Kommissar Zufall ermittelt weiter

Tempolimit

Katharina küsste mich wach. „Aufstehen, Herr Hauptkommissar.“
Ich hatte noch tief und fest geschlafen. „Was? Was ist denn los?“, grummelte ich.
„Der Urlaub ist leider vorbei, mein Schatz.“
„Oh ...“
Die drei Wochen Hochzeitsreise auf Madeira waren ein Traum. Der Mai neigte sich dem Ende. Am Zweiten hatten wir geheiratet, zwei Tage später ging der Flieger. Vorgestern kamen wir zurück.

Um kurz nach neun erreichte ich das Revier. Es war noch genauso ruhig wie vor meinem Urlaub.
Einige Augenblicke später kam Sabrina aus dem Nachbarbüro zu mir herüber. „Guten Morgen, Bernd.“
„Guten Morgen, Sabrina.“ Ich schaute an ihr vorbei in ihr Büro. „Saskia noch nicht da?“
Die beiden Damen waren meine Stellvertreterinnen.
„Die hat ab heute zwei Wochen Urlaub.“
Ich lachte. „Wer hat das denn genehmigt? Nee, alles klar. Was war denn hier so los?“
„Nur Kleinigkeiten, wie schon die letzten Monate. Auf jeden Fall keine Kapitalverbrechen.“
„Na, na, beschreie es nicht. Gleich klingelt das Telefon, und dann meldet einer einen Mord. Nee, lieber nicht.“
„Es ist doch schön, dass es mal ein bisschen friedlicher zugeht in diesem beschaulichen Städtchen. In den letzten drei Jahren war hier wirklich genug zu tun.“
„Das ist wahr. Aktuell ist also nichts vorhanden, was uns Sorge machen müsste?“
„Nichts.“
„Das ist schön. Dann kann ich mich erst mal wieder an diesen Schreibtisch hier gewöhnen. Der Urlaub war herrlich.“
„Dann leb dich erst mal wieder ein.“
„Mache ich.“
Sabrina ging zurück in ihr Büro.
Mein Telefon klingelte. Ich erschrak. Dann nahm ich ab: „Ja, bitte?“
„Schneider hier. Ich habe eine Frau in der Leitung. Sie möchte den Revierleiter sprechen.“
Na ja, dachte ich, ist gerade nichts los, dann mache ich das mal. Schneider verband mich mit der Anruferin.
„Guten Morgen. Hauptkommissar Bernd Zufall. Was kann ich für Sie tun?“
„Guten Tag. Hier ist Marion Schiffers. Ich … Ich vermisse meinen Freund. Er wollte heute zu mir kommen, aber er ist noch nicht da. Ich erreiche ihn auch nicht. Ich habe Sorge, dass da etwas passiert ist.“
„Wie weit ist denn seine Anreise? Steht er vielleicht im allmorgendlichen Stau? Wäre an einem Montag gewiss nicht ungewöhnlich.“
„Nein, nein. Die Fahrt dauert weniger als eine Stunde. Und um kurz nach sieben Uhr rief er mich an, dass er sich auf den Weg macht. Er war das Wochenende bei seinen Eltern, müssen Sie wissen. War wegen irgendeiner privaten Sache, die sie allein besprechen wollten. Um halb acht wollte er seinen Wagen aus der Werkstatt abholen und dann zu mir kommen. Da hätte er längst hier sein müssen.“
„Jetzt ist es nach neun. Das ist schon etwas lange. Da gebe ich Ihnen recht. Dennoch weiß ich nicht, ob es nach so kurzer Zeit schon angebracht ist, gleich die Polizei zu informieren.“
„Ich erreiche ihn nicht.“ Ihre Stimme klang ängstlich. „Bitte. Er fährt immer so schnell. Nicht, dass er einen Unfall hatte. Er hätte sich gemeldet, wenn er später käme.“
Es klopfte an meiner Tür. „Moment, Frau Schiffers.“ Ich hielt die Hand vor das Telefon. „Herein.“
Kollege Achim Weyde kam herein. Als ich ihn fragend anschaute, flüsterte er: „Tödlicher Unfall auf der Talstraße.“
Ich nickte, wandte mich wieder an meine Anruferin. Sie hatte schließlich ihre Sorge vor einem Unfall geäußert. Wäre fatal, wenn es ausgerechnet der von Achim aufgenommene wäre. „Frau Schiffers? Ich nehme das mal auf. Wie heißt denn Ihr Freund? Was fährt er für einen Wagen?“
„Jan Loos. Er fährt einen dunkelgrünen 3er-BMW.“ Sie gab mir auch noch das Kennzeichen, ihre Adresse und Telefonnummer, bat um Rückruf, wenn wir ihn gefunden haben.
„Ich melde mich, sobald ich etwas herausgefunden habe. Auf Wiederhören, Frau Schiffers“, versprach ich ihr, legte auf. Ich war mit meiner Denke schon wieder voll im Job. Und mein Bauchgefühl sagte mir, dass dieser 3er-BMW gerade gefunden worden war.
Ich ging zu Achim hinüber. „Was gibt es?“
„Talstraße, Langbachbrücke. Richtung stadteinwärts. Rettungskräfte sind schon vor Ort. Eine Frau Ross hatte hier angerufen. Sie hat den verunglückten Wagen gemeldet.“
„Katja Ross?“
Achim schaute mich irritiert an. „Eh, ja, ich glaube, so war ihr Vorname. Kennst du die Dame?“
„Die kenne ich. Dann fahren wir mal da hin.“ Ich sagte Sabrina Bescheid, dass ich mit Achim fort war. Wir nahmen einen Streifenwagen anstelle des zivilen Dienstwagens.

Talstraße, Langbachbrücke. Da kamen böse Erinnerungen bei mir auf. Offenbar wirkte ich auf der Fahrt sehr nachdenklich.
Achim sprach mich an. „Alles okay mit dir?“
„An der gleichen Stelle ist Lena, meine erste Frau, verunglückt.“
„Oh, ja. Ich erinnere mich, als wir letztes Jahr die ganze Sache von deinem ehemaligen Kollegen abgearbeitet haben. Er hatte diesen Unfall verursacht. Ja?“
Ich nickte, hatte einen Kloß im Hals. Denn das war ja nicht der einzige Stich in mein Herz, den dieser Scheißkerl zu verantworten hatte. Er hatte auch Tanja, meine Kollegin, die nach seinem krankheitsbedingten Ausfall als Ersatz für ihn gekommen war, die meine neue Liebe wurde, auf dem Gewissen.
Aber er hat seine gerechte Strafe bekommen, sagte ich mir. Entführt hatte er Tanja, sie vor meinen Augen kaltblütig erschossen, als wir sie befreien wollten. Im Affekt zog ich meine Waffe und richtete ihn. Niemand hat mir daraus einen Vorwurf gemacht. Niemand.

Wir erreichten den Unfallort, stiegen aus. Wie ich es geahnt hatte: ein dunkelgrüner 3er-BMW – oder das, was von ihm übrig war – klebte am Brückenpfeiler. Meine spontane Einschätzung: Er war zu schnell ‒ die Fahrbahn war feucht, bemerkte ich, es hatte die Nacht geregnet ‒ , hat die Kontrolle in dieser tückischen Kurve verloren, zu spät gebremst und … An dieser Stelle war nicht umsonst nur 60 erlaubt. Aber vorher, da Landstraße, halt 100.
Was mich erstaunte, war die Tatsache, dass zwischen dem Unfall und dem Anruf von Frau Ross eine gewisse Zeit vergangen sein dürfte, wenn der Fahrer rund um acht Uhr ungefähr hier hätte sein müssen. Das schätzte ich anhand der Zeitangaben der Freundin. Jetzt war es halb zehn! Sind da andere Fahrzeuge achtlos an diesem Schrotthaufen vorbeigefahren?
Die Fahrspur war komplett frei. Nicht mal Trümmerteile waren zu sehen. Diese waren in dieser Linkskurve wohl eher nach rechts in die Böschung geflogen. Am Fahrbahnrand stand nur ein roter Opel Corsa mit Warnblinker. Eine junge Frau mit langen blonden Haaren stieg aus, als sie mich erblickte.
Ich machte einige Schritte auf sie zu. „Guten Morgen, Frau Ross. Schön, Sie zu sehen. Aber die Umstände sind wohl eher tragisch, wenn ich mir das so ansehe.“
„Guten Morgen, Herr Hauptkommissar.“
„Haben Sie den Unfall beobachtet, oder sind Sie erst hier angekommen, als es schon passiert war?“
„Nee, um Himmels Willen. Viele sind offenbar einfach weitergefahren, weil die Straße frei war. Ich habe natürlich angehalten, um zu sehen, ob jemand … Na ja, ob noch jemand lebt.“
„Sie sind eben eine gewissenhafte Frau.“
„Klar. Ich habe angehalten, habe nachgeschaut. Dann habe ich den Rettungsdienst gerufen, dann Sie.“
„Das war vorbildlich. Danke. Werde ich lobend in meinem Bericht erwähnen.“ Ich lächelte. „Wenn Sie wollen, können Sie Ihren Weg jetzt fortsetzen.“
„Ich kann Ihnen ja sonst auch nichts sagen.“
„Gut. Dann sage ich Danke, Frau Ross.“
„Auf Wiedersehen, Herr Zufall.“

Ich schaute mir die Straße an, stellte fest, dass es keine Bremsspuren gab. Er wird doch wohl gebremst haben, als er merkte, dass er es nicht schafft, dachte ich. Aber da war nichts. Nichts! Daher erbat ich, den Wagen in die Kriminaltechnik zu überführen, um nach der Unfallursache zu forschen. Als ich näher an den Wagen ging, erkannte ich, dass der Airbag nicht ausgelöst hatte. Anhand der vorliegenden Informationen durften wir zwar davon ausgehen, dass Jan Loos am Steuer gesessen hatte. Eine Identifikation war zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht möglich, weil der Motorblock dem Mann auf dem Schoß saß, der Innenraum dermaßen zusammengedrückt war, dass keine Chance bestand, an das Handschuhfach oder gar an die Taschen des Fahrers zu gelangen.
„Erinnerst du dich daran, dass ich vorhin, als du mir die Unfallmeldung mitgeteilt hast, telefoniert habe?“, fragte ich Achim.
„Ja, sicher.“
„Da hatte ich die Freundin dran, die unseren Unfallfahrer vermisste. Er hätte längst bei ihr sein sollen.“
Achim seufzte. „Da müssen wir jetzt also hin. Ja?“
„So sieht es aus. Ja.“ Ich holte den Zettel mit der Adresse aus meiner Hosentasche. „Hier, Gosianstraße 4.“
Achim startete den Wagen, fuhr los. „Woher kennst du eigentlich diese Frau Ross?“
„Sie war uns bei einigen Fällen als Zeugin behilflich.“
„Entschuldige, wenn ich das so sage, aber das ist echt ein heißer Feger. Die hat das gewisse Etwas, finde ich.“
„Sie arbeitet im Reisebüro am Markt.“ Ich schaute ihn an, grinste. „Falls du dich an sie herantrauen solltest.“
Achim lachte. „Danke für den Tipp. Ich habe ja bald Urlaub. Da könnte ich noch was buchen.“
Wir waren fast am Ziel. „Hier rechts rein, glaube ich“, meinte ich.
Achim lenkte den Wagen in die Seitenstraße. An der nächsten Ecke, die kaum zehn Meter weiter gelegen war, ging nach links die Gosianstraße ab.
Direkt vor der Nummer 4 parkte Achim den Wagen.

Ich klingelte, der Türöffner summte kurz darauf. Die Wohnung lag im Erdgeschoss.
Frau Schiffers stand im Türrahmen, schaute uns ängstlich an, als wir unsere Dienstmarken vorzeigten und uns vorstellten. „Ist etwas passiert?“, stammelte sie.
Sie ließ uns eintreten, schloss die Tür, begann zu weinen.
„Frau Schiffers, wir haben den Wagen gefunden. Sind Sie sicher, dass er selbst gefahren ist?“
„Natürlich, er war ja auf dem Weg zu mir. Was ...“
„Wenn Sie sagen, dass er es ganz sicher war … Frau Schiffers, Ihr Freund hatte leider einen Unfall, aber ...“, ich schaute sie an, „er hat es nicht überlebt.“
Sie schluchzte. „War er wieder mal zu schnell?“
„Ganz sicher. Wir werden den Wagen noch untersuchen, denn es gab keine Bremsspuren und der Airbag hat nicht reagiert.“
„Oh, mein Gott. Der Wagen war gerade erst in der Werkstatt, beim TÜV. Es war alles in Ordnung, hatte er gesagt.“
Ich stutzte. Hat er das gesagt? Hatte er den Wagen nach ihrer Aussage vorhin am Telefon nicht heute erst zurückbekommen? Dann müssten sie danach noch einmal telefoniert haben. Das klang vorhin aber nicht so. „In welcher Werkstatt war der Wagen?“
„Da bringe ich meinen Wagen auch immer hin. Die ist absolut zuverlässig.“
„Ich denke, wir sollten das trotzdem überprüfen, Frau Schiffers.“
Sie nickte, wirkte unruhig, als sie mir die Adresse gab.
Kurz darauf verabschiedeten wir uns.

„Na, Achim, was meinst du?“
„Heute ist der Tag der schönen Frauen. Die war auch nicht ohne.“
„Das meinte ich nicht.“ Ich grinste. „Sie wirkte auf mich irgendwie unruhig.“
„Du meinst, sie hatte eine Vorahnung, will es aber nicht zugeben?“
„Vorahnung? Worauf? Dass er einen Unfall haben würde? Oder …“ Ich grübelte. Sie wusste, dass er ständig zu schnell unterwegs war. Fehlende Bremsspuren lassen einen technischen Defekt vermuten – oder Vorsatz!

Nachmittags begaben wir uns zu Frau Kränz in die Rechtsmedizin.
„Hallo, Britta. Was kannst du uns sagen?“
„Na, so schnell geht es jetzt nicht. Ich habe ihn ja gerade mal eine Stunde auf dem Tisch. Aber ich denke, eins kann ich mit Gewissheit sagen: Er hatte keine Chance zu überleben. Der muss ungebremst in die Wand geknallt sein. Da ist kein Knochen ganz geblieben.“
„Ist die Identität inzwischen geklärt?“
„Ja, den Ausweis habe ich gefunden. Jan Loos, vierundzwanzig Jahre alt. War es vielleicht Suizid?“
„Bei der heißen Freundin?“, murmelte Achim.
Ich schaute ihn erstaunt an. Klar, Frau Schiffers war eine hübsche junge Frau. Aber was war heute mit Achim los? Das klang ein bisschen nach Notstand in Sachen Beziehung.
„Wir schließen nichts aus. Aber der Airbag hat nicht ausgelöst, es gab keine Bremsspuren. Da vermute ich doch einen technischen Defekt.“
„Gebt mir bis morgen Nachmittag. Dann kann ich euch vielleicht sagen, ob er ein gesundheitliches Problem hatte.“
„Gut. Bis morgen. Tschüss, Britta.“
Britta Kränz arbeitete sehr gewissenhaft. Wie seinerzeit ihr Vater, nach dessen Pensionierung sie vom Rettungsdienst in die forensische Pathologie gewechselt war.
„Hey, Achim. Sag mal, was ist mit dir los?“
„Warum?“
„Na, du schmachtest heute jede schöne Frau an, habe ich das Gefühl.“
„Oh … Ach, Bernd. Seitdem ich hier bei euch bin, hatte ich kein Date mehr. Verstehst du?“
„Wo ist denn das Problem? Ich sag mal, du siehst doch aus wie George Clooney, als er noch nicht grau war, bist ein umgänglicher Mensch.“
„Saskia ...“, raunte er.
„Ach, daher weht der Wind.“
„Ich hänge ihr gefühlsmäßig immer noch nach. Aber mal abgesehen davon, dass es unter Kollegen wohl eher gefährlich ist mit Beziehungen, würde sie es gar nicht wollen. Sie hat mit diesem Kapitel abgeschlossen.“
Ich kannte keine Details, wusste nur, dass die beiden vor Jahren mal ein Paar waren. „Du brauchst mal eine richtige Ablenkung. Zeit für dich. Zeit für deine Bedürfnisse. Das verstehe ich.“
„Ja. Ich habe bald Urlaub. Aber ich will mich nicht blindlings in ein wildes Abenteuer stürzen. Das ist nicht mein Ding. Auch Saskia ist, was das angeht, sehr resolut. Trotz ihres Temperaments ist sie doch eher schüchtern.“
Ich seufzte. „Ich weiß. Ich wünschte, sie wäre damals nicht so schüchtern gewesen. Dann würde unser ehemaliger Kollege Rudi vermutlich noch leben.“
„Wie bitte?“
„Sie war, das hat sie uns später gestanden, total in ihn verknallt. Er hatte jedoch eine andere kennengelernt. Und die hat ihn dann umgebracht. Äußerst tragisch.“
„Das ist ja furchtbar.“

Wir fuhren zur Werkstatt, um nachzufragen, was am Wagen von Jan Loos repariert worden war.
Der Werkstattmeister war ein junger Mann, höchstens Dreißig, allerdings nach meiner Einschätzung der Typ Casanova. Er gab uns ausführliche Auskünfte bezüglich des Wagens von Herrn Loos. Selbstverständlich würden auch die Bremsen geprüft, bevor der Wagen wieder an den Kunden geht, versicherte er. „Ich kann Ihnen gerne den TÜV-Bericht zeigen.“
„Ich bitte darum.“
Darin stand alles genau beschrieben, eben wie es sich gehört. Aber was hat zu dem Defekt geführt, der den Unfall verursacht hat? Deshalb mussten wir zunächst den Bericht der Kriminaltechnik abwarten. Dort fuhren wir hin.

Frank Martani war unser Oberspurensucher. Wenn jemand an dem Wagen herummanipuliert hatte, dann würde Frank es finden.
„Was hat die erste Analyse ergeben, Frank?“
„Tja, Bernd. Auf den ersten Blick könnte man sagen, da ist ein Bremsschlauch geplatzt. Ist er auch. Aber nicht nur das. Da hat jemand nachgeholfen. Ich habe ein seltsames Bauteil gefunden, das da definitiv nicht hingehörte.“
„Dann war es also Mord?“, fragte Achim.
„Das könnte man sagen. Ja. Denn dieses Teil verband den Bremskraftverstärker mit dem Gaspedal. Je mehr der Fahrer also auf den Pin haute, desto heißer wurde die Bremsanlage. Sie sollte überhitzen und im Ernstfall ihren Dienst versagen.“
„Damit sie ihm also, wenn er zu bremsen versucht, um die Ohren fliegt. Ja?“, mutmaßte ich.
„Und die Bremswirkung tendierte dann natürlich gegen Null, weil es die gesamte Bremsanlage zerstörte.“
„Was ist mit dem Airbag?“
„Der Sensor war abgeklemmt. Oder ist beim Zerbersten der Bremsanlage abgetrennt worden.“
„Dann werden wir die Frau Schiffers wohl mal fragen müssen, wer da ein Motiv gehabt haben könnte“, meinte ich. „Irgendwelche Fingerabdrücke?“
„Schwierig. Wahrscheinlich hat der Täter Handschuhe getragen.“
„Okay. Danke, Frank.“

Auf dem Weg zu Frau Schiffers kamen wir erneut an der Werkstatt vorbei.
„Halt, halt, Achim. Sieh mal, wen wir da haben.“
„Oh. Was geht denn da ab?“
Frau Schiffers und der Werkstattmeister diskutierten offenbar lautstark. Als er sie am Arm packte, schaltete ich für eine Sekunde die Sirene des Streifenwagens ein. Sofort schreckten sie auf, ließen voneinander ab.
Achim stoppte den Wagen direkt vor ihnen, wir stiegen aus.
„Was ist hier los?“, fragte ich. „Das sah aus unserer Warte wie ein Streit aus. Was ist passiert?“
„Frau Schiffers bezichtigt mich der schlampigen Arbeit am Wagen ihres Freundes. Verdammt, der Jan war auch mein Freund! Glauben Sie, da würde ich schludern?“
„Vermutlich nicht, Herr … Wie war noch Ihr Name?“
„Mark Ringsmann.“
„Herr Ringsmann, Sie haben gewissenhaft gearbeitet, ja?“
„Selbstverständlich!“
Ich wandte mich an sie. „Frau Schiffers, wie kommen Sie auf diese Idee, dass Herr Ringsmann unsauber gearbeitet hätte? Nach bisherigen Erkenntnissen war es, entschuldigen Sie, wenn ich das so brutal sage, ein Unfall aufgrund verantwortungsloser Selbstüberschätzung. Sie sagten selbst, dass Ihr Freund gerne zu schnell fuhr. Das war er definitiv, die Fahrbahn war noch feucht, weil es zuvor geregnet hatte.“
„Aber Herr Kommissar, er ist doch nicht lebensmüde.“ Sie seufzte. „War …“, raunte sie. „Er freute sich auf unsere gemeinsamen freien Tage in dieser Woche. Haben Sie den Wagen denn untersucht?“
„Wir sind dabei. Ja. Es könnte sein, dass jemand daran herumgefummelt hat.“ Ich sprach bewusst etwas salopp im Plauderton, hoffte auf eine passende Reaktion – die prompt kam.
„Das war ganz bestimmt nicht ich!“, rief Ringsmann.
Sein Eifer, mit einer derart prompten Antwort daherzukommen, erstaunte mich.
Frau Schiffers schaute erst Ringsmann, dann mich an. „Na, klar! Dieser Bekloppte von nebenan!“
Was sollte das jetzt werden? Ich schaute sie an. „Bitte, was?“, hakte ich nach. „Wen wollen Sie der Manipulation am Auto von Jan Loos bezichtigen? Frau Schiffers!“
„Mein Nachbar, der Schamers. Das ist ein richtig fieser Typ. Der hat mich schon mal begrapscht. Der hat auch einen 3er. An dem schraubt der ständig rum.“
„Und Sie behaupten nun, er könnte sich am Wagen ihres Freundes zu schaffen gemacht haben, ja?“
„Klar. Der hat mir mal gesagt: 'Für dich würde ich sogar töten'. Der ist total scharf auf mich.“ Sie grinste.
„Damit hätte er zumindest ein Motiv. Ist die Frage, wie ernst er das gemeint haben könnte.“
„Der bringt das. Der ist pervers. Was der schon alles zu mir gesagt hat.“ Sie lachte. „Das ist so ein Muskelprotz, wissen Sie. Auf solche Typen stehe ich überhaupt nicht. Ich mag lieber Hirn statt Muskeln.“
„Das ist sicher weise. Geben Sie mir bitte den Namen dieses Herrn. Dann werden wir den mal befragen.“
„Tun Sie das. Ich könnte den auch wegen sexueller Belästigung anzeigen. Dann haben Sie noch einen weiteren Grund, ihn zu nerven.“
Ich grinste. Wir hören uns an, was er zu sagen hat, dachte ich. Doch ich fragte mich, wann dieser Mann an diesem Wagen Hand angelegt haben sollte, wenn dieser am Wochenende in der Werkstatt gestanden hat.
Wir stiegen in den Streifenwagen, fuhren los. Im Rückspiegel bemerkte ich, dass sich Frau Schiffers und Herr Ringsmann überaus freundschaftlich voneinander verabschiedeten. Dafür, dass sie zuvor noch gestritten hatten, fand ich das doch bemerkenswert. Na gut, hören wir uns mal den Herrn Schamers an, dachte ich.

Wir trafen Herrn Schamers zuhause an.
„Guten Tag, Herr Schamers.“ Ich stellte uns vor. „Dürfen wir bitte hereinkommen?“
„Was hab ich verbrochen? Ich weiß von nix.“
„Reine Routine. Wir müssen jedem Hinweis nachgehen. Wo waren Sie die letzten vierundzwanzig Stunden?“
Er führte uns in sein Wohnzimmer. Sehr spartanisch eingerichtet: Sofa, Sessel, Tisch, Schrankwand mit riesigem Fernseher. Dann schaute er auf die Uhr über dem Bildschirm. „Jetzt ist's fünf. Also von gestern Abend um fünf bis jetzt, ja? Also, bis acht war ich bei 'nem Kumpel. Abends bin ich immer im Fitnessstudio. Von neun bis elf. Aber was ist denn passiert?“
„Jeden Abend?“
„Klaro.“ Er präsentierte uns seinen Bizeps. „Wo sollen die sonst herkommen?“
Wer es braucht, dachte ich. „Und danach?“
„Dann macht die Anita die Kasse, denn um elf macht das Studio zu. Ja, und dann gehen wir zum gemütlichen Teil des Abends über. Jeden Abend, Herr Kommissar.“
Ich schaute ihn skeptisch an. „Jeden Abend. Okay. Hier oder bei ihr?“
„Gestern war ich bei ihr.“
„Wann haben Sie das letzte Mal an ihrem Wagen geschraubt, wie man so schön sagt?“
„Wieso?“ Er wirkte kurz irritiert, grinste dann. „Letzte Woche. Da war der Jan hier und hat mich um Rat gefragt. Er ist der Freund meiner Nachbarin. Wir fahren beide einen 325i. Konnte ihm aber nicht helfen. Er ist am nächsten Tag damit in die Werkstatt.“
„Sie haben ein ganz gutes Verhältnis zu den beiden?“
„Der Jan ist in Ordnung, ein feiner Kerl. Aber die Marion … Okay, sie ist echt geil, aber für den Jan ist sie eigentlich nicht die Richtige. Die nutzt ihn nur aus.“
„Das ist ja sehr interessant. Warum glauben Sie das?“
„Ach, hören Sie. Der Jan war wie gesagt mit dem Wagen zur Werkstatt. Er sagte mir auch, dass er für zwei Tage, also übers Wochenende, zu seinen Eltern wollte. Ist von der Werkstatt zwei Dörfer weiter mit dem Bus, hat er mir erzählt. Das heißt, er war drei Tage nicht hier. Und raten Sie mal, was die Kleine da gemacht hat.“
„Sie werden es mir gewiss gleich sagen.“
„Da war vorgestern ein Typ bei ihr. Ich kann mich täuschen, aber der war schon öfter hier, wenn der Jan auswärts war.“
„Beobachten Sie Frau Schiffers?“
„Ach, nee. Die zwei waren so laut, das war nicht zu überhören.“
„Sie haben sich gestritten?“
Schamers lachte schallend. „Nee, Chef. Die haben es richtig krachen lassen. Die haben die ganze Nacht gevögelt. Die Alte schreit dermaßen laut, als würde man sie abstechen.“
Ich verdrehte die Augen. „Verschonen Sie mich bitte mit Einzelheiten. Es heißt, Sie hätten durchaus Interesse an Frau Schiffers.“
„Wer sagt das?“ Er lachte. „Sie haben sich diese Braut richtig angesehen, oder? Klar würde ich die gerne mal flachlegen. Aber sie zickt bloß rum. Da läuft nix.“
„Ich frage noch einmal: Wann haben Sie gemeinsam an ihren Wagen, speziell an seinem geschraubt?“
„Na, letzte Woche. Aber … Was ist denn mit seinem Wagen?“
„Herr Schamers, Jan Loos ist tot. Er hatte einen Unfall mit seinem BMW.“
Er erschrak. „Was? Oh, scheiße. Wie ist das passiert?“
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dieser Mann Jan Loos nach dem Leben trachten wollte. Bauchgefühl. Aber mit Speck fängt man Mäuse, dachte ich, sagte also: „Der Unfall wurde möglicherweise vorsätzlich herbeigeführt.“
„Und Sie wollen mir jetzt was unterstellen, oder wie?“ Er schaute uns ernst an, blieb jedoch ruhig. „Nee, Leute.“
„Frau Schiffers sagte uns, Sie hätten sie schon häufiger bedrängt, ihr sogar gesagt, dass Sie für sie töten würden.“
„Ach, die Alte hat 'nen Knall. Sowas sagt man doch bloß zum Spaß. Ich bitte Sie, Herr Kommissar.“
„Das will ich Ihnen mal glauben. Aber wer könnte Ihrer Meinung nach dann ein Motiv haben, wenn es sich denn bestätigen sollte?“
„Keine Ahnung. Ich jedenfalls nicht.“
„Vielen Dank, Herr Schamers.“
Wir verabschiedeten uns.

Als wir im Wagen saßen, meinte Achim: „Ich würde sagen, die Frau Schiffers wollte mit dieser Anschuldigung nur von etwas ablenken.“
„Achim, das sehe ich genauso. Sie hatte wohl nicht auf dem Schirm, dass Herr Schamers sie beim Fremdgehen belauscht hat.“
„Hey, wenn jemand beim Sex laut wird, dann weiß er das – oder sie in dem Fall.“
„Dann war sie bei ihrem Freund Jan Loos aber offenbar nicht so zügellos. Sonst hätte Schamers den Unterschied nicht bemerkt“, reklamierte ich.
„Dann werden wir da mal nachfragen müssen.“
„Du kannst sie gerne mal fragen.“ Ich grinste. „Bin sehr gespannt, was sie darauf antwortet.“
Die Frage, die ich mir stellte, war jedoch, warum und wovon sie hätte ablenken wollen. War sie so dumm, dass sie glaubte, uns täuschen zu können? Oder war da gar nichts?
Wir fuhren zurück ins Revier, um die bisherigen Erkenntnisse zu bewerten. Vielleicht war es ja doch ein Unfall.

Wir begaben uns am nächsten Tag erneut zur Kriminaltechnik, fragten Frank nach seinem Bericht. Die Manipulation war bestätigt. Der Unfall wurde vorsätzlich herbeigeführt. Die Bremsanlage sollte überhitzen und den Dienst versagen. Demnach war der Wagen tatsächlich ungebremst gegen den Brückenpfeiler gekracht. Und das vermutlich bei über einhundert Stundenkilometern. Dass da nicht viel von Wagen und Fahrer übrigbleiben würde, war klar.
Also doch die Frage nach dem Motiv. Wer konnte eines haben? Wer hat diese Manipulation begangen? Es musste jemand sein, der genau wusste, was er tat.
„Wir fahren nochmal zur Werkstatt“, sagte ich.
„Meinst du wirklich, der Ringsmann hat da ...“
„Die Frage ist, woher die Motivation dazu kam. Von ihm selbst? Oder war Frau Schiffers ihres Freundes überdrüssig?“
„Aber wer ist dieser Unbekannte, von dem Schamers sprach?“
„Es könnte Ringsmann sein. Im Rückspiegel hatte ich gestern gesehen, wie herzlich sich die beiden voneinander verabschiedeten, als wir fortfuhren.“
„Du meinst, die beiden könnten es gemeinsam geplant haben, ja?“

Wir legten uns in der Nähe der Werkstatt auf die Lauer. Wir mussten gar nicht lange warten. Ringsmann machte offenbar deutlich früher Feierabend, instruierte einen Mitarbeiter, gab ihm einen Schlüssel in die Hand, fuhr dann fort. Auffällig war der Wagen: ein 5er-BMW, komplett perlmuttweiss, sogar die Felgen, dazu ein breiter roter Streifen von vorn nach hinten über die Hauben und das Dach. Das Kennzeichen notierte ich mir.
Wir warteten ein paar Minuten, stiegen dann aus und gingen hinüber.
„Guten Tag“, sprach ich den Mann an, der von Ringsmann den Schlüssel bekommen hatte.
„Ja, bitte? Was kann ich für Sie tun?“
Ich stellte uns zunächst vor. „Sie könnten uns sagen, wer den Wagen von Herrn Loos am Wochenende abgefertigt hat.“
„Warum?“
„Weil ich Sie darum bitte, Herr ...“
„Bintz. Manuel Bintz.“
„Warum ist Herr Ringsmann jetzt schon fort?“
„Weil er am Wochenende wohl gearbeitet hat. Dafür mache ich heute bis zum Schluss. Freitag hatte er mich früher heimgeschickt.“
„Damit er nicht gestört wird. Nicht wahr?“
„Er hat den Wagen von Herrn Loos halt fertig gemacht.“
„Genau das ist das Problem. Er war damit der letzte, der an diesem Wagen war, bevor der Herr Loos gestern mit hundert Sachen gegen die Wand gefahren ist.“
Bintz erschrak. „Was?“
„Herr Bintz, versuchen Sie sich bitte zu erinnern, was Herr Ringsmann am Freitag zu Ihnen gesagt hat, als er Sie heimgeschickt hat.“
„Also, ich … Ich glaube, er sagte, er erwarte noch ein Ersatzteil, das per Express käme, das er noch einbauen müsse. Er bestand darauf, dass ich gehe. 'Das schaffe ich allein', sagte er.“
„Hat er gesagt, wo er jetzt hinwill?“
„Nein, aber er hatte es wohl recht eilig.“
„Vielen Dank, Her Bintz.“

Als wir uns unserem Wagen näherten, klingelte mein Telefon. Sabrina war dran. „Was gibt es?“, fragte ich.
„Ein Herr Schamers rief gerade an. In der Nachbarwohnung ginge mal wieder die Post ab, meinte er. Ich sollte dich informieren.“
„Verstanden. Wir sind unterwegs.“
„Wie jetzt? Du weißt, was das bedeutet?“
„Unser Mörderpärchen fühlt sich offenbar zu sicher.“
„Mörderpärchen?“
„Schick den Bully in die Gosianstraße 4. Sie sollen da auf uns warten. Ein Durchsuchungsbeschluss wäre nicht schlecht.“
„Okay. Nathalie und Tobi sind hier. Sie kommen mit dem Bully. Sie bringen den Durchsuchungsbeschluss gleich mit. Wird aber ein bisschen dauern.“
Nathalie Grund und Tobias Menge waren die jüngsten in meinem Ermittlerteam.
„Ist schon okay. Gib am besten gleich eine Fahndung nach den beiden raus, falls sie uns entwischen sollten. Marion Schiffers und Mark Ringsmann.“ Dazu gab ich ihr die Beschreibung des Wagens und das Kennzeichen, denn Bilder der beiden mutmaßlich Flüchtigen hatten wir natürlich nicht.
„Wird gemacht.“
Wenn mehr als eine Person zu verhaften war, nutzten wir den VW-Bully. Okay, Bully heißt der heute nicht mehr, aber aus Nostalgiegründen nannte ich unseren alten T4 dennoch so. Der hatte eine abgeschlossene Kabine mit sechs Sitzplätzen für die Delinquenten.

Wir erreichten unser Ziel. Der Bully stand schon bereit. Da hat Sabrina blitzschnell gehandelt. Super, dachte ich. Ich klingelte bei Herrn Schamers.
„Oh, hallo, Herr Kommissar“, flüsterte er. „Das ging aber schnell.“
„Haben Sie jemanden gesehen, der in die Wohnung ging?“
„Nein. Aber wenn Sie lauschen, werden Sie hören, was Sache ist. Und das mal am helllichten Tag. Die sind echt hart drauf.“
„Gehen Sie bitte in Ihre Wohnung zurück. Wir müssen da jetzt vermutlich gewaltsam eindringen“, sagte ich zu ihm.
„Ey, cool. Sowas sieht man ja immer nur im Fernsehen. Aber durch den Spion darf ich das beobachten, ja?“
„Warum fragen Sie? Sie tun es doch sowieso.“ Ich lachte. „Gehen Sie bitte hinein und schließen die Tür.“
„Alles klar.“ Sofort verschwand er in seiner Wohnung.
Achim klingelte mehrfach, doch es öffnete niemand.
„So, Leute. Die zwei sind unsere mutmaßlich Tatverdächtigen. Aber scheinbar wollen sie sich jetzt nicht stören lassen. Wir gehen da jetzt rein“, sagte ich.
Kollege Tobias Menge hatte das passende Werkzeug aus dem Bully dabei.
Die Tür war schnell geöffnet, war offenbar nicht abgeschlossen. Achim und Tobias gingen sofort hinein.
„Hier ist niemand!“, rief Achim nach wenigen Augenblicken. „Da läuft ein Tonband!“
Verdammt! Die Vögelchen sind schon ausgeflogen, dachte ich. Ich rief Sabrina im Revier an, fragte nach der Fahndung. Die war raus, sagte sie mir.
Da stand tatsächlich ein altes Tonbandgerät mit zwei Stereolautsprechern. Die Flüchtigen werden das Gerät eingeschaltet haben, als sie die Wohnung verließen. Daher glaubte ich nicht, dass da zu Beginn des Bandes die von Herrn Schamers registrierten Geräusche zu hören waren.
Ich klingelte beim Nachbarn.
Er war gleich da. „Haben Sie die zwei?“
„Herr Schamers, wann sind Ihnen die eindeutigen Geräusche aufgefallen?“
„Höchstens fünf Minuten, bevor ich Sie angerufen hatte. Aber ich höre doch immer noch was. Warum?“
„Weil es ein Tonband ist. Vielen Dank, Herr Schamers. Wir sind wieder weg. Achim! Jetzt schalte das Ding endlich ab.“
Nathalie versiegelte die Wohnungstür. Dann fuhren wir fort.

Mein Telefon klingelte. Sabrina war dran. „Was gibt es?“
„Die Flüchtigen sind bereits eingefangen. Sie wollten gerade am Flughafen in Luxemburg einchecken.“
„Sehr schön. Werden uns die beiden Frei Haus geliefert?“
„Sicher. Den Haftbefehl habe ich sofort beantragt.“
„Danke, Sabrina.“
Wir fuhren zurück zum Revier.

Am nächsten Morgen kam der Gefangenentransport aus Luxemburg nach Langbach-Baden.

Es ist doch erschreckend, aus welch niederen Motiven Morde geschehen. Marion Schiffers gestand freimütig, dass sie Jan Loos nur des Geldes wegen als ihren Freund behielt, während sie mit Mark Ringsmann die bereits seit Jahren bestehende Beziehung weiterführte. Sie hat stets um Geld gebettelt, hat es auch bekommen. So hatte sie inzwischen mehrere tausend Euro beiseite gelegt. Als Jan ihr dann kürzlich sogar eine eigene Bankkarte für sein Konto gegeben hatte, bediente sich Marion Schiffers sehr großzügig an dem Konto, behauptete etwas von 50.000 €.
Das hatte Mark Ringsmann vor einiger Zeit bemerkt, gab er im Verhör zu. Er stachelte sie an, jeden Tag den Höchstbetrag abzuheben, schmiedete Zukunftspläne. Er wollte weg. Und zwar mit Marion Schiffers. Da störte Jan Loos, lamentierte er.
„Er hat mich belogen!“, schimpfte sie im Verhör. „Klar hat er drüber gesprochen, mit mir irgendwo hin zu wollen, wo wir unsere Ruhe hätten. Aber warum musste er Jan deswegen umbringen? Nach dem Streit, den Sie beobachtet hatten, hat er mir glaubhaft versichert, dass er mit dem Unfall nichts zu tun hat. Der ist so blöd! Der Jan hatte genug Geld. Der hat das gar nicht gemerkt, dass ich sein Konto geplündert habe. Er hatte mich sogar gefragt, ob ich ihn heiraten wolle. Ich habe ihm nicht geantwortet. Sein Geld konnte ich doch auch so haben.“
Frau Schiffers beteuerte, von dem Mordplan nichts gewusst zu haben. Hätte sie es gewusst, hätte sie bestimmt nicht die Polizei gerufen, warf sie mir vor.
Mark Ringsmann schien also der alleinige Täter zu sein.
„Als er den Wagen zu mir gebracht hatte, da hat er was von Heiraten gefaselt. Das wollte ich nicht zulassen. Die Idee kam mir ganz spontan. Ist mies gelaufen“, gab er kleinlaut zu.
Mark Ringsmann hatte unüberlegt gehandelt. Das mit dem Tonband hatte Frau Schiffers für einen Spaß gehalten.

Am nächsten Tag kam Achim zu mir. „Sag mal, Bernd. Kann ich meinen Urlaub ein paar Tage früher beginnen? Ich hätte eigentlich die letzten beiden Wochen im Juni, bis zum Dreißigsten.“
„Ich schaue mal in den Plan. Was ist passiert?“
„Ich bräuchte schon ab Mittwoch der Vorwoche frei. Das ist der dreizehnte Juni.“
Ich holte den Urlaubsplan heraus, schaute ihn mir an. „Das sieht gut aus, Achim. Was ist denn los?“
„Ich war gestern im Reisebüro am Markt.“
„Ah, die Frau Ross hat dir einen schönen Urlaub verkauft. Ja?“
Achim schmunzelte. „Genau. Einen Urlaub zu Zweit.“
Ich schaute ihn irritiert an. „Wen nimmst du denn mit?“
„Die Katja“, antwortete er knapp.
Es dauerte einen Moment, bis bei mir der Groschen fiel. „Nee! Echt jetzt?“
„Sie kommt mit mir nach Irland. Genau für diese Zeit, die ich Urlaub haben möchte, hat sie eine Vertretung.“
„Hey, Achim. Da will ich natürlich nicht im Wege stehen. Glückwunsch. Aber … Mann, Achim! Wie kam das denn so spontan?“ Ich klopfte ihm an die Schulter.
„Na ja, wir haben uns bestimmt zwei Stunden über den Urlaub unterhalten. Das hat wohl auch bei ihr etwas ausgelöst. Sie sagte, sie liebe das Abenteuer und hätte die Schnauze voll vom Singledasein. Freiheit schön und gut, aber irgendwie fehlt doch was. Und da schwimmt sie mit mir ja nun gerade genau auf der gleichen Welle. Das Thema Saskia ist eh erledigt.“
„Mensch, Achim, das ist toll. Ich drücke dir beide Daumen, dass dieses Abenteuer ein Happyend bekommt.“
„Das wäre traumhaft. Sie ist eine tolle Frau.“
„Dann wünsche ich schon mal viel Glück.“
„Danke. Glaub mir, ich werde nichts überstürzen. Aber ich freue mich tierisch auf diesen Urlaub. Wir haben uns bei dem Gespräch gestern Abend echt gut verstanden, haben zusammen gelacht. Das fühlt sich richtig gut an.“

Britta kam mittags zu mir, brachte den Autopsiebericht mit. Demnach war Jan Loos kerngesund gewesen, hatte bloß seine Gutmütigkeit mit dem Leben bezahlen müssen.



Neid ist tödlich


Meine Frau Katharina hatte mir mal erzählt, dass sie vor dreiundzwanzig Jahren ihre Abitur-Abschlussfahrt mit ihrem Französisch-Leistungskurs in Paris verbracht hatte. In der gleichen Herberge wohnte ebenso eine französische Abschlussklasse aus Lyon.
Dort hatte sie sich mit zwei Mädchen der französischen Gruppe angefreundet, unterhielt gar bis heute regen Briefkontakt mit ihnen.
Die beiden waren inzwischen Deutsch-Lehrerinnen an einer Schule in Lyon. Und ausgerechnet der Deutsch-Leistungskurs dieser Schule kam Ende Juni zur Abschlussfahrt nach Langbach-Baden in die hiesige Jugendherberge.
Das wusste Katharina, war entsprechend aufgeregt. Sie hatte beschlossen, die Gruppe dort in Empfang zu nehmen, bat mich, sie an diesem Dienstagvormittag zu begleiten. Da in dieser Woche im Revier nur Achim in Urlaub war, konnte ich mir das erlauben.

Auf den Reisebus mussten wir nicht lange warten. Die ersten Leute stiegen aus.
„Fabienne!“, rief Katharina, als sie ihre Freundin erblickte, lief auf sie zu.
„Katharina!“
Die beiden umarmten und küssten sich.
Dann stieg eine andere Frau, ebenso zierlich wie die erste, aus dem Bus, kam auf uns zu. „Katharina!“
Meine Frau löste sich von Fabienne, eilte zur anderen und quiekte: „Marie! Oh, komm her, lass dich knuddeln.“
Auch diese beiden umarmten und küssten sich.
„Wer iist denn der schöne Mann an deiner Sait, liebe Katharina?“, fragte Fabienne.
„Oh, das ...“ Sie lachte. „Hast du das gehört, Bernd? Schöner Mann! Ja, ihr Lieben, das ist mein Mann Bernd.“
Das französische Temperament ging offenbar mit beiden durch. Sie kamen zu mir, umarmten mich, gaben mir Küsse auf die Wangen, sagten unisono: „Aallo, Bernd.“
Ich schmunzelte. Sowohl Fabienne mit ihrer pechschwarzen Mähne als auch Marie mit ihrem rotblonden Pferdeschwanz waren durchaus attraktive Erscheinungen. „So hübsche Lehrerinnen hätte ich mir damals auch gewünscht.“
„Oh, oh“, stöhnte Marie. „Die Jungs machen aus ihrer Bewunderrung keinen Eehl. Das kanns du mirr glauben. Aber wirr sind beide verairatet.“ Sie lachte.
„Und die jungen Damen sind eifersüchtig?“
„Nein. Nein, das lassen wirr gar nich tsu. Wirr lassen uns von den Jungs nicht oofieren oderr manipulieren. Im Unterricht sind sie aalle brav.“
„Also nur die durchaus nachvollziehbare Schwärmerei, aber keine Übergriffe. Dann ist ja alles gut“, sagte ich.
„Na, jetzt aaben wirr zehn Tage Freiezeit“, orakelte Marie. „Da probieren unsere Achzehnjährigen vielleicht mall die Grenzen aus.“
„Ich hoffe doch sehr, dass sie diese nicht überschreiten werden“, meinte ich. „So. Ich werde euch jetzt verlassen, denn ich muss zur Arbeit. Katharina sagte mir schon, dass sie noch ein wenig bei euch bleiben mag.“
„Ich werde in den nächsten Tagen sicher häufiger hier sein, wenn ihr erlaubt.“
„Oh, das wärre uuns eine Freude, liebe Katharina“, sagte Fabienne.
Während sich die drei Damen herzlich von mir verabschiedeten, bemerkte ich, dass ein weiterer Reisebus vorfuhr.
Als ich dann wieder allein war, konnte ich die neue Gruppe einschätzen. Es waren etwa fünfundzwanzig junge Leute und zwei erwachsene Betreuer, wie es schien.

Die Woche plätscherte so dahin. Es passierte nichts Aufsehenerregendes im Revier. Katharina war bester Laune, hatte viel Zeit mit den französischen Freundinnen verbracht.
Ich kam am Freitag gerade ins Revier, da rief Katharina an.
„Oh, Bernd, es ist etwas Schreckliches passiert", stammelte sie mit weinerlicher Stimme.
„Was denn? Und wo bist du? In der Jugendherberge?“
„Ja, sicher. Ihr müsst herkommen. Marie ist tot.“
„Oh, mein Gott. Gut, wir kommen sofort.“ Ich rief Britta in der Rechtsmedizin und Frank von der Spurensicherung an, schickte sie zum Einsatzort. Saskia bat ich, mich dorthin zu begleiten.

Als wir in die Herberge kamen, entdeckten wir Fabienne tränenüberströmt im Eingangsbereich sitzen. Katharina kam mir entgegen.
„Katharina, was ist hier passiert?“
„Marie Gabot liegt tot in ihrem Zimmer. Fabienne hat sie entdeckt. Was genau passiert ist, weiß hier noch niemand.“ Katharina schluchzte, setzte sich zu Fabienne, nahm sie in den Arm.
Ich ging mit Saskia zum Fundort, den Katharina mir genannt hatte. Das Opfer lag am Fußende neben dem Bett, der Körper leicht verdreht mit dem Gesicht gen Boden, die Beine in der Hüfte angewinkelt. Das mintgrüne Nachthemd war hinten zerrissen. Dazu hatte sie eine klaffende Wunde am Hinterkopf.
Britta nannte mir den vermutlichen Todeszeitpunkt und die Todesursache. Zwischen vier und fünf in der Nacht wurde sie erschlagen und vergewaltigt.
Der Täter wird die zierliche Frau, die kaum über eins sechzig groß war, brutal geschlagen und überwältigt haben, dachte ich.
„Mehr kann ich dir nach der Autopsie sagen.“
„Danke, Britta.“
„Bernd, wie gehen wir vor?“, fragte Saskia.
„Ich denke, wir sollten erst mal alle versammeln und ihnen die schreckliche Nachricht überbringen.“
„Alle, die hier derzeit wohnen?“
„Klar. Auch die andere Gruppe. Schaden kann es bestimmt nicht. Vielleicht hat ja jemand etwas beobachtet.“
„Schaden wird höchstens der Schock", entgegnete Saskia.
Ich nickte mit frustrierter Miene.

Zehn Minuten später waren alle im großen Speisesaal der Herberge versammelt.
„Vielen Dank, dass Sie alle hier sind“, begann ich, machte dann eine Pause.
Mit mir lauschte neben Saskia auch Katharina, da sie als einzige fließend Französisch sprach, dem Getuschel der Versammlung.
„Es ist kein schöner Tag, denn wie Sie sicher längst wissen, ist Ihre Lehrerin Frau Marie Gabot heute Morgen tot in ihrem Zimmer aufgefunden worden.“
„Was ist denn da passiert?“, fragte eine Schülerin.
Ihr französischer Akzent war nicht zu überhören, doch ihr Deutsch war einwandfrei.
„Das wissen wir noch nicht. Das wird die Rechtsmedizin herausfinden. Wer hat Marie Gabot in den letzten zwölf Stunden zuletzt gesehen?“
Leises Gemurmel, doch keine Wortmeldung.
„Kann uns jemand von Ihnen sagen, was die letzten Tage vorgefallen sein könnte, dass dieses Unglück passieren musste?“, hakte ich nach.
„Was soll denn vorgefallen sein?“, fragte einer der Betreuer der zweiten Gruppe. „Ich wüsste nicht ...“
„Darf ich fragen, wer Sie sind und weshalb Sie mit Ihrer Gruppe hier sind?“
„Oh, aber sicher. Mein Name ist Volker Lohmark“, er wies auf seinen Kollegen, „das ist Guido Starnbald. Wir sind mit einer Abschlussklasse unserer Realschule hier, um hier wandern zu gehen.“
„Wie alt sind die jungen Leute, die Sie betreuen?“
„Zwischen sechzehn und achtzehn.“
„Sie sind jetzt drei Tage hier zusammen in diesem Haus. Da entstehen gewiss ganz andere Situationen, als es in der Schule üblich wäre. Sie wissen schon, was ich meine.“
„Ich bitte Sie, Herr Kommissar!“, rief Herr Starnbald. „Das sind Jugendliche.“
„Eben.“
„Das, was in der Schule nicht geduldet wird, das werden wir hier ebenso bestrafen“, antwortete er streng.
„Als da wären?“
„Na, Gewalttätigkeiten, Alkohol, Ungehorsam, Mobbing.“ Er grübelte, ob es noch etwas gäbe.
Ich half ihm auf die Sprünge. „Sexuelle Übergriffe.“ Als ich das aussprach, bemerkte ich, dass eines der französischen Mädchen erschrocken zusammenzuckte, sich unsicher umsah.
„Ich muss doch sehr bitten!“, klagte Starnbald.
Es wurde laut im Saal. Ich hatte offenbar einen empfindlichen Nerv getroffen. Wir vernahmen in dem Getuschel durchaus passende Aussprüche. Auch Katharina schaute mich erschrocken an. Sie schien ebenfalls etwas in dieser Richtung vernommen zu haben.
Als es wieder ruhig geworden war, sagte ich: „Der aufgekommenen Unruhe entnehme ich, dass es durchaus derartige Animositäten gegeben hat. Wer uns weitere Hinweise geben möchte, kann dies jetzt oder in einem persönlichen Gespräch gerne tun. Wir sitzen in der Teeküche. Allein.“
„Was hat das nun mit dem Tod der geschätzten Kollegin zu tun?“, fragte Herr Lohmark. „Glauben Sie etwa, da hätte es … Nein, Herr Kommissar! Nein!“
„Auf dem Begrrüßungsabend aast du unsere Marie aberr gaanz schön, wie sagt man in Deutschland, angebaggerrt“, sagte einer der französischen Jungs. „Da warren sicher einige eiferrsüüchtig.“
Das klang sehr aufschlussreich. Gewiss, Marie Gabot war eine außerordentlich hübsche Frau. Das weckte bei dem ein oder anderen sicherlich Begehrlichkeiten. Aber sollte da tatsächlich etwas vorgefallen sein, dann wirft das kein so gutes Licht auf sie. Ich wollte es daher nicht glauben. Dennoch gab mir die Äußerung des jungen Mannes zu denken. Das werden wir in Einzelgesprächen klären, dachte ich.

Fabienne bestätigte uns, dass es am Mittwoch einen gemeinsamen Abend der beiden Gruppen gegeben hatte.
Weitere Erkenntnisse brachte die Versammlung nicht. Ich schnappte mir den jungen Mann, der da etwas von Eifersucht angedeutet hatte, ging mit ihm in die Teeküche. Saskia schickte ich zu dem Mädchen, das ich beobachtet hatte.

„Wie ernst muss ich diese Äußerungen nehmen, junger Mann?“, fragte ich ihn.
„Sagen Sie rruhig Jaques, Err Kommissarr. Ja, also, derr Err Lohmarrk aat die Marrie schon ein bisschen angemacht. Ich aabe die beiden auch zum Schluss nooch auf dem Gang gesehen. Da standen sie vorr seinem Zimmerr. Die Lehrerr aaben ja Einzelzimmerr.“
„Und?“
„Na ja, err aat sie nicht gehen lassen, aat sie in sein Zimmerr gedrängt. Ich denke, err wollte merr.“
„Das ist ein schwerer Vorwurf.“
„Derr Dirrk kann es bestätigen. Err aat es auch gesehen.“
„Wer ist dieser Dirk?“
„Einerr von derr andere Gruppe. Wirr sind Freunde.“
„Okay, wir werden Herrn Lohmark dazu befragen. Hat er euch bei dieser Beobachtung gesehen?“
„No! Wirr sind ja nicht blöd.“
„Dann schick mal den Dirk zu mir, ja?“
„Mache ich.“

Wenige Minuten später kam dieser zu mir, fing direkt an zu quatschen: „Hey, der Lohmark hat die Marie garantiert gebumst.“
„Halt, halt. Mal ganz langsam, junger Mann. Das werden Sie wohl kaum beobachtet haben. Also sollten Sie es auch nicht behaupten.“
„Klar haben wir das mitgekriegt“, posaunte er weiter. „Wir haben an der Tür gelauscht. Die Geräusche waren eindeutig.“
„Ich kann mir jetzt nicht vorstellen, dass sie in einer Jugendherberge … Nein, sie werden es vielmehr vermieden haben, Geräusche zu machen.“
„Wir haben ein Glas an die Tür gehalten und hineingehorcht. Die haben gevögelt. Hundertpro.“
„Nehmen wir an, es war so. Was schließt ihr zwei jetzt daraus?“
„Na, Sie haben bei der Versammlung nichts gesagt. Aber wenn Sie hier die Leute befragen, vermute ich, dass die schöne Frau umgebracht wurde. Stimmt's?“
Ich schaute ihn an, grinste. Ich werde noch weitere Zeugen suchen müssen, dachte ich.

Saskia hatte mit dem Mädchen gesprochen, das auf meine Andeutung möglicher sexueller Übergriffe so erschrocken reagiert hatte. Die Kollegin hatte einen weiteren Raum gefunden, in dem sie allein mit der jungen Dame war.
„Und was hat sie dir erzählt?“
„Der Herr Lohmark ist wohl kein Kind von Traurigkeit. Die junge Dame mit dem schönen Namen Arielle ist volljährig, also hat er sie ein bisschen beschwatzt.“
„Sag jetzt nicht, er hat mit ihr ...“
„Geschlechtsverkehr wohl nicht. Aber ein paar Dinge sind da schon gelaufen. Und sie hat den Herrn auch mit unserer Toten turteln gesehen.“
„Okay, die zwei Jungs schwören Stein und Bein, dass da deutlich mehr passiert ist. Ich hoffe, Britta kann das noch nachweisen, wenn dem so sein sollte.“
„Fragen wir ihn doch einfach.“
„Er wird es abstreiten“, meinte ich. „Aber auf die Art der Reaktion bin ich schon gespannt. Immerhin haben wir drei Zeugen.“
„Ich habe deine Frau mit der anderen Lehrerin gesehen. Ist das in Ordnung?“
„Ja, sicher. Die drei sind alte Freundinnen. Ich hatte Katharina gebeten, sich um Fabienne zu kümmern, sie zu fragen, was für ein Mensch diese Marie war.“
„Jetzt die Lehrer?“
„Lohmark und Starnbald, ja, die nehmen wir uns jetzt vor.“

Wir gingen zuerst zu Volker Lohmark in sein Zimmer.
„Herr Lohmark, was ist an den Anschuldigungen dran, Sie hätten Frau Gabot ein wenig bedrängt?“, fragte ich.
„Ach, Herr Kommissar. Wir haben uns gut unterhalten, mehr nicht.“
„Da haben wir inzwischen andere Aussagen aufgenommen. Es soll durchaus zu Intimitäten gekommen sein.“
„Wer sagt das? Das ist unerhört! Ich bin verheiratet.“
„Frau Gabot ebenfalls. Aber das muss ja kein Hinderungsgrund sein.“
„Hören Sie doch auf! Wer hat Ihnen diesen Floh ins Ohr gesetzt?“
„Was im Laufe der Ermittlungen an uns herangetragen wird, bleibt unter Verschluss.“
„Was ist denn überhaupt passiert? Sie reden so geheimnisvoll, als wenn Marie umgebracht worden sei.“
„Der Verdacht liegt sehr nahe.“
„Sie sagen jetzt allen Ernstes, dass es Mord war? Ich bin fassungslos.“
Ich nickte. „Also, Herr Lohmark. Die Wahrheit, bitte.“
Er druckste herum, schnaufte, räusperte sich. Dann blickte er mir ins Gesicht, sagte: „Okay, ich hatte mich an diesem gemeinsamen Abend am Mittwoch ganz spontan in diese süße Person verliebt. Ich gestehe es. Aber ich habe sie nicht umgebracht.“
„Wie weit ist diese Verliebtheit gegangen? Wie weit wurde sie erwidert?“
Wieder wand er sich, schluckte nervös.
„Herr Lohmark, Sie haben Frau Gabot in Ihr Zimmer gedrängt. Richtig?“
„Sie hat nicht 'nein' gesagt. Verdammt, ja!“
„Nicht 'nein' zu sagen heißt noch lange nicht 'ja', Herr Lohmark!“, klagte Saskia ihn an. „Haben Sie sich genommen, was Sie begehrten?“
„Ich bitte Sie! Was denken Sie von mir?“
„Herr Lohmark! Frau Gabot wurde vermutlich ermordet!“, hielt Saskia ihm vor. „Da kann ich mir eine Menge vorstellen. Nun reden Sie endlich.“
Er verdrückte ein paar Tränen, schluchzte. „Ich … Ich habe sie nicht umgebracht. Ja, wir haben miteinander geschlafen, aber ...“ Er schaute uns flehend an. „Bitte sagen Sie das niemandem. Bitte.“
„Ich fürchte, es gibt Zeugen“, meinte ich.
„Lassen Sie mich raten. Dieser Jaques! Ja? Der kam an dem Abend ständig zu uns an den Tisch, um sie etwas zu fragen. Auf Französisch natürlich. Und garantiert bloß, um uns zu stören.“
„Wir haben mehrere Zeugen. Sie haben zu viele Geräusche gemacht.“ Ich schmunzelte.
„Bitte glauben Sie mir. Ich habe Marie ganz bestimmt nicht umgebracht.“
„Wir werden weitere Befragungen durchführen. Dann wird sich das schon aufklären“, meinte ich.

Wir begaben uns ins Nachbarzimmer zu Guido Starnbald. Er wirkte ein wenig nervös, war mein Eindruck.
„Wonach suchen Sie eigentlich, Herr Kommissar?“
„Herr Starnbald, das ist nicht so einfach. Wie war Ihr Verhältnis zu Frau Gabot?“
„Oh, eine tolle Frau, aber sie war ...“, er zuckte nervös mit den Mundwinkeln, „ein bisschen labil, glaube ich.“
„Wie kommen Sie darauf?“
„Na, es geht das Gerücht um, sie wäre mit Volker, mit Herrn Lohmark ins Bett gegangen. Allerdings nicht nur mit ihm ...“ Er senkte den Blick.
„Mit Ihnen ebenfalls?“, hakte Saskia nach.
Zögerlich antwortete er: „Nein.“
Aber er hätte gerne, dachte ich. Also fragte ich: „Mit wem denn sonst?“
„Jungs prahlen gerne mit solchen Erlebnissen, wissen Sie. Die französischen Jungs waren garantiert eifersüchtig. Mensch, Herr Kommissar, Sie wissen doch, wie das mit Gerüchten ist, dem Gerede. Ob sie auch mit Schülern etwas hatte, mag ich nicht glauben, aber ...“
„Die Gerüchteküche. Was meinten Sie eben damit, Frau Gabot sei labil? In welcher Weise?“
„Na, sie hat Familie. Sicher plagte sie, wenn“, wieder zuckten seine Mundwinkel, „denn an den Gerüchten etwas dran wäre, das schlechte Gewissen.“
„Ja, und dann?“, bohrte ich weiter. Worauf wollte er hinaus?
„Möglicherweise …“, er verzog seine Mundwinkel, hob die Augenbrauen, „Selbstmord?“
Okay, dachte ich. Er wusste nicht, dass sie erschlagen wurde. Es sei denn, er war es selbst und wollte jetzt ablenken. „Eine solche Kurzschlusshandlung hätten Sie ihr zugetraut? Herr Starnbald, wie lange kannten Sie Frau Gabot?“
„Na, seit Dienstag. Aber ich habe doch Augen im Kopf. Fragen Sie den Kollegen, ob er mit ihr ...“
„Das werden wir tun. Vielen Dank, Herr Starnbald.“
Dass das schon geschehen war, wusste er wohl nicht. Wir verließen den Raum.

„Sag mal, was war das denn jetzt?“ Saskia wirkte wütend. „Der ist doch eifersüchtig auf den Kollegen, der offenbar mehr Glück bei ihr hatte. Und seine Idee mit dem Selbstmord ist doch absurd. Sorry, der spinnt sich was zusammen.“
„So ganz klar will mir das auch nicht werden. Es sei denn, er will wirklich von sich ablenken.“
„Du meinst, er hat sich aus Eifersucht an sie rangemacht, wurde abgewiesen und hat sie dann erschlagen?“
„Das ist derzeit noch reine Theorie.“
„Aber sag mal, ist dir das auch aufgefallen? Ich glaube, wenn ich nicht sehen würde, wer spricht, ich könnte sie kaum auseinanderhalten. Findest du nicht auch?“
„Jetzt, wo du es sagst. Stimmt, die Stimmlage der beiden Herren ist sehr, sehr ähnlich.“
Wir fuhren zu Britta Kränz in die Rechtsmedizin.

„Hallo, Britta. Kannst du uns schon etwas sagen?“, fragte ich.
„Oh, oh, das ist ziemlich gruselig, muss ich gestehen.“
„Gruselig? Was hast du entdeckt?“
„Also, zunächst einmal: Sie wurde mit einer Faust ins Gesicht geschlagen, ist vermutlich gestürzt und hat sich dabei die schwere Kopfverletzung zugezogen, an der sie verblutet ist. Was mich aber noch sehr viel mehr geschockt hat, war die Tatsache, dass sie in dieser Nacht mit vermutlich drei, eventuell sogar vier Männern Geschlechtsverkehr hatte.“
„Vier?“, rief Saskia entsetzt.
„Soviel zu den Gerüchten, die uns Starnbald aufgetischt hat“, meinte ich. „Offenbar sind es keine Gerüchte.“
„Aber wer kommt da dann in Frage?“
„Tja, Saskia. Auf jeden Fall nicht nur der Lohmark.“
„Ich bräuchte DNA-Tests“, forderte Britta. „Wenn ihr eine Idee hättet, die den Täterkreis eingrenzen würde, käme das meiner Arbeit sehr entgegen.“
„Mir fallen da spontan drei weitere Kandidaten ein“, sagte ich.
„Ich habe Spuren vom Täter im Gesicht gefunden. Er war auf jeden Fall einer der vier. Welcher, werde ich noch genau analysieren.“
„Na, wahrscheinlich der letzte. Gut, Britta. Danke. Wir werden sehen, was wir bekommen können. Komm, Saskia. Fühlen wir denen noch mal auf den Zahn.“

Am Abend erbaten wir erneut eine Versammlung aller Bewohner der Herberge.
„Ist irgendwem noch etwas eingefallen, was uns weiterhelfen könnte?“, fragte ich. „Wir haben inzwischen die gesicherte Erkenntnis, dass Frau Gabot – vermutlich im Affekt – erschlagen wurde. Sie ist gestürzt, hat sich eine schwere Kopfverletzung zugezogen, an der sie, da der Täter keine Hilfe geleistet hat, verblutet ist. Das ist die brutale Wahrheit. Da wir derzeit ausschließen, dass eine fremde Person im Haus war, befindet sich der Täter unter Ihnen. Das ist eine weitere brutale Wahrheit. Wer uns etwas sagen möchte, kann dies gerne im persönlichen Gespräch tun. Wir sind im kleinen Aufenthaltsraum. Vielen Dank.“
Sofort zog ich mich mit Saskia in den genannten Raum zurück. Im Fortgehen bemerkten wir die aufkommende Unruhe.

„Erwartest du, dass jemand zu uns kommt?“
„Sicher, Saskia. Es wird vielleicht ein Weilchen dauern, aber ich bin sicher, irgendwer wird kommen. Vielleicht nicht der Täter, der Mörder, aber ...“
Da klopfte es. Wir schauten uns erstaunt an.
„Herein!“, rief Saskia.
Jaques und Dirk traten ein.
„Ach, sieh an“, meinte ich. „Was wollt ihr beichten?“
„Wirr aaben sie nicht errschlaggen, Chef“, sagte Jaques.
„Wir haben den Lohmark mit ihr gesehen. Die blonde Matte ist ja nicht zu übersehen. Wir wissen nicht, wie lange sie bei ihm war, aber als sie zurück in ihr Zimmer ging, sind wir ihr gefolgt, haben sie darauf angesprochen“, erzählte Dirk.
'Blonde Matte', ja, richtig, dachte ich, Lohmark hatte fast schulterlange, blonde Haare. „Und?“
„Sie hat gefleht, dass wir niemandem etwas verraten. Okay, dachten wir, wir versprechen ihr, die Klappe zu halten. Aber dafür kriegen wir auch was.“
„Ihr habt eine Gegenleistung erpresst!“, schimpfte Saskia.
„Es warr nicht rrichtig“, gab Jaques zu. „Aberr sie aat nicht lange dageggen gereddet. Echt. Sie aat gesagt: 'Dieses eine Mall, dabei bleibt es. Das muss genüggen.' Also sind wirr in irr Zimmerr und aaben ...“
„Die Rechtsmedizin hat das festgestellt, Jungs“, unterbrach ich ihn. „Gebt ihr uns eine DNA-Probe?“
„Klar. Wir haben nichts zu verbergen“, sagte Dirk. „Wir sind nach einer Stunde oder so wieder raus und direkt in unsere Zimmer. Gesehen hat uns niemand. Ganz sicher.“
„Was wollen Sie aaben? Speichelprrobbe?“
„Ja, Jaques.“ Ich holte zwei Taschentücher und zwei Tüten aus meiner Jacke, übergab diese an die beiden.
„Geht klarr, Chef.“
Sie stellten sich in eine Zimmerecke, benetzten die Taschentücher mit Speichel, packten die Tücher in die Tüten und kamen zurück zu uns an den Tisch, legten die Proben darauf ab.
„Danke, Jungs. Habt ihr eine Idee, wer nach euch noch zu Frau Gabot gegangen sein könnte?“
„Hat der sie auch ge..?“, deutete Dirk an.
Ich nickte.
„Oh, disses Schwein!“, rief Jaques. „Sie aat es nicht gewollt, da aat err zugeschlaggen“, spekulierte er. „Iist es so?“
„Kann schon sein. Aber wer könnte es gewesen sein?“
„Finden Sie disses Schwein. Wirr aaben Marrie geliebt. Sie warr so ein eerrzlicherr Mensch“, schwärmte Jaques.
Dirk legte den Arm um dessen Schulter. „Hey, Kumpel. Ich habe echt ein schlechtes Gewissen, dass wir sie … Na, du weißt schon. Es war falsch, auch wenn es geil war.“
„Jungs, denkt gründlich nach. Wer könnte das getan haben? Wenn ihr eine Idee habt, eine, die plausibel ist, keine Beschuldigung wegen Hass, bitte, dann sagt es uns. Wir werden weiter warten, ob sonst noch jemand zu uns kommen mag.“
„Alles klar, wir sind schon weg“, sagte Dirk.

„Glaubst du ihnen?“, fragte Saskia mich.
„Es muss ja noch einer da sein, der sich an ihr vergangen hat.“
„Das ist, wie Britta richtig sagte, echt gruselig. Wenn ich mir vorstelle, dass er sie erst erschlagen hat und dann … Bah! So ein mieses Schwein!“
Da klopfte es erneut.
Saskia ging zur Tür, öffnete sie. „Arielle?“
„Aallo.“
„Komm herein. Du möchtest uns etwas erzählen?“
Die junge Frau schaute sich unsicher um. „Iier öört wirklich niemand mit?“
„Nein, ganz sicher nicht.“
„Der Err Lohmark war eute Nachmittag bei mihr. Err at sich für sein Verraalten entschuldigt.“
„Das ist lobenswert. Trotzdem hat er sich schändlich verhalten“, klagte Saskia.
„Es iist ja niichts passiert. Aber der Err Starnbald at miich danach aangesprochen. Err atte uns beobachtett.“
„Das ist ja spannend“, meinte ich. „Was hat er denn gewollt?“
„Iich weiß niicht. Er at miich so kommisch aangeguckt.“
„Du magst ihn nicht“, vermutete Saskia.
„Nein. Err at gesehen, dass iich iiereer gekommen bin.“
„Sollte er dich gleich fragen, was du hier wolltest, dann sag ihm ruhig, dass wir einen Verdächtigen haben, der Frau Gabot umgebracht hat. Machst du das für uns?“
„Iist err denn verdäächtig?“
„Wir überprüfen noch ein paar Fakten.“
„Der Täter at Spuren iinterlassen.“ Sie grinste. „Soll iich Spuren von ihm aufnemmen?“
Saskia erschrak. „Wie bitte?“
„Ich denke, du weißt durchaus, dass wir dich nicht darum bitten dürfen, Arielle“, sagte ich.
Saskia schaute mich an. „Das tun wir auf gar keinen Fall!“
„Nein, das tun wir nicht. Wir werden nochmal mit ihm reden“, sagte ich.
„Gut. Dann gehe ich wieder.“ Sie öffnete vorsichtig die Tür. „Err wartett auf miich“, flüsterte sie, ging hinaus.

„Fühlt sie sich jetzt animiert, etwas zu tun, was nicht rechtens ist?“
„Nein, Saskia. Trotzdem wette ich, dass sie gleich erneut zu uns kommt.“
„Und wenn er handgreiflich wird?“
„Ich rufe Katharina an. Sie ist bei Fabienne.“ Ich holte mein Telefon hervor, wählte die Nummer.
Sie meldete sich. „Was gibt es?“
„Kannst du mal hinaus auf den Gang horchen. Arielle war gerade bei uns. Könnte sein, dass sie den Starnbald zu einem Fehlgriff animiert.“
„Was? Okay. Ist er euer Verdächtiger?“
„Er ist einer von Vieren. Drei haben wir schon überprüft. Wie sicher das ist, wissen wir jedoch noch nicht.“
„Okay, ich habe die Tür einen Spalt auf. Ich höre Stimmen. Ja, das ist der Starnbald, glaube ich. Er fragt Arielle gerade, was sie bei euch wollte.“
„Genau das habe ich erwartet. Hör bitte ganz genau hin.“
„Mache ich. Ich gucke durch den Spalt auf den Flur. Ich sehe die beiden. Ja, es ist Starnbald. Die Stimme klingt ja fast genauso wie die vom Lohmark. Sie stehen vor seinem Zimmer. Er packt sie am Arm! Bernd! Der will ihr was antun!“
„Keine Sorge, wir sind nicht weit. Das mit den fast identischen Stimmen ist uns auch schon aufgefallen.“
„Jetzt fragt sie ihn, was er wolle. Er will sie in sein Zimmer zerren. Sie wehrt sich, fragt ihn erneut.“
„Ich bin recht sicher, dass sie laut schreien wird, wenn es ihr zu viel wird. Sie hat unsere Intention erkannt, will ihm etwas abringen, was wir verwenden können.“
„Das scheint sie gerade zu bekommen. Oh, Bernd, das geht doch nicht. Er küsst sie. Das ist kein einfaches Küsschen, Bernd.“ Katharina klang besorgt.
„Dann geht jetzt raus, stellt ihn zur Rede. Wir sind gleich da.“

Als wir näher kamen, schrie Starnbald los: „Was soll das hier? Dieses freche Gör hat mich doch genötigt, sie zu küssen!“
„Arielle, was hast du getan?“, fragte Saskia mit einem gewiss gespielten Unterton der Empörung.
Sie verzog das Gesicht. „Der at miir seine Zunge in den Muund gesteckt. Bah!“
„Wir kamen gerade heraus, da haben wir das gesehen“, sagte Katharina zu mir, wandte sich dann an den Lehrer. „Herr Starnbald, schämen Sie sich!“
„Komm, Arielle“, sagte ich. „Du erzählst uns jetzt noch einmal, was hier gerade passiert ist. Komm, wir gehen wieder in unseren Raum. Ja?“
„Mmm“, summte sie, grinste mich an.

Kaum war ich mit Saskia und dem Mädchen im Raum, holte ich ein Taschentuch aus der Tasche.
Sofort spuckte Arielle hinein. „Bah! Das warr so widerlich. Niicht, dass iich noch nie geküsst ätte, auch mit Zunge. Aber der Kerl warr riichtig ekelafft.“
Ich holte eine Tüte hervor, steckte das Taschentuch hinein. „Danke, Arielle.“ Ich lächelte verschmitzt.
Sie grinste ebenso zurück. „Gern geschehen.“
Da kam Herr Starnbald hereingestürmt, ohne vorher anzuklopfen.
„Ich muss doch sehr bitten!“, schrie ich ihn an. „Raus!“
„Das muss ich mir nicht bieten lassen! Dieses Weibsstück ...“ Er zeigte auf Arielle.
Ich trat ihm energisch entgegen. „Raus, habe ich gesagt. Die Beleidigung ist registriert, Herr Starnbald.“
„Das ist unerhört!“
Er schien gerade richtig in Fahrt zu sein. Also drängte ich in die entsprechende Richtung. „Was haben Sie uns zu sagen, Herr Starnbald? Was?“
„Was glauben Sie eigentlich?“
„Na, zum Beispiel, was Sie nachts um vier bei Frau Gabot wollten?“
„Jetzt hören Sie auf! Ich war zufällig draußen auf dem Flur, als diese zwei Burschen aus ihrem Zimmer kamen. Man braucht nicht besonders viel Fantasie, um sich auszumalen, was sie da bekommen haben.“
„Was wollen Sie der Toten da unterstellen?“, grollte Saskia.
„Der Lohmark war doch auch schon mit ihr im Bett! Hat er mir erzählt! Nach diesem gemeinsamen Abend. Dieses Arschloch!“
„Und da dachten Sie sich, 'was der kann, kann ich auch'. Richtig?“
„Sie hat mir die Türe vor der Nase zugeschlagen.“
Ich schaute Saskia an, dann ihn. „Okay, Herr Starnbald, Sie halten sich bitte zur Verfügung, bis wir hier alles geklärt haben. Wir haben jetzt wichtige Dinge zu erledigen.“
„Und lassen Sie die Finger von dieser jungen Frau“, sagte Saskia, wies auf Arielle.
Ich schob ihn an, dass er den Raum als Erster verließ.
Saskia gab Arielle in die Obhut ihrer Lehrerin.

Wir begaben uns in die Rechtsmedizin.
„Britta, wir haben DNA-Proben“, tirilierte ich.
„Prima. Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht.“
„Wie jetzt?“
„Es waren vermutlich doch nur drei Männer.“
„Also, diese drei glauben wir dann zu kennen. Aber unter ihnen dachten wir nicht den Mörder zu sehen. Wie erklärst du das?“
„Moment“, meinte Saskia. „Der Herr Lohmark sagte, er hätte mit ihr geschlafen. Laut Herrn Starnbald war das jedoch bereits am Mittwochabend. Hat der Lohmark nicht kapiert, dass wir die Tatnacht meinten?“
„Verdammt! Aber wenn er es nicht war, wer war dann der dritte Mann? Aber die Jungs sagten doch, sie hätten sie bei Lohmark gesehen.“
„Irgendetwas passt da noch nicht.“
„Britta, wir brauchen das Ergebnis schnell. Okay?“, sagte ich.
„Also, zur Info: Der erste Mann war so gegen Mitternacht mit ihr zusammen. Da ist die Analyse aufgrund der vergangenen Zeit schon ein wenig verwaschen. Der letzte war so zwischen vier und fünf in der Frühe. Ich muss den Abgleich noch machen.“
„Okay. Wir warten auf deine Analyse. Wir befragen nochmal den Lohmark.“

„Was passierte in den mehr als zwei Stunden zwischen Mitternacht und halb drei, wo die Jungs bei ihr waren?“, fragte ich.
„Was Jaques und Dirk erzählten, klang nicht so, als wenn sie viel Zeit hatten verstreichen lassen, nachdem Frau Gabot zurück in ihr Zimmer gegangen war“, meinte Saskia.
„Dann haben sie möglicherweise den ersten Besucher um Mitternacht, wie Britta sagte, gar nicht gesehen.“
„Wir haben Frank und sein Spusi-Team noch gar nicht gefragt, was sie gefunden haben.“
„Stimmt, Saskia.“
Wir machten uns sofort auf den Weg.

„Ich dachte schon, ihr kommt gar nicht mehr zu mir. Ich habe ein paar Dinge, die interessant sein könnten. Wir haben ein paar Kampfspuren rund um das Bett gefunden, ebenso im Eingangsbereich. Dann haben wir diverse blonde Haare gefunden, allerdings keine echten“, erklärte Frank.
„Du meinst also von einer Perücke?“
„Richtig. Wir haben allerdings im Zimmer keine gefunden. Dann haben wir recht frische braune Schuhcremespuren unten am Türblatt entdeckt. Da hat wohl jemand seinen Fuß in den Spalt gestellt, um ein Schließen zu verhindern.“
„Der Starnbald trug braune Schuhe“, warf Saskia ein. „Die Jungs trugen Turnschuhe, der Lohmark ebenso.“
„Okay, dann schauen wir uns das mal an. Danke, Frank.“

Wir fuhren erneut zur Jugendherberge.
„Zuerst fragen wir aber den Lohmark, was er in der Tatnacht getan hat.“
Ich klopfte an dessen Tür, er ließ uns sofort herein.
„Herr Lohmark, ich glaube, wir müssen da noch eine Sache klären. Wann waren Sie in der Tatnacht bei Frau Gabot?“
„Oh, Herr Kommissar, mir ist inzwischen aufgegangen, dass wir uns zuletzt falsch verstanden hatten. Ich war in jener Nacht nicht bei ihr, sondern sie für etwa fünfzehn Minuten bei mir. Entschuldigen Sie bitte, dass ich das nicht gleich gesagt hatte. Ich hoffe, ich habe damit keine Schwierigkeiten heraufbeschworen.“
„Nein, nein, vermutlich eher das Gegenteil. Wann war sie bei Ihnen?“
„So etwa um zwei. Aber was sie mir da erzählt hatte, hätte ich Ihnen vielleicht früher mitteilen sollen“, er seufzte, „oder selbst aktiv werden sollen ...“
„Selbst aktiv werden?“
„Ja, unmittelbar danach. Dann wäre sie vielleicht noch am Leben.“
Diese bittere Erkenntnis kommt leider zu spät, dachte ich. „Herr Lohmark, erzählen Sie bitte.“
„Sie sagte mir, dass Starnbald bei ihr war, mit einer Perücke verkleidet, damit er so aussah wie ich.“
„Das wäre in der Tat eine hilfreiche Information gewesen. Wann war Starnbald bei ihr?“
„So gegen Mitternacht, sagte sie.“
„Und was ist da passiert?“
„Sie trug nur einen Bademantel, Herr Kommissar. Er ist auf jeden Fall handgreiflich geworden, hat ihr recht brutal in den Schritt gegriffen, wie sie sagte. Sie sagte auch, dass er sich vorher genüsslich die Finger geleckt hätte. Wie krank ist das denn? Aber sie hatte ihm einen Kinnhaken verpasst. Da hat er von ihr abgelassen und ist rausgerannt, hat sie dabei beschimpft.“
„Entschuldigen Sie, wenn ich das frage, aber hatten Sie an dem Abend mit ihr Geschlechtsverkehr?“
„Nein. Nein, das eine Mal am Mittwochabend war alles. Sie hatte es so gewollt. 'Nur einmal, das muss genügen', sagte sie.“
Ich zog die Augenbrauen hoch. Das hat sie doch auch zu den Jungs gesagt, dachte ich.
Wir verabschiedeten uns, gingen zu Starnbald.

„Sie schon wieder?“
„Ja, Herr Starnbald. Wir haben einen Mord aufzuklären. Da hätten wir noch ein paar Fragen an Sie.“
„Wie kann ich Ihnen denn helfen? Ich habe von der Tragödie nichts mitbekommen.“
„Sie waren gegen Mitternacht bei Frau Gabot. Dafür gibt es Zeugen. Was wollten Sie von ihr?“, fragte ich.
„Was? Wer sagt das?“
„Sie waren bei ihr! Punkt! Was wollten Sie von ihr?“
Er druckste herum. „Na, gut. Ich war bei ihr. Der Lohmark hatte mir erzählt, dass er mit ihr im Bett war. Am Mittwochabend. Da wollte ich mein Glück auch mal versuchen.“
„Sie hat es aber nicht zugelassen. Richtig?“
„Nein. Das sagte ich doch schon. Sie hat mir die Tür vor der Nase zugeknallt.“
„Rührt davon der blaue Fleck an ihrem Kinn? Nein, ich denke, Sie haben den Fuß dazwischen gestellt“, sagte ich mit einem Blick auf seine braunen Lederschuhe. „Wir haben braune Schuhcreme gefunden.“
„Das ist nicht wahr!“
„Dürften wir mal in Ihre Schränke schauen?“, fragte Saskia, öffnete dabei den Kleiderschrank, ohne seine Antwort abzuwarten.
Er sprang auf sie zu, schrie: „Nein!“
„Ich habe schon gesehen, was ich gesucht habe“, sagte ich. „Wozu haben Sie eine blonde Perücke im Schrank liegen?“
„Das geht Sie nichts an.“
„Haare dieser Perücke wurden beim Mordopfer gefunden, Herr Starnbald. Ihre Stimme ist mit der des Kollegen leicht zu verwechseln. Und mit dieser Perücke wollten sie Frau Gabot vorgaukeln, Sie seien er.“
„Wie wollen Sie das denn beweisen?“
Jetzt musste ich spekulieren, erinnerte mich an das, was Lohmark uns eben berichtet hatte. „Wir haben Ihre Speichelspuren in ihrer Vagina gefunden.“
Er stöhnte theatralisch. „Ja, mein Gott! Ich habe ihr in den Schritt gegriffen. Mit feuchten Fingern gleitet es halt besser“, sagte er, grinste.
„Machen Sie sich nicht lustig! Wir haben noch mehr gefunden. Sie waren später noch einmal bei ihr. Auch dafür gibt es Zeugen, Herr Starnbald!“
„Niemals! Ich habe niemanden gesehen ...“ Entsetzt schluckte er, realisierte, dass er sich gerade verplappert hatte.
„Vielen Dank, Herr Starnbald. Sie sind vorläufig festgenommen“, sagte ich, holte die Handschellen heraus, um sie ihm anzulegen.
Wir beförderten ihn ins Revier, sperrten ihn in eine Zelle.

Danach fuhren wir erneut zu Britta in die Rechtsmedizin.
„Wir sind fertig mit unserer Arbeit“, neckte ich sie.
„Und ich weiß, wer der Täter war“, entgegnete sie.
„Gut. Ich sage dir, was du gefunden hast. Die älteste Spur war der Speichel von kurz nach Mitternacht. Das war Starnbald. Dann die Spermaspuren von Jaques und Dirk. Und zum Schluss desgleichen von Starnbald, der zudem Spuren beim Schlag ins Gesicht von Marie Gabot hinterlassen hat. Hinzu kommen die falschen blonden Harre einer Perücke, die Frank am Tatort gefunden hat.“
„Absolut korrekt, Bernd. Einzelne Haare dieser Perücke habe ich übrigens auch in ihrer Vagina gefunden. Daran waren ebenfalls DNA-Spuren von Starnbald. Sag mal, woher hattet ihr eigentlich die Speichelprobe von diesem Mann?“
„Oh, das war ein ...“, stammelte ich, „ein Glücksfall. Er hatte sich an diesem Mädchen vergriffen, das uns diese Probe dann übergeben hat.“
„Ich nehme mal an, ihr habt sie nicht dazu animiert?“ Britta wirkte ein wenig aus der Fassung.
„Nein. Das hätten wir schließlich gar nicht tun dürfen. Nein, sie hat Eins und Eins zusammengezählt und ist selbst zu ihm gegangen, hat ihn ein bisschen provoziert, denke ich.“
Britta verdrehte die Augen.
„Wir haben nicht gesehen, was sie getan hat“, versicherte Saskia.
Ich nickte, atmete tief durch, sagte: „Ein perfekter Tag Polizeiarbeit, wenn da nicht die unangenehme Tatsache der toten Marie Gabot wäre.“
„Und der Täter ist geständig“, fügte Saskia hinzu.

Guido Starnbald gestand ein, dass er in Panik geraten war, als Marie Gabot nach seinem Faustschlag mit dem Kopf gegen die Bettkante gestürzt war. Er sei nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen, habe sich wie ein wildes Tier auf sie gestürzt, ist dann geflüchtet, anstatt ihr zu helfen.



Fortsetzung folgt ...
 
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Sonja59

Mitglied
Hallo Rainer,
dann bemühe ich mich mal, in Deinem Text, der mir sehr gut gefällt, noch etwas zu finden.
Es ist fast unmöglich für mich. Aber da ist doch noch was. Also versuche ich es mal.

Um kurz nach neun erreichte ich das Revier. Es war noch genauso ruhig wie vor meinem Urlaub.
Nach einigen (Wort-Dopplung, Vorschlag: Wenige Augenblicke später) Augenblicken kam Sabrina aus dem Nachbarbüro zu mir herüber. „Guten Morgen, Bernd.“

„Jan Loos. Er fährt einen dunkelgrünen 3er-BMW.“ Sie gab mir auch noch das Kennzeichen, ihre Adresse und Telefonnummer, bat um Rückruf, wenn wir ihn gefunden haben.
„Ich melde mich, wenn (Wort-Dopplung, Vorschlag: sobald) ich etwas herausgefunden habe.

„Ich melde mich, wenn ich etwas herausgefunden habe. Auf Wiederhören, Frau Schiffers“, sagte ich (Wort-Dopplung, Vorschlag: beendete ich das Gespräch und) legte auf. Ich war mit meiner Denke schon wieder voll im Job. Und mein Bauchgefühl sagte mir, dass dieser 3er-BMW gerade gefunden worden war.

Eine Identifikation war zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht möglich, weil der Motorblock dem Fahrer quasi auf dem Schoß saß, der Innenraum dermaßen zusammengedrückt war, dass keine Chance bestand, an das Handschuhfach oder gar an die Taschen des Fahrers (Wort-Dopplung, Vorschlag: Verunglückten/ Opfers) zu gelangen.

Er führte uns in sein Wohnzimmer. Sehr spartanisch eingerichtet: Sofa, Sessel, Tisch, Schrankwand mit riesigem Fernseher. Dann schaute er auf die Uhr über dem Fernseher (Wort-Dopplung, Vorschlag: TV-Gerät). „

Also doch die Frage nach dem Motiv. Wer konnte ein Motiv (Wort-Dopplung, Vorschlag: Grund) haben? Wer hat diese Manipulation begangen? Es musste jemand sein, der genau wusste, was er tat.

Weil es ein Tonband ist. Vielen Dank, Herr Schamers. Wir sind dann wieder weg. Achim! Jetzt schalte das Ding endlich ab.“
Nathalie versiegelte die Wohnungstür. Dann (Wort-Dopplung, Vorschlag: danach) fuhren wir fort.

„Als er den Wagen zu mir gebracht hatte, da hat er was von Heiraten gefaselt. Das wollte ich nicht zulassen. Die Idee kam mir ganz spontan. Ist mies gelaufen“, gab er kleinlaut zu.
Mark Ringsmann hatte spontan und (Wort-Dopplung, Vorschlag: Hier kann das zweite spontan und komplett weg, denn es ist auch das Synonym für unüberlegt. Und das steht hier ja als nächstes Wort) unüberlegt gehandelt.

So, das war es von mir. Di siehst, wo Ahorn der Logiker ist und Du die Satzzeichen beherrschst, spüre ich wohl die Wort-Dopplungen auf und finde dafür Alternativen. ;)

Ob Du diese nun verwendest oder nicht, bleibt natürlich allein Dir überlassen.

Ich wünsche Dir heute einen hoffentlich schönen Sonntag.

LG
Sonja


(Wort-Dopplung, Vorschlag:
 
Hallo, Sonja,

super, dass Du Dich meiner Geschichte annimmst. Jede Meinung zählt. Wie Du schon bei Deiner eigenen Geschichte erkannt hast, dass man in den eigenen Werken die einfachen Fehler überliest, hast Du mir da ebenso auf diese in meiner hingewiesen. Danke dafür.
Ich quäle mich nur gerade mit dem ipad meiner Frau. Unser Rechner hat nämlich vorgestern den Dienst versagt, läuft bis jetzt noch nicht wieder. Mal gucken, ob ich Deine Korrekturen mit diesem Gerät hinkriege. Werde ich später mal versuchen.

Liebe Grüße,
 
Hallo Sonja,

mann, ist das eine Fummelei auf dem Ipad. Aber ich habe es geschafft. Habe Deine Vorschläge in geeigneter Weise umgesetzt.
Größere Aktionen, wie zum Beispiel das Korrigieren Deiner Geschichte, werde ich hiermit nicht machen. Da sitze ich ja Stunden. Sorry, da musst Du Dich noch ein wenig gedulden. Vielleicht hat Ahorn Dir bis dahin auch schon ein paar Dinge empfohlen. Ansehen werde ich es mir aber auf jeden Fall.

Liebe Grüße,
 
Hallo Sonja,

wieso nicht hier? Wo denn? Er ist doch hier. Der Thread beinhaltet jetzt beide Episoden.
Und danke für die Blumen. Freut mich, wenn er gefällt.

Liebe Grüße,
 

Sonja59

Mitglied
Na toll, dann zähle ich nun eindeutig zu den Oberdumpfbacken . (schäm)
Ich mache es mir da mal ganz leicht und rede mich auf mein Alter raus. :rolleyes:
Hast Du aber trotzdem die Korrektor erhalten?
LG
Sonja
 
Hallöchen,

eigentlich wollte ich schon die nächste Episode einstellen, musste aber feststellen, dass sie in diesen Thread nicht mehr reinpasst.
Außerdem wurde mir hier noch zu wenig kundgetan, was in den vorliegenden Episoden, insbesondere bei der zweiten, da für die erste schon Vorschläge gekommen waren, verbesserungswürdig wäre. Besonders die faktisch als Lautschrift formulierten Worten der Franzosen. Habe ich da übertrieben?

Liebe Grüße,
 

ahorn

Foren-Redakteur
Teammitglied
Moin, Rainer Zufall,

muss man immer alles selbst machen? :)
Sorry habe es ganz verpeilt, dass du die kleinen Französinnen angehängt hast. Hätest mich auch noch mal daran erinnern können du Schlingel.
„Aberr sie aat nicht langä dagäggen geräddet. Echt. Sie aat gesagt: 'Dieses eine Mall, dabei bleibt es. Das muss genüggen.' Also sind wirr in irr Zimmärr und aaben ...“
Der Dialekt gefällt mir, bloß eine Kleinigkeit ist falsch. Das französische 'e' wird eher wie ein 'ö' ausgesprochen. Dagegen ist das 'é' ein 'e'.

„Abörr sie aat nicht langör dagöggön geröddet. Öcht. Sie aat gösagt: 'Dieses eine Mall, dabei bleibt es. Das muss genüggön.' Also sind wirr in irr Zimmörr und aaben ...“

Das 'g' vor 'I' und 'e' wird eher zu einem 'sch'.

„Abörr sii aat nicht lanschör daschöschön scheröddet. Öcht. Sie aat schösagt: 'Diises eine Mall, dabei bleibt es. Das muss schenüschön.' Also sind wirr in irr Zimmörr und aaben ...“

Das kann natürlich niemand lesen, also nehme nur einige Worte und andere lasse sie richtig sprechen.

Beispiel wie: 'Dabei bleibt es' würde ich sie 'dabei bleibt ös' sagen lassen.

Liebe Grüße
Ahorn
 
Hallo Ahorn,

der Schlingel hat aber gerade auch noch ein paar andere Sachen um die Ohren. Eigentlich seit Wochen.
Okay, das 'ö' und 'sch' ist zu viel. Das kann dann wirklich keiner mehr verstehen. Und vor dem Hintergrund, dass sie ja ein Deutsch-LK sind, sollte die Aussprache vielleicht zumindest ein bisschen eingedeutscht sein. Insgesamt ist wohl weniger am Ende mehr. Da warte ich vielleicht noch auf Vorschläge anderer Leser.

Liebe Grüße,
 

ahorn

Foren-Redakteur
Teammitglied
Moin Rainer Zufall,

Das kann dann wirklich keiner mehr verstehen.
Das schrieb ich ;).

Das kann natürlich niemand lesen, also nehme nur einige Worte und andere lasse sie richtig sprechen.
Du müsstest einen anderen Ansatz nehmen.

Wie du schreibst.
Und vor dem Hintergrund, dass sie ja ein Deutsch-LK sind, sollte die Aussprache vielleicht zumindest ein bisschen eingedeutscht sein.
Versuch nicht, einzelne Buchstaben auszutauschen. Im Französischen gibt es dieselben Vokale, sogar Umlaute wie im Deutschen, sie werden nur auf andere Art geschrieben.
e ist é
ö ist e
usw

Mit deutschen Dialekten ist es einfacher.
Geschrieben: Keiner da
Im Braunschweiger Dialekt gesprochen: Kaana da.

Wenn deine Französin nicