Rainer Zufall
Mitglied
Das Seeungeheuer
Es war Ende März. Aber da es in den letzten Tagen erstaunlich warm geworden war, zog es die Leute bereits zu den Badeseen. Wie in jedem Jahr ließen Badeunfälle nicht lange auf sich warten.
Ein junger Mann rief im Revier an. Sein Freund sei beim Schwimmen im See plötzlich verschwunden.
„Haben Sie schon die Rettungsschwimmer am See alarmiert?“
„Oh, nein.“ Er klang sehr aufgeregt. „Ich dachte, die Polizei … Werde ich sofort machen.“
„Gut. Wir werden gleich zu Ihnen kommen“, sagte ich ihm.
Ich bat Saskia, Laura und Martin, mich zu begleiten.
Am See angekommen, bestürmte uns sofort der junge Mann, der uns gerufen hatte. „Sie haben ihn gefunden! Er ist ertrunken! Das glaube ich einfach nicht!“
„Jetzt beruhigen Sie sich bitte. Sie sind Klaus Mellen, ja?“
„Ja. Die Rettungsschwimmer haben ihn entdeckt.“
Eine junge Frau, die mir schon von früheren Ortsterminen bekannt war, und ein junger Mann in Badeklamotten traten auf uns zu. Die ausgesprochen hübsche Dame sprach mich an: „Tag, Herr Kommissar."
"Guten Tag, Frau Schubert."
"Tut mir leid. Wir konnten nichts mehr für den Jungen tun.“
„Wie lange wart ihr denn im Wasser?“, erkundigte ich mich beim Freund des Toten.
„Schon eine Weile, aber ...“
„Für diese Jahreszeit vermutlich schon zu lange“, plapperte die Rettungsschwimmerin dazwischen. „Das Wasser ist noch viel zu kalt. Wann kapieren die Leute das endlich?“, wandte sie sich an mich.
Ich nickte betreten.
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Martin die junge Dame ein wenig zu deutlich anstarrte. „Laura, Martin. Wir werden ein paar Leute befragen, falls jemand etwas mitbekommen haben sollte. Ihr geht rechts rum, ich mit Saskia links herum.“
„Ich kann Ihnen gerne nochmal erklären, wie es zu all dem gekommen war, Herr Kommissar“, stammelte Mellen.
„Machen Sie das. Wir gehen schon mal los. Wenn Sie uns begleiten wollen ...“
„Also, das war so. Wir waren die Strecke quer über den See schon hin zur anderen Seite geschwommen. Da lagen wir noch halbwegs gleichauf. Auf dem Rückweg lag ich dann vorne. Aber deshalb verlor ich ihn aus den Augen. So ungefähr in der Mitte der Strecke, da hörte ich ein Glucksen oder so. Ich drehte mich um. Da war der Winni weg. Er war einfach weg!“
„Haben Sie sofort nach ihm gesucht?“
„Ja, aber wo sollte ich da anfangen? Ich tauchte, aber das Wasser ist zu trübe, um viel zu sehen. Ich geriet selbst in Panik. Also schwamm ich zum Ufer.“
„Dann haben Sie uns angerufen und sind auf meine Weisung hin zu den Rettungsschwimmern gegangen, ja?“
„Genau.“
„Wo wurde Ihr Freund denn gefunden?“
„Ach, ich weiß es nicht. Ich glaube aber, das war ein gutes Stück neben unserer Strecke. Vielleicht gibt es da Strömung. Ich weiß es nicht.“
„Vielen Dank, Herr Mellen. Sie gehen am besten jetzt nach Hause und erholen sich von diesem Schock.“
Die Befragungen waren leider erfolglos.
Später suchten wir die Gerichtsmedizin auf, um mehr zu erfahren.
„Tja, er ist ganz klar ertrunken. Aber sein Fuß ist richtig verdreht, einige Knochen sogar gebrochen. Das irritiert mich etwas.“
„Die Alternative wäre, es hätte ihn jemand unter Wasser gezerrt und ihm den Fuß verdreht und dabei gebrochen. Aber ...“, meinte ich.
„Das wäre Mord!“, rief Saskia.
„Das ist sehr spekulativ. Aber natürlich müssen wir in alle Richtungen schauen“, antwortete ich. "Außerdem müsste dieser Jemand verdammt lange die Luft anhalten können."
"Rettungsschwimmer können das gewiss."
"Na ja, die dürfen wir wohl erstmal ausklammern."
Am nächsten Tag gingen wir Streife am See. Es war erneut ein sehr warmer Tag. Wir starteten unsere Runde am Posten der Rettungsschwimmer. Auch heute starrte Martin die junge Frau etwas zu deutlich an. Ich gab ihm einen sanften Klaps an den Hinterkopf. Er schaute mich erschrocken an. Dann grinste er.
„Das letzte Mal, als ein Kollege sich für eine tolle Frau interessiert hatte, die im Umfeld eines Falles agierte, gab es ein großes Unglück“, erinnerte ich ihn.
„Sie ist doch wirklich ein Traum. Oder etwa nicht?“
„Martin, du hast eine ganz bezaubernde Kollegin an deiner Seite“, sagte ich und schob ihn Laura in die Arme.
