Kommissar Zufall ermittelt, Staffel 1

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Kommissar Zufall ermittelt
Staffel 1 (Episode 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7)


1. Casanova


Kurz nach sechs an einem Samstag Morgen klingelt mein Telefon. Eine Frauenleiche am See. Die Spurensicherung ist schon vor Ort.
Als ich ankomme, sehe ich gleich den Angler, der sie wohl gefunden hat. Er wirkt total verängstigt.
Und als sie das Opfer vom Fundort weg heben, sieht er ihr Gesicht. Da schreit er wie am Spieß: „Anna! Oh, mein Gott!“
Verdammt, denke ich, er kannte die Kleine auch noch.
Ich spreche den Gerichtsmediziner Dietrich Kranz an und frage ihn nach der Todesursache. Er will sich nicht festlegen. Ertrunken oder erschlagen. Oder beides. Und wohl auch vergewaltigt. Ich sehe mir die Leiche an. Über einem toten Baumstamm lag sie, Kopf vorn über im Wasser, zerrissenes Kleid. Das rechte Bein scheint völlig verdreht. Nicht schön. Ich erkenne außerdem eine klaffende Wunde am Hinterkopf des Opfers. „Ich brauch erst mal einen Kaffee und Frühstück“, sage ich und fahre wieder.

Zwei Stunden später ist der Angler auf dem Revier und erzählt uns eine Menge über die Tote.
Das führt mich und meine neue Kollegin – eine wirklich hübsche junge Frau, aber noch ein bisschen schüchtern - in ein Architektenbüro, in dem er arbeitet. Eine schicke Sekretärin bittet uns in den Wartebereich. Dort bekomme ich ein Gespräch zwischen einem Mann und einer anderen Frau mit, die offenbar ganz unverblümt miteinander flirten. Allerdings sagt der Mann dann: „Tut mir leid, Tina, aber ich liebe Anna über alles. Ich werde sie heiraten.“
Etwas schnippisch kommt von ihr zurück: „Klar, hast du ja gestern und vorgestern auch schon erwähnt. Aber ich liebe dich auch, doch du benutzt mich nur.“
„Oh, du weißt sehr gut, dass du es immer wieder forderst, mein Schatz.“
Sehr spannend, denke ich, dann ist er jetzt ja wieder frei.
Bei der kurzen, aber sehr allgemeinen Befragung übertreffen sich alle mit Bekundungen des Entsetzens. Aber zumindest weiß ich auch so, dass der Verlobte kein Kind von Traurigkeit zu sein scheint.

Dann begeben wir uns mit der Spurensicherung in die Wohnung der Toten. Sofort fällt mir das eingestaubte Sideboard auf und die kleine Statue, die offenbar aufgenommen und wieder abgestellt worden war - allerdings nicht sauber in den vorhandenen Staubkranz.
Fingerabdrücke finden sich an diesem Teil allerdings nur von der Toten selbst. Schade.
Aber auf dem Tisch stehen zwei Gläser. Sie hatte also Besuch. Frage ist, von wem. Vielleicht von ihrem Mörder?
Hier findet die Spurensicherung Fingerabdrücke. Und auch DNA-Spuren. Das ist doch schon mal was. Müssen wir nur noch einen Abgleich machen.

Erste Ergebnisse sind da. Oh, das war ja einfach. Die fremden DNA-Spuren am Glas in der Wohnung und die am Opfer stimmen überein. Der Verlobte ist der Täter. Aber er streitet das bestimmt ab, denke ich. Na, das kennt man ja.
Als ich dann zusammen mit meiner jungen Kollegin, die mir vor zehn Tagen als Ersatz für meinen alten Teampartner aufgedrückt wurde, nochmal in dem Architektenbüro vorstellig werde, fällt mir gleich wieder der ausgelassen flirtende Herr auf, der diesmal bei der schicken Sekretärin am Empfang steht. Allzu große Trauer scheint ja nicht zu herrschen, denke ich.
„Was kann ich für Sie tun, Herr Kommissar?“, spricht mich die junge Frau an.
„Oh, wir müssten mal mit dem Herrn Sander allein sprechen.“
Der junge Mann schaut mich traurig an. „Mein Gott, was müssen Sie jetzt denken. Ich bin viel zu fröhlich. Aber so bin ich nun mal. Das Leben muss weiter gehen.“
„Ein neuer Tag, eine neue Dame, ja?“
„Wie bitte?“
„Na, heute ist es ja schon die zweite“, meine ich süffisant. „Wo könnten wir mal ungestört ...?“
„Oh, oh, ja, sicher, Herr Kommissar. Kommen Sie bitte.“
Er führt uns in einen kleinen Raum und schließt die Tür hinter uns. Ich bemerke sofort, dass er meine Kollegin sehr aufmerksam beäugt.
„Sie haben ein Problem, Herr Sander.“
„Ich habe sie nicht umgebracht, wenn Sie das glauben.“
„Dann sagen Sie mir, wem ich das anhängen kann. Waren Sie gestern bei ihr?“
„Ja, sicher. Aber ich habe ihre Wohnung um Mitternacht verlassen.“
Okay, denke ich, um Mitternacht lebte die Frau noch, so viel ist sicher. „Und hatten Sie mit ihr Geschlechtsverkehr?“
„Was glauben Sie? Wir sind verlobt. Da tut man das schon mal.“
Mehr kann ich ihm jetzt nicht entlocken, ohne zu viel zu sagen. „Dann schicken Sie uns bitte die Dame vom Empfang herein, ja?“
Meine Kollegin schaut mich nur an, sagt aber nach wie vor nichts. Warum habe ich die eigentlich bekommen? Wenn ich den Chef richtig verstanden habe, ist sie erst vor drei Wochen zu uns versetzt worden.

Die Tür lässt er offen stehen, deshalb können wir das Getuschel hören, bevor Sander die Kollegin zu uns schickt.
„Frau Möller, wo waren Sie denn gestern am späten Abend?“
Sie zwinkert frech mit den Augen. „Oh, wie spät denn, Herr Kommissar?“
„Sagen wir, sehr spät. So ab Mitternacht.“
„Da war ich wohl auf dem Weg nach Hause.“
„Und wo waren Sie?“
„Mit Freunden in der Disco, naja, nicht direkt Disco, eher Kneipe, aber mit cooler Musik.“
Ich bleibe distanziert. „Das ist Geschmackssache. Und Sie waren dann allein zuhause, ja?“
„Oh, nein. Ich habe die Nacht mit einem reizenden jungen Mann verbracht.“
„Der Name?“
„Echt jetzt?“
„Echt.“
„Na, gut. Weil Sie es sind. Aber nicht weitersagen, ja? Karsten Sander war bei mir.“
„Der Herr Sander?“, frage ich und strecke den Arm zur Tür aus.
„Genau der.“
„Und wann hatten Sie sich dann getroffen? Etwa in dieser Kneipe?“
„Ja, er kam so gegen halb eins rein, wir haben noch ein Gläschen getrunken und sind dann gegangen.“
„Okay. Dann schicken Sie uns bitte noch ihre werte Kollegin herein.“
„Die Katrin, ja? Pohlmann.“
„Wenn sie so heißt. Ja, bitte.“

Katrin Pohlmann spaziert herein. Und sie erzählt uns dann, dass sie ebenfalls die Nacht mit Karsten Sander verbracht hätte. Die Damen reden also wohl nicht viel miteinander, sonst hätte das nicht funktionieren können. Und doch sind beide sicher, dass der gute Mann kurz nach Mitternacht das Haus seiner Verlobten verlassen hatte. Waren sie möglicherweise sogar alle drei zusammen?
„Wir lassen sie mal in dem Glauben, dass wir das akzeptieren, was sie uns aufgetischt haben“, sage ich zu meiner Kollegin. „Aber wir werden die drei observieren müssen.“

Mit drei Wagen hocken wir drei Tage und drei Nächte da und registrieren jeden Schritt. Doch das Ergebnis ist ernüchternd. Der Kerl hüpft von Bett zu Bett und lässt es sich gut gehen. Am vierten Abend endlich passiert dann etwas mehr. Die Pohlmann besucht die Möller. Dann gehen sie gemeinsam aus dem Haus. Gibt das jetzt 'nen flotten Dreier, oder was?
Sie fahren mit dem Auto in die Stadt, doch sie steigen nicht aus, sondern fahren wieder zurück. Offenbar scheinen sie bemerkt zu haben, dass wir ihnen folgen. Die Fahrerin kennt sich aus, muss ich feststellen, denn nach einer plötzlichen Richtungsänderung habe ich sie verloren.

Bei Sander ist kein Auto angekommen, das dem vorhin verfolgten ähnlich sähe, sagt mir Wagen zwei, der die ganze Zeit dort war. Wo sind die Damen also hin? Ich stehe wieder bei der Pohlmann, der dritte Wagen nur eine Straße weiter bei der Möller. Die kommt gerade zu Fuß nach Hause.
Wir warten die halbe Nacht vergebens. Aber um drei Uhr macht sich Sander plötzlich auf den Weg. Er fährt zur Möller. Scheinbar hat sie ihn gerufen. Und vermutlich haben beide ein ganz spezielles Bedürfnis. Wäre ja nicht weiter verwunderlich.
Und die ganze Fahrerei war nur ein kleines Verwirrspiel, denn in diesem Moment kommt der Wagen zurück. Die Pohlmann steigt aus und winkt mir sogar, bevor sie ins Haus geht.

Zwei Stunden später kommt Sander wieder raus und fährt heim. Ich lasse Wagen zwei zur Pohlmann kommen, um ihm selbst zu folgen. Ich will jetzt wissen, was Sache ist.
Gut gelaunt öffnet er die Tür. „Oh, der Herr Kommissar so früh auf den Beinen?“
„Warum waren Sie jetzt zwei Stunden bei Frau Möller?“
„Was glauben Sie denn?“, meint er und lacht.
„Ich kann es mir denken“, antworte ich genervt. Also drehe ich mich um und gehe wieder. Allerdings setze ich mich nur ins Auto und denke nach.
Nach zehn Minuten, ich will gerade den Motor starten, da kommt Sander heraus. Er sieht sich um und erblickt mich. „Da ist was passiert!“, ruft er mir zu.
„Wie kommen Sie drauf?“
„Ich habe eben versucht, sie anzurufen. Sie geht nicht dran.“
„Und da machen Sie sich gleich Sorgen? Sie steht vielleicht unter der Dusche nach diesen heißen zwei Stunde, um Abkühlung zu finden.“ Ich muss lachen.
„Nein, nein. Ich hatte ihr gesagt, dass ich nochmal anrufen würde, wenn ich zuhause bin. Fahren wir bitte sofort zu ihr, Herr Kommissar?“
Da höre ich das Telefon klingeln. „Da, Herr Sander. Das wird sie sein. Sehen Sie? Ich will jetzt, ehrlich gesagt, auch langsam Feierabend machen. Auf Wiedersehen.“
Sander geht wieder rein und eilt wohl zum Telefon.
Ich beeile mich, um wegzukommen.

Am Nachmittag steht Sander vor mir auf der Wache. Er reklamiert, dass Frau Möller die Tür nicht öffnen würde. Wieder glaubt er, dass etwas passiert sein müsse.
„War sie denn heute auf der Arbeit?“
„Nein. Sie hat mittwochs immer frei.“
„Dann ist sie vielleicht unterwegs.“
„Nein. Wir waren verabredet. Ich ...“, stammelt er. „Ich wollte sie zum Essen ausführen.“
„Mit welcher Intention?“
„Ich fürchte, ich habe sie ein wenig schlecht behandelt. Sie hätte mich auch heiraten wollen, wie sie mir gestern gestand. Aber ich hatte Anna gewählt, wie Sie wissen.“
„Aber Anna ist jetzt leider tot.“
Er sagt nichts mehr, aber an seinem Blick kann ich erkennen, dass er sich für sein lotterhaftes Verhalten schämt. „Ich bin halt so“, sagt er dann.
Ich lasse mich darauf ein. Zusammen mit meiner jungen Kollegin fahre ich mit ihm zur Möller. Ich mache ihn aber auch darauf aufmerksam, dass, wenn es ein unbegründeter Verdacht sein sollte, er mit Konsequenzen zu rechnen habe.

Der Verdacht war leider nicht unbegründet. Als wir die kurze Treppe zur Wohnung im Hochparterre hinaufgehen, fällt mir etwas auf. Die Fußmatte vor der Tür ist verrutscht und an einer Stelle scheint sie dunkelrot gefärbt zu sein. Blut! Blut, das unter der Tür hindurch bis an die Matte gelaufen war.

Zehn Minuten später ist die Spurensicherung da, wir machen die Tür auf und finden Tina Möller tot in ihrem Flur liegend. Sie hat eine üble Stichwunde mitten in der Brust.
„Herr Sander?“, rufe ich beim Hinausgehen.
Sofort springt er mir entgegen. Ich muss ihn halten, damit er nicht an den Tatort rennt. „Was ist da los?“, fragt er dann doch noch.
„Tut mir leid, Herr Sander. Frau Möller ist tot.“
Er bringt kein Wort heraus. Nur sein Blick zeigt blankes Entsetzen.
„Nun ist es so, dass nach unseren Beobachtungen in der letzten Nacht ...“
„Ja, Sie haben mich beobachtet. Und? Aber ich habe sie nicht umgebracht!“
„Dann müsste nach ihrem Abgang um etwa sechs Uhr noch jemand hier gewesen sein. Wir haben aber niemanden gesehen. Die Kollegen stehen noch immer da drüben.“ Ich zeige auf die andere Straßenseite.
„Warum sollte ich sie umbringen?“
„Das fragen wir uns ja auch. Deshalb beobachten wir Sie.“
„Warum sollte ich Sie herführen, wenn ich es getan hätte? Das ist absurd.“
„Das ist richtig, Herr Sander. Ich schätze, da will ihnen jemand etwas anhängen. Haben Sie eine Ahnung wer und warum?“
„Das ist albern!“ Er hatte inzwischen wieder Fassung erlangt. „Mein Casanovaleben mag viele Neider auf den Plan rufen, aber warum sollte da jemand … Nein, das glaube ich nicht.“
„Es muss da jemanden geben, dem das nicht gefällt. Die Obduktion wird es ohnehin zutage bringen. Deshalb frage ich Sie jetzt gleich. Ich darf doch davon ausgehen, dass Sie auch mit Frau Möller unmittelbar vor ihrem gewaltsamen Tod Geschlechtsverkehr hatten, ja?“
Er nickte nur beiläufig. „Es muss mich irgendjemand beobachten und diesen Umstand ausnutzen, um mich zu belasten. Aber zu welchem Zweck?“
„Das ist unser Problem, Herr Sander. Wir erkennen kein Motiv. Verdammt! Denken Sie nach.“
Ich lasse ihm ein wenig Zeit.

Das erste Mal in den zwei Wochen, die ich jetzt mit meiner jungen Kollegin – sie heißt übrigens Tanja - unterwegs bin, macht sie bei einer Befragung den Mund auf. Ich bin völlig begeistert, denn sie hat eine ganz zauberhafte Stimme. „Haben noch andere Damen Ambitionen, Sie zu ehelichen, Herr Sander?“
„Oh, mein Gott“, stammelt er. „Glauben Sie wirklich?“
„Vielleicht ihre liebe Kollegin Katrin Pohlmann?“, fragt Tanja weiter.
Karsten Sander schaut betreten drein und nickt kaum erkennbar.

Wir sind erstaunt, dass wir Frau Pohlmann zuhause antreffen. Ein Blick hinaus in den rückwärtigen Garten zeigt uns, dass es kein Problem wäre, unbemerkt zu den Häusern der Parallelstraße, in der Frau Möller wohnte, zu gelangen. Außerdem hat man einen guten Blick in die Wohnung der Möller. Kurzerhand konfrontieren wir die Pohlmann mit unseren Beobachtungen: „Frau Möller wohnte genau gegenüber. Sie haben einen hervorragenden Blick in ihr Schlafzimmer, nicht wahr? Und Sie sind heute Morgen rüber zu ihr, durch den rückwärtigen Garten, ja? Das ist ja schnell erledigt, ein paar Minuten hin, ein paar zurück.“
Sie hält das offenbar schon für bewiesen, denn sie gibt keine Widerworte.

Ein Abgleich der gefundenen DNA-Spuren, nämlich vor allem Haare an der Kleidung der Opfer, bestätigt, dass sie beide Morde begangen hat.




