gar kein Tag. Ich hatte diesen Tag nie begonnen.
Erleichtert legte ich mich in mein Bett, liebkoste mit den Fingern, der einen Hand meine nicht existenten Brüste und glitt mit der anderen unter meinen Slip. Ich drang zaghaft in mich ein, masturbierte, und erwartete den Tag, der irgendwann beginnen musste.




Suche

Ich hatte keinerlei Schimmer, warum ich in der letzten Zeit andauernd suchte. Diesmal suchte ich mein Smartphone und die Visitenkarte von Florence. Dass es im Rahmen des Möglichen war eine Karte zu verlegen, stand für mich außer Frage, jedoch das Smartphone. Dabei ging es mir in keiner Weise um das Gerät als solches, es war Technik, die konnte man ersetzen, sondern um die Daten, welche auf jenem abgelegt waren.
Ich wollte bei Florence vorbeischneien ihr einerseits das azurblaue Kleid zurückbringen, anderseits nachhaken, was geschehen war.
Ich war bei ihr abgesackt, dieses hatte sie mir versprochen, einzig wie ich nach Hause gekommen war und in welchem Zustand entschwand mir.
Jedenfalls war kein Marvin bei mir aufgeschlagen, denn in meiner Küche stand nicht allein eine Kaffeemaschine, sondern gar ein Vollautomat, dafür fehlte jegliche Spur eines Glases löslichen Kaffees.
Der Espresso, den ich mir nach dem Aufstehen gebrüht hatte, schmeckte wohl gleich fade, wie die Erinnerung an jenen vom Vorabend, allerdings bewies er, dass ich Marvin geträumt hatte.
Es gab einen weiteren Grund, Florence aufzusuchen. Meine Haare waren gewellt, weitaus länger, fielen mir somit großzügig über die Schultern, sowie rotblond. Wie hatten sie dieses geschafft, und weshalb bemerkte ich jenes erst am Morgen danach?

Wie schnell sich die Welt veränderte, registrierte ich beim Verlassen der Wohnung. Denn ich ging aufgrund meines scheinbar prekären Zustand vom Vorabend davon aus, dass mein Wohnungsschlüssel in der falschen Seite des Schlosses steckte. Jenen fand ich weder auf der Innenseite, noch in der zierlichen azurblauen Glitzerhandtasche, die ohne Zweifel zu den Pumps gehörte. Zumindest befand sich in dieser meine Brieftasche.
Es war schlichtweg kein Schlüssel vonnöten. Wann die Hausverwaltung diese Neuerung für ihre vergesslichen Mieter eingebaut hatte, entsagte es mir. Es musste jedoch ein wenig her sein, da der Zahlencode zum Öffnen derselbe war wie mein PIN bezüglich meiner Kontokarte.
Auf dem Bürgersteig war nicht viel los. Immerhin wohnte ich am Rande der Stadt und der Tag war noch jung. Trotzdem empfand ich es in irgendeiner Weise eher, als lächerlich mit einer Brieftasche zwischen meinen Fingern auf diesem zu flanieren. Meine Jeans hatte zwar Taschen, jedoch war es mir unmöglich gewesen, irgendetwas in sie hineinzustecken.
Ich war selten unterwegs, mein Beruf, mein Lebenswandel, verbaten mir dieses. Üben, Proben, Auftritte standen eher auf meinen Zeitplan.
Nachdem ich den Supermarkt, in welchen ich pflegte, dass eine oder andere des täglichen Gebrauches, zu erwerben, hinter mir gelassen hatte, drang ich in mir unbekannte Gefilde vor. Ein Schmuckgeschäft, eine unscheinbare Boutique sowie ein Nagelstudio passierte ich. Obgleich der Name mich amüsierte, erkannte ich nach einem scheelen Blick durchs Schaufenster, dass es sich um dergleichen halten musste. Eine Frau lackierte einer anderen die Nägel.
Dann erspähte ich mein Ziel. Ein übergroßes Smartphone, das an der Fassade prangte, zeigte es mir an.
Ich betrat das Geschäft.
Geschäft war eher übertrieben. Ein Tressen, hinter dem ein stumpfsinnig dreinschauender Jüngling stand, sowie zwei rückseitig von ihm an der Wand klebende Plakate von Smartphones. Dies war alles.

„Haben sie Smartphones?“
Sein entgeisterter Blick verriet mir sogleich, wie schwachsinnig meine Frage war.
„Gruppe, intern, extern?“
In diesem Moment war ich derjenige, der fragend dreinschaute.
„Gruppe, intern, extern?“, wiederholte er.
„Wie?“
„Willst du innerhalb einer Gruppe, intern oder extern Daten austauschen?“
„Telefonieren!“
„Gruppe, intern, extern?“
Endlich begriff ich, was er meinte. Konnte er nicht einfach Deutsch sprechen. Es waren die Tarife, die er feilbot. Familie, Freunde, innerhalb des Netzes und in andere Netze.
„Extern.“
Erneut fixierten wir uns. Weshalb er ausharrte, hatte ich keine Ahnung, ich für mein Teil wartete darauf, dass er mir eine Auswahl von Geräten präsentierte.
Er unterbrach das Schweigen. „Bezahlen.“
Der Laden war mehr als merkwürdig. Da ich jedoch unbedingt ein Smartphone erwerben wollte, gab ich nach.
„Karte?“
„Bist neu hier?“
Was er mit neu bezeichnete, entschwand mir. Er meinte bestimmt nicht unser Alter. Ich war immerhin Ende dreißig und ihn schätze ich auf Anfang zwanzig.
Er deutete auf ein an seinen Tressen befestigtes weiß leuchtendes Feld. „Hand drauf!“
Ohne weiter nachzudenken, legte ich meine Hand auf dieses Feld.
„Danke Bernadette!“
„Und!“, stotterte ich verblüfft.
„Möchtest du noch etwas kaufen?“
„Ich möchte mein Smartphone.“
Er klopfte an seine Hüfte.
„Smartphone“, wiederholte ich, worauf er ein weiteres Mal klopfte. „Geschenk des Hauses.“