Sie hatte nicht damit gerechnet. Aber sie reagierte gelassen und lachte. „Hoppla, Martin.“
„Entschuldige.“
„Alles gut“, sagte ich. „Ihr geht rechts rum, wir links, okay?“
Wir wollten die beiden gar nicht behelligen, aber Frau Schubert sprach uns dennoch an. „Hallo, Herr Kommissar. Suchen Sie noch etwas?“
Ich konnte den Blick gerade, ebenso wie Martin, nicht von dieser Traumfigur lassen. Schließlich trug sie einen recht knappen Bikini. Sie bemerkte es wohl, grinste und verdrehte die Augen.
„Ach, wie war noch der Name Ihres Kollegen, Frau Schubert?", fragte Martin, schien mit ihr flirten zu wollen. "Ihren habe ich mir natürlich bemerkt."
Ich schaute ihn streng an. Das ging zu weit. Erneut gab ich ihm einen Klaps an den Hinterkopf. Diesmal jedoch etwas kräftiger.
Erneut wirkte sie genervt.
„Mein Name ist Torsten Albrecht“, teilte uns der Kollege mit. „Und meine wunderschöne Kollegin ...“
„Jetzt fängst du auch noch an!“, fiel sie ihm ins Wort. „Nadine Schubert! Aber das weiß der Herr Kommissar", sagte sie, wandte sich mir zu. "Dann machen Sie Ihre Runde, wir machen unsere.“
Ich verabschiedete mich ganz höflich, um sie zu besänftigen. „Vielen Dank, Frau Schubert.“
Sie ging mit ihrem Kollegen näher ans Ufer, um die Menschen, die im Wasser plantschten, zu beobachten.
„Der Martin ist da ein bisschen plump rangegangen“, meinte Saskia, als wir ein Stück weitergegangen waren.
„Er sollte das lassen!“, antwortete ich streng.
„Ich als Frau darf das sagen: Die sieht echt scharf aus, oder?“
„Oh, ja. Das ist ja das Problem. Diese Annette damals sah auch ziemlich heiß aus. Sie hat Rudi umgebracht!“
Saskia schluchzte. „Das willst du jetzt doch nicht vergleichen, Bernd. Oder?“
„Wohl kaum. Aber diese Nadine reagiert offenbar etwas schroff, wenn man sie zu sehr auf ihr Äußeres reduziert.“
„Das ist es doch, worauf ihr Männer als Erstes guckt“, antwortete Saskia, grinste.
„Tut mir leid, aber wenn das alles so präsent ist, dann ...“
„Dann tanzen die Hormone. Schon klar.“ Nun lachte sie.
Auf unserer Runde trafen wir Klaus Mellen.
„Ach, gut, dass ich Sie treffe, Herr Kommissar. Und natürlich freue ich mich auch, Ihre nette Kollegin zu treffen.“ Er grinste schüchtern. „Ich wollte Ihnen noch etwas erzählen. Der Winni, der hat diese heiße Braut ordentlich angemacht. Sie fand das aber wohl nicht so toll.“
„Sie meinen die Rettungsschwimmerin, ja?“, hakte ich nach.
„Klar. Das ist doch ein heißer Feger, oder? Entschuldigen Sie, junge Frau“, richtete er sich an Saskia. „Sie sind auch nicht übel, aber ...“ Er schien sich unsicher zu sein. „Darf ich das zu einer Polizistin eigentlich sagen? Oder ist das Beamtenbeleidigung?“
„Oh, junger Mann. Sie haben mich keineswegs beleidigt. Haben Sie selbst ebenfalls Ambitionen, sich bei ihr zu versuchen?“
„Ich weiß nicht. Geil wäre das schon, wenn sie wollen würde. Aber ...“
„Na, na, nicht so schüchtern“, ermutigte ich ihn. „Wenn Sie das ordentlich anstellen, dann wird Sie Ihnen nicht gleich den Kopf abreißen.“
„Ich werde es versuchen.“ Beschwingt hüpfte er von dannen, direkt auf das kleine Haus zu, aus dem die beiden gerade wieder herauskamen.
„Viel Glück!“, rief Saskia ihm nach.
Wir beobachteten ihn aus der Entfernung. Er ging entschlossen auf sie zu, sprach sie an. Es gab einen kurzen Wortwechsel. Doch plötzlich war die Anspannung aus seinen Schultern fort. Sie ließ ihn einfach stehen und ging mit ihrem Kollegen ins Wasser.
„Die drehen jetzt ihre Runde“, meinte Saskia süffisant. „Das sah nicht so aus, als wenn er bei ihr landen konnte.“
„Sieh mal. Er geht auch ins Wasser, schwimmt ihr hinterher.“
„Aber er wird sie nicht einholen. Als Rettungsschwimmer musst du gut trainiert sein.“
„Na ja, lass uns weitergehen.“
Auf der anderen Seite trafen wir Laura und Martin. Die beiden Bademeister kamen dort gerade aus dem Wasser. Frau Schubert nur wenige Meter neben uns, Albrecht etwa fünfzig Meter weiter.
„Haben Sie auf uns gewartet?“, sprach sie uns an.
„Nein, nein. Aber … Ja, ich möchte mich für die etwas plumpe Bemerkung vorhin entschuldigen“, stammelte Martin. „Das war dumm von mir.“
„Schon verziehen“, meinte sie beiläufig und schaute dabei in Richtung Wasser. Da planschte Klaus Mellen mitten im See.
