Kommissar Dupin und ich

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Cafard

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Wenn ich etwas von Belang erlebe, schreibe ich etwas, was noch lange nicht heißt, dass es wirklich von Belang ist. Man kann sich über diese Dinge hinwegsetzen und frei sein und dennoch etwas schreiben...

Heute ein paar Zeilen über mein Abendessen von gestern, ein Thunfisch-Zwiebel-Salat; für mich ein schönes Gefühl, wenn ich die Dose Thunfisch aufmache: Das ist alles für mich, der ganze Inhalt ist für mich. Die Kollegin hatte mir ein Glas Fleur de Sel mitgebracht, die feinen Salzflocken verwandeln einen langweiligen Thunfischsalat in einen interessanten Thunfischsalat.

Ich hatte irgendwann mal erwähnt, wie sehr ich Fleur de Sel liebe und wie unfähig ich bin, für mich zu sorgen und ein Glas davon zu kaufen. Als sie mit dem Mitbringsel in der Schule auftauchte, hielt ich kurz den Atem an, es könnte ein Liebesbeweis sein, nur ist sie mehr als zwanzig Jahre jünger und sehr sportlich, ich gehöre schon fast zum alten Eisen, zumindest kann ich keinen Sport machen, es war also ein Beweis ihrer Anteilnahme an meinem Schicksal, mehr aber nicht.

Es rutschte mir so raus: Das ist ein Liebesbeweis. Wenn ich ahnte, dass es wirklich ein Liebesbeweis wäre, würde ich so etwas nicht sagen, aber da ich mir tausendprozentig sicher bin, dass es reine menschliche Fürsorge ist, kann ich so unbekümmert sein und sagen: Das ist ein Liebesbeweis.

Natürlich muss sie es auf der Stelle bereut haben, mir dieses Fleur de Sel mitgebracht zu haben, ich bringe sie in eine kleine Verlegenheit, weil ich ein Dummkopf bin, ich hätte sagen müssen, wie liebenswürdig ihr Mitbringsel ist, aber nie und nimmer: Das ist ein Liebesbeweis.

So sitze ich vor meinem Thunfisch-Zwiebel-Salat und gräme mich über mich selbst, was sich mein haltloses Temperament mal wieder geleistet hat, aber dann schwenke ich um: Eine ganze Dose Thunfisch für mich alleine, ein seltsames Glücksempfinden, schon eher verständlich die leicht übertriebene Freude am Fleur de Sel, die Blume der Salzgärten in dieser fernen Bretagne, in die ich verliebt bin.

Im Fernsehen lief Bretonische Flut, ein Krimi mit Kommissar Dupin, ein Mensch, der das Leben lebt, das ich führen möchte, er fuhr einen auberginefarbenen Citroën XM mit hydraulischer Federung, ein Wagen mit einer Technik, die gerne Probleme bereitet, aber das ist fast egal, wenn es Liebe ist.

Mein Leben ist eine Hängepartie, ich erträume mir oft ein Leben von einem anderen Menschen wie das Leben von Kommissar Dupin in Concarneau, mein einziger Trost ist ein Gedanke von Martin Walser: Als es schön war, wusste ich es nicht. (Als Kommissar Dupin ein schönes Leben in der Bretagne führte, wusste er es nicht.) Als ich jedoch jene Dose öffnete, überkam mich eine Spur von Bewusstsein über mein seltsames Glücksempfinden, ich sollte es besser nicht erneut erwähnen: Eine ganze Dose Thunfisch für mich allein. Wahrscheinlich der Ausdruck einer ewig kindlichen Seele.

Die Kollegin sagt, die Romane mit Kommissar Dupin seien literarischer Schrott, das hatte mich nicht erschrocken, Schlichtes jagt mir keine Ehrfurcht ein, da kann ich mich leicht fühlen, es ist schön, wenn man sich leicht fühlt.

Nun ist es genug, jede weitere Zeile wäre eine zu viel.
 



 
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