2. Blutrot


Montag Morgen, halb acht. Der Schuldirektor der Gesamtschule ruft mich an. Da er ein guter Freund von mir ist, helfe ich gerne. Unbekannte haben ein schäbiges Spruchband über dem Eingang aufgehängt.
Ich fahre mit Tanja hin. Als sie das corpus delicti sieht, ist sie entsetzt. „Wie widerlich ist das denn? Braunes Rattenpack!“ Sie hat offenbar ein klares Täterprofil vor Augen.
Es ist beileibe kein feiner Spruch. Wie sich herausstellt, sind zwei Lehrer gemeint.'Prinzessin Rotlocke', wie sie auf dem Banner genannt wird, ist Ramona Schöne – nomen est omen, wie ich zugeben muss, denn sie hat eine wirklich beeindruckende dunkelrote Lockenpracht. Und ihr Kollege Humber Katalou, geboren in Kenia, lebt aber schon seit seiner eigenen Schulzeit in Deutschland, der als 'Der schwarze Wilde' tituliert wird, ist der Gegenpart.
„Es interessiert mich nicht, ob Sie eine sexuelle Beziehung pflegen, sondern ich will wissen, wo das Motiv für diese Schweinerei da draußen liegt. Wenn die Zielrichtung meiner Kollegin uns den Täterkreis andeutet, was aufgrund der schäbigen Beleidigung ihres werten Kollegen durchaus möglich ist, dann sage ich ihnen: Rechtsextremes Gedankengut hat in unserer Gesellschaft nichts zu suchen! Herr Direktor, haben Sie denn wenigstens Verdachtsmomente?“
„Nein, Herr Kommissar. Das ist ja das Bedauerliche. Derartige Strömungen sind hier bisher nicht erkennbar gewesen.“
„Dann werden wir die Klassen damit konfrontieren müssen.“
Der Direktor beruft eine Versammlung der Klassen ein, die von Frau Schöne und Herrn Katalou unterrichtet werden. Um zehn Uhr sollen alle in der Aula sein.

Die Mehrzahl der Schülerschaft zeigt offene Bestürzung, als wir den Wortlaut des Banners ansprechen. Aber es gibt auch vereinzeltes Gelächter. Die Gesichter habe ich mir gleich gemerkt. Am Ende der Veranstaltung gehe ich zielstrebig auf die beiden zu, die mir diesbezüglich aufgefallen waren.
Diese frechen Bengel finden das tatsächlich lustig, behaupten sogar, etwas gesehen zu haben, was diesen miesen Spruch mit dem F-Wort bestätigt. Auch ihre Freundinnen stimmen dem zu, denn sie waren, wie sie sagen, Samstag Nacht alle vier am Haus von Katalou. Doch dann verweisen sie uns auf einen anderen jungen Mann, Wolfgang Breuer, der schüchtern an der Seite steht und offenkundig Frau Schöne geradezu anstarrt.
„Hallo, Wolfgang“, spricht Tanja ihn an.
„Ja, was denn?“, fragt er. Aber er ist völlig abwesend, starrt unvermindert deutlich auf Frau Schöne.
„Hey, Junge! Jetzt komm mal runter von der rosa Wolke!“, raunze ich ihn an.
„Was ist denn?“, schreit er mich an. Endlich verliert er seinen starren Blick.
„Sag, hast du eine Idee, wer dieses ekelhafte Banner aufgehängt haben könnte?“ Tanja versucht es mit Sanftmut.
„Die da!“, ruft er und zeigt auf die beiden Jungs, die wir vorher befragt hatten.
„Albert und Erich? Meinst du die?“, hake ich nach.
„Klar. Die hassen ihn.“
„Und du?“
Wolfgang murmelt undeutlich und starrt wieder zu seiner Lehrerin.
Mit strenger Stimme wiederhole ich: „Wie kommst du mit Herrn Katalou klar?“
„Geht. Aber die beiden hassen ihn.“
„Und wie gut können sie Frau Schöne leiden?“
„Ramona ist wunderbar.“ Wolfgang schnurrt wie ein reudiger Kater, geht gar nicht auf meine Frage ein.
Okay, denke ich, der Junge ist total in seine Lehrerin verknallt. Das kann ja heiter werden.
Dann gehen wir nochmal zu den Beschuldigten.

„Na, die Schöne ist 'ne heiße Braut, klar“, gibt Albert offen zu. „Und der Wolle ist total in sie verknallt. Der würde dem Alten bestimmt was auf die Fresse geben. Der Wolle sieht gar nicht so aus, aber glauben Sie mir, Herr Kommissar. Der kann auch anders.“
„Und wie sieht das mit euch aus?“
„Wieso? Naja, ich finde es nicht okay, dass sich zwei Lehrer … Na, Sie wissen schon ...“
„Aber es geht euch nichts an, klar? Also haltet mal schön die Füße still.“
Damit verabschieden wir uns.

„Wir sollten die Typen ein bisschen beobachten“, schlägt Tanja vor.
Wir holen uns die Adressen der gewünschten Personen und setzen drei Teams in Position.
Wie ich schon erwartet habe, folgen wir Wolfgang abends zum Haus von Ramona Schöne. Und da kommt auch Humber Katalou. Er kommt zu Fuß.
Die anderen beiden Jungs treffen sich offenbar im Park, wie die Beobachter mir melden. Sie sagen aber auch, dass es da schwierig wird, sie zu beobachten, wenn es dunkel wird.
Dann sehe ich Wolfgang, der näher heran geht, sich unter dem Fenster versteckt und vorsichtig hineinzuschauen versucht. „Der wird aber jetzt ein bisschen aufdringlich“, sage ich.
„Das ist ja ein richtiger Stalker“, bemerkt Tanja. „Die sind zu allem fähig.“
„Den werden wir im Auge behalten müssen.“
„Wir können ihn auch direkt da wegholen!“
„Warte mal. Nicht so schnell.“
Dann öffnet sich die Tür. Katalou kommt heraus und verabschiedet sich mit einem Kuss von seiner Kollegin. Okay, denke ich, dass da wohl mehr ist, wäre damit belegt.
Der Kenianer geht auf den Park zu. Und Wolfgang schleicht an die Haustür und klingelt dann. Die Tür geht auf, eine erstaunte Frau Schöne bittet den Jungen offenbar, wieder zu gehen. Wie ein begossener Pudel dreht er sich um, bleibt dann aber stehen, schaut zurück.
Ich öffne das Fenster. So hören wir, was gesprochen wird.
„Wolfgang, bitte geh jetzt nach Hause.“
„Er soll dich nicht mehr anrühren!“, schreit Wolfgang. „Er darf das nicht!“
„Rede keinen Unsinn, Wolfgang.“ Das klang zornig.
„Aber ich liebe dich doch, Ramona! Ich will nicht, dass er dich anfasst!“
„Jetzt ist es gut!“ Sie verliert die Geduld. „Geh!“
Wie von einer Tarantel gestochen rennt er los. In den Park.

Inzwischen ist es vollkommen dunkel. Aber die Laternen im Park sind noch nicht eingeschaltet. Das ist ungewöhnlich. Team zwei und Team drei melden sich. Sie haben keinen Sichtkontakt mehr.
„Wir sind gleich bei euch“, melde ich ihnen.
Dann erreichen wir die erste Laterne. Sie ist zerschlagen. Durch die vielen Büsche und Bäume haben auch wir den Sichtkontakt verloren. Auch die nächste Laterne ist beschädigt und kann kein Licht spenden. Ich habe das Gefühl, dass das eine geplante Aktion ist. Sie haben Katalou beobachtet und erkannt, dass er immer durch den Park geht. Sofort alarmiere ich die anderen Teams. Wir versuchen, den Park möglichst vollständig zu erfassen, um zu sehen, wenn jemand ihn verlässt. Aber das dauert.

Langsam dringen wir in den Park ein. Dann höre ich Geschrei. Eine weibliche Stimme, die um Hilfe ruft. Zu sehen ist aber nichts. Wir folgen der Richtung, aus der die Schreie kommen, immer tiefer in den Park.
Dann die Ernüchterung. Schemenhaft erkennen wir die übrigen Kollegen, aber gefunden haben wir niemand sonst.

Am nächsten Morgen steht eine junge Frau vor mir und will eine Anzeige aufgeben. Sie sagt, sie sei in der vergangenen Nacht von einem schwarzen Mann belästigt worden. Und sie ist sicher, dass es ihr Lehrer Humber Katalou war. Dann erkenne ich sie. Sie ist die Freundin von diesem Albert. Ich nehme die Anzeige auf, gebe ihr aber noch eine Empfehlung mit auf den Weg: „Knöpfen Sie mal ihre Bluse nicht so weit auf, dann kommen auch keine bösen Buben auf dumme Gedanken.“

Tanja begleitet mich zur Schule. Ich muss Katalou mit dieser Anzeige konfrontieren. Ich will seine Version hören.
„Es war sehr dunkel, denn die Laternen im Park waren nicht eingeschaltet. Darum hatte ich mich beeilt. Aber dann hörte ich die junge Frau, die um Hilfe rief. Ich sah zwei dunkle Gestalten, die sich offenbar an ihr zu schaffen machten. Die schlug ich in die Flucht. Ich reichte ihr die Hand, doch dann fing sie wieder an zu schreien. Da bin ich gerannt, um nach Hause zu kommen. Ich versichere ihnen, ich habe diese Frau nicht angerührt.“
„Haben Sie das Mädchen erkannt?“
„Nein. Ich sagte schon, es war sehr dunkel, weil keine Laternen leuchteten.“
„Das war Rita Brecht.“
„Die Rita?“ Katalou zeigt Erstaunen. „Aber warum ..?“
„Überlegen Sie, Herr Katalou. Was könnte sie dazu bewogen haben, Sie der versuchten Vergewaltigung anzuzeigen?“
„Sie sitzt immer in der ersten Reihe. Und ...“
„Ja?“
„Sie … Sie beugt sich gerne weit nach vorn, wenn Sie verstehen. Das ist mir äußerst unangenehm. Ich habe sie schon mehrfach ermahnt.“
„Alles klar, Herr Katalou. Das unterstreicht meine Vermutung, dass das heute Nacht ein inszeniertes Spielchen war. Sie sollten den Park in Zukunft meiden, wenn Sie von Frau Schöne zurück nach Hause kommen.“
„Sie ...“ Gewiss ahnt er, dass wir ihn beobachtet hatten.
„Ja. Zu ihrer Sicherheit“, fügt Tanja an und lächelt.

Wir wollen gerade gehen, da kommt Frau Schöne herein gestürmt. Sie schaut den Kenianer grimmig an. „Der Wolfgang hat mir erzählt, er hätte dich gestern nachts im Park gesehen, als du ein Mädchen belästigt hast!“, ruft sie aufgeregt.
Der Mann bewahrt jedoch Ruhe. „Das ist doch Unsinn. Warum sagt er das?“
„Frau Schöne, es ist alles gut. Das können wir aufklären“, sage ich. „Der junge Mann ist ihrem Kollegen gefolgt, als er sich von ihnen verabschiedet hatte. Im Park war es letzte Nacht stockfinster. Wolfgang hat falsche Schlüsse gezogen.“
„Woher wissen Sie das denn alles?“
„Gute Polizeiarbeit“, verkünde ich. „Liebe Frau Schöne, die Sache mit Wolfgang sollten wir auch noch klären. Er stellt ihnen nach, nicht wahr?“
„Sie wissen ja wirklich alles. Ich habe mit ihm gesprochen. Und ich habe ihm einen Verweis angedroht, falls er sein Verhalten nicht ändern sollte.“
„Das wird ihn nicht abhalten, fürchte ich.“
„Haben Sie die Übeltäter, die dieses scheußliche Banner aufgehängt hatten?“
„Wir glauben zu wissen, wer es war, aber wir können ihnen das nicht beweisen.“
„Das ist schade.“ Sie wirkt beleidigt.
„Wir werden das weiter im Auge behalten, das mit Wolfgang“, sage ich. „Auf Wiedersehen.“

Am Abend beobachten wir alle drei Jungs, als sie um das Haus von Ramona Schöne herumschleichen.
„Was wird das denn?“, frage ich Tanja.
„Die anderen wissen von seinen Gelüsten.“
„Sicher. Vielleicht wollen sie ihn jetzt animieren, nicht nachzugeben. Das gefällt mir nicht. Aber ich verstehe nicht, was sie reden.“
„Flüstern sie?“ Tanja scheint sich darüber lustig zu machen. So langsam taut sie auf.
„Da! Sie gehen zur Tür.“
Albert und Erich verstecken sich ein wenig, als die Tür aufgeht.
„Nein, Wolfgang!“, ruft die Schöne aufgebracht. „Was habe ich dir gesagt?“
„Ich akzeptiere kein 'nein'. Lass mich rein, dann können wir reden.“
„Das möchte ich aber nicht. Bitte geh nach Hause, Wolfgang. Bitte.“

Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass sich Herr Katalou nähert. Er beschleunigt seinen Schritt, als er sieht, was los ist. „Ramona!“, ruft er.
Da reagiert Wolfgang, stößt die Frau ins Haus und wirft die Tür hinter sich ins Schloss.
Sofort springe ich aus dem Wagen und renne rüber. Tanja folgt mir, nachdem sie Verstärkung gerufen hat.
Katalou ist jetzt an der Tür, wird aber von Albert und Erich gehalten. Albert schreit ihn an: „Du fickst seine Prinzessin nicht nochmal, Alter!“
Ich stürme mit Tanja auf die drei zu, ziehe die Waffe und richte sie auf Albert. „Jetzt ist Schluss! Hände hinter den Kopf!“
Die Verstärkung kommt gerade, da höre ich Schreie aus dem Haus.
„Kommt man von hinten rein?“, frage ich Katalou. „Tanja, ruf den Rettungswagen. Ich fürchte, den werden wir brauchen.“
Hektisch renne ich mit Katalou ums Haus. Die Terrassentür ist verriegelt. Im Wohnzimmer sehen wir Wolfgang am Boden liegen, eine klaffende Wunde am Hals. Er verliert sehr viel Blut. Ramona Schöne kniet neben ihm. Auch sie ist verletzt, wirkt abwesend. Dann sehe ich das blutverschmierte Messer einen halben Meter von den beiden weg am Boden liegen.

Endlich besinnt sich die Frau darauf, uns hinein zu lassen. Die Sanitäter sind jetzt auch da.
„Mein Blut ist ganz genauso rot, wie dein wundervolles Haar, Ramona. Ich liebe dich, aber ich kann dich nicht bekommen. Mein Leben hat keinen Sinn.“ Diese Worte hatte er schon gesprochen, als wir hereingekommen waren, und die spricht er auch jetzt wieder, wo die Sanitäter beginnen, sich um die Wunden zu kümmern. Aber seine Stimme klingt schwach. Er spricht immer weiter, doch er verliert langsam das Bewusstsein.

Dann können wir endlich unsere Fragen stellen.
Ramona Schöne wirkt noch immer wie unter Schock. Dann beginnt sie zu sprechen. „Er versuchte mich zu überwältigen, hat mich … Er hat mich angefasst … Da habe ich ihm eine gescheuert. Das tut mir leid, aber ich hoffte ihn damit zu entmutigen." Ein lautes Seufzen drückt ihre Betroffenheit aus. "Das Gegenteil ist wohl passiert. Er wollte mich vielleicht sogar umbringen." Wieder wird ihr Reden von einem tiefen Seufzer unterbrochen. "Aber er konnte nicht ahnen, dass ich sehr viel trainiere. Kräftemäßig war ich ihm überlegen. Als er mich mit dem Messer getroffen hatte, schlug ich wild um mich. Dann drängte ich ihn zu Boden“, erklärt Frau Schöne mit schwankender Stimme.
„Und wie ist es zu seiner Verletzung gekommen. Die ist ziemlich übel.“
„Oh, Herr Kommissar. Tut mir leid, das ist ein furchtbares Unglück." Jetzt unterdrückt sie die Tränen. "Wir drückten die Arme gegeneinander. Er wollte mich erneut mit dem Messer treffen. Aber dann ließ er plötzlich locker. Ich stürzte an seinem Arm hängend zu Boden. Da traf das Messer ihn so unglücklich am Hals. Ich geriet in Panik, alles war voller Blut. Ich war starr vor Angst.“
„Vielen Dank, Frau Schöne. Wir waren ja sofort da. Hoffen wir, dass alles wieder gut wird.“ Ich bin nicht sicher, ob diese Hoffnung berechtigt ist.