In jenem Augenblick bemerkte ich, dass an meinen Körper eine weiße Handtasche baumelte. Eine von der Art die Frauen trugen, in welcher kaum eine Brieftasche Platz fand.
Ich klappte die Verschlusslasche, auf dem das Emblem des Shops als Werbung prangte, mir entgegen und starrte hinein. Außer einer Visitenkarte war die Tasche leer. Ich zog die Karte hinaus, aus welcher sich, nachdem diese die Handtasche verlassen hatte, ein Smartphone schälte.
„Rosa gefällt dir?“
Ob mir Rosa gefiel oder nicht war mir schnuppe. Entweder war die Technik, seitdem ich mir mein letztes Smartphone zu gelegt hatte, dieses geschah vor einer Ewigkeit, mit monströsen Schritten weiter geeilt, oder? Ich sah mich um. Die verwendeten einen Taschenspielertrick, welcher die Kunden verzauberte, zum Erstaunen brachte, damit jene erneut kamen.

Weiterhin verdutzt stand ich wieder auf dem Bürgersteig. Mit der Linken hielt ich meine Brieftasche, mit der Rechten ein rosa Smartphone. Es telefonierte sicherlich wie ein silbernes. Da ich es nicht wieder in Tasche stecken wollte. Ich hatte Angst, es verschwände. Entschloss ich mich, den Inhalt meiner Brieftasche in jene zu verstauen.
Es wurde langsam zum Alltag, dass ich andauernd Neues entdeckte. Diese Entdeckung war nicht Florence Visitenkarte, gleichfalls nicht meine Blödheit in der Brieftasche nach dieser zu suchen. Sondern, und jenes verwirrt mich bei weitem mehr, andere mir bei der ersten Schau unbekannte Karten. Sie waren allesamt gleich aufgebaut. Auf der einen Seite war der Name, das Logo sowie die Adresse des Geschäftes abgebildete und auf der anderen, derartiges vermutete ich, das Produkt, die Ware, welche man dort erworben hatte.
Ich musste wirklich öfters shoppen gehen. Die Idee fand ich gut, besser als irgendwelche nichtssagenden Kassenbons. Wie viele Geschäfte daran teilnehmen? Die Besitzer tauschen diese sogar wie Sammelkarten aus. Denn in meiner Sammlung befanden sich die Karten von den Kleidern, die mir Florence am Vorabend geliehen hatte.

Den Rest des Vormittags verbrachte ich mit meinem Cello. Ich vergnügte mich nicht nur daran meine Finger zu trainieren, sondern gleichermaßen an der Vorstellung wie meine Nachbarn in ihrer Qual versanken.
Irgendwann quälte es mich. Jedoch nicht meine Kunst, sondern mein Magen schlug Alarm.
Egal welch Küchenschrank ich öffnete, mehr als eine Packung Nudeln fand ich nicht vor. Somit hieß es für mich Handtasche geschnappt und ab zum Supermarkt.
In den tiefsten Regionen meines Gehirns hatte ich ein anderes Bild von einem Supermarkt. Ich konnte nicht behaupten, dass es nichts gab. Es gab alles, jedoch, und dieses erstaunte mich zumindest am Anfang meiner Expedition, ohne Auswahl. Äpfel waren vorrätig, allerdings nur eine Sorte die Sorte Apfel. Brot war Brot. Soße lag alleinig in der Version Tomatensoße vor. Nach ein paar Sekunden liebte ich den Laden, deswegen kaufte ich sicherlich dort ein. Kein Kunde wurde durch ein übermäßiges Angebot abgelenkt.
Nachdem ich zum zweiten Mal an diesem Tag, durch Auflegen meiner Hand bezahlt hatte, nahm ich die von mir gekauften Sachen auf.
„Bernadette, danke für deinen Einkauf“, brummte mir die Kassiererin, ohne Pathos entgegen.
„Ich heiße Bernd“, schnauzte ich sie an.
„Bernd wir werden es für deinen nächsten Einkauf vermerken.“
Diese nüchterne Konversation sowie die Feststellung, dass sich der violette Tellerrock, den mir Florence aufgenötigt hatte, um meine Beine schmiegte, machte es mir bewusst. Ich war weiterhin in diesem Traum gefangen.
Wo befand sich der Ausgang? Der vom Supermarkt war es jedenfalls nicht. Dafür empfing mich ein Heißhunger, ein Heißhunger auf Schokolade. Zu meinem Glück hatte ich diese zusammen mit einem Apfel und einer Dose Tomatensoße erworben.
Ohne zu kauen, stopfte ich diese in mich hinein, schlang sogleich den Apfel hinterher. Beide schmeckten nach Pappe, trotzdem ging es mir danach wohler.
Daheim machte ich erneut daran zu suchen. Zwei Töpfe und ein Dosenöffner standen auf meiner Liste. Die Töpfe fand ich, jedoch der Dosenöffner versteckte sich. Ich schüttete die Nudeln in den einen Topf, damit diese vereint an ihrem Platz blieben.
Die Dose dagegen hielt ich über den anderen, um mit Kraft meines Geistes diese zu zerquetschen. Immerhin war es mein Traum.
Keine Ansteckung brauchte ich. Die Dose floss samt Inhalt in den Topf. Nicht einmal meine Hände wurden dreckig, dafür schellte mein Smartphone.
Sauer darüber, dass es jemand wagte, mich in meinen Kochtraum zu stören, eilte ich ins Wohnzimmer. Das Geräusch leitete mich. Eine Textnachricht verlangte nach meiner Aufmerksamkeit.
Abendessen bei mir? 18:00? Ich hole dich ab. Marvin.
Den Satz: „Verpiss dich“, bereits zu meinen Daumen sendend, zuckte ich zurück.
Es war zwar nur ein Traum, dennoch machte ich mir langsam Sorgen. War dieser Marvin das Tor, der Ausgang und meine panische Attacke ihn zu küssen ein Hilferuf aus meinem tiefsten Inneren. Ich hatte einen Plan und nahm an.



Ausgang

Mein Plan war trivial und die Fakten lagen auf meiner Hand.
Ich träumte, jedoch kein normaler Nachttraum, dafür war er irgendwie zu lang. Somit war ich bewusstlos. Ein Sinn funktionierte. Der Hörsinn. Ich nahm somit die Welt um mich herum nur mit meinen Ohren wahr. Ein Filmriss, eine Amnesie vor einem Knock-out konnte ich nicht ausschließen. Drei Personen spielten eine Rolle. Florence und Heino vor meiner Umnachtung sowie Marvin, den ich einzig aus diesem Traum kannte.
Ich war bereits weiter mit Florence, als meine Erinnerungen es mir vorgaukelten. Heino war gewalttätig. Ich hatte es am eigenen Leib erfahren. Er schickte mich in die Welt der Träume. Marvin sprach mit mir, beruhigte mich, somit war er mein Anker, der Ausgang. Ich hatte seine Hilfe abgelehnt, dafür gab ich ihm einem Korb.
Träume verarbeiteten das Erlebte des Tages. Was hatte ich erlebt? Ich hatte in Frauenkleidern gemodelt, dass dieses für einen Mann mehr als belasteten stand für mich außer Frage. Es wäre, wenn? Die Spekulation verwarf ich zugleich.
Jedenfalls besaß mein Plan eine Hürde. Für Marvin war ich zumindest in meinen Traum eine Frau. Mir mit dieser Zauberunterwäsche Brüste zu zaubern und ein Kleid überzuwerfen, stellte für mich kein Problem dar, jedoch mein Gesicht glich, obwohl mit weichen Zügen, eher dem eines Mannes. Wie träumte man sich Schminke?
Das Nagelstudio mit seinem komischen Namen ‚Skin Shop‘ kam mir in den Sinn.
Die blanke Pein als Mann in ein Nagelstudio zu treten, erwog mich, mein T-Shirt auszuziehen und den Büstenhalter umzuschnallen. Bereits beim Schließen des Rückenverschlusses ploppten mir zwei Busen heraus. Sogar ein Traum hatte eine gewisse Logik. Ich zerrte die Träger über meine Schultern, zog mir erneut mein T-Shirt über und machte mich sogleich auf den Weg. Allein der Gedanke daran, dass eine ärmellose Bluse mir besser als ein blaues T-Shirt zu dem Rock zu Gesicht stehen würde, ließ mich an meinen Verstand zweifeln.

„Business, Theater, Ball, Hochzeit, Trauerfall, Abendessen?“
Die junge, für mich sehr hübsche Frau, welche aufgrund, so nahm ich an, ihrer kräftigen Gesichtsbemalung ihre beste Kundin war, löcherte mich.
„Abendessen.“
„Geschäftlich, familiär, romantisch, erotisch?“
„Romantisch.“
„Mieten oder kaufen?“
Da ich keine Lust empfand, für einen Traum Schminke zu kaufen entschied ich: „Mieten.“
„Dauer?“
Ich sah sie entgeistert an.
„Dauer? Wie viele Stunden, Tage oder Wochen. Ab zwei Wochen würde ich kaufen empfehlen. Ist günstiger.“
Wie lange ging ein Abendessen?
„Drei Stunden.“
„Mindestmietzeit sechs Stunden.“
„Dann halt sechs.“
Sie erfasste meine Hand.
„Nägel?“
„Bitte?“
„Fingernägel. Wir haben heute ein Sonderangebot. Ein Tag mieten kostet dasselbe wie kaufen.“
„Und sechs Stunden?“
„Mindestmietdauer ein Tag“, zirpte sie mir entgegen. „Dann geben wir auch 50% Rabatt auf Fußnägel.“
Eine gewisse Geschäftstüchtigkeit konnte ich ihr nicht absprechen, die sie sogleich bewies.
„Farbe? Mit oder ohne Schmucksteine.“
„Nur die Finger.“
„Farbe?“
Langsam brachte sie mich in den Wahnsinn. Welche Farbe hatten die Fingernägel von Frauen.
„Rot!“
„Feuerrot, signalrot, rubinrot, korallenrot, orientrot, lachsrot, perlrubinrot, himbeerrot.“
„Von mir aus himbeerrot.“
„Short, medium, large, very large, extrem large.“
„Large“, donnerte ich ihr in meiner Verzweiflung entgegen.
„Danke!“
Sie zückte einen Stift, strich damit über meine Fingernägel, woraufhin diese nicht allein die von mir gewählte Farbe annahm, sondern gleichzeitig an Länge zunahmen. Wenn sie jenes als large bezeichnete, was war dann extrem large?
„Hast du noch einen Wunsch?“
„Danke!“
„Bezahlen!“
„Bitte!“
„Entschuldige bitte.“
Es hatte für mich den Anschein sie verblasste, dafür erschien ein anders für mich auf den ersten Blick fremdes Gesicht. Ich betrachte mich in einem Spiegel. Der Laden, besser gesagt sie, übertrieb es wahrlich. Wie hätte mein Anglist ausgesehen, wenn ich erotisch gewählt hätte?
„Gefällt es dir?“
„Ja!“, log ich.
Nachdem ich mit Handabdruck bezahlt hatte, verabschiedet sie mich. „Bernadette empfehle uns weiter. Für jede Empfehlung erhältst du 100 Treuepunkte.“

Der Bürgersteig hatte mich wieder. Als ich an der Boutique vorbeikam, kam mir in den Sinn, wie ich darauf kam, entsagte es mir, dass ein Partykleid gar ein Sommerkleid, nicht das angebrachte Outfit für einen romantischen Abend war.
Diesmal wollte ich jedoch die Sache abkürzen.
„Ich brauche ein schwarzes Minikleid.“
„Langarm, kurzarm, breite Träger, Spaghettiträger oder Bandeau?“
In diesem Moment beneidete ich keine Frau.

Es war kurz vor 18:00.
Ich steckte mir den goldenen Ring auf, welchen ich zusammen mit einer Halskette und einem Armreif in dem der Boutique angrenzendem Schmuckgeschäft erworben hatte. Dann schritt ich vom Bad ins Wohnzimmer, schlüpfte in die himbeerroten Sandaletten, zog mir den Bolero über. Die Dame von der Boutique hatte diese mir an Herz gelegt. Sodann fischte ich all meine Visitenkarten aus meiner Handtasche und verstaute diese in meine Clutch, gleichfalls ein Rat der Dame, jene nicht allein himbeerrot leuchtete, sondern obendrein glitzerte.

Meine Türglocke läutete. Ich öffnete die Tür, Marvin stand vor mir und sperrte seinen Mund auf.
„Wow! Du siehst einfach bezaubernd aus.“
Ganz in meiner Rolle drehte ich mich einmal um meine Achse. „Meinst du das ehrlich?“
„Du bist die schönste Frau, die ich je gesehen habe.“

Während der Fahrt zu seiner Wohnung sprachen wir kein Wort. Wie gelähmt waren meine Lippen. Nicht einmal im verspiegelten Fahrstuhl brachte ich ein Wort hervor, obwohl ich mich wunderte, wie imposant er, oder wie zierlich ich war. Trotz meiner hohen Absätze reichte ich gerade an seine Schulter, und wenn ich mich verstecken würde, hätten zwei meiner Art hinter ihm Platz gehabt.
Was mich jedoch mehr verwirrte, war, dass wir im 64 Stock den Fahrstuhl verließen. Ich kannte kein derart hohes Haus in meiner Stadt. Waren wir in einen anderen Ort gefahren? Wenn, dann, wo war die Zeit geblieben?
Marvins Wohnung war geräumig, dennoch bestand sie nur aus einem Raum. Eine Küchenzeile, einen Essbereich und eine Sitzlandschaft erblickte ich. Kein Bett, keine weitere Tür, außer der durch die ich geschritten war, erspähte ich. Was ich imposant fand, war die Fensterfront, die sich über eine Wand spannte und durch die ich die Lichter der Stadt sah.
Ich stockte. Als wir losfuhren und während der Fahrt war es taghell gewesen. Trotzdem empfand ich keine Angst, fühlte mich geborgen. Nicht einmal, als er mir den Bolero von meinen Schultern schob, machte ich mir Sorgen. Oder, als ich seine Lippen auf meinen Hals spürte. Erst als seine Hände über meinen Körper fuhren, seine Finger unter mein Kleid glitten und er meine Brüste liebkoste, kam Unruhe in mir auf.
Was in mir umging, war, dass er meinen Büstenhalter ertasten könnte, den ich mir nur umgelegt hatte.
Denn dessen Aufgabe nahm die leichte Korsage meines Kleides wahr. Außerdem hätten die Träger lächerlich ausgesehen.
Ich drehte mich aus seiner Umklammerung, schlang meine Arme um seinen Hals, zog mich herauf und küsste ihn.
„Las uns erst einmal essen.“
Erst nachdem ich diesen meinen Satz erfasst hatte, erwachte ich. Zwar nicht aus dem Traum, aber zumindest, aus dem Unvermögen klar zu denken. Obwohl ich träumte, hatte ich dennoch nicht vor ein amouröses Abenteurer mit einem Mann zu starten. Immerhin war ich selbst einer. Ich wollte mithilfe von Marvin den Ausgang finden.

Es gab Pizza. Was hatte ich erwartet? Ein fünf Gänge Menü. Zumindest hatte Marvin zwei Kerzen angezündet, sodass eine gewisse romantische Atmosphäre aufkam. Denn entgegen der allgemeinen Etikette einer Dame aß ich wie Marvin die Pizza mit den Fingern. Obwohl ich mich bemüht hatte, gelang es mir mitnichten, die Pizza mit Messer und Gabel zu tranchieren. Entweder war das Messer derart stumpf oder der Teig zäh, außerdem schmeckte sie wie Pappe. Trotzdem lobte ich seine Kochkunst.
Marvin saß mir gegenüber, schwieg und ich stotterte. Diesmal nicht aus dem Grund, da ich mir überlegte, inwiefern er sich den Ausgang des Abends wünschte, sondern ich. Was in meinem Kopf vorging, was mein Körper verlangte, vermochte ich kaum zu steuern. Daher nahm ich mich kurz zurück und ließ meinen Traum laufen. Ich brauchte diese Freiheit, um nachzudenken. Dass dieses ein Fehler wahr merkte im nächsten Augenblick.

Ohne mein willentliches Dazutun zwinkerte ich Marvin zu, streckte mein rechtes Bein, glitt mit meinem Fuß an seinem Oberschenkel entlang und hörte mich sprechen: „Wie wäre es mit einem Nachtisch?“
Marvin blieb stumm. Dafür stand ich auf, umschritt den Tisch, stellte mich an Marvins Rücken, beugte mich hinab und küsste ihn. Daraufhin stand er ebenfalls auf. Ich sah in sein Gesicht, drückte meinen Körper an den seinigen, schlang meine Arme um seinen Hals, worauf er seine Hände an mein Gesäß presste. Er hob mich an, während ich meine Schenkel um ihn schmiegte. Meine Lippen nicht von seinen lösend trug er mich an die Stelle, an der zuvor die Sitzlandschaft war, nun ein Bett stand.
Ich war unfähig, die Situation zu kontrollieren. Meine Glieder gehorchte mir nicht mehr. Es hatte für mich den Anschein, obwohl ich alles spürte, als hätte ich meinen Körper verlassen. Das Bett an meinen Beinen, das Hemd, welches ich ihm vom Leib riss, seine Lippen, seine Liebkosungen, die Dämmerung als mein Kleid über mein Gesicht glitt.
In dem Augenblick als er zwischen meinen gespreizten Schenkel kniete, sich seiner Hose entledigte, quoll tief aus meinem Gedächtnis herauf, dass er nicht der erste Mann war, welcher körperlich mit mir war. Dann schmolz ich dahin.