„Haben Sie ihm einen Korb gegeben?“, fragte ich sie.
„Was? Ach, ich werde jeden Tag von so vielen Typen angequatscht. Ich kann es nicht leiden, wissen Sie?“
„Alles gut. Ich wollte nicht neugierig sein. Wir werden uns jetzt mal zurückziehen. Kommt, Leute.“
Wir waren gerade im Revier angekommen, da kam Sabrina angerannt. „Am See wurde ein Toter gefunden!“
„Ach, scheiße! Da kommen wir doch gerade her! Kommt, Leute. Wieder zum See. Sabrina, schick auch Britta dort hin.“
Nadine Schubert saß da und schaute den jungen Mann an, den sie mit ihrem Kollegen zusammen aus dem Wasser geholt hatte. Es war Klaus Mellen.
„Sie sind sich bewusst, dass er Ihnen ins Wasser gefolgt war, Frau Schubert?“
„Herr Kommissar, bitte!“, reagierte sie genervt.
„Die Leute überschätzen oft ihre eigenen Fähigkeiten“, meinte Torsten Albrecht. „Vielleicht hat er auch darauf spekuliert, von Nadine gerettet zu werden. Dabei hätte er ja die Gelegenheit bekommen, ganz unbeholfen mit ihr zu kuscheln.“ Er lachte albern.
Ich schaute ihn zornig an. „Das ist nicht lustig, Herr Albrecht. Der junge Mann ist tot.“
Britta hatte inzwischen einen Blick auf den Toten werfen können. Sie schaute mich eindringlich an. Ich erkannte, dass sie mir etwas sagen wollte. Ich ging neben ihr in die Hocke. Sie streckte die Hand in Richtung des linken Fußgelenkes aus. Es war total verdreht und wies rote Striemen auf.
„Wieder die Schlingpflanzen“, sagte ich, um eine Reaktion bei den Rettungsschwimmern zu provozieren. „Man sollte das untersuchen und diese Gefahrenquelle entfernen.“
„Was für Schlingpflanzen?“, fragte Frau Schubert. „Ich weiß nichts von solchen Dingern. Sie glauben, die hätten den beiden Jungs die Füße verknotet, oder was?“
„So sieht es aus. Haben Sie eine andere Theorie?“
„Nein.“ Sie flüsterte es kaum hörbar.
„Ich bitte Sie beide, dafür zu sorgen, dass in diesen Bereich niemand mehr hineinschwimmt.“
„Der See ist da gut fünf Meter tief. Das müssten doch Monsterpflanzen sein, wenn die sich einem Schwimmer einfach um den Fuß wickeln können“, äußerte auch Albrecht seine Zweifel.
„Es sind zwei Menschen zu Tode gekommen. Und beide waren in diesem Bereich dort unterwegs, als sie untergingen“, sagte ich und zeigte auf den See.
„Wie oft schwimmen Sie Ihre Runden?“, fragte Martin explizit Frau Schubert.
Ich schaute ihn fragend an. Wollte er es doch noch einmal versuchen?
Sie stand auf und ging auf ihn zu. Und ich bemerkte, dass Martins Atmung schneller wurde, weil er seine Augen wieder nicht von ihr lassen konnte.
„Wissen Sie, Herr ...“ Sie schaute auf sein Namensschild. „Herr Krause. Das machen wir ganz spontan. Es kommt darauf an, wie viele Menschen sich am See tummeln. Je mehr im Wasser sind, desto häufiger machen wir diese Runden.“
„Das ist sicher anstrengend. Besonders bei den recht kühlen Temperaturen.“
„Darum machen wir es ja auch nur nach Bedarf, junger Mann.“ Sie sprach heute überaus freundlich mit Martin. Seine Entschuldigung schien sie beeindruckt zu haben.
„Brauchen Sie uns noch?“, drängte Albrecht dazwischen.
„Oh, nein“, sagte ich übertrieben charmant. „Wir sind hier fertig. Britta, wir kommen gleich zu dir in die Gerichtsmedizin, ja?“
„Alles klar. Bin schon unterwegs. Bis gleich dann.“
Britta fuhr voraus. Und auch wir machten uns auf den Weg.
„Vielen Dank für Ihre Hilfe“, sagte ich zu beiden. Doch während Albrecht nur einen kurzen Blick erhielt, waren die Augen vornehmlich bei der hübschen Dame, die offenbar ein wenig mit Martin flirtete.
Im Revier sprach ich Martin an. „Hey, Junge. Geht da doch noch was?“ Ich grinste und knuffte ihn gegen seinen Oberarm. „Aber ihr Kollege wirkte etwas eifersüchtig. Also Vorsicht.“
„Sie war jetzt ganz anders. Sie war richtig nett zu mir.“
„Darum frage ich.“
„Klar. Aber sagtest du nicht ...“
Ich unterbrach ihn. „Du gehst nicht mit ihr ins Wasser, hörst du?“
„Okay.“
„Schauen wir, was Britta uns zu sagen hat. Sie tat vorhin so geheimnisvoll. Komm, Saskia.“
„Bernd!“, Brittas Stimme klang besorgt. „Diese Spuren stammen nie und nimmer von irgendwelchen Schlingpflanzen! Da hat jemand zugepackt und ...“
„Das war auch nur zur Ablenkung gesagt. Du glaubst, es war Mord?“
„In beiden Fällen. Ich habe keine eindeutigen DNA-Spuren. Aber diese Striemen stammen von einer äußerst kräftigen Hand.“
„Frau Schubert war nicht gerade gut auf die Jungs zu sprechen, weil sie von beiden offenbar auf die falsche Art und Weise angebaggert worden ist.“
„Und sie hat gewiss kräftige Hände und Arme“, warf Saskia ein.