Am nächsten Morgen klingelt mein Telefon. Die Kollegen haben von Albert und Erich ein Geständnis wegen des Banners. Die beiden haben es als dummen Jungenstreich abgetan. Aber es gibt auch eine schlechte Nachricht. Wolfgang ist im Krankenhaus an den schweren Verletzungen aufgrund des hohen Blutverlusts gestorben. Er hatte den Fluss mit Hilfe von einer großen Menge Aspirin wohl beschleunigt. Er wollte sterben, wenn er nicht zum Ziel käme. Das belegt ein Abschiedsbrief in seiner Hosentasche.




3. Rivalen


Auf dem Weg zum Revier grübele ich mal wieder über meine neue Kollegin. Sie ist neu hier, so viel ist sicher. Aber warum ist sie mir zugeteilt worden? Gut, nach Kirchbergs Ausfall wegen Burnout war ich ohne Partner, aber warum gibt man mir dann eine völlig Unbekannte? Nach vier Wochen habe ich zumindest das Gefühl, sie ist 'angekommen', sie spricht mit mir. Und ich glaube, sie ist echt clever. Diese Feststellung zaubert mir ein Schmunzeln ins Gesicht.
Dann muss ich anhalten. Obwohl Grün ist, geht es nicht weiter. Vorn steht ein Bus. Ich steige aus und sehe nach, was los ist.
Ein Verkehrsunfall. Juckt mich eigentlich nicht, aber ich bin halt gerade in der Nähe.
Ich mache mich bemerkbar. „Guten Tag. Was ist hier passiert?“ Aber niemand reagiert.
Stattdessen klopft jemand von innen gegen die Scheibe des Busses: Tanja. Sie steigt aus und kommt zu mir. „Guten Morgen, Chef.“
„Ich weiß noch nicht warum, aber unsere Arbeit scheint heute schon hier zu beginnen“, meine ich.
„Dann sehen wir uns das mal an.“

Auf der Straße liegt ein junger Mann mit einer Kopfverletzung direkt neben einem Linienbus. Eine junge Frau kümmert sich bereits um ihn, der Rettungswagen trifft in diesem Moment ein. Die drei Personen scheinen miteinander bekannt zu sein. Wir verfolgen kurz die Unterhaltung.
„Hallo, Stefan. Er hat eine üble Wunde am Kopf.“
„Ich sehe mir das an. Dafür bin ich ja hier.“ Der Sanitäter lacht die junge Frau an.
„Danke, Schatz. Schön, dass du so schnell hier warst.“ Dann sprach sie den Verletzten erneut an. „Peter, komm, ich helfe dir auf die Beine. Geht es?“
„Ja, danke, Britta.“
Ich zeige meine Marke. Da kommt der Busfahrer auf mich zu. „Dieser junge Mann kam von links über die Straße gerannt, als ich hier an der roten Ampel stand. Er bückte sich kurz, kam aber zu schnell wieder hoch und knallte von unten gegen den Außenspiegel. Der junge Mann ist ja ziemlich groß gewachsen. Da hat er den Spiegel aus der Verankerung gehebelt.“
Dieser Spiegel war wohl auf das Auto, das neben dem Bus steht, gefallen und dann nach vorn auf den Asphalt geschlagen. Die Haube hat eine fette Delle. Das Spiegelglas ist zersplittert.
Ich richte mich an die Frau. „Junge Frau? Dürfte ich ihnen eine Frage stellen?“
„Sicher. Wer … Ach, Sie sind es, Herr Kommissar. Warum hat man Sie denn hierher geschickt?“
„Ich war grad in der Nähe“, sage ich grinsend. „Sie scheinen den jungen Mann zu kennen.“
„Ja, er ist ein Kollege aus dem Krankenhaus. Ich bin gerade auf dem Weg zur Arbeit, genau wie er auch. Er hatte mich gesehen und kam herüber gerannt. Da ist ihm leider dieses Malheur passiert.“
„Und der Sanitäter ...“
„Ist mein Ehemann.“
„Ah, ja. Vielen Dank.“

Im Wagen spricht Tanja mich an. „Hast du den Blick des jungen Mannes gesehen, Chef?“
„Nee, wieso?“
„Der wirkte sehr angetan von der Erstversorgung seiner Kollegin. Er hat sie richtig angestrahlt.“
„Du meinst, der ist in sie verknallt, ja? Aber sie ist verheiratet.“
„Und?“
„Er hatte also nur Augen für sie und war unvorsichtig. Deshalb ist das hier passiert, oder was?“
„Ja, könnte sein. Ich meine ja nur ...“
„Frauenlogik.“
Tanja guckt mich schräg an und schmollt den Rest der Fahrt bis zum Revier.

Am Nachmittag ruft der Kollege aus der Gerichtsmedizin an. Er hat einen Toten auf dem Tisch, sagt er. Da auf dem Unfallbericht mein Name erwähnt wird, soll ich ihn mir zumindest mal ansehen, meint er.
„Gut, Dietrich, wir kommen vorbei“, murre ich. „Was haben wir denn damit zu tun?“, meine ich zu Tanja.
Die erschrak. „Wie ein Verbrechen sah das jetzt nicht wirklich aus. Der hat sich doch nur den Kopf gestoßen. Aber warum ist er jetzt tot?“
„Das werden wir gleich erfahren.“
Wir fahren sofort los.

„Tag, Herr Kommissar.“
„Ach, die junge Frau von heute Vormittag.“
„Ich arbeite in der Pathologie. Der Chef ist grade nicht da. Ich habe Peter untersucht. Ich habe aber noch keine Idee, warum er gestorben ist. Seine Verletzung ist ordnungsgemäß versorgt worden.“
„Blutgerinnsel?“, wirft Tanja ein.
„Danach wird bei einer Kopfverletzung als Erstes geschaut. Da wird mein Mann schon die richtigen Schritte unternommen haben.“
„Haben Sie es überprüft? Kann man das überhaupt noch nachträglich prüfen?“ Ich dränge sie ein wenig, denn ich denke, dass sie ihren Gatten für einen tadellosen Sanitäter hält.
„Wir haben Sie sofort informiert, als ich seinen Tod festgestellt hatte. Ich habe noch nicht alle Untersuchungen durchgeführt. Ich wollte nur, dass Sie es schon mal wissen.“ Sie wirkt gereizt.
„Alles gut. Machen Sie ihre Arbeit. Dann rufen Sie mich an, okay?“
„Gut, Herr Kommissar.“

Wieder erfreut mich Tanja mit spitzfindigen Beobachtungen, als wir im Wagen sitzen. „Sie will ihren Mann nicht in schlechtes Licht rücken – falls er sich etwas vorzuwerfen haben sollte.“
„Wir werden uns beim Personal ein wenig umhören müssen. Außerdem, warum sollte er ...“
„Denk mal an das, was ich heute Morgen gesagt habe.“
„Der Blick?“
„Genau. Eifersucht ist immer ein Motiv.“
„Du lernst verdammt schnell. Mir ist dieses etwas zickige Antworten auch aufgefallen. Sie hat vielleicht was gefunden, will es aber nochmal überprüfen, bevor sie es offenlegt.“
Tanja grinst mich an. „Danke, Chef.“
„Dann wollen wir mal die Kolleginnen und Kollegen der beiden befragen, ja?“
Sofort steigt Tanja aus und fordert mich auf, ihr zu folgen.

An der Rezeption sprechen wir eine bildhübsche Krankenschwester an. Als wir den Namen des Toten nennen, schluchzt sie ergriffen, versucht, die Tränen zu unterdrücken. Annika Steger heißt sie. Echt ein süßes Ding.
„Wie ist denn so das Betriebsklima?“, frage ich.
„Ach, ganz gut eigentlich. Hören Sie, Herr Kommissar, ich habe Peter geliebt, aber ich habe es ihm bisher nicht gestanden.“
„Warum nicht? Sie müssen sich nun wirklich nicht verstecken.“
„Er schwärmte für die Britta. Schon seit mindestens zwei Jahren, hat sich aber wohl nie getraut. Aber dann hat sie kürzlich den Stefan geheiratet. Da war er ziemlich frustriert.“
„Stefan? Der Herr Moll, ja?“
„Ja, genau.“
„Wusste er von den Ambitionen des … des Toten“, füge ich ganz behutsam an.
Trotzdem verdrückt sie wieder eine Träne. „Ich glaube, er wusste es. Aber ...“
„Wo finden wir den Herrn Moll jetzt?“
„In der Notaufnahme, schätze ich.“
„Vielen Dank, junge Frau. Das Leben ist manchmal ungerecht.“
„Wie konnte das passieren?“
„Das wissen wir leider auch nicht. Es gibt uns Rätsel auf. Aber dafür sind wir ja da. Um Rätsel zu lösen.“
Tanja nimmt die junge Frau nochmal beiseite, weil sie wieder anfängt zu weinen. Ein paar Minuten später gehen wir.

Stefan Moll finden wir im Bereitschaftsraum der Notaufnahme. Ist wohl gerade kein Einsatz notwendig. Als wir hereinkommen, springt er auf. „Was wollen Sie hier? Sie dürfen nicht hier sein. Der Zutritt ist nur dem Personal gestattet.“
„Keine Sorge, Herr Moll. Wir dürfen“, sage ich und zeige ihm meine Dienstmarke.
„Ja, ach so. Warum sind Sie denn hier?“ Er wirkt sofort nervös.
„Wir wollten ihnen ein paar Fragen stellen, Herr Moll. Wie läuft sowas ab, wenn Sie einen Verletzten in den Rettungswagen packen?“
„Er wird natürlich sofort bestmöglich versorgt. Je nach Verletzung oder ob er bei Bewusstsein ist oder nicht natürlich.“
„Blutung stoppen, Wunde verbinden, Infusionstropf, ja?“
„So in etwa.“
„In welchem Verhältnis stehen Sie zu dem jungen Mann?“ Tanja stellt diese Frage, als ob sie ihn aufs Glatteis führen wolle.
„Ja, was? Sie meinen den Peter oder was? Wir waren Kollegen, mehr nicht“, antwortet er.
„Wieso 'waren'?“, hakt Tanja nach.
„Ist er doch nicht tot?“, Moll schreckt richtig auf, als wenn es eine Hiobsbotschaft für ihn wäre.
„Woher wissen Sie denn etwas über seinen Zustand? Sie liefern doch die Leute nur ab. Gekümmert wird sich dann sicher von den diensthabenden Ärzten und Schwestern, oder?“ Tanja treibt ihn in die Enge, habe ich das Gefühl.
„Ja … Ja, sicher. Meine Frau hat es mir gesagt.“
Ich versuche, ihn erneut zu verunsichern. „Ach, zu der müssen wir auch noch. Wo finden wir die denn? Ach, in der Pathologie. Stimmt's? Das hatte sie uns heute Vormittag gesagt. Komm, Tanja.“
Wir lassen den Mann einfach stehen und ziehen uns zurück.

Als wir uns der Rezeption nähern, vernehmen wir ein Gespräch zwischen Britta Moll und Annika Steger. Unauffällig lauschen wir.
„Oh, Britta. Das ist so furchtbar. Peter hatte keine Ahnung, wie sehr ich ihn geliebt habe. Aber er hatte nur Augen für dich, weißt du das eigentlich?“
„Er war immer sehr, sehr nett zu mir. Das stimmt schon, aber dass da mehr dahinter steckt, hätte ich gar nicht gedacht. Er wusste doch, dass ich mit Stefan verlobt war.“
„Dein lieber Stefan ist auch nicht das, was er vorgibt. Seit Wochen läuft er mir hinterher, sagte mir sogar, dass er mich beobachtet hatte, wie ich hinter Peter her geschlichen bin.“
„Wie bitte?“ Britta Moll wirkt wütend.
„Ich wollte das nicht. Ich mag Stefan nicht. Entschuldige, dass ich das sage, er ist ja dein Mann, aber er ist schon ein wenig aufdringlich geworden.“
„Der kann was erleben!“
„Oh, nein, Britta! Bitte nicht. Er wird doch denken, ich hätte es dir erzählt.“
„Glaubst du, er würde dich dafür schlagen?“
Annika nickt mit ängstlicher Miene.
Dann machen wir uns bemerkbar. „Frau Moll, ich hätte noch eine Frage.“
„Herr Kommissar?“ Jetzt lächelt sie sehr entgegenkommend.
„Haben Sie seit dem Zeitpunkt, wo Sie den Tod von Peter Keller festgestellt hatten, noch einmal mit ihrem Mann gesprochen?“
„Nein, warum?“
„Ach, egal. Haben Sie noch weitere Untersuchungen gemacht?“
Britta Moll überlegt kurz. „Herr Kommissar, ich fürchte, ich würde als befangen gelten, aber ...“
Ich baue ihr eine Brücke. „Sie müssen nicht gegen ihren eigenen Ehemann aussagen, Frau Moll.“
„Das …“ Sie schaut Annika an. „Das werde ich aber!“, sagt sie entschlossen.
„Was?“, ruft Annika dazwischen. „Was ist denn los?“
„Da ist etwas faul. Ich glaube, der Peter könnte noch leben, Annika.“
„Dann schlage ich vor, Sie benachrichtigen ihren Chef und kommen mit auf's Revier“, bitte ich.
Am Ende des Ganges kommt Stefan Moll gerade heraus aus seinem Bereitschaftsraum. Als er uns sieht, geht er wieder rein.
„Frau Steger, geben Sie bitte Acht auf sich. Oder Chef, soll ich bei ihr bleiben?“ Tanja hat die Situation vollkommen erfasst, sieht Gefahr in Verzug, wenn Annika von Herrn Moll angesprochen werden sollte.
„Das ist sicher ratsam. Aber halte dich im Hintergrund. Schreite erst ein, wenn es nötig ist.“
„Mach ich, Chef.“
„Kommen Sie bitte, Frau Moll.“

Auf dem Revier erklärt mir Britta Moll in allen Einzelheiten, wie sie glaubt, dass Stefan Moll seinen Rivalen um die Gunst der Annika Steger getötet hat. Die Obduktion hat es ans Licht gebracht.
„Ich werde gleich morgen die Scheidung einreichen. Er hat mich hintergangen und hat einen guten Freund und Kollegen umgebracht. Mit solch einem Menschen will ich nichts mehr zu tun haben.“
„Hatten Sie heute Mittag schon den Verdacht, dass er ...“
„Ja!“, ruft sie sofort. „Aber ich wollte es nicht wahrhaben. Deshalb habe ich nochmal genauer hingeschaut. So ein, zwei Dinge hatten mich stutzig gemacht. Die Verletzung war nicht lebensbedrohlich.“
„Entschuldigen Sie, Frau Moll. Wir hatten ihr Gespräch mit Frau Steger vorhin zufällig mitgehört. Hat ihr Mann Sie schon einmal geschlagen?“
Sie schaut mich erstaunt an. „Wie kommen Sie darauf?“
„Weil Sie Annika fragten, ob sie fürchte, von Stefan geschlagen zu werden.“
Britta Moll lässt sich tiefer in den Stuhl sinken. Dann nickt sie, zeigt mir sogar eine Narbe am Hals, die aber vom Kragen ihrer Bluse bedeckt war.
Ich rufe ein zweites Team zu mir. Dann fahren wir ins Krankenhaus, um Stefan Moll verhaften zu können.

Als wir den Hauptgang betreten, höre ich Tanjas Stimme. „Herr Moll, so sind Sie doch vernünftig. Geben Sie Frau Steger frei. Sofort!“
Ich halte die Kollegen zurück, um ihnen Anweisung zu geben, sich von hinten an den Mann heranzuschleichen. Ich selbst gehe dann auf Tanja zu, um sie zu unterstützen. Sie dreht sich kurz um, als ich sage: „Herr Moll, es ist vorbei. Ich muss Sie wegen des dringenden Verdachts, Peter Keller getötet zu haben, festnehmen.“
„Dann versuchen Sie es doch, Herr Kommissar. Ich habe hier eine Geisel.“ Er fühlt sich im Vorteil.
„Stefan! Sei doch vernünftig“, fleht Annika.
Auch Britta schreit ihn an: „Stefan, lass den Scheiß!“
Doch dann zückt Moll plötzlich ein Messer und bedroht Annika. „Du kleine Schlampe! Sei still! Du hast doch jedem schöne Augen gemacht. Der Peter war so blöd, es nicht zu merken. Aber ich habe es gemerkt. Und dann hast du mich zurück gewiesen, du Miststück!“
„Das ist alles nicht wahr.“ Annika schluchzt, die Panik steht ihr in den Augen.
Die Ablenkung erfüllt ihren Zweck. Wir haben Stefan Moll in ein Gespräch verwickelt. Deshalb können sich die zwei Kollegen unbemerkt nähern. Dann erfolgt schließlich der Zugriff. Moll wehrt sich, versucht sich loszureißen, doch die Kollegen haben seine Arme fest im Griff. Sie können jedoch nicht vermeiden, dass Moll seine Geisel mit dem Messer verletzt. Schreiend stürzt sie zu Boden.
Tanja eilt der jungen Frau zu Hilfe und stellt fest: „Ist nur 'ne kleine Kratzwunde an der Schulter.“
„Herr Moll, es ist aus! Sie haben Peter Keller ermordet. Und diese Nummer eben hat ihre Schuld nur unterstrichen. Ich frage mich nur, warum es dazu kommen musste. Es war doch noch nichts passiert.“ Zu den Kollegen sage ich: „Abführen und einsperren.“




4. Machtkampf


Endlich mal ein freier Abend. Ich sitze vor dem Fernseher und lasse mich von einer Nachrichtensendung berieseln, die vorzugsweise auf Sensationsgeschichten setzt. Ich bekomme nur mit, dass es um das Besetzen des Chefsessels einer wichtigen Bundesbehörde geht.
Noch ist nicht entschieden, wer zukünftig das Sagen haben wird, aber diese Nachricht könnte den bisherigen Favoriten ins Hintertreffen bringen. Diese Bilder zeigen Heinrich Brautkötter mit der einschlägig bekannten Pornodarstellerin Trixi Power. Trotz aller Vorsicht ist er schon mehrfach mit ihr gesehen worden. Hat er womöglich ein außereheliches Verhältnis mit dieser Frau? Sein Gegenkandidat, der Unternehmer Gereon Stillmann, sagt dazu: 'Sollte da etwas dran sein, dann wäre es unverantwortlich, ihn auf diesen Posten zu setzen.' Zu einer Stellungnahme konnten wir Herrn Brautkötter noch nicht befragen.
Irgendwann schlafe ich in meinem Sessel ein.

Es ist halb neun, als ich wieder aufwache. Da klingelt das Telefon. Es ist Tanja.
„Aufstehen, Chef! Es gibt eine Leiche.“
„Oh, wie charmant du mich zur Arbeit treiben willst. Halbe Stunde, okay?“
„An der Autobahnraststätte.“
„Ja, ja ...“ Von mir aus.

Vierzig Minuten später bin ich am Fundort. Der Schock trifft mich hart. Da liegt diese Trixi Power. Ich erinnere mich an den Bericht von gestern Abend. „Heinrich Brautkötter“, sage ich. „Den werden wir gleich besuchen.“
„Wieso?“
Ich erzähle Tanja von dem Bericht im Fernsehen. Dann sehe ich mich weiter um und entdecke ein bekanntes Gesicht. „Oh, Frau Moll. Sie sind jetzt in der Gerichtsmedizin?“
„Ja, hat sich so ergeben. Ihr lieber Herr Kranz braucht ja bald eine Nachfolge“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. „Da hatte er mich angesprochen. Ich heiße übrigens jetzt wieder Kranz.“
„Schön, ging ja schnell.“ Dann realisiere ich erst, was sie sagte. „Was? Sagen Sie nicht, Sie sind die Tochter vom Dietrich.“
Sie lacht. „Doch, die bin ich.“
„Okay, bin sehr überrascht.“ Ein Schmunzeln huscht mir über das Gesicht. „Ich wusste, dass er eine Tochter hat, aber er hat nie drüber gesprochen. Schön. Was können Sie mir sagen? Wie viel Silikon hat der Täter mit seiner Schlitzerei freigelegt?“
Britta Kranz schaut mich entsetzt an. „Geht es noch? Nicht die Spur. Das ist alles reines, starkes Fettgewebe. Alles echt.“ Sie schüttelt den Kopf. „Todeszeitpunkt etwa drei bis fünf Uhr heute Früh.“
„Okay. Gestern Abend der Bericht von seinem Fehltritt, dann bringt er sie um. Klingt logisch.“
„Was sagen Sie?“
„Ach, ich habe spontan einen Verdächtigen.“
„Bist du noch nicht ganz wach, ja? Was ist daran logisch, Chef?“, fährt mir Tanja in die Parade.
„Fahren wir zu Brautkötter“, bestimme ich. Aber dann denke ich, dass Tanja recht hat. Was hätte er davon, wenn es schon raus ist, sie umzubringen? Das wird er uns gewiss sagen.

Wir treffen Heinrich Brautkötter zuhause an.
„Junge Frau“, begrüßt er zuerst Tanja, dann mich: „Herr Kommissar. Was kann ich für Sie tun?“
„Ich falle mal gleich mit der Tür ins Haus. Trixi Power.“
„Was ist mit ihr?“
„Wann haben Sie die junge Frau das letzte Mal gesehen?“
„Am Montag. Ja, vor drei Tagen war das. Was spricht denn dagegen?“
„Naja, die junge Dame hat nicht gerade einen Vorzeigeberuf, wenn Sie verstehen.“
Brautkötter lacht nur leise, sagt aber nichts.
„Trixi Power ist tot, Herr Brautkötter“, sage ich.
Er gerät ins Straucheln. Sogleich erfasse ich seinen Arm, um ihm Halt zu geben. Aber er bringt kein Wort heraus, sucht nur nach einer Sitzgelegenheit. Mehr Einzelheiten lässt er sich nicht entlocken, bittet uns zu gehen.

„Er war es bestimmt nicht“, sagt Tanja, als wir im Wagen sitzen.
„Das denke ich auch. Aber wer will ihn damit ...“ Ich denke kurz nach. „Gereon Stillmann!“
„Wer ist das nun wieder?“
„Sein Kontrahent um diesen Posten. Habe ich dir doch vorhin erzählt.“
„Okay, dann hin zu ihm.“

Stillmann ist so, wie er im Fernsehen wirkte. Arrogant und selbstgefällig.
Er schaut Tanja an. „So eine junge Dame bei der Polizei? Haben die Ganoven denn auch Angst vor ihr?“ Diese Frage richtet er wohl, garniert mit einem arroganten Grinsen, eher an mich.
„Ich kann ihnen gerne mal vorführen, wie viel Angst Sie vor mir haben sollten“, sagt Tanja selbstbewusst und tritt einen Schritt näher an ihn heran.
„Ich bitte Sie, junge Frau. Ich bin ja kein Ganove. Ich denke eher an so Gewaltverbrecher, die vor nichts zurückschrecken.“
„An einen Mörder, ja? Der Schein trügt, Herr Stillmann“, werfe ich ein.
Er schaut mich nur kurz an.
„Eine Frage hätte ich. Wie sportlich sehen Sie den Wettlauf um den begehrten Chefposten in diesem Ministerium?“
„Warum fragen Sie das? Möge der Bessere gewinnen. Ich glaube, da habe ich seit gestern ein etwas besseres Blatt auf die Hand bekommen.“ Stillmann lacht hämisch.
„Sie pokern ziemlich hoch.“
„Oh, Herr Kommissar. Nur mit hohem Einsatz erreicht man auch hohe Ziele“, gibt er selbstsicher zurück.
Ich fordere ihn heraus. „Gedenken Sie den Einsatz zu erhöhen?“
„Oh, ich denke, das wird nicht nötig sein. Er hat auch so schon genug damit zu tun.“
„Sie meinen die junge Dame, mit der er gesehen worden ist, ja?“
Tanja legt nach: „Kennen Sie diese Frau?“
„Ich denke, es gereicht niemandem zur Belobigung, wenn man mit ihr verkehrt, wenn Sie verstehen.“
Ich treibe ihn weiter in die Enge. „Also kennen Sie sie. Woher sollten Sie das sonst wissen.“
Auch diesmal windet er sich mit einem Lachen aus der Schlinge. „Ein kleines Pornohäschen ist sie. Und so eine steht keinem Chef besonders gut zu Gesicht. Ich habe da mal recherchiert, wissen Sie?“
„Vielen Dank für ihre kostbare Zeit, Herr Stillmann.“
Wir ziehen uns zurück.

„Der ist ja widerlich. Eiskalt und aalglatt.“
„Oh, Tanja. Da stimme ich dir zu. Aber begeht er einen Mord?“
„Er kennt sie. Da bin ich sicher. Nenn es weibliche Intuition, aber der kennt sie besser, als er zugibt.“
„Okay, nehmen wir an, sie hätte Geld gefordert, um etwas zu tun oder zu unterlassen, je nachdem, bei wem und von wem. Dann würde derjenige, egal, ob Stillmann oder Brautkötter, sie gerne loswerden wollen.“
„Chef, das ist Spekulation.“
„Ich weiß. Aber Brautkötter hat uns auch nicht alles gesagt, glaube ich. Vielleicht sollten wir mal im Umfeld der jungen Dame nachforschen, ob es da Animositäten gibt.“
Wir fahren ins Revier, machen uns an die Arbeit, um herauszufinden, wie wir an die Darsteller und Produzenten herankommen. Tanja zeigt ihr Unbehagen ganz deutlich, meint, das sei doch ohnehin eine Männerwelt, wo eine Frau nichts zählt. Aber sie ist professionell genug, die dienstliche Pflicht über ihre Aversion zu stellen.

„Sag mal, Tanja“, starte ich einen schüchternen Versuch.
„Ja, Chef?“
„Wie … Wie kommt es, dass du mir zugeteilt wurdest?“
„Oh, ich dachte schon, du würdest mich nie fragen, dachte, es wäre dir völlig egal, mit wem du arbeitest, solange du deine Masche durchziehen kannst.“
„Was für eine Masche?“, frage ich irritiert.
„Du bist Chef, und du zeigst das auch.“
„Zu deutlich? Oder was willst du mir jetzt vorwerfen?“, frage ich mit aufbrausender Stimme.
Doch sie beruhigt mich. „Ich werfe dir gar nichts vor.“
„Wer hat dich zu mir geschickt?“
„Eine gute Freundin. - Oh, ich glaube, hier habe ich was“, lenkt sie ab, weil wir während der Unterhaltung nach Hinweisen suchen.
„Eine gute Freundin ...“, sinniere ich.

Schließlich finden wir ein Filmstudio in einem Hinterhof im Gewerbegebiet. Von außen wirkt es, obwohl es gut versteckt liegt, ganz manierlich. An der Tür empfängt uns ein Schrank von einem Kerl. Als ich ihm meinen Ausweis zeige, ist er lammfromm, meint aber sogleich, dass dort alles mit rechten Dingen zuginge, nichts Illegales laufe.
Der erste Schock trifft uns gleich hinter der nächsten Tür. Nein! Kein Dreh. Eine Frau kommt uns entgegen, die haargenau so aussieht, wie das Opfer von heute Morgen. Es gibt ... Es gab somit gleich zwei von dieser Sorte Marke Sexbombe. Sie ist aber nicht gesprächsbereit, rennt sofort weiter. Ist sie die Zwillingsschwester?
Tanja ist schon bedient. „Was machen wir jetzt?“
„Ich hätte eine Idee. Aber dafür müssen wir dieses Püppchen ein bisschen bequatschen.“
„Tu dir keinen Zwang an, Chef.“ Tanja zieht eine Schnute.
„Hey, komm. Bin ich so schlimm?“
Sie weicht aus. „Wie sieht dein Plan aus?“
„Ich frage mich, ob die beiden Herren wissen, dass es Trixi zweimal gab.“
„Brautkötter haben wir schon gesagt, dass sie tot ist. Er wird einen Schock kriegen, wenn wir jetzt mit dem doppelten Lottchen ankommen.“ Tanja muss nun doch lachen.
„Aber Stillmann wird auch einen Schock kriegen, wenn er sie umgebracht haben sollte.“
„Oh, ja.“ Jetzt lächelt Tanja. „Der Plan gefällt mir.“
„Dann hinterher.“ Ich laufe los und rufe die heiße Braut zurück.

Endlich bleibt sie stehen. „Was wollen Sie von mir?“
„Ich bin Kommissar Zufall, ja, ich heiße wirklich so“, sage ich mit einem Grinsen. „Und das ist meine Kollegin Tanja Bruck. Wir hätten ein paar Fragen, wenn es recht ist.“
„Polizei? Ich habe nichts angestellt.“
„Es geht um Trixi.“
„Hey, meine Schwester. Was wollt ihr von ihr?“
„Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?“
„Ist schon ein paar Tage her. Aber sie war gestern im Fernsehen, habe ich gehört. Sie hat sich so ein hohes Tier geangelt, heißt es. Na, wenn sie meint. Mein Fall wäre das nicht. Ich weiß auch nicht, wen sie da an der Angel hat.“
„Frau … Wie war noch der Name?“, erbitte ich von ihr.
„Sexy Hexy!“, grölt sie.
„Den bürgerlichen Namen, wenn es recht ist.“
„Tamara Brecht.“
„Frau Brecht, ihre Schwester ...“ Ich zögere.
Sie wird unruhig. „Ist was passiert?“
„Ihre Schwester ist tot, Frau Brecht. Sie wurde heute Morgen gefunden. Ziemlich übel zugerichtet.“
„Wie? Mit einem Messer aufgeschlitzt?“
Tanja wird hellhörig und hakt nach. „Wie kommen Sie darauf?“
„Weil ihr ein Irrer Drohbriefe geschrieben hat, dass er ihr die Silikontitten aufschlitzen wolle", kreischt sie. Und mit Empörung in der Stimme fährt sie fort: "Warum glauben die Leute eigentlich, nur weil eine Frau richtig geile Titten hat, dass die nicht echt sein können?“ Sie fasst mit beiden Händen von den Seiten unter ihre sehr üppige Pracht. „Das ist alles echt, verdammt!“
Ich bekomme große Augen, weil sie mir ihren spärlich bekleideten Oberkörper ein wenig entgegenstreckt. „Das ist uns bekannt. Die Gerichtsmedizin hat uns das bestätigt", stottere ich.
Tanja knufft mich in die Seite und grinst mich schräg an.
Viele Informationen kann uns Frau Brecht nicht geben, das Klima unter den Darstellern sei sehr entspannt, von echten Abneigungen gegen bestimmte Leute kann sie uns nichts berichten. Heile Welt, jeder treibt es mit jedem, und alle haben sich furchtbar lieb. Ausgeschlossen!

Tamara Brecht erklärt sich zu einer Gegenüberstellung mit unseren Verdächtigen bereit, obwohl wir ihr keine Namen nennen.
Unser erstes Ziel ist der vermutete Geliebte der Toten. Als der die Tür aufmacht und uns sieht, schaut er unserem Gast sofort in die Augen. „Tamara!“
„Heinrich! Wie konnte das passieren? Patricia ist tot, Heinrich.“ Dann schaut sie uns an. „Ich nehme an, er wusste das schon, oder etwa nicht?“
Ich schaue sie streng an. „Frau Brecht, Sie sind uns eine Erklärung schuldig. Sie sagten uns nicht, dass Sie dieses 'hohe Tier', wie Sie es nannten, kennen.“
„Trixi hatte mir nichts gesagt. Ich habe das nur vom Hörensagen. Sorry, aber ich ...“ Sie sucht nach Ausflüchten, glaube ich zu erkennen.
„Frau Brecht!“, ermahne ich sie. „Wie gut ist das Verhältnis zwischen ihnen?“
„Herr Kommissar“, meldet sich Brautkötter zu Wort. „Ich bin ihnen eine Erklärung schuldig.“
„Da sind wir aber sehr gespannt.“
„Patricia und Tamara sind die Zwillingstöchter meiner ersten Frau, die sie in die Ehe mitgebracht hatte. Ich habe also keineswegs eine Liaison mit diesen Mädchen.“
„Das ist mir ziemlich egal. Ich suche einen Mörder. Sie waren es dann wohl nicht“, sage ich und grinse. „Dann weiter. Frau Brecht, kommen Sie bitte?“

Wie nicht anders zu erwarten, präsentiert sich Stillmann wieder eiskalt und aalglatt. Doch Tamara hatten wir bewusst noch im Hintergrund gehalten, als die Tür aufgeht.
Sofort blafft er: „Was wollen Sie denn schon wieder?“ Als jedoch Tamara vortritt, schluckt er hörbar. „Wer ist diese Frau?“
„Na, das wissen Sie doch, Herr Stillmann. Das ist die Geliebte ihres Konkurrenten Brautkötter“, reibe ich ihm unter die Nase.
Da lacht er albern, doch ich erkenne sofort, dass er nach Worten ringt. „Ach, haha, ja, die kleine Pornoschlampe.“
Kaum hat er es ausgesprochen, springt Tamara auf ihn zu und gibt ihm eine schallende Ohrfeige. Und dann wird es wild, denn er schlägt sofort zurück. Wir müssen die zwei auseinanderbringen.
Mir wird sofort klar: Wer hemmungslos Frauen schlägt, der begeht gleichfalls einen Mord.
„Was wird hier gespielt?“, fragt Stillmann mich.
„Was haben Sie für ein Problem?“, gebe ich zurück.
Er starrt mich fassungslos an, dann Tanja, schließlich auch Tamara. Und ein wenig unerwartet plappert er los. „Ja, okay, ich habe diese Frau angespitzt, sich an Brautkötter ranzumachen. Ich habe ihr viel Geld dafür gegeben.“
Tamara beginnt zu lachen.
Dann lege ich den Köder aus. „Aber sie wollte mehr, und da haben Sie sie umgebracht.“
Jetzt lacht Stillmann arrogant. „Toller Witz. Das Weib steht doch hier vor mir. Also kann sie ja wohl nicht tot sein. Verdient hätte sie es jedenfalls, diese elende Schlampe!“
Wieder springt Tamara darauf an, doch Tanja kann sie halten.
„Herr Stillmann, da hätten Sie mal besser nachforschen sollen“, sage ich nicht ohne Häme. „Das ist die Zwillingsschwester von Trixi Power.“ Da entgleiten ihm die Gesichtszüge, der panische Blick sagt mir, dass ich richtig liege. Also sage ich: „Ich verhafte Sie wegen des dringenden Tatverdachts, Trixi Power heute früh ermordet zu haben.“




5. Nuttentaxi


Manchmal frage ich mich, ob die Städteplaner schon mal Sinn für Humor haben. Da gibt es in unserer Stadt eine Buslinie Nummer 69. Und die fährt sinnigerweise vom Bahnhof bis in ein Gewerbegebiet Freudenberg. Das liegt ein wenig auf einem Hügel. Das Pikante daran ist, dass auf dem Weg dorthin ebenso das Rotlichtviertel mitten im Wald liegt. Am Fuße des Hügels, dem Freudenberg. Der Bus fährt dann noch eine kleine Schleife durch das Neubaugebiet mit gleichem Namen und endet im benachbarten Gewerbegebiet.

Ich amüsiere mich gerade über diese Gedanken, die mich kurz vor dem verdienten Feierabend umtreiben, da klingelt das Telefon. Keine gute Kunde … War ja klar, kurz vor Feierabend!
„Tanja, wir müssen nochmal los. Ein Spaziergänger hat eine Leiche im Wald gefunden.“
„Wer geht denn bei diesem Scheißwetter im Wald spazieren?“
Tatsächlich, es schüttet ganz gut. Ich greife zum Telefon, rufe die Spurensicherung, schicke die Jungs zum Fundort. Sie sind nicht gerade begeistert.
Nächste Nummer. „Frau Kranz, Arbeit für Sie. Im Wald am Freudenberg liegt eine Frauenleiche.“
„Na, herzlichen Dank. Bei dem Wetter jagt man doch keinen Hund vor die Tür. Aber mit uns kann man das ja machen. Sag mal, wer treibt sich bei diesem Wetter im Wald rum?“
„Klar, hat die Kollegin ebenfalls gesagt. Aber wie heißt es so schön? Es gibt kein falsches Wetter, nur falsche Kleidung. Wir kommen gleich nach.“
„Dann packt die Gummistiefel ein“, empfiehlt sie und lacht.

Eine Stunde später stehen wir alle im strömenden Regen knöcheltief im schlammigen Waldboden und begutachten den Fundort. Nur eins ist klar. Es ist eine aus dem Milieu. Und der Forstwirt war der Spaziergänger. Es sagt, er sei vom Regen überrascht worden, als er die Bäume, die gefällt werden müssen, markiert hat. Könnte stimmen, der Regen kam recht plötzlich, aber gewaltig, wie die Kollegen bestätigen.
Wir beeilen uns alle, um wieder ins Trockene zu kommen.

Nach einer Weile hört der Regen auf. Also mache ich mich mit Tanja auf in den Rotlichtbezirk, um ein paar Kolleginnen der Toten zu befragen.
„Was denkst du, Chef?“
„Ich frage mich, was für eine Sorte Frau sie war. Rank und schlank war sie ja nicht, aber auch nicht dick. Nur gut dralle.“
„Und nicht mehr die Allerjüngste, würde ich sagen.“
„Manche Männer stehen drauf, wie es scheint. Lass uns hören, was die Konkurrenz dazu sagt.“
Viele sind nicht unterwegs, hat sich vermutlich schon herumgesprochen, dass da was passiert ist.
Eines, was zumindest zweimal erwähnt wird, ist die Tatsache, dass die Janka, so wohl der Name der Toten, es immer ohne Gummi machte, dass sie deshalb schon mal bevorzugt wurde. Beide Frauen sind in etwa von gleicher Statur und gleichem Alter, wie die Tote. Und beide sagen, dass ihr Typ sehr gefragt ist.
„Gut, machen wir Schluss für heute“, sage ich.

Am nächsten Morgen gehe ich zuerst zu Britta Kranz.
„Sie ist in der Nacht zuvor getötet worden“, verrät sie. „Zwischen eins und drei etwa.“
„Ob da jemand mit der Dienstleistung nicht zufrieden war?“, werfe ich ein.
„Tja, ich habe sechs verschiedene DNA-Spuren nachweisen können. Sie hatte wohl gut zu tun.“
Ach, ja, ohne Gummi, fällt mir ein. „Und sie war ein bisschen sorglos. Danke.“

„Morgen, Chef“, begrüßt mich Tanja, als ich zurück bin. „Wie gehen wir die Sache an?“
„So voller Tatendrang? Das ist gut. Ich denke, wir fahren heute mal ein bisschen Bus.“
„Ach, die 69, ja? Du glaubst, da triffst du auf alle Beteiligten?“
„Ich vermute, die Damen fahren mit dem Bus hin, und die Freier tun das ebenso.“
„Aber doch nicht vormittags, oder?“
„Der frühe Vogel ...“, sage ich und grinse.
„Du willst den ganzen Tag Bus fahren?“
„Nein, nein. Primär natürlich in den Abendstunden. Ein zweites Team wird am Freudenberg auf der Lauer liegen, um zu sehen, wer da so ein- und aussteigt. Die können ruhig jetzt schon los, werden dann vom dritten Team abgelöst. Müller! Pauli!“, rufe ich nach den zwei Kollegen.
Die beiden kommen sofort rüber, ich instruiere sie und schicke sie los.

Ich gehe mit Tanja rüber in die Spurensicherung, in der Hoffnung, dass die Jungs ein paar Hinweise haben, die auf den Täter schließen lassen könnten. Aber außer ein paar undefinierbaren Faserspuren verschiedener Stoffe und einen hellbraun marmorierten Knopf leider Fehlanzeige. Also zu Britta, ob sie noch etwas gefunden hat.
„Oh, da habe ich was für euch. Es muss ein Kampf stattgefunden haben, bevor der Täter das Messer tödlich einsetzen konnte. Unter den Fingernägeln habe ich Faserspuren entdeckt.“
„Die sind ja auch lang genug. Dafür brauchte sie doch einen Waffenschein“, beurteile ich die langen Nägel.
„Hat in diesem Fall seine Vorteile“, meint Tanja und lacht. „Was hat der Täter denn getragen?“
„Kamelhaar, hellbraun. Und auf der übrigen Kleidung habe ich auch ein paar Haare gefunden, die nicht vom Opfer stammen. Allerdings auch nicht alle von derselben Person.“
„Was ist mit diesem Knopf, den die Spurensicherung gefunden hat? Könnte der zu dem Kamelhaarmantel oder was es war passen?“
Britta nickt. „Könnte passen.“
„Wir suchen demnach ein Kleidungsstück aus Kamelhaar, an dem ein Knopf fehlt.“
„Richtig, Chef“, meint Tanja und lacht mich an.
Ich gebe die Information an das Beobachtungsteam weiter.

Drei Tage lang beobachten wir. Zwei Teams befragen alle Männer und alle Frauen, die sich am Freudenberg aufhalten. Bisher sind keine Auffälligkeiten zu erkennen. Dann beschließe ich, den Busfahrer, der abends offenbar immer der gleiche ist, zu befragen.
„Ich kenne sie alle. Dirnen und Freier. Sind doch immer dieselben. Mal hier und da ein neues Gesicht, aber die Konkurrenz ist groß“, gibt er zum Besten und lacht. „Diese Linie heißt nicht umsonst Nuttentaxi.“
„Sagt ihnen der Name Janka was?“
„Guter Mann, das war die beste Braut!“
Ich schaue Tanja an, verziehe das Gesicht. Dann wieder ihn. „Warum?“
„Ja, wissen Sie. An meinem freien Tag komme ich schon mal her. Und die Janka war einfach klasse. Wenn die mit ihrem frechen Kamelhaarjäckchen vor dir stand, dann war das schon was Besonderes. Drunter hatte sie immer nur ein knappes Spitzenteil, schwarz oder rot. Irgend so 'ne dumme Sau hat sie vor ein paar Tagen abgestochen. Wenn ich den in die Finger kriege!“
Bis jetzt hatte der Mann noch keine Hemmungen, über all das zu sprechen. Aber vorsichtshalber zeige ich ihm nun meinen Dienstausweis. „Das wollen wir ebenfalls, Herr ...“
„Rolf Pracht. Dachte mir doch sowas. Sie suchen ihren Mörder, ja?“
„Es wäre sicher hilfreich, wenn Sie die Augen offen halten. Sie kennen die Klientel hier.“
„Mach ich, Herr Kommissar.“

Wir steigen an der Haltestelle Freudenberg aus und gehen zum Wagen unseres Beobachtungsteams, bleiben daneben stehen. Müller und Pauli berichten von einigen Männern, die die Frauen der Lustmeile wohl eher belästigen, als tatsächlich um die Dienstleistung zu buhlen.
„Ich nehme mir mal die Rothaarige hier vorne vor“, sage ich und gehe rüber.
Von Statur und Alter ist sie Janka sehr ähnlich. Als sie mich sieht, kommt sie sogar auf mich zu.
„Na, Süßer? Stehst du auf große ...“ Sie greift mit beiden Händen unter ihre üppige Brust.
„Wie laufen die Geschäfte so?“, frage ich ganz kühl.
„Gut. Seit ein paar Tagen sogar besser. Die Janka ist wohl in Urlaub. Da fällt dann mehr für mich ab“, sagt sie und lacht obszön. „Ich bin übrigens die Rosi.“
„Gibt es sonst keine in eurer Klasse?“ Ich nehme die Hände zu Hilfe, um die vollen Rundungen anzudeuten.
Wieder lacht sie. „Naja, die Maria, schwarzhaarig, und die Svenja, das blonde Gift.“
Ich verrate nichts, sondern sage: „Janka ist brünett, da ist für jeden Geschmack was dabei“, füge ich an. „Aber warum blondes Gift?“
„Ach, die ist sehr besitzergreifend, wenn du verstehst. Was wird das hier eigentlich? Wer sind deine Freunde da?“
Auf die Fragen gehe ich nicht ein. „Sie schnappt ihnen schon mal einen weg, ja?“
„Ach, das tun die anderen auch. Konkurrenz belebt das Geschäft.“
„Das stört Sie aber nicht, oder was?“
„Quatsch. Wir sind hier eine Gemeinschaft. Komm, lass uns reingehen“, fordert sie nun. Sie hofft mich wohl um den Finger zu wickeln.
Ich frage mich, ob sie mir was vorspielt, oder ob sie noch nicht weiß, was passiert ist.
Als ich ihr meinen Ausweis zeige, bemerke ich, dass sie unruhig zuckt. „Janka wird nicht zurückkommen. Sie ist tot", sage ich.
Sie schaut mich ungläubig an. „Nein! Nein, das darf nicht wahr sein. Nein! Wer war das?“
„Wer war was?“, hake ich nach, versuche sie zu irritieren.
„Ja, Sie sind Kommissar. Dann ist doch was passiert. Nun rede schon!“
„Sie ist ermordet worden, ja. Haben Sie vielleicht etwas bemerkt, was auf den Täter hindeuten könnte?“
„Sie hatte immer so fünf, sechs Kerle jeden Abend. Das hätte jeder von denen sein können. Oh, scheiße!“
„Davon müssen wir ausgehen. Wenn Sie etwas mitbekommen haben sollten, dann sagen Sie es bitte.“
„Nein, tut mir leid. Ich fürchte, ich war zu beschäftigt“, antwortet sie und lacht.
„Wenn doch … Erfolgreichen Abend noch“, sage ich trocken und drehe mich um.

„Die ist scharf auf dich, Chef“, empfängt Tanja mich, als ich zurück bei ihr bin. „Die hat dir hinterher geguckt, sage ich dir“, fügt sie an und lacht.
„Lass den Quatsch. Sie schien es noch nicht zu wissen, hat nur bemerkt, dass die Kollegin seit ein paar Tagen nicht da ist. War ihr nicht ganz unrecht, wenn du mich fragst.“
„Und wenn sie es doch wusste?“
„Kluge Frage. Und die Antwort?“
„Dann könnte der Täter auch eine Frau sein. Sie zum Beispiel.“
„Da gibt es noch die anderen beiden. Die hatten wir bei der ersten Inspektion hier schon gesprochen. Zumindest auf die Blonde ist die hier wohl nicht unbedingt gut zu sprechen.“
„Hast du zwischen den Zeilen herausgehört, ja?“
„Kluges Mädchen.“
„Ich finde, die Blonde sieht auch deutlich besser aus, wenn ich das als Frau mal sagen darf.“
„Das ist der Punkt. Wir werden hier weiter beobachten müssen. Und weiter befragen, wen wir noch nicht kennen.“

Zwei Tage später beobachten Müller und Pauli etwas.
„Was ist los, Müller?“, erkundige ich mich.
„Die Schwarzhaarige ist gerade zu der Blonden rein. Ist nix los. Haben wir auch schon bei anderen Boxen beobachtet, dass die sich gegenseitig besuchen.“
„Was ist dann so ungewöhnlich daran?“
„Es wirkte so, als hätte sie sich etwas hektisch umgesehen, ob sie beobachtet wird.“
„Da, jetzt kommt sie raus!“, ruft Pauli dazwischen.
„Und wo ist die Rothaarige?“
„Die ist nicht zu sehen, Chef. Aber die Schwarzhaarige geht jetzt an die Box der Roten. Die Tür geht auf, aber ich sehe nicht genau, was da läuft. Die Schwarze hantiert mit den Händen, fragt wohl, ob sie reinkommen dürfe. So sieht es jedenfalls aus“, beschreibt Müller die Szene.
„Weiter beobachten“, fordere ich. „Wir kommen rüber. Tanja!“

Zehn Minuten später sind wir da.
„Wie sieht es aus?“, frage ich gleich.
„Oh, da kommt sie wieder raus“, meldet Müller. „Hoppla!“, ruft er und lacht.
Ich drehe mich um. Die beobachtete Person stolpert rückwärts aus der Box und stürzt zu Boden. Dann springt sie wieder auf und rennt davon. Sie gerät außer Sicht.
„Wir gehen jetzt an alle drei Boxen, klar? Und zwar gleichzeitig.“
Je zwei Beamte schicke ich zu Maria und zu Svenja. Ich gehe mit Tanja zu Rosi. Da kommt die Rothaarige aus ihrer Box gestolpert und fängt an zu fluchen: „Du elendes Miststück! Wenn ich dich nochmal in die Finger kriege! Wo bist du?“ Sie sieht ein wenig derangiert aus.
„Was ist hier los?“, frage ich und gehe auf sie zu.
Unterdessen kommt von den beiden anderen Teams die Reklamation, dass niemand aufmachen würde. Rosi bekommt es mit und plappert drauf los: „Die ist abgehauen! Die ist mir an die Gurgel gegangen, diese dreckige Schlampe!“
„Halt, halt! Ganz langsam“, fordere ich. „Was ist hier gerade passiert?“
„Die Maria wollte mich erwürgen! Aber ich habe sie hinausdrängen können.“
Bei den anderen macht noch immer niemand auf. Bei Maria könnte es in der Tat sein, dass sie die Flucht ergriffen hat, aber warum macht Svenja nicht auf?
„Verschafft euch Eintritt!“, befehle ich.
Das geht sehr schnell.
„Chef!“, schreit Müller. „Chef! Die Blonde ist tot!“
„Maria ist nicht in ihrer Box!“, meldet das andere Team.
„Rosi, dürfen wir herein kommen?“
„Herr Kommissar, wollen Sie wirklich?“ Sie lacht albern, denn sie hat den Ernst der Lage nicht erkannt.