Abwärts

Es war einer der schönsten Morgen, die ich je erlebt hatte. Bereits beim Erwachen spürte ich, dass es wahrlich ein Erwachen war. Der Traum schien durchbrochen.
Ich strich über meinen Körper, meine Brüste, meinen Bauch bis zum Schritt und massierte meine Schamlippen. Einzig mein Gedächtnis schien mich zum Großteil verlassen zu haben. An diesen seltsamen Traum erinnerte ich mich, jedoch nicht an das, was vorher geschehen war. Einzelne Bilder und Namen identifizierte ich, mehr nicht.
Nachdem ich meinen Körper vollends erkundet hatte, stand ich auf. Stand aus Bernds Bett auf. Den dieses war es. Wie die Wohnung nicht die meinige, sondern das Heim meines Freundes oder gar Geliebten. Dass ich selbst eine Wohnung hatte, lag für mich auf der Hand, doch wo sie war, oder wie sie eingerichtet war, entsagte mir meine Erinnerungen. Genauso wenig Bilder, denn keine, hatte ich von diesem Bernd, einzig seinen Namen.
Es war mir auch in diesem Moment vollkommen egal. Ich musste mal, und zwar sehr dringend.

Der Schreck fuhr mir durch die Glieder, nachdem ich die Tür zum Bad geöffnete hatte. Ein für mich fremder Mann stand vor meiner Dusche und sah sich um.
„Was machen Sie hier?“
„Ich sehe mich um.“
Der Fremde wandte sich zu mir um und starrte mich an. In diesem Augenblick wurde mir bewusst, dass ich nackt war. Ich schnappte mir ein Badetuch und schlang es um meinen Körper.
„Wie sind sie hereingekommen?“
„Durch die Tür.“
„Bernd?“
„Nein. Sören. Ich dachte, die Wohnung ist frei.“
„Raus!“
Ich drängte ihn zur Wohnungstür und warf ihn heraus. Dem Fremden hinterherschauend, erblickte ich einen weiteren Mann, der die Treppe hinaufstieg. Der Mann trug einen Vollbart.

Ich presste die Hände vor meine Augen und schrie. Schrie, bis seine Arme sich um meinen Körper legten. Eine Bilderflut durchströmte mich, verbannt sich mit dem Fremden im Bad, welcher nach seiner Aussage eine freie Wohnung begutachtet hatte. Ein Toter benötigte kein Heim. Bernd war tot. Sein Körper war tot.
Zwei Alternativen manifestierten sich in meiner Hysterie. Die Erste, ich war verrückt. Die Zweite nicht minderweise absurd, Außerirdische hatten sich mir bemächtigt und nicht allein mir, sondern gleichfalls meiner Ex-Freundin. Deshalb fand ich ihre Handtasche in meiner Wohnung. Es war eine Verwechslung gewesen. Florence! Sie hatte mich zu ihr gelockt. Aber warum mich. In ihrer Wohnung hatten sie den Fehler bemerkt.
Mein Körper war tot, von Heino vernichtet. Mit ihrer Macht transferierten sie mein Ich in den Körper meiner Freundin. Ihr Geist spuckte weiterhin in mir, nein in ihr.
„Beruhige dich.“
Ich sollte mich beruhigen? Marvin war, und dieses war für mich die einzige logische Erklärung gleichfalls ein Außerirdischer.
„Warum als Frau?“
„Männer können nicht schwanger sein.“
Das Wort schwanger sagte mir zuerst nichts, dann fiel mir ein, dass Frauen, bevor sie ein Kind zur Welt brachten, schwanger wurden. Ich hatte eine Nacht mit ihm verbracht und er mich geschwängert? Nicht mich, den Körper, in dem ich steckte.
„Sabine beruhige dich.“
Sabine? Der Name kam mir bekannt vor. Sabine war der Name meiner Ex-Freundin.

In meiner Panik, in der Hoffnung auf einen Retter verwarf ich meine Annahme. Heino schwängerte Sabine, dabei hatte sich ihr Ich gewehrt, sich zurückgezogen, deswegen hatten sie mein Ichin ihren Körper verlegt. Ich schrie. Sollte ich bis zum endgültigen Ende, in diesem Körper gefangen bleiben?
„Wir müssen weg!“
Wollte er mich retten? Verweilte irgendwo mein Leib? Außer dem hysterischen Gekreische, welches sicherlich von Sabine gesteuert wurde, kam kein klares Wort über meine Lippen.
Erst der Schlag seiner Hand gegen meine Wange ließ mich verstummen. Er trat in die Wohnung, schnappte sich die himbeerrote Handtasche, die ich am Vorabend bei mir getragen hatte, und presste diese sodann gegen meinen Oberkörper.
„Die wirst du brauchen.“