„Aber ihr Kollege wirkte eben ein wenig eifersüchtig, als sie mit Martin geflirtet hatte.“
„Wie ein echtes Paar wirkten sie auf mich nicht.“
„Das sind sie gewiss auch nicht. Hätte sie sonst mit Martin geflirtet, wenn ihr bewusst ist, dass der Kollege eifersüchtig sein dürfte?“
„Sie hätte ihn damit provoziert“, merkte Britta an.
„Dann sollten wir die beiden noch einmal besuchen. Komm einfach gleich mit, Britta. Vielleicht haben wir Glück.“
Glück ist ein relativer Begriff. Als wir das Bademeisterhäuschen erreichten, kamen wir gerade recht, um ein Unglück zu verhindern, wie es schien.
„Nadine! Bleib stehen!“
„Herr Kommissar! Herr Kommissar! Hilfe!“ Sie kam uns humpelnd entgegen. Sie war offenbar die deutlich bessere Schwimmerin, denn sie hatte einen guten Vorsprung vor Albrecht, der jetzt erst aus dem Wasser kam.
Und auch er hatte ein Problem. Er blutete an der rechten Augenbraue.
Britta war sofort bereit. „Oh, das ist ja schön, dass ich mitgekommen bin. Dann kann ich Sie sofort verarzten“, sagte sie und ging auf den Mann zu, der nun festen Boden unter den Füßen hatte.
„Nadine!“
Britta stellte sich ihm in den Weg.
Doch er schob sie unsanft beiseite. „Ach, lassen Sie mich in Ruhe!“
Nun trat ich ihm entgegen. „Herr Albrecht! Was geht hier vor?“
„Das geht Sie nichts an!“
„Oh, doch! Wir haben hier zwei Tote zu beklagen. Und wir glauben, dass sie getötet wurden, weil sie sich ungebührlich verhalten hatten.“
Frau Schubert schaute mich entsetzt an. „Klar, ich habe gesagt, dass ich das verabscheue, wenn mich die Kerle hier anmachen, aber ...“
„Was ist mit Ihrem Fuß, Frau Schubert?“
„Er!“ Sie zeigte auf Albrecht. „Er wollte mich umbringen! Weil ich mit Ihrem Kollegen geflirtet hatte. Wie Sie sehen, habe ich mich gewehrt.“ Sie zeigte auf die blutende Wunde an Albrechts Auge. „Dann hat er die beiden Jungs wohl auch auf dem Gewissen!“
Das war ein klarer Vorwurf. Oder wollte sie nur von sich ablenken?
Britta erhielt durch das Reinigen der Wunde an Albrechts Kopf die nötige DNA-Probe, um ihn vielleicht überführen zu können. Und als sie sich das Fußgelenk der Schubert angeschaut hatte, sah sie zu mir auf und nickte. Sie hatte die gleichen Striemen, wenn auch deutlich schwächer ausgeprägt, entdeckt, die auch an den beiden Todesopfern zu finden gewesen waren. Diese waren mutmaßlich von der gleichen starken Hand erzeugt worden.
„Herr Albrecht! Geben Sie mir mal Ihre rechte Hand, bitte.“
„Was soll das, Herr Kommissar?“
„Kommen Sie her!“
Zögerlich näherte er sich.
Ich ergriff seine Hand und legte sie auf die geröteten Stellen am Fußgelenk seiner Kollegin. Sie passte perfekt.
„Oh, du verdammtes Miststück“, grummelte er.
„Ich habe mich sofort gedreht und ihm mit dem freien Fuß gegen den Kopf getreten. Da ließ er mich los, und ich konnte die Flucht ergreifen“, erklärte sie.
„Warum, Nadine?“
„Das frage ich dich!“, antwortete sie wütend. „Herr Kommissar, er wollte nicht akzeptieren, dass ich kein Interesse an einer Beziehung mit ihm habe. Deshalb ist das alles passiert, schätze ich.“
Ich war fassungslos. „Also nur aus Eifersucht, ja?“
„Ich konnte es nicht ertragen, dass sie ständig von diesen Typen angemacht wurde. Und der erste Typ hat sie wirklich übel angemacht, wo ich dabei war. Ich war stinksauer, habe ihn verfolgt.“
„Verfolgt, gepackt, unter Wasser gezerrt, bis er keine Luft mehr bekam!“, unterstellte ich ihm.
„Als Nadine dann mit Ihrem Kollegen anfing, da ist mir die Sicherung durchgeknallt. Tut mir leid.“ Nun zeigte er sich schuldbewusst.
„Oh, Torsten! Du bist echt ein Arsch!“
„Na, dann ist ja alles geklärt“, meinte ich sarkastisch.
Wir hatten eine Zeugin, Spuren, die zur Tat passten, und ein Geständnis. Also alles gut.