Tanja ruft die Spurensicherung und Britta Kranz. Unterdessen suche ich das Gespräch mit Rosi. Da sehe ich an ihren Fingernägeln ein paar schwarze Haare. Ich ergreife die Hand, zupfe die Haare ab und sehe sie mir an. Das sind nie und nimmer Marias Haare, denke ich.
Das Team an Marias Box findet heraus, dass die Behausung einen Hinterausgang hat. Und das ist bei allen Boxen so. Ich reime mir also etwas zusammen, warte aber, bis Britta meine Vermutung bestätigt.

„Sie ist noch warm, ist also gerade eben erst passiert. Aber sie ist tot, so viel ist klar“, erklärt Britta die Situation zu Svenja. „Es war vermutlich das gleiche Messer, wie bei der ersten Toten. Präzise ins Herz gestoßen.“
Ich strecke ihr die Hand mit den schwarzen Haaren entgegen. „Sehen Sie sich die mal an.“
„Die sind nicht echt“, sagt Britta sofort, als sie sie in die Hand genommen hat.
„Das dachte ich mir“, antworte ich und schaue Rosi vorwurfsvoll an. „Wir durchsuchen diese Hütte jetzt.“
Rosi lässt sich auf das Bett fallen und beginnt zu weinen.
Die Kollegen finden die Kamelhaarjacke mit dem fehlenden Knopf und eine schwarze Perücke am etwas versteckt liegenden Hinterausgang. Dort wird sie eben wieder rein gekommen sein, denn die Streiterei war nur inszeniert, um Maria zu belasten. Doch die Morde hat Rosi eiskalt ausgeführt, um das Feld für sich zu haben.
Am frühen Morgen finden wir auch Maria. Tot, ein Stich ins Herz. Tief im Wald unter Ästen und Blättern versteckt. Laut Britta Kranz etwa 24 Stunden her.




6. Alte Spuren (Teil 1)


„Guten Morgen, Bernd!“ Eine bekannte Stimme dringt an meine Ohren.
„Roswitha! Das ist ja eine Überraschung. Was führt dich zu mir?“
Vor zwölf Jahren waren Roswitha und ich ein Team. Sie war Hauptkommissarin und ein absolutes Vorbild für mich. Wir hatten bei unserem letzten gemeinsamen Fall zwei üble Ganoven dingfest gemacht. Und genau deshalb war sie heute hier. Die beiden sind letzten Monat entlassen worden.
Tanja springt sofort auf und reicht Roswitha die Hand. „Guten Tag, Frau Kriminaloberrätin. Tanja Bruck. Mein Chef hat schon viel von ihrer gemeinsamen Zeit erzählt.“
„Oh, jetzt übertreibst du aber“, rede ich ein wenig dagegen.
„Du bist ja ein echter Glückspilz, Bernd. Endlich eine junge Kollegin, die du ärgern kannst.“ Roswitha lacht freundlich, denn sie weiß natürlich, dass ich in den elf Jahren seit ihrer Beförderung und der damit verbundenen Versetzung nur einen langweiligen Typen als Teampartner hatte, der vor drei Monaten wegen Burnout ausgefallen war. Dafür hatte ich dann Tanja bekommen.
„Ich bin gar nicht gefragt worden. Man hat sie mir einfach angedreht“, sage ich und lache.
„So kenne ich dich. Aber keine Sorge, Frau Bruck. Er ist ein ganz Lieber.“
„Na ja, meistens“, neckt mich meine Kollegin.
„Gehst du uns bitte mal eine Kanne Kaffee holen, Tanja?“ Das sage ich bewusst sehr liebevoll, um ihr nicht das Gefühl zu geben, dass das ein Mädchen-für-alles-Job ist.
„Das mache ich doch gerne für dich“, sagt sie und lacht mich fordernd an. „Und auch für deine gute Freundin.“ Sie betont es sehr deutlich.
Da geht mir ein Licht auf. Ich warte, bis Tanja draußen ist. „Roswitha, war das deine Idee?“
„Sie ist meine erste Wahl gewesen. Du musstest mal aus dem alten Trott mit Kirchberg raus. Du brauchst eine neue Herausforderung. Darum habe ich dir Tanja zugewiesen. Sigi hat das sehr begrüßt. Aber er hat nichts gesagt, oder?“
„Nein. Tanja selbst hat was von einer guten Freundin gesagt. Als sie es eben so deutlich wiederholt hatte, da ist der Groschen bei mir gefallen. Okay. Sie hat's drauf, denk ich, war am Anfang total schüchtern, hat fast nichts gesagt. Aber jetzt ...“
Da kommt Tanja zurück. „Na, Chef. Hat's geklingelt?“ Sie schenkt mir ein freches Grinsen.
„Weibsvolk ...“, meine ich. Dann lache ich freundlich, damit sie merken, dass ich nicht beleidigt bin. „Hast du Sorge, dass die zwei Dummheiten im Sinn haben könnten?“, spreche ich Roswitha an.
„Ich weiß es nicht.“

Der Fall von damals war kurios. Die beiden Gauner Dieter Krämer und Franz Schulte hatten die siebzehnjährige Tochter des Unternehmers Roland Sundermann entführt. Doch der konnte die zwei Millionen Lösegeld nicht aufbringen, weil seine Firma kurz vor dem Ruin stand. Aber die Gangster hatten offenbar Geduld. 1,7 Millionen hatte er nach zwei Monaten schließlich doch zusammen bekommen. Die Lösegeldübergabe wollte er im Alleingang machen, um das Leben seiner Tochter nicht zu gefährden. Wir waren ihm zwar gefolgt, hatten ihn jedoch verloren.
Am nächsten Morgen war er zu uns gekommen, hatte gesagt, das Lösegeld sei übergeben worden, seine Tochter würde freigelassen. Die kam mittags sogar nach Hause. Sie hatte uns eine einsame Hütte in den Bergen als Versteck genannt, die wir daraufhin untersuchten, aber nichts mehr vorfanden.
Eine Woche später verschwand Sundermann, ein Entführerschreiben flatterte ins Haus. Wir also wieder zu dieser Hütte hin. Und die Jungs fühlten sich offenbar sicher dort, hatten nicht mehr mit uns gerechnet, weil sie uns die Woche zuvor bereits dort beobachtet hatten, wie sie uns sagten. Auf jeden Fall haben wir sie dort verhaften können. Aber keine Spur von Sundermann.
Der Fall war für uns erst einmal erledigt, weil sie beteuerten, den Mann nicht entführt zu haben. Der Prozess war in wenigen Wochen durch. Für die Entführung und den Missbrauch einer Minderjährigen haben sie zehn Jahre Knast bekommen. Sundermann meldete sich dann zwei Tage nach der Verurteilung, dass er sich selbst hatte befreien können. Wer seine Entführer waren, konnte oder wollte er nicht sagen. Seine Tochter kam in die Psychiatrie, und seine Firma meldete Insolvenz an. Damit war die Sache endgültig erledigt.

Drei Wochen nach ihrem Besuch rufe ich Roswitha nochmal an. Man sagt mir, sie sei nicht da, habe sich auch nicht abgemeldet. Das kommt mir schon seltsam vor. Ich rufe bei ihr zuhause an, aber da scheint sie auch nicht zu sein.
Mit einem komischen Gefühl im Bauch gehe ich am Abend nach Hause. Es ist schon lange dunkel. Ein Wagen hält an, nachdem er mich passiert hat. Ein Mann steigt aus, öffnet die Kofferraumklappe des Kombis, sucht wohl etwas, denke ich. Als ich an ihm vorbei bin, spüre ich im nächsten Augenblick einen dumpfen Schlag gegen den Hinterkopf. Benommen gehe ich zu Boden. Bevor ich mich wieder aufrappeln kann, sind meine Hände und Beine gefesselt, ich werde in den Kofferraum verfrachtet, die Augen werden mir verbunden. Dann kriege ich einen weiteren Schlag.
Offenbar hat das zu so später Stunde niemand mitbekommen.

Der Wagen fährt etwa eine halbe Stunde, schätze ich, über unwegsame Straßen, Feldwege oder so. Dann sind wir am Ziel. Ich werde in ein Gebäude befördert, im Innenraum auf ein Bett geworfen, auf dem schon jemand liegt.
„Au!“, schreit diese Person.
„Roswitha?“
„Bernd! Ach du Scheiße!“
„Hey!“, rufe ich nach den Entführern. „Was wird das hier?“
„Halt die Fresse, Bulle!“
Diese Stimme erkenne ich sofort. „Krämer!“
Er bekommt eine Ohrfeige. Eine resolute Frauenstimme beschimpft ihn: „Was habe ich gesagt? Hier spricht keiner!“
„Wer sind Sie?“
„Tach, Kommissar Zufall. Ich? Das wüsstest du gerne, was? Das rätst du nie, du scheiß Bulle!“, antwortet sie und lacht. „Du und die Böhmer, ihr habt noch eine Rechnung zu begleichen. Und ihr müsst verdammt viel zahlen.“
„Damit kommt ihr nicht durch. Spätestens morgen ist diese Hütte umstellt.“ Ich versuche, optimistisch zu sein. „Dann holen sie uns hier raus.“
„Das werdet ihr dann aber nicht überleben“, droht sie unverhohlen.
„Was ist das für eine Rechnung?“
„Vergiss es, Alter!“
Sie fühlt sich sicher und überlegen. Ich zermartere mir das Hirn, wo wir in unserer Arbeit versagt haben könnten. Irgendwann komme ich drauf. Wenn es mit Krämer zu tun hat, dann kann das nur die Entführung sein. Diese Frau ist Regina Sundermann, die seinerzeit entführte Tochter. Aber warum?

Ich teile Roswitha meine Vermutungen mit. Und wir sind uns einig, dass diese Annahme richtig ist. Trotz der Aufregung kommt irgendwann die Müdigkeit. Ich habe mir zwar nichts vorzuwerfen, aber ich realisiere gerade, dass ich mit der Vorgesetzten meines Dienststellenleiters im gleichen Bett liege und mich nicht scheue, ein wenig ihre Nähe zu suchen, weil es dann nicht ganz so kalt ist. Decken hat man uns nämlich nicht gegeben.
Auch Roswitha hat zum Glück keine Berührungsängste. Im Gegenteil. Sie ist dankbar für die Nähe.
Am Morgen liegen wir wirklich eng aneinander gekuschelt da. Prompt regt das unsere Entführer zu dummen Bemerkungen an.
„Das wäre doch 'ne geile Schlagzeile: kleiner Kommissar fickt seine Kriminaloberrätin.“ Der Spruch kam von der Sundermann. Sie lacht hämisch. „Die ist doch gar nicht so übel für ihr Alter. Jungs, wollt ihr die mal rannehmen?“
Schlagartig sind wir hellwach. Das meint die doch hoffentlich nicht ernst, denke ich.
Da mir immer noch die Augen verbunden sind, bekomme ich nicht mit, was passiert. Erst als Roswitha laut zu schreien beginnt, da ahne ich, dass sie es tatsächlich tun wollen.
„Seid ihr irre? Lasst den Scheiß!“, brülle ich los. Prompt bekomme ich einen harten Schlag auf den Schädel.
„Die Dame soll wissen, was mir die beiden damals angetan haben, weil mein Vater zu feige war, sie daran zu hindern.“
Ich frage mich, wann denn ihr Vater damals die Gelegenheit gehabt hätte, seine Tochter aus den Fängen dieser Ganoven zu befreien. Irgendwas muss da doch faul gewesen sein. „Frau Sundermann, das ist nicht fair. Sagen Sie mir, was damals wirklich passiert ist. Wenn wir irgendetwas übersehen haben, dann sagen Sie uns das doch“, flehe ich sie an.
„Dafür ist es zu spät. Meine Unschuld, die ich damals verlor, bringt mir das nicht zurück. Und dieses Erlebnis hat aus mir das gemacht, was ich heute bin: ein seelisches Wrack!“
Das kann ich nachvollziehen. Aber dass sie deswegen Roswitha dieses Leid antun will, ist nicht richtig. Ich versuche weiter, mit ihr im Gespräch zu bleiben, vielleicht etwas heraus zu kitzeln, um eine Idee zu bekommen, was damals falsch gelaufen war. Zunächst blockt sie ab, aber ich bleibe hartnäckig.

Die Jungs lassen nach viel zu langer Zeit endlich von Roswitha ab. Sie wirkt erstaunlich robust, lässt sich nicht anmerken, wie sehr sie diese Tortur angegriffen hat. Die Zeit vergeht, doch nichts, was unsere Situation verbessern könnte, passiert. Sicher wundert sich Tanja schon, wo ich bleibe. Hat sie schon Alarm geschlagen? Ich hoffe es. Da fällt mir ein, dass mein Handy noch in meiner Hosentasche steckt. Und es müsste auch noch eingeschaltet sein, wenn der Akku so lange gehalten hat. Die Deppen hatten meine Taschen nicht kontrolliert. Oh, Tanja, mach eine Standortortung. Ist sie so clever? Ich glaube schon. Hoffnung …

Plötzlich spüre ich Roswithas Hand, die nach mir sucht. Wir liegen Rücken an Rücken. Sie klammert sich an mich und wimmert leise. Jetzt hat sie wohl realisiert, wie übel es ihr ergangen ist. Sie zittert.
„Hey, ihr Barbaren! Gebt ihr wenigstens eine Decke“, fordere ich.
Sofort spüre ich eine zwar recht zarte, aber trotzdem energische Hand in meinem Gesicht, die mir eine Ohrfeige verpasst.
„Kannst ja ein bisschen mit ihr kuscheln. Dann wird ihr schon warm“, blafft mich die Sundermann an.
Ich versuche erneut, mit ihr ins Gespräch zu kommen: „Warum tun Sie das?“
„Ihr seid schuldig!“
„So sagen Sie doch, was los ist.“
„Halt die Fresse!“
Verdammt, was ist da schief gelaufen? Sie will es nicht verraten, noch nicht, hoffe ich.
Aber wo ich jetzt mit Roswitha gerade mal Rücken an Rücken liege, versuchen wir uns die Handfesseln gegenseitig zu lockern.

Stunden vergehen, doch nichts passiert. Aber dann höre ich Getuschel. Ist da draußen jemand?
„Roswitha“, flüstere ich. „Vielleicht sind wir bald frei. Ich glaube, da draußen ist jemand.“
„Wenn diese Bande das bemerkt hat, dann ist es nicht unbedingt gut. Ich hoffe, deine liebe Tanja hat es inzwischen für notwendig erachtet, nach dir zu suchen und die Sache gut durchdacht. War vielleicht gut, dass wir bei meinem Besuch zuletzt über den alten Fall gesprochen hatten.“
Ich versuche, optimistisch zu sein. „Sie ist verdammt clever.“
Plötzlich ist im Nebenraum Unruhe bei unseren Ganoven.
„Nein!“, schreit Krämer. Die Stimme ist unverkennbar, dieses Krächzen.
„Geh raus und sieh nach!“, fordert die Sundermann.
„Damit sie mich gleich einkassieren oder was? Geh du doch raus!“
„Wo hast du die Knarre versteckt?“
Sofort schrecken wir auf. Bis jetzt hatte ich nicht geglaubt, dass die Waffen haben. Aber Krämer verweigert die Aussage, will es vielleicht nicht verraten. Gut.
Dann höre ich Schritte, sie kommen in unseren Raum.
„Wir verdursten hier“, stöhnt Roswitha. „Bitte gebt uns was zu trinken.“
„Halt die Fresse, Bulle!“, schreit die Sundermann.
Doch Krämer redet dagegen, will uns etwas zu trinken holen. Zum Glück lässt sie ihn gehen.
Er kommt zurück und sagt: „Aber denkt dran. Wenn ihr trinkt, müsst ihr auch irgendwann pissen.“ Dann lacht er, flößt uns das Wasser ein und lacht erneut.
„Krämer, gibst du meiner Kollegin bitte eine Decke?“, spreche ich ihn leise an.
„Kann ich nicht“, blafft er zurück. Ich spüre, dass er näher kommt. „Ich kann das nicht machen. Die Alte hat mächtig einen an der Waffel. Aber sie zahlt halt gut.“
„Geld ist nicht alles, Krämer. Gemeinsam könnt ihr was gegen sie tun.“
„Halt's Maul!“, schreit er und gibt mir einen sanften Tritt.

„Oh, Bernd“, stöhnt Roswitha. „Was haben wir getan, dass wir hier sind? Ich kann es nicht verstehen. Die sind doch irre.“
Wir drehen uns umständlich zueinander.
Ich lege meinen Kopf an ihre Schulter. „Bleib ruhig, Roswitha. Die wissen nicht, was sie tun. Aber ich glaube, die haben gar keine Waffen“, flüstere ich. „Komm, ich sehe mal, ob ich dir die Augenbinde abzupfen kann.“ Ja, Wahnsinn, es klappt.
Sofort kommt Roswitha mit den Zähnen an meine Augenbinde und zieht sie nach oben. Jetzt sehen wir, was los ist, lassen es uns aber nicht anmerken.