Er zerrte mich zum Fahrstuhl. Das Haus, in dem ich wohnte, besaß gar keinen Fahrstuhl.
Die Clutch fest an meinen Körper gepresste, beobachtete ich wie die Fahrstuhltür sich schloss. Marvin drückte einen Knopf und der wir fuhren herab.
Keine Panik umgriff mich, als ich die Anzeige ansah. Die Zahl wuchs, obwohl ein Minuszeichen vor ihr prangte. Ich hatte gehört, jedenfalls sagte dieses mir meine Erinnerung, dass Menschen, bevor sie endgültig die Welt verließen, in Ruhe verfielen.
Wer hatte das herausgefunden? Gab es ein zurück?
„Wird die Erde für eine Hyperraum-Umgehungsstraße gesprengt?“
Woher ich diesen Satz, weshalb ich ihm gesagt hatte, wusste ich nicht, jedoch entriss dieser Marvin aus seiner Lethargie.
Er sah an sich herab. „Woher weißt du?“
Obgleich ich nach meiner Auffassung bereits auf dem Weg ins Jenseits war, blieb mir mein Herz stehen.
„Ich habe recht?“
„Nein.“ Er wandte sich zu mir um und ich glaubte, ein kurzes Grinsen von ihm zu sehen. „Arthur Dent trägt einen Bademantel und“, er tippte auf meine Handtasche, „keine Handtasche. Außerdem heiße ich nicht Ford Prefect, sondern Marvin. Oh ja!“
Wie konnte er in dieser Situation derartigen Schwachsinn von sich geben? Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach.
Der Fahrstuhl blieb stehen und Marvin wies zur Tür. „Steig aus!“
Ich sah ihn verdutzt an. „Die Tür ist zu.“
„Korrekt!“
„Wie soll ich durch eine verschlossene Tür gehen?“
Marvin trat an die rückwärtige Wand des Aufzuges, ging auf die Tür zu. „So!“
Ich revidierte all meine Annahmen, strich die Außerirdischen, meinen bereits eingetretenen oder mir noch bevorstehenden Tod und stellte an deren Stelle wieder einen Traum. War diese Tür der Ausgang? Ich schloss meine Augen und ging.
Es hatte für mich den Anschein, als würden Hunderte Messer meine Körper tranchieren, dabei empfand ich jedoch keinerlei Schmerz.
Bevor ich meine Augen öffnete, kontrollierte ich, ob ich noch in einem Stück war. Ich stand in einem Raum, kaum größer als ein Familienabteil eines Zuges. Die Wände waren mausgrau und eine Lichtquelle, die ich nicht fand, erleuchtete diesen.
Es war kein Traum. War dies das Ende?
Wie aus dem Nichts stand plötzlich Marvin vor mir.
„Bin ich jetzt tot?“
„Wie tot?“
Seine Gelassenheit wurmte mich. „Das Ende. Weg von der Welt. Nie wieder über blühende Sommerwiesen laufen?“
„Ach, das meinst du. Nein. Das geht nicht.“
„Wie, ich verstehe nicht? Jeder Mensch verstirbt.“ Ich sah mich nochmals um. „Jedenfalls irgendwann.“
„Dieses ist korrekt. Jeder Mensch verstirbt, jedoch…“
Marvin fror wieder ein.
Ich schrie: „Jedoch!“
Mein Schrei taute ihn auf. Er verdrehte seine Augen.
„Ein Avatar stirbt nicht. Er wird gelöscht.“


Ende 1. Teil


- 2. Teil demnächst in diesem Theater -
 
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jon

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Hallo ahorn,

das verspricht, spannend zu werden. Aber: Streich mal bitte das Wort schier aus deinem aktiven Wortschatz (zumindest so lange, bis du den Umgang damit beherrschst) und schränke den Gebrauch von gleich, gleichwohl, obgleich etc. auf Notfälle ein (also wenn wirklich gar nichts anderes passt). Versuch, generell viel, viel näher an der Alltagssprache zu bleiben - der Text wirkt verschraubt. Und weniger Fehler wären auch nicht schlecht.

Im Detail:

Was ist echt, was ist Vision. (Hier ? statt .)
Ist Realität nicht subjektive subjektiv. (Hier ? statt .)
Nimmt nicht jeder die Welt anders war. (Hier ? statt .)
Wie erlebt man ein Computerspiel mit Virtual-Reality-Headset und Datenhandschuh?
Real, Fiktive fiktiv.(Hier ? statt .)
Verschwimmen irgendwann die Grenzen. (Hier ? statt .)
Ich verstehen den Zweck dieser Zeilen nicht. Sie sind zudem "breitgeräumt" - bei so einer Struktur sollte man konzentrierter auf den Punkt kommen.

Er Es war für mich alles andere als seltsamKOMMA in einem Umkleidebereich zu stehen, in dem Männer in der Regel vor und ihre Damen in den Kabinen verweilten.
Viel zu verschraubt - in beiden Teilsätzen. Beim ersten schießt sich das Gehirn auf "seltsam" ein und muss das mühsam in "normal" um"rechnen". Auch der zweite Teil verlangt für einen ersten Satz einen viel zu hohen Decodierungsaufwand. Was hast du gegen etwas sofort Erfassbares wie: "Ich war nicht zum ersten Mal im Damenumkleidebereich des Kaufhauses."?

Mit der Ausnahme, dass ich weder auf meine Freundin, Schwester oder sonst einer weiblichen Person wartend ausharrte.
Decodiert: "Es ist normal für mich, in der Damenumkleide zu sein, mit der Ausnahme, dass ich auf keine Frau warte." Das ergibt keinen Sinn.
Wenn du nach dem Satz eins klarstellen willst, warum es erwähnenswert ist, dass "ich" nicht zum ersten Mal in der Damenumkleide ist, schrieb doch klipp und klar, dass "ich" ein Mann ist. "(Nicht) Auf einen Frau warten" kann man nämlich auch als Frau.

Ich war nicht zum ersten Mal im Damenumkleidebereich des Kaufhauses. Beim ersten mal hatte es sich noch etwas seltsam angefühlt, dass ich als Mann hier etwa anprobierte, aber inzwischen genierte ich mich nicht mehr.

Denn ich selbst betrachtete mich im Spiegel und begutachtete einen Rock.
"Es war normal für mich, in der Damenumkleide zu sein, denn ich betrachtete mich im Spiegel."- ? Das "denn" ergibt keinen Sinn.
Das "selbst" ist überflüssig. Und sogar irritierend: Es ist normal, dass man sich selbst betrachtet, das mit "ich selbst statt jemand anderes" zu betonen wirkt extrem merkwürdig.

Meine Ex hatte mich vor Jahren auf den Trichter gebracht, egal, was die Leute sagten, es gab kaum etwas Luftigeres, als im Sommer einen Rock zu tragen.
Stilbruch - das ist alles so hochgeschraubt, da passen "Ex" und "auf den Trichter bringen" nicht rein.
Inhaltlich sollte man das trennen: "Meine Ex hat mich drauf gebracht. Egal was …"

Ich hatte keine PeinKOMMA den schützenden Bereich der Kabine zu verlassen, wieso auch, den denn ich trug ja Röcke.
Da Wort "Pein" ist hier völlig fehl am Platz. Du meinst "Problem".
Das ist unlogisch. Eben weil er Rock trägt, könnte das Verlassen des "Schutzraumes" peinlich werden.

Ausnahmslos schlichte Knielange knielange, entgegen jenem, der in diesem Moment auf meiner Hüfte meinen Hüften ruhte.
Hier macht sich die Unsauberkeit in Sachen Zeit eine Rolle: Bis hierher mischst du munter "allgemein" und "Plot jetzt" - hier prallt beides aufeinander.
"entgegen jenem" ist falsch
Das ist unklar - es kann ein Mini- oder Midi-Rock sein, ein waden- oder knöchellanger. Da es offenbar für die Story (zumindest am Rande) von Bedeutung ist (und für den Kopf-Kino-Film sowieso), solltest du präziser werden.

„Steht dir!“
Erschrocken von der Ansprache wandte ich mich um und blickte in ein verdutztes Mädchengesicht.
Es ist nicht glaubhaft, dass sie verdutzt ist - dann hätte sie sowas nicht gesagt.

„Für einen Mann“, vervollständigte die Schöne ihren Satz.
Dieses passierte mir des Öfteren, den gleich meiner Vorliebe für Röcke, hatte ich ein Faible für lange Haare.
Das ergibt auch keinen Sinn. "Es passiert mir oft, dass jemand 'für einen Mann' zu mir sagt, weil ich lange Haare mag". Später(!) merkte ich, dass er lange Haare hat, aber auch "Es passiert mir oft, dass jemand "für einen Mann" zu mir sagt, weil ich lange Haare habe" ist nicht sinnvoller.

Meine waren zwar nicht derart lang wie die der Frau, die mich anblickte, dennoch weitaus längerKOMMA als es Männer trugen.
Wann spielt das? Männer tragen heutzutage alle möglichen Haarlängen.

„Ist der nicht zu weiblich?“
Das fragt er?

Ich hob den Stoff des weiten, über meine Knie fallenden Rock. „Meinst wirklich?“
Moment bitte! Sagtest du oben nicht, dieser Rock hier sei nicht knielang?

„Kenn ich nicht! Hast einen geilen Body. Probier das mal über!“
"Probier das über" - ?

Erst in diesem Moment begriff ich, dass sie, gleichsam wie ichKOMMA den Ort zwecks einer Anprobe aufgesucht hatte. Klar, für was wofür sonst.
Warum begreift er das? Fehlt in deinem Text "Sie reichte mir ein Kleid" oder sowas?
Das Wort "gleichsam" ist nicht nur sehr hochgestochen, es wird hier auch falsch benutzt. Es bewegt sich auf der Bedeutungsebene mit "Gleichnis" nicht mit "ähnlich".
Viel zu geschraubt.

Ihre Augen zogen mich an. Ohne mich zu versehen, stand ich wieder in meiner Kabine, bis auf meiner Unterhose nackt.
Was verstehen? Wieso "wieder"?

Sie streifte mir das Sommerkleid über, schloss sodann den Reißverschluss und zerrte mich förmlich in den Vorraum.
"Dann" statt "sodann" wäre weniger hochgestochen.


Sie öffnete ihre Handtasche und zückte eine Visitenkarte hervor.
Ich hatte kein Arrangement, daher Zeit im Überfluss und Geld brauchte jedermann.
Das verstehe ich nicht. Meinst du "Ich hatte kein Engagement"?

Nur in dieses Kleid zu schlüpfen, in aller Öffentlichkeit mit Bus und Bahn dort anzureisen,KEIN KOMMA oder fast eine Stunde zu Fuß mitten durch die Stadt zu gehen, quälte mich.
Er macht doch im Moment nichts davon - es kann ihn also nicht quälen. Meinst du, die Vorstellung davon quälte ihn? (Wobei "quälen" schon ein recht großes Wort ist, vor allem für einen, der sowieso schon im Rock rumläuft.)

Vielleicht hatte sie mich schier gefoppt, würde sich vor Lachen bepissen.
Das Wort "schier" ist hier völlig fehl am Platz. "Foppen" und "bepissen" gehören zu zwei weit voneinander entfernten Stilebenen.

Oder das Gegenteil traf zu, und es war eher eine Art Beweis, dass ich Anweisungen befolgte, beziehungsweise gar eine Mutprobe.
Das Gegenteil von "foppen" ist "nicht foppen" - das ist das große Wort "Gegenteil" nicht wert. Es ist okay bei "Vielleicht meinte sie es nicht als Kompliment sondern im Gegenteil als Beleidigung". Verstehst du, was ich meine? Ich kann es grad nicht besser erklären.

Der ReizKOMMA etwas aus der Norm reichendes Reichendes zu unternehmen, hatte gesiegt.
… obwohl "aus der Norm reichend" schon komisch klingt. Was hältst du von "von der Norm abweichend" oder einfach "ungewöhnlich".

Da stand ich nun in meiner Wohnung in einem cremeweißen Sommerkleid mit Rüschen besetzten rüschenbesetzten Trägen und hatte ein Problem.
Wohin mit meinem Schlüssel und meiner Brieftasche.?
Ich besaß, was vollkommen logisch war, keine Handtasche. Wozu auch, all meine Röcke, bis auf meinen Neuen neuen, den ich bis auf der Anprobe nie getragen hatte, verfügten über welche.
… über Handtaschen?

Ich erinnerte mich daran, dass ich einen Rucksack besaß, bloß besaß. Bloß wo hatte ich diesen das letzte Mal gesehen.?
Langsam in Zeitnot durchwühlte ich all meine Schränke,
Stilblüte: Langsam in Zeitnot wühlen - wenn man unter Zeitnot steht, wühlt man schnell. Ich weiß, du meinst "Langsam in Zeitnot geratend", deshalb schreib das doch auch so.
Übrigens: Wieso Zeitnot? Es war nie von einem Termin die Rede.

… dachte an den Rucksack, gleichzeitig an eine weiße Handtasche, welche ebenfalls geeignet gewesen wäre.
Es war einer von Typ Armee, dabei hatte ich nie gedient. Oder?
Wieso weiß er das nicht? Das ist zu schnell übergangen: Sowas weiß man, der Leser muss verstehen, warum er sich das fragt (und sich nicht wegen der Frage über sich selbst wundert).


- Fortsetzung folgt -
 

ahorn

Mitglied
Hallo jon,
ich danke dir.
Endlich meldet sich mal jemand :)
In der Geschichte wage ich mich, für mich auf Neuland vor.
SF und 1. Person.
Dann mache ich mich mal ans Werk.

Liebe Grüße und sollte man sich nicht mehr schreiben Frohes Fest
Ahorn
 
Hallo Ahorn,

jetzt bin ich auch mal dazu gekommen. Und ich muss gestehen, dass ich jon recht geben muss. An einigen Stellen liest man sich echt einen Knoten in die Synapsen, so verquer sind die Formulierungen. Das kannst Du besser, auch wenn Dein Stil an sich manchmal durchaus etwas eigenwillig daherkommt.

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
P.S.: habe übrigens gerade meine Weihnachtsepisode von Kommissar Zufall eingestellt ... :)
 

molly

Mitglied
Hallo ahorn,
ich weiß ja, dass Du Dich gern Deiner ganz eigenen Wortwahl bedienst. Nun habe ich einmal versucht, ein Stück Deines Textes zu "entschrauben". Vielleicht magst du etwas davon übernehmen.
Liebe Grüße
molly


Florence führte mich durch einen (im Halbdunkel liegenden) halbdunklen Gang. Wir gingen in einen (Art) Saal. Auf einer Bühne stolzierten zwei Frau auf und ab, präsentierten schwingend ihre Kleider.

Nachdem Florence einen Vorhang geöffnet hatte, trat ein Mann auf uns zu, der (welcher gleich) wie ein Weihnachtsbaum mit Schmuck behängt war. (auf und zu.)

„Florence Schätzchen, das ist eine Kleinigkeit für mich“, (sprach dieser nasal) sagte der Fremde, wobei er mit (sein) den Armen fuchtelte.

Er sah mich an (wandte mir sein Gesicht zu).

„Schätzchen KOMMA deine Haare sind zwar grauenvollen“, er musterte mich. „(Wohingegen) dein Body jedoch ... phänomenal.“
Was hatten die immer wieder mit meinem Körper. Ich fand mich normal.

(Bis darauf, dass irgendwer, ich ging von Ulrich aus, an meinen Haaren zupfte, bekam ich nichts mit.)
Vorschlag: Nun zupfte irgendwer an meinen Haaren, ich nahm an, dass es Ulrich sei.

Florence Kopf erschien in meinem Gesichtsfeld. „Ey krass Komma richtig scharf der Kleine. Sandra zieh in ihn um.“
„Wer soll mich umziehen? Und Warum?“
„Hey, dass das ist hier ein Modeshooting. Wir machen (Mode)Fotos, da muss man sich umziehen.“
„Das kann ich selber“, (erboste) sagte ich wütend KOMMA(ich mich, denn die Scham darüber,) denn dass mich jemand begrapschen sollte, (erfasste) gefiel mir nicht.

„Ulrike, hilf der Diva“, und an mich gewandt. „Den Aufstand ziehen wir dir von der Gage ab.“ Guter Satz!

Ich (entblößte) zog mich bis auf die Unterhose aus.
Ulrich tippte auf meine Brust. „Florence Schätzchen KOMMAwas machen wir hiermit?“
„Ändern können wir es nicht, aber“, sie zwinkerte ihm zu, „ein bisschen Mogeln und du Bernd ziehst diese lächerliche Boxershort aus, die ist total unerotisch.“

Dann drängte eine Stimme, woher sie kam, (konnte ich nicht erfassen) wusste ich nicht, zur Eile(n). ...
Dabei wehrte ich mich nicht(gab ich keinen Einwand), es war nur Stoff, jedoch war ich skeptisch, wie mein Geschlechtsteil samt Anhang dort einen Platz fand.

Das erste Kleid flutschte über meinen Körper. Ulrich schloss den Reißverschluss, während ich in Pumps schlüpfte, bei deren Anblick ich mich bereits (gefallen) auf den dem Boden liegend sah.

Doch sah ich keine Kamera (erblickte ich), hörte nur eine weibliche Stimme, die (als käme sie aus dem nichts) mir Anweisungen erteilte. …

Dennoch sagte mir mein Instinkt, dass ich den Weg nach Hause nicht mehr schaffen würde und mich einfach in einem Sommerkleid an die nächste Hauswand zu stellen, wäre mir (dann) doch (eher, na ja.) zu PEINLICH?
Florence folgte mir, öffnete die Wohnungstür, zeigte mir ihr Bad, das ich schnell betrat. (in das ich eilte.)

„Ich bin im Schlafzimmer.“
Ich folgte ihr(em Ruf). Ihr Anglist Antlitz, besser wäre ihr Aussehen entzückte mich. In einem Negligé gekleidet rekelte sie sich auf ihrem Bett.
VORSCHLAG: Sofort folgte ich ihr und war entzückt von ihrem Aussehen. In …

„Komm, las uns KEIN KOMMA ein bisschen Spaß haben“, (unterbreite) schlug sie vor (sie mir), wobei sie auf ihre Matratze klopfen.

Ich (kam ihrer Bitte nach,) legte mich zu ihr und drückte meine Lippen auf (die ihrigen.) ihre.
 

ahorn

Mitglied
Hallo molly,

ich danke dir.
ich weiß ja, dass Du Dich gern Deiner ganz eigenen Wortwahl bedienst. Nun habe ich einmal versucht, ein Stück Deines Textes zu "entschrauben".
Müsste aber entschroben heißen, denn meine Sprache ist zum Teil - bewusst ;) oder unbewusst - verschroben.
Vielleicht magst du etwas davon übernehmen.
Dieses ist der Sinn eines Korrektorates.
Also, immer her damit. Jeder Hinweis, kann jedem helfen. :D

Liebe Grüße
Ahorn
 



 
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