Es war Ende März. Aber da es in den letzten Tagen erstaunlich warm geworden war, zog es die Leute bereits zu den Badeseen. Wie in jedem Jahr ließen Badeunfälle nicht lange auf sich warten.
Ein junger Mann rief im Revier an. Sein Freund sei beim Schwimmen im See plötzlich verschwunden.
„Haben Sie schon die Rettungsschwimmer am See alarmiert?“
„Oh, nein.“ Er klang sehr aufgeregt. „Ich dachte, die Polizei … Werde ich sofort machen.“
„Gut. Wir werden gleich zu Ihnen kommen“, sagte ich ihm.
Ich bat Saskia, Laura und Martin, mich zu begleiten.
Am See angekommen, bestürmte uns sofort der junge Mann, der uns gerufen hatte. „Sie haben ihn gefunden! Er ist ertrunken! Das glaube ich einfach nicht!“
„Jetzt beruhigen Sie sich bitte. Sie sind Klaus Mellen, ja?“
„Ja. Die Rettungsschwimmer haben ihn entdeckt.“
Eine junge Frau, die mir schon von früheren Ortsterminen bekannt war, und ein junger Mann in Badeklamotten traten auf uns zu. Die ausgesprochen hübsche Dame sprach mich an: „Tag, Herr Kommissar."
"Guten Tag, Frau Schubert."
"Tut mir leid. Wir konnten nichts mehr für den Jungen tun.“
„Wie lange wart ihr denn im Wasser?“, erkundigte ich mich beim Freund des Toten.
„Schon eine Weile, aber ...“
„Für diese Jahreszeit vermutlich schon zu lange“, plapperte die Rettungsschwimmerin dazwischen. „Das Wasser ist noch viel zu kalt. Wann kapieren die Leute das endlich?“, wandte sie sich an mich.
Ich nickte betreten.
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Martin die junge Dame ein wenig zu deutlich anstarrte. „Laura, Martin. Wir werden ein paar Leute befragen, falls jemand etwas mitbekommen haben sollte. Ihr geht rechts rum, ich mit Saskia links herum.“
„Ich kann Ihnen gerne nochmal erklären, wie es zu all dem gekommen war, Herr Kommissar“, stammelte Mellen.
„Machen Sie das. Wir gehen schon mal los. Wenn Sie uns begleiten wollen ...“
„Also, das war so. Wir waren die Strecke quer über den See schon hin zur anderen Seite geschwommen. Da lagen wir noch halbwegs gleichauf. Auf dem Rückweg lag ich dann vorne. Aber deshalb verlor ich ihn aus den Augen. So ungefähr in der Mitte der Strecke, da hörte ich ein Glucksen oder so. Ich drehte mich um. Da war der Winni weg. Er war einfach weg!“
„Haben Sie sofort nach ihm gesucht?“
„Ja, aber wo sollte ich da anfangen? Ich tauchte, aber das Wasser ist zu trübe, um viel zu sehen. Ich geriet selbst in Panik. Also schwamm ich zum Ufer.“
„Dann haben Sie uns angerufen und sind auf meine Weisung hin zu den Rettungsschwimmern gegangen, ja?“
„Genau.“
„Wo wurde Ihr Freund denn gefunden?“
„Ach, ich weiß es nicht. Ich glaube aber, das war ein gutes Stück neben unserer Strecke. Vielleicht gibt es da Strömung. Ich weiß es nicht.“
„Vielen Dank, Herr Mellen. Sie gehen am besten jetzt nach Hause und erholen sich von diesem Schock.“
Die Befragungen waren leider erfolglos.
Später suchten wir die Gerichtsmedizin auf, um mehr zu erfahren.
„Tja, er ist ganz klar ertrunken. Aber sein Fuß ist richtig verdreht, einige Knochen sogar gebrochen. Das irritiert mich etwas.“
„Die Alternative wäre, es hätte ihn jemand unter Wasser gezerrt und ihm den Fuß verdreht und dabei gebrochen. Aber ...“, meinte ich.
„Das wäre Mord!“, rief Saskia.
„Das ist sehr spekulativ. Aber natürlich müssen wir in alle Richtungen schauen“, antwortete ich. "Außerdem müsste dieser Jemand verdammt lange die Luft anhalten können."
"Rettungsschwimmer können das gewiss."
"Na ja, die dürfen wir wohl erstmal ausklammern."
Am nächsten Tag gingen wir Streife am See. Es war erneut ein sehr warmer Tag. Wir starteten unsere Runde am Posten der Rettungsschwimmer. Auch heute starrte Martin die junge Frau etwas zu deutlich an. Ich gab ihm einen sanften Klaps an den Hinterkopf. Er schaute mich erschrocken an. Dann grinste er.
„Das letzte Mal, als ein Kollege sich für eine tolle Frau interessiert hatte, die im Umfeld eines Falles agierte, gab es ein großes Unglück“, erinnerte ich ihn.
„Sie ist doch wirklich ein Traum. Oder etwa nicht?“
„Martin, du hast eine ganz bezaubernde Kollegin an deiner Seite“, sagte ich und schob ihn Laura in die Arme.
Sie hatte nicht damit gerechnet. Aber sie reagierte gelassen und lachte. „Hoppla, Martin.“
„Entschuldige.“
„Alles gut“, sagte ich. „Ihr geht rechts rum, wir links, okay?“
Wir wollten die beiden gar nicht behelligen, aber Frau Schubert sprach uns dennoch an. „Hallo, Herr Kommissar. Suchen Sie noch etwas?“
Ich konnte den Blick gerade, ebenso wie Martin, nicht von dieser Traumfigur lassen. Schließlich trug sie einen recht knappen Bikini. Sie bemerkte es wohl, grinste und verdrehte die Augen.
„Ach, wie war noch der Name Ihres Kollegen, Frau Schubert?", fragte Martin, schien mit ihr flirten zu wollen. "Ihren habe ich mir natürlich bemerkt."
Ich schaute ihn streng an. Das ging zu weit. Erneut gab ich ihm einen Klaps an den Hinterkopf. Diesmal jedoch etwas kräftiger.
Erneut wirkte sie genervt.
„Mein Name ist Torsten Albrecht“, teilte uns der Kollege mit. „Und meine wunderschöne Kollegin ...“
„Jetzt fängst du auch noch an!“, fiel sie ihm ins Wort. „Nadine Schubert! Aber das weiß der Herr Kommissar", sagte sie, wandte sich mir zu. "Dann machen Sie Ihre Runde, wir machen unsere.“
Ich verabschiedete mich ganz höflich, um sie zu besänftigen. „Vielen Dank, Frau Schubert.“
Sie ging mit ihrem Kollegen näher ans Ufer, um die Menschen, die im Wasser plantschten, zu beobachten.
„Der Martin ist da ein bisschen plump rangegangen“, meinte Saskia, als wir ein Stück weitergegangen waren.
„Er sollte das lassen!“, antwortete ich streng.
„Ich als Frau darf das sagen: Die sieht echt scharf aus, oder?“
„Oh, ja. Das ist ja das Problem. Diese Annette damals sah auch ziemlich heiß aus. Sie hat Rudi umgebracht!“
Saskia schluchzte. „Das willst du jetzt doch nicht vergleichen, Bernd. Oder?“
„Wohl kaum. Aber diese Nadine reagiert offenbar etwas schroff, wenn man sie zu sehr auf ihr Äußeres reduziert.“
„Das ist es doch, worauf ihr Männer als Erstes guckt“, antwortete Saskia, grinste.
„Tut mir leid, aber wenn das alles so präsent ist, dann ...“
„Dann tanzen die Hormone. Schon klar.“ Nun lachte sie.
Auf unserer Runde trafen wir Klaus Mellen.
„Ach, gut, dass ich Sie treffe, Herr Kommissar. Und natürlich freue ich mich auch, Ihre nette Kollegin zu treffen.“ Er grinste schüchtern. „Ich wollte Ihnen noch etwas erzählen. Der Winni, der hat diese heiße Braut ordentlich angemacht. Sie fand das aber wohl nicht so toll.“
„Sie meinen die Rettungsschwimmerin, ja?“, hakte ich nach.
„Klar. Das ist doch ein heißer Feger, oder? Entschuldigen Sie, junge Frau“, richtete er sich an Saskia. „Sie sind auch nicht übel, aber ...“ Er schien sich unsicher zu sein. „Darf ich das zu einer Polizistin eigentlich sagen? Oder ist das Beamtenbeleidigung?“
„Oh, junger Mann. Sie haben mich keineswegs beleidigt. Haben Sie selbst ebenfalls Ambitionen, sich bei ihr zu versuchen?“
„Ich weiß nicht. Geil wäre das schon, wenn sie wollen würde. Aber ...“
„Na, na, nicht so schüchtern“, ermutigte ich ihn. „Wenn Sie das ordentlich anstellen, dann wird Sie Ihnen nicht gleich den Kopf abreißen.“
„Ich werde es versuchen.“ Beschwingt hüpfte er von dannen, direkt auf das kleine Haus zu, aus dem die beiden gerade wieder herauskamen.
„Viel Glück!“, rief Saskia ihm nach.
Wir beobachteten ihn aus der Entfernung. Er ging entschlossen auf sie zu, sprach sie an. Es gab einen kurzen Wortwechsel. Doch plötzlich war die Anspannung aus seinen Schultern fort. Sie ließ ihn einfach stehen und ging mit ihrem Kollegen ins Wasser.
„Die drehen jetzt ihre Runde“, meinte Saskia süffisant. „Das sah nicht so aus, als wenn er bei ihr landen konnte.“
„Sieh mal. Er geht auch ins Wasser, schwimmt ihr hinterher.“
„Aber er wird sie nicht einholen. Als Rettungsschwimmer musst du gut trainiert sein.“
„Na ja, lass uns weitergehen.“
Auf der anderen Seite trafen wir Laura und Martin. Die beiden Bademeister kamen dort gerade aus dem Wasser. Frau Schubert nur wenige Meter neben uns, Albrecht etwa fünfzig Meter weiter.
„Haben Sie auf uns gewartet?“, sprach sie uns an.
„Nein, nein. Aber … Ja, ich möchte mich für die etwas plumpe Bemerkung vorhin entschuldigen“, stammelte Martin. „Das war dumm von mir.“
„Schon verziehen“, meinte sie beiläufig und schaute dabei in Richtung Wasser. Da planschte Klaus Mellen mitten im See.
„Haben Sie ihm einen Korb gegeben?“, fragte ich sie.
„Was? Ach, ich werde jeden Tag von so vielen Typen angequatscht. Ich kann es nicht leiden, wissen Sie?“
„Alles gut. Ich wollte nicht neugierig sein. Wir werden uns jetzt mal zurückziehen. Kommt, Leute.“
Wir waren gerade im Revier angekommen, da kam Sabrina angerannt. „Am See wurde ein Toter gefunden!“
„Ach, scheiße! Da kommen wir doch gerade her! Kommt, Leute. Wieder zum See. Sabrina, schick auch Britta dort hin.“
Nadine Schubert saß da und schaute den jungen Mann an, den sie mit ihrem Kollegen zusammen aus dem Wasser geholt hatte. Es war Klaus Mellen.
„Sie sind sich bewusst, dass er Ihnen ins Wasser gefolgt war, Frau Schubert?“
„Herr Kommissar, bitte!“, reagierte sie genervt.
„Die Leute überschätzen oft ihre eigenen Fähigkeiten“, meinte Torsten Albrecht. „Vielleicht hat er auch darauf spekuliert, von Nadine gerettet zu werden. Dabei hätte er ja die Gelegenheit bekommen, ganz unbeholfen mit ihr zu kuscheln.“ Er lachte albern.
Ich schaute ihn zornig an. „Das ist nicht lustig, Herr Albrecht. Der junge Mann ist tot.“
Britta hatte inzwischen einen Blick auf den Toten werfen können. Sie schaute mich eindringlich an. Ich erkannte, dass sie mir etwas sagen wollte. Ich ging neben ihr in die Hocke. Sie streckte die Hand in Richtung des linken Fußgelenkes aus. Es war total verdreht und wies rote Striemen auf.
„Wieder die Schlingpflanzen“, sagte ich, um eine Reaktion bei den Rettungsschwimmern zu provozieren. „Man sollte das untersuchen und diese Gefahrenquelle entfernen.“
„Was für Schlingpflanzen?“, fragte Frau Schubert. „Ich weiß nichts von solchen Dingern. Sie glauben, die hätten den beiden Jungs die Füße verknotet, oder was?“
„So sieht es aus. Haben Sie eine andere Theorie?“
„Nein.“ Sie flüsterte es kaum hörbar.
„Ich bitte Sie beide, dafür zu sorgen, dass in diesen Bereich niemand mehr hineinschwimmt.“
„Der See ist da gut fünf Meter tief. Das müssten doch Monsterpflanzen sein, wenn die sich einem Schwimmer einfach um den Fuß wickeln können“, äußerte auch Albrecht seine Zweifel.
„Es sind zwei Menschen zu Tode gekommen. Und beide waren in diesem Bereich dort unterwegs, als sie untergingen“, sagte ich und zeigte auf den See.
„Wie oft schwimmen Sie Ihre Runden?“, fragte Martin explizit Frau Schubert.
Ich schaute ihn fragend an. Wollte er es doch noch einmal versuchen?
Sie stand auf und ging auf ihn zu. Und ich bemerkte, dass Martins Atmung schneller wurde, weil er seine Augen wieder nicht von ihr lassen konnte.
„Wissen Sie, Herr ...“ Sie schaute auf sein Namensschild. „Herr Krause. Das machen wir ganz spontan. Es kommt darauf an, wie viele Menschen sich am See tummeln. Je mehr im Wasser sind, desto häufiger machen wir diese Runden.“
„Das ist sicher anstrengend. Besonders bei den recht kühlen Temperaturen.“
„Darum machen wir es ja auch nur nach Bedarf, junger Mann.“ Sie sprach heute überaus freundlich mit Martin. Seine Entschuldigung schien sie beeindruckt zu haben.
„Brauchen Sie uns noch?“, drängte Albrecht dazwischen.
„Oh, nein“, sagte ich übertrieben charmant. „Wir sind hier fertig. Britta, wir kommen gleich zu dir in die Gerichtsmedizin, ja?“
„Alles klar. Bin schon unterwegs. Bis gleich dann.“
Britta fuhr voraus. Und auch wir machten uns auf den Weg.
„Vielen Dank für Ihre Hilfe“, sagte ich zu beiden. Doch während Albrecht nur einen kurzen Blick erhielt, waren die Augen vornehmlich bei der hübschen Dame, die offenbar ein wenig mit Martin flirtete.
Im Revier sprach ich Martin an. „Hey, Junge. Geht da doch noch was?“ Ich grinste und knuffte ihn gegen seinen Oberarm. „Aber ihr Kollege wirkte etwas eifersüchtig. Also Vorsicht.“
„Sie war jetzt ganz anders. Sie war richtig nett zu mir.“
„Darum frage ich.“
„Klar. Aber sagtest du nicht ...“
Ich unterbrach ihn. „Du gehst nicht mit ihr ins Wasser, hörst du?“
„Okay.“
„Schauen wir, was Britta uns zu sagen hat. Sie tat vorhin so geheimnisvoll. Komm, Saskia.“
„Bernd!“, Brittas Stimme klang besorgt. „Diese Spuren stammen nie und nimmer von irgendwelchen Schlingpflanzen! Da hat jemand zugepackt und ...“
„Das war auch nur zur Ablenkung gesagt. Du glaubst, es war Mord?“
„In beiden Fällen. Ich habe keine eindeutigen DNA-Spuren. Aber diese Striemen stammen von einer äußerst kräftigen Hand.“
„Frau Schubert war nicht gerade gut auf die Jungs zu sprechen, weil sie von beiden offenbar auf die falsche Art und Weise angebaggert worden ist.“
„Und sie hat gewiss kräftige Hände und Arme“, warf Saskia ein.
„Aber ihr Kollege wirkte eben ein wenig eifersüchtig, als sie mit Martin geflirtet hatte.“
„Wie ein echtes Paar wirkten sie auf mich nicht.“
„Das sind sie gewiss auch nicht. Hätte sie sonst mit Martin geflirtet, wenn ihr bewusst ist, dass der Kollege eifersüchtig sein dürfte?“
„Sie hätte ihn damit provoziert“, merkte Britta an.
„Dann sollten wir die beiden noch einmal besuchen. Komm einfach gleich mit, Britta. Vielleicht haben wir Glück.“
Glück ist ein relativer Begriff. Als wir das Bademeisterhäuschen erreichten, kamen wir gerade recht, um ein Unglück zu verhindern, wie es schien.
„Nadine! Bleib stehen!“
„Herr Kommissar! Herr Kommissar! Hilfe!“ Sie kam uns humpelnd entgegen. Sie war offenbar die deutlich bessere Schwimmerin, denn sie hatte einen guten Vorsprung vor Albrecht, der jetzt erst aus dem Wasser kam.
Und auch er hatte ein Problem. Er blutete an der rechten Augenbraue.
Britta war sofort bereit. „Oh, das ist ja schön, dass ich mitgekommen bin. Dann kann ich Sie sofort verarzten“, sagte sie und ging auf den Mann zu, der nun festen Boden unter den Füßen hatte.
„Nadine!“
Britta stellte sich ihm in den Weg.
Doch er schob sie unsanft beiseite. „Ach, lassen Sie mich in Ruhe!“
Nun trat ich ihm entgegen. „Herr Albrecht! Was geht hier vor?“
„Das geht Sie nichts an!“
„Oh, doch! Wir haben hier zwei Tote zu beklagen. Und wir glauben, dass sie getötet wurden, weil sie sich ungebührlich verhalten hatten.“
Frau Schubert schaute mich entsetzt an. „Klar, ich habe gesagt, dass ich das verabscheue, wenn mich die Kerle hier anmachen, aber ...“
„Was ist mit Ihrem Fuß, Frau Schubert?“
„Er!“ Sie zeigte auf Albrecht. „Er wollte mich umbringen! Weil ich mit Ihrem Kollegen geflirtet hatte. Wie Sie sehen, habe ich mich gewehrt.“ Sie zeigte auf die blutende Wunde an Albrechts Auge. „Dann hat er die beiden Jungs wohl auch auf dem Gewissen!“
Das war ein klarer Vorwurf. Oder wollte sie nur von sich ablenken?
Britta erhielt durch das Reinigen der Wunde an Albrechts Kopf die nötige DNA-Probe, um ihn vielleicht überführen zu können. Und als sie sich das Fußgelenk der Schubert angeschaut hatte, sah sie zu mir auf und nickte. Sie hatte die gleichen Striemen, wenn auch deutlich schwächer ausgeprägt, entdeckt, die auch an den beiden Todesopfern zu finden gewesen waren. Diese waren mutmaßlich von der gleichen starken Hand erzeugt worden.
„Herr Albrecht! Geben Sie mir mal Ihre rechte Hand, bitte.“
„Was soll das, Herr Kommissar?“
„Kommen Sie her!“
Zögerlich näherte er sich.
Ich ergriff seine Hand und legte sie auf die geröteten Stellen am Fußgelenk seiner Kollegin. Sie passte perfekt.
„Oh, du verdammtes Miststück“, grummelte er.
„Ich habe mich sofort gedreht und ihm mit dem freien Fuß gegen den Kopf getreten. Da ließ er mich los, und ich konnte die Flucht ergreifen“, erklärte sie.
„Warum, Nadine?“
„Das frage ich dich!“, antwortete sie wütend. „Herr Kommissar, er wollte nicht akzeptieren, dass ich kein Interesse an einer Beziehung mit ihm habe. Deshalb ist das alles passiert, schätze ich.“
Ich war fassungslos. „Also nur aus Eifersucht, ja?“
„Ich konnte es nicht ertragen, dass sie ständig von diesen Typen angemacht wurde. Und der erste Typ hat sie wirklich übel angemacht, wo ich dabei war. Ich war stinksauer, habe ihn verfolgt.“
„Verfolgt, gepackt, unter Wasser gezerrt, bis er keine Luft mehr bekam!“, unterstellte ich ihm.
„Als Nadine dann mit Ihrem Kollegen anfing, da ist mir die Sicherung durchgeknallt. Tut mir leid.“ Nun zeigte er sich schuldbewusst.
„Oh, Torsten! Du bist echt ein Arsch!“
„Na, dann ist ja alles geklärt“, meinte ich sarkastisch.
Wir hatten eine Zeugin, Spuren, die zur Tat passten, und ein Geständnis. Also alles gut.
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