Die Sundermann wirkt unruhig, das spüre ich. Aber ich habe das Gefühl, dass sie tatsächlich keine Waffen besitzen. Um so besser. Dann spüre ich den Vibrationsalarm meines Handys. Es vibriert dreimal, nach einer kurzen Pause erneut dreimal. Okay, denke ich, das war ein Zeichen. Ich stoße Roswitha behutsam an.
„Was ist?“, jammert sie.
„Es geht los“, flüstere ich.

„Alter, wo hast du die Knarre versteckt?“ Die Sundermann rastet völlig aus. „Ich will die jetzt abknallen, verdammt!“
„Da mache ich aber nicht mit“, krächzt Krämer.
„Ich auch nicht“, sagt Schulte zum ersten Mal auch etwas.
„Ihr feigen Ratten! Wo ist die Knarre?“, schreit sie und packt ihm an den Kragen.
„Die kriegst du nicht. Du bist ja irre!“
Da rammt sie ihm das Knie in den Unterleib. „Jetzt rück die Knarre raus, du Schwein!“
Krämer bricht mit einem dumpfen Brummen zusammen.
Dann klopft es an der Tür. Es klopft sehr energisch.
„Wir erschießen die Geiseln!“, schreit die Sundermann.




7. Alte Spuren (Teil 2)


„Geben Sie auf!“, rufe ich ihr zu.
Im nächsten Augenblick wird die Tür aufgerammt. Drei Mann vom SEK stehen mit der Waffe im Anschlag im Raum. Dahinter steht Tanja.
„Tanja, du bist ein Engel!“, rufe ich.
Die drei Ganoven haben keine Chance. Sie lassen sich festnehmen. Die Sundermann kreischt hysterisch, kann sich aber nicht erwehren. Dann beginnt sie plötzlich zu heulen. Offenbar realisiert sie gerade, dass sie in einer hoffnungslosen Lage ist.
Tanja kommt zu uns, entfernt die Fesseln, gibt Roswitha eine Decke, um sich darin einzuhüllen. Dann kniet sie sich zu mir. „Hey, Chef. Warum lässt du dich denn einfach so entführen?“
„Mach keine Witze! Was hast du gemacht?“
„Das, was ich von dir gelernt habe. Ich habe dich anrufen wollen, weil du nichts gesagt hattest, dass du nicht ins Büro kommst. Also habe ich dein Handy angepeilt, erkannt, dass du da nicht freiwillig sein konntest, und einen Schlachtplan ausgearbeitet. Da ich weiß, dass du das Ding auf lautlos hast, konnte ich das Signal geben, damit du weißt, dass Rettung naht.“
„Ich könnte dich knutschen, Tanja. Danke.“
Die junge Frau lacht mich an, als wenn sie sagen wolle: 'Tu dir keinen Zwang an.'
Deshalb füge ich lachend hinzu: „Aber nicht vor allen Leuten.“

Wir lassen die Gefangenen erst mal eine Nacht schmoren, auch, damit ich und Roswitha wieder zu Kräften kommen können. Die Verhöre setzen wir in drei Gruppen gleichzeitig um zehn Uhr an. Ich nehme mir mit Tanja zusammen die Sundermann vor.
Regina Sundermann lässt schließlich die Katze aus dem Sack. Ihr Vater hatte sie an die beiden Gauner verkauft, hatte ihnen eine Menge Geld versprochen, das sie aber nie bekommen haben. Stattdessen ist er allein mit dem Lösegeld abgehauen, weil seine Firma pleite war. Er hatte nur an sich gedacht, seine Tochter als Opfer in Kauf genommen.
Vor etwa vier Wochen hatte er sie angerufen und ihr alles gestanden. Das Geld war weg, er sah nur einen Ausweg. Er wolle sich das Leben nehmen, erzählt die Sundermann.
„Das ist ihre Version, Frau Sundermann. Von wo hat ihr Vater denn angerufen?“
„Herr Kommissar. Ich war so voller Hass auf meinen Vater, ich hätte ihn auch selbst umgebracht. Seit dieser Zeit, damals vor fast zwölf Jahren, nehme ich Medikamente. Und im Wahn ist mir dann diese Idee mit ihrer Entführung gekommen, weil ich Sie dafür verantwortlich gemacht habe, dass ich solange in den Händen dieser Kerle war. In der Psychotherapie habe ich gelernt, dass man sich dem Problem bewusst stellen müsse, um es zu überwinden. Als ich von der Freilassung meiner Peiniger erfuhr, habe ich sie dazu angestiftet. Sie waren halt blöd genug, es zu tun.“
„Und was haben Sie ihnen dafür versprochen? Das ist doch ein bisschen unsinnig, finden Sie nicht?“
„Wir wollten natürlich Lösegeld fordern, aber so weit ist es ja dank ihrer reizenden Kollegin gar nicht gekommen“, ätzt sie gegen Tanja.
„Ja, meine Kollegin ist dafür bekannt, die schnelle Lösung zu suchen“, lobe ich meine Retterin durch den grünen Klee.
Tanja schaut mich erstaunt an und lächelt. Und dann kommt sie mit einer unfassbaren Idee: „Wir sollten die Hütte nochmal auf den Kopf stellen, Chef. Irgendwas müssen wir übersehen haben.“
Die Reaktion der Sundermann ist eindeutig. Das würde ihr nicht gefallen. Das Entsetzen in ihren Augen spricht Bände.
„Klar, machen wir. Vielleicht haben die Verhöre von Krämer und Schulte schon was in dieser Richtung ergeben.“
Tanja lacht. „Das wäre sicher hilfreich.“
„Dann sind wir mit ihnen erst einmal fertig, Frau Sundermann. Über das Strafmaß wird das Gericht entscheiden. Aber vielleicht wollen Sie ja doch ein wenig kooperativer sein. Könnte sich positiv auswirken.“ Mein Angebot ist sehr wohlwollend, aber sie reagiert überhaupt nicht.
Ich rufe zwei Kollegen rein, die Regina Sundermann in die Zelle führen sollen.

Wir gehen in die Verhörräume der anderen, Tanja zu Schulte, ich zu Krämer. Und wir stellen eine konkrete Frage: „Was ist mit Roland Sundermann geschehen?“
Antwort bekommen wir nicht, allerdings Reue, sich dazu haben anstiften zu lassen. Tanjas Vorschlag, die Hütte nochmal auf den Kopf zu stellen, nehmen wir am Nachmittag bereits in Angriff.

Nach vier Stunden haben wir jede Nische, jeden Schrank inspiziert, aber nichts Ungewöhnliches gefunden. Da schaut Tanja an die Decke des Obergeschosses. Direkt über einem schweren Schrank entdeckt sie eine Deckenklappe, die wohl unter das Dach führt. Und die Spuren auf dem Holzfußboden zeigen, dass dieser Schrank vorher weiter rechts gestanden haben muss.
Ich habe so ein dummes Gefühl dabei, bestelle Britta Kranz her.
Wir schieben den Schrank mit vereinten Kräften zur Seite, öffnen die Klappe, die nun links neben dem Schrank niederkommt. Der Geruch, der uns entgegen strömt, scheint mir recht zu geben. Und tatsächlich finden wir Roland Sundermann – verhungert und verdurstet …

„Er ist noch nicht lange tot“, benennt Britta ihre Einschätzung. „Etwa drei Tage. Aber er liegt mit Sicherheit schon seit zwei Wochen hier. Seine Konstitution war wohl schon da sehr schwach.“
„Dann werden wir die Frau Sundermann nochmal ins Gebet nehmen müssen. Es kann nicht sein, dass sie das nicht wusste."
„Ich überprüfe ihr Telefon. Du kannst dich ja schon mal mit ihr im Verhör vergnügen“, meint Tanja mit einem schelmischen Grinsen.
„Wenn ich mit ihr fertig bin, hast du die Daten, und Britta hat die Obduktion. Dann geben wir der Sundermann den Rest. So bedauerlich das damals gelaufen sein mag, heute hat sie keine Gnade mehr verdient, wenn es so ist, wie wir vermuten.“
„Sie ist ein gebrochener Mensch. Das kann ich auch akzeptieren. Aber mindestens Totschlag und die Entführungen lassen sich durch nichts rechtfertigen.“
„Tanja, du hast die Lage glasklar analysiert.“ Ich lege den Arm freundschaftlich um ihre Schultern. „Wir sehen uns später.“
„Alles klar, Chef“, antwortet sie lachend.

Ich gehe das Verhör ganz locker an, denn ich will es ihr leicht machen, zeige Verständnis für ihre Verbitterung, für all das, was sie damals durchgemacht hat. Auch lasse ich mir den ganzen Psychokram erklären, den sie in der Therapie offenbar eingetrichtert bekommen hat. Dass da manch eine oder einer nie wieder als gesunder Mensch herauskommt, kann ich zumindest erahnen. Aber Regina Sundermann ist entlassen worden. War sie da wirklich gesund? Das wage ich zu bezweifeln.
Schließlich kommt wieder die Frage nach ihrem Vater. Diese Frage muss ich ihr erneut stellen, denn da setzen die neuen Erkenntnisse an. „Wie genau war das mit ihrem Vater, als er sich wieder bei ihnen gemeldet hatte?“
„Ach, dieser Scheißkerl hat es nicht besser verdient. Soll er doch verrecken!“
Ich druckse ein bisschen rum, will warten, bis Tanja und Britta mit ihren Ergebnissen kommen. Aber in diesem Augenblick geht die Tür auf. Und beide kommen rein.
Ich will erst das Obduktionsergebnis. „Frau Kranz, bitte.“
„Roland Sundermann wurde ein Gift verabreicht, dass sich langsam und mit immer stärker werdenden Schmerzen im Körper breitgemacht hat. Das war die letzte Flüssigkeit, die er erhalten hatte. Vor etwa drei Tagen ist er schließlich verdurstet. Der ganze Prozess dürfte sich über etwa ein bis zwei Wochen vollzogen haben.“
Ich schaue unsere Angeklagte an. „Frau Sundermann, was sagen Sie dazu?“
Schweigen und ein leerer Blick.
„Zwei Wochen? Das deckt sich in etwa mit meinen Nachforschungen“, beginnt Tanja. „Er hat seine Tochter am vierten Oktober angerufen. Zwei Tage vorher waren Krämer und Schulte entlassen worden. Frau Sundermann hat Krämer angerufen.“
„Das klingt doch gut. Dann haben Sie sich ihren Vater geholt, ihn in der Hütte auf dem Dachboden verstaut und quasi dort vergessen“, beschreibe ich den weiteren Ablauf, wie ich ihn sehe. Ich sehe Regina Sundermann an. Mit Blicken fordere ich sie auf, endlich zu reden.
Sie reagiert trotzig. „Wenn Sie doch alles wissen, dann brauche ich nichts mehr sagen, oder?“
„Der guten Ordnung halber bräuchten wir ihre eigenen Worte.“ Ich lache, um die Stimmung zu heben. „Nein, war ein Scherz. Wir formulieren es selbst und Sie unterschreiben das dann.“
„Ihre Witze können Sie sich sparen, Herr Kommissar. Ich weiß, dass ich Scheiße gebaut habe. Aber ich bereue es nicht. Okay soweit?“
„Oh, oh, Reue könnte sich natürlich auf das Strafmaß auswirken. Im positiven Sinne, meine ich.“
„Wollen Sie das wirklich?“ Sie scheint mit ihrem Leben abgeschlossen zu haben, sieht für ihre Zukunft keine Chance auf Besserung ihrer derzeitigen Situation.
„Diese Chance sollte jeder nutzen, wenn sie denn schon angeboten wird. Ihr erlittenes Leid wirkt sich gewiss schon mildernd aus. Aber Reue ist immer richtig. Oder wollen Sie für den Rest ihres noch so jungen Lebens weggesperrt werden?“
„Ersparen Sie sich das doch!“
„Ich glaube immer an das Gute.“
„Dann glauben Sie mal schön. Ich habe keinen Bock mehr, wissen Sie? Ich will nicht mehr!“
„Damit machen Sie es nicht leichter, Frau Sundermann.“ Mir fehlen die Worte. Das war eine Andeutung zum Suizid, wenn sich die Gelegenheit ergäbe. Und das bedeutet, dass sie wirklich in die Klapse geht, wenn ich das in meinen Bericht schreibe.

Später sitze ich gedankenverloren an meinem Schreibtisch und versuche, den Bericht zu verfassen. Es fällt mir schwer. Ich starre die Wände an, sehe kurz aus dem Fenster, dann auf die geschlossene Tür. Ich fühle mich gerade einsam und hilflos.
Plötzlich geht die Tür auf. Tanja schaut herein, sieht das Häuflein Elend, das ich offenbar abgebe, kommt herein und schließt die Tür hinter sich. Sie kommt direkt neben mich, berührt meinen linken Arm und fragt: „Hey, Chef. Was ist los?“
Ich bin echt in ein Loch gefallen, zögere mit der Antwort.
„Hier ist übrigens mein Bericht“, sagt sie und legt ihn auf den Schreibtisch.
„Oh, ja … Danke, Tanja.“ Dann kommt mir mein Spruch in den Sinn, den ich beim letzten persönlichen Danke hinterhergeschickt hatte. Ich schaue zu ihr auf, sehe ihr tief in die Augen, die nicht ausweichen.
Als ich mich endlich losreißen kann, schweift mein Blick, den ich wieder zum Monitor wenden will, unweigerlich vorbei an ihrer durchaus respektablen Brust, bleibt dort kurz hängen. Bevor ich die Selbstbeherrschung verliere, springe ich auf und gehe nach rechts weg.
„Alles okay mit dir?“ Ihre Stimme klingt besorgt.
„Die Alte macht mich fertig, weißt du das? Die hat nicht mehr alle Zacken an der Krone. Oh, Tanja, das hätte übel ausgehen können. Wenn die wirklich eine Waffe gehabt hätten, dann wäre ich jetzt wahrscheinlich tot.“
„Hast du mir nicht zugetraut, dass ich diese Rettungsaktion hinkriege?“
„Was redest du?“ Ich gehe stürmisch auf sie zu, schaue ihr wieder in die Augen. „Ich bin wahnsinnig dankbar für deinen Mut. Ich wusste, dass du das kannst. Du hast alles richtig gemacht. Was habe ich gesagt, als ihr drin wart?“
Tanja schaut verlegen zu Boden. „Na, Danke hast du gesagt. Was sonst?“
„Ich habe noch mehr gesagt“, bringe ich mit leicht bebender Stimme heraus.
„Ja, gewiss, aber ...“ Sie wirkt unruhig. „Einen Engel hast du mich genannt.“
Und dann kommt es über mich. Ich trete noch näher an sie heran und nehme sie fest in die Arme. „Danke, Tanja. Du hast eine offizielle Belobigung verdient. Aber da war noch etwas." Dann erinnere ich mich. "Oh, ja, ich hätte dich knutschen können, so glücklich war ich, dich zu sehen.“
Sanftmütig legt sie ihre Arme um mich, drückt ein wenig und schluchzt ganz leise.
„Ich lade dich heute Abend zum Essen ein, Tanja. Erlaubst du mir diese Geste der Dankbarkeit?“
Ich spüre ihre Hände, die zärtlich über meinen Rücken streichen, bevor sie sagt: „Kannst du denn gut kochen?“
Ich fasse es ja nicht, frage mich, ob das jetzt eine versteckte Andeutung ist? Oh, verdammt, sie ist eine tolle Frau, aber ich bin gut fünfzehn Jahre älter. Sollte mein dienstliches Gewissen mir jetzt verbieten, darauf einzugehen?
Ich fühle mich gefangen, mache mir bewusst, dass ich die letzten Jahre sehr einsam war, seit meine Frau bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Und jetzt kommt dieser junge Hüpfer und bringt meinen Verstand ins Rotieren.

Dann löse ich mich behutsam aus der Umarmung. Ich will den Kontakt gar nicht verlieren, lehne nur meinen Oberkörper ein wenig zurück, fahre mit den Händen hinauf bis hinter ihre Schultern und schaue ihr tief in die Augen. Da sie nur unwesentlich kleiner ist als ich, ist die Versuchung um so größer, sich jetzt von den eigenen Gefühlen überrennen zu lassen. Noch zögere ich, doch ihre Hände fahren auf meinem Rücken ebenfalls an meine Schulterblätter. Ihre strahlend blauen Augen scheinen mich in Hypnose zu versetzen. Und dann neige ich meinen Kopf nach vorn, meine Lippen nähern sich den ihren. Ich spüre, wie ihr Atem hektischer wird, glaube, zu erkennen, dass sie genauso unsicher ist, es aber trotzdem will.
Ihre Hand fährt mir in den Nacken und übt den Druck aus, auf den ich gewartet habe. Sie macht den ersten Schritt, jetzt kann mich nichts mehr halten. Unsere Lippen treffen sich, ich bin elektrisiert, drücke ihren wohlgeformten Körper fest an mich, spüre ihre glühende Erregung durch die Stofflagen hindurch an meiner Brust. Mein Verstand schaltet völlig ab, rutscht mir sprichwörtlich in die Hose.

Am nächsten Morgen beschmusen mich weiche, warme Lippen, ihre rotblonden Locken kitzeln mich im Gesicht. Als sie ihr Haar am Abend zuvor das erste Mal geöffnet hatte, steigerte sich mein Appetit allein auf sie. Kochen musste ich nicht mehr, denn auch sie hatte offenbar keinen Hunger mehr, sondern nur noch den angefachten Appetit auf Lust und Liebe.


ENDE Staffel 1
 
Zuletzt bearbeitet:

ahorn

Mitglied
Hallo Rainer Zufall,

dein Text als solches hat irgendwie was. Der Minimalismus deiner Sprache, gepaart mit den Informationen sprengen teilweise Grenzen.
Leider übertreibst du es zeitweise, sodass der Leser nicht mehr in der Lage ist alle Information, alle Namen abzuspeichern. Gewisse Ruhephasen und mehr in die Tiefe gehende Passagen könnten das Gehirn des Lesers entlasten.

Dieses Bombardement hagelt bereits am Anfang auf den Leser ein.
Morgens früh an einem Samstag um halb sechs werde ich aus dem Bett geklingelt. Eine Frauenleiche am See. Spurensicherung ist schon vor Ort.
Es ist eher nicht von Belang, dass es sich um halb sechs für die meisten Mitmenschen um eine frühe Morgenstunde handelt, aber die Last den Zusammenhang zwischen klingeln, eine Frauenleiche am See und Spurensicherung ist schon vor Ort zu finden, bürgst du deinem Leser auf.


Opfer vom Fundort weg heben,
ich brauch erst mal einen Kaffee
noch mal in dem Architektenbüro vorstellig werde,
Wo könnten wir mal ungestört ..PUNKT?
Ich beeile mich, um wegzukommen.

Liebe Grüße mit Spannung auf Zufalls nächsten Fall
Ahorn
 
Hallo ahorn,

nun, Minimalismus zeichnet sich dadurch aus, dass Informationen auch nur grob umrissen werden und auch schon mal mehr oder weniger in einem Atemzug aufgezählt werden. Dass da das missbilligende Empfinden ob der Uhrzeit mit hineinspielt, finde ich, fordert das Stakkato der Informationen aus Sicht des Protagonisten erst recht heraus.

Laut Duden kann man 'erstmal' und 'nochmal' getrennt schreiben, muss es aber nicht. 'Weg zu kommen' indes ist getrennt richtig. Sagt duden.de.

Der nächste Fall ist in der Korrekturlesung.

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 
Hallo Rainer Zufall,

Kompliment! Mittlerweile lesen sich deine Geschichten sich sehr flüssig. Mir gefällt gerade der von ahorn monierte Anfang sehr gut. Der Leser wird direkt ins Geschehen gezogen, ohne großes Drumherum. Klasse!

P. S. Sehe gerade, dass da am Anfang jetzt was fehlt. Ich würde den Anfang mit "morgens um halb sechs werde ich aus dem Bett geklingelt" belassen. Woher soll der Leser sonst wissen, was der Ich-Erzähler am See bei einer Leiche zu suchen hat?

Schöne Grüße
SilberneDelfine
 
Hallo SilberneDelfine,

herzlichen Dank für Dein Lob. Dann möchte ich das auch mal zurückgeben, denn Du warst von Anfang eine derjenigen, die mir mit gezielten Hinweisen den Weg gewiesen hat. Auch dafür herzlichen Dank.

Ich war auch nicht ganz sicher, ob ich es wirklich weglassen oder ändern sollte. Ich habe es einfach mal versucht. Und siehe da, es wird vermisst ... :)

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

ahorn

Mitglied
Hallo Rainer Zufall,
deine überarbeitete Einleitung ist mir weitaus gefälliger, sie besitz nur gar Spannungselemente, die den Leser inspirieren, weiter zu schmökern. ;)

Liebe von mir hochgeschätzte SilberneDelfine, mir steht es in diesem Forum nicht zu, jemanden zu monieren, es sei denn, dieser, jene würde mich persönlich Angreifen oder geltendes Recht verletzen. Ich habe Rainer Zufalls Text nicht einmal kritisiert, sondern kommentiert. Daher sehe ich mit einem Lächeln davon ab, deine Wortwahl zu monieren. :)

(Achtung: Humor, Satire - nicht, dass meine von mir beliebten Überzeichnungen ein weiters Mal in einen falschen ... der Rest ist bekannt)
Rainer Zufall eine Kritik an deiner Einleitung übergebe ich dir.
Da Zufall sicherlich nicht von der Spurensicherung informiert wurde, sondern eher von einem Mitglied seines Teams, ist der Satz:
Spurensicherung ist schon vor Ort.
eher Hörensagen, somit eine indirekte Rede, welche im Konjunktiv zu schreiben wäre.
Was ich dir bei allem Minimalismus übel nehmen würde, wenn ich pedantisch wäre, ist die Tatsache, dass du der Spurensicherung keinen Respekt zollst.
Jede Sprache hat seine Eigenheit. Die deutsche Sprache hat eine Wortgruppe, welche viele Fremdsprachler zur Verzweiflung treib. Andere haben diese gleichsam, aber im Deutschen (Oh, Ihr armen Engländer :rolleyes:) hat diese Gruppe gar sechs Mitglieder. Die bestimmten Artikel. Gerade die haptischen Nomen wie Spurensicherung (Die Transzendenten wie: Angst, Wut, Scheu ... sehen dieses anders) flehen nach einem bestimmten Artikel.
Es sei denn, du bedienst dich einer Ellipse.
Spurensicherung vor Ort.

Mit weiterer Spannung auf die nächste Folge.
Liebe Grüße an euch beiden
Ahorn
 
Hallo ahorn,

oh, die Spurensicherung verdient natürlich Respekt. Ist es Dir lieber, dass ich ihr einen bestimmten Artikel gebe? Dann kann ich das gerne machen. ;)
Aber etwas Anderes, denn Du bist ja Profi darin. Wie erstelle ich einen Spoiler-Info-Button? Die zweite Episode kommt nämlich am Donnerstag. Und dann alle fünf Tage eine weitere (pünktlich zu Weihnachten dann sogar eine Weihnachtsfolge).

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

ahorn

Mitglied
Liebe SilberneDelfine

monieren (Duden) bemängeln, beanstanden
Wortherkunft und Bedeutung Latein monere ermahnen, zurechtweisen
somit wäre das deutschte Verb bemängeln von Mangel angebrachter, als die schöner klingende Umschreibung einer Zurechtweisung durch monieren. ;)
Liebe schmuzelnde Grüße
Ahorn
 

ahorn

Mitglied
Rainer Zufall brilliert in Blutrot wieder mal mit seiner unaufgeregten Sprache, mit der er es schafft, den Leser auf das Wesentliche zu lenken. Die Ermittlungen von Kommissar Zufall und seinem Team sind zielgenau und umfassend. Die Einleitung ist zwar unrealistisch, dennoch nicht verwerflich, lässt eher den Leser ins Grübeln kommen.
Zwei Kriminalbeamte erscheint an einem Tatort. Tatort? In welcher Beziehung stehen Zufall und der Direktor? Weshalb wird ein ganzes Ermittlerteam abgestellt?
Wegen Mobbing? Sicherlich Mobbing ist kein Kavaliersdelikt, verwerflich wie jede andere Tat, ein Delikt, gar ein Verbrechen, aber und dies ist zu bedauern, hat die Polizei wahrlich nicht genug Kräfte, um derart zu ermitteln. In welcher Beziehung stehen Zufall und der Direktor?
Es ist ein Banner, auf dem zwei Lehrkräfte beleidigt werden. Was genau auf diesem Banner steht verheimlicht uns der Autor. Warum?
Eine Lehrkraft wird anscheinend, so zumindest am Anfang, wegen ihrer Haare, die andere wegen seiner Hautfarbe gemobbt, sowie, dass diese ein gewisses Verhältnis pflegen.
Es stellt sich dann heraus, dass Ramona Schöne zusätzlich belästigt wird. Ein Sachverhalt, der die Spannung des Textes steigert. Weswegen oder besser gesagt, warum Herr Katalou eine kenianische Staatsangehörige besitzt, bleibt dagegen im Dunkel. Obwohl es gleichsam, zeitweise zur Erhöhung der Spannung beiträgt. Der Fall eskaliert in einem Unfall mit Todesfolge, vielleicht sogar Mord, obgleich der Autor von einem Suizid ausgeht. Was für eine verworrene Tat?
Leider übertreibt der Autor beim Geständnis von Frau Schöne. Ihre Coolness, ihre Emotionslosigkeit, es täte ihr leid, passt sicher zu einem abgebrühten Mörder, jedoch nicht zu einer Lehrerin, es sei denn, sie stand unter Schock.
Egal, ob oder nicht, diese Szene lässt erkennen, dass unaufgeregten Sprache einen Text bereichern kann, in diesem Fall leider nicht zielführend ist. Mobbing, Stalking ohne Emotionen des Ermittlers macht ihn zum Mittäter, reiht ihn in die schweigende, wegschauende Masse ein, welche nur keinen Ärger haben will.

Aaine Schippe mehr jefiiel tät dem Zufall jut. ;)

Liebe Grüße
Ahorn
 
Hallo ahorn,

in kleinen Orten, wenn sie denn eine Polizeidienststelle haben, sind die Beamten ja für alles zuständig. So kann es halt sein, dass sich viele Leute untereinander bekannt sind. Das sollte ich trotzdem erwähnen, haste recht.
Die Titulierung der beiden Lehrkräfte wird genannt, und später wird auf ein gewisses F-Wort hingewiesen. Ich hatte gehofft, dass das deutlich genug ist.
Er ist gebürtiger Kenianer, okay, muss ich auch erwähnen.
Na sicher stand sie unter Schock. Aber ich werde mir ihre Emotionen nochmal vornehmen.
An anderer Stelle hieß es mal, Ermittler sollten nüchtern bleiben und sich nicht von Emotionen leiten lassen. Hmmm ... Mal sehen, was ich meinem Kommissar noch angedeihen lassen kann.

Auf jeden Fall danke ich Dir für Deine Analyse. Die dritte Episode verschiebe ich auf morgen.

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

ahorn

Mitglied
Hallo Rainer Zufall,

in kleinen Orten, wenn sie denn eine Polizeidienststelle haben, sind die Beamten ja für alles zuständig
Dieses ist jedoch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Denke nicht so kompliziert.
Es ist eine Schule. Vielleicht ging Tanja auf diese, der Rektor war ihr Klassenlehrer und sie hatte vor einem Monat ein Klassentreffen, oder ihr Kind geht auf dieses Schule, oder Zufall war vor einer Woche dort und hat über die Arbeit der Kripo referiert.

und später wird auf ein gewisses F-Wort
Ein Hinweis!
Der genaue Wortlaut spielt eine Rolle, immerhin ist das Banner das Corpus delicti. Wenn Zufall die Worte nicht sagen will, dann lasse dieses Tanja übernehmen.
Nebenbei bei ‚braunes Rattenpack‘ denke ich eher an Neonazis.

er ist gebürtiger Kenianer, okay, muss ich auch erwähnen.
Warum? Spielt es eine Rolle, ob er in Kenia, oder in Köln geboren ist und seine Eltern aus Bristol stammen. Vielleicht hätte diese Kombi sogar mehr Charme. ;)
Kenia isch wees neet. Kenia ist ein Kunststaat mit verschiedenen Kulturen, Religionen und Ethnie - ich mag diesen Ausdruck nicht, wie Massai, Kikuyu, Kamba, Araber, Somalis, Turkana, etc und Engländer, wenn ich mal bei Bristol bleibe.

an anderer Stelle hieß es mal, Ermittler sollten nüchtern bleiben und sich nicht von Emotionen leiten lassen.
Ja, dies sollten sie. Bei haptischen Delikten wie Mord, Totschlag oder Raub, welche ohne Barbarei, oder anderen auswüchsen, von welchen ich jetzt nicht schreiben will, daherkommen. Da ist die Mehrheit meist aufseiten des Rechtes. Jedoch bei Verbrechen, die nicht greifbar sind, die Seele eines Menschen zerbrechen, darf der Ermittler nicht nur, sondern, nein, er muss Partei ergreifen. Er ist das Sprachrohr des Autors. Wenn dieser, zu jenen Themen nichts zu sagen hat, sollte er bei leichter Kost bleiben oder seinen Bleistift ablegen.

Liebe Grüße
Ahorn
 
Hallo ahorn,

puuh, Du machst es mir nicht leicht. Aber ich glaube, das lass ich erstmal so stehen, denn ich habe gerade keine Idee, wie ich das umsetzen soll. ist vielleicht auch schon ein bisschen spät für tiefschürfende Gedanken.

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 
Guten Morgen ahorn,

nochmal zurück zu Deinem Kommentar.
Die Einleitung hatte ich schon ein wenig angepasst. Das hattest Du vielleicht noch nicht bemerkt.
Was ist daran Verwerfliches, einen Menschen nach seinem Geburtsland zu benennen? Gut, Du sagst, Du magst es nicht. Aber ich finde es okay.
Ich denke auch, dass sich meine Ermittler ausreichend positionieren, was die Umstände betrifft. Wenn ein Mann seiner Herkunft wegen als 'Der schwarze Wilde' tituliert wird, dann erfüllt das den Tatbestand der antisemitischen Äußerung und passt damit in die ideologische Schublade dieses braunen Rattenpacks. Und das stellt Zufall eindeutig an den Pranger. Dass die Urheber das am Ende nur als dummen Jungenstreich abtun, ist ja eine andere Sache.
Nun weiß ich nicht, ob Du vielleicht auch glaubst, der Kommissar wäre zu zögerlich vorgegangen, was die Sache mit Wolfgang und seiner Lehrerin betrifft, er das Unglück vielleicht hätte verhindern können. Aber auch ein Kommissar ist nur ein Mensch, der sich irren kann.
Ein paar Kleinigkeiten werde ich noch korrigieren, okay?

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

ahorn

Mitglied
Hallo Rainer Zufall

Obgleich der Titel Rivalen nach Kampf klingt, vereinigt sich der Inhalt entgegen zu Blutrot wieder mit der unaufgeregten Schreibweise des Autors.

Juckt mich eigentlich nicht, aber ich bin halt gerade in der Nähe.
Juckt mich normalerweise nicht. Aber da ich gerade vor Ort bin ...

Ich weiß noch nicht warum, aber unsere Arbeit beginnt heute schon hier.
Ich weiß noch nicht warum, aber unsere Arbeit scheint heute, hier zu beginnen.

Als wir den Namen des Toten nennen, schluchzt sie ergriffen, versucht KOMMA die Tränen zu unterdrücken.

Als wir hereinkommen, springt er auf.

Ich versuche KOMMA ihn erneut zu verunsichern.

Entschuldige, dass ich das sage, er ist ja dein Mann, aber er ist schon ein wenig aufdringlich geworden.
Entschuldige, dass ich das sage. Er ist ja dein Mann. Dennoch finde ich, er ist ein wenig aufdringlich geworden.

Ich halte die Kollegen zurück, um ihnen Anweisung zu geben, sich von hinten an den Mann heranzuschleichen.
Liegt die Betonung nicht eher auf heran?

Liebe Grüße
Ahorn
 
Hallo ahorn,

ja, ich schreibe manchmal eben, wie es ohne Umschweife gesprochen wird. Aber ist das bei der wörtlichen Rede nicht okay?
Bei den beiden Kommata-Empfehlungen bin ich mir nicht sicher, ob sie wirklich sein müssen. Es liest sich ohne nämlich einfach und flüssig.
Bei den Zusammen- oder Getrennt-Schreibweisen besteht bei mir immer wieder eine kleine Unsicherheit. Aber ich denke, so, wie Du es korrigiert hast, ist es richtig.

Heute Abend oder morgen früh kommt die vierte Episode.

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 



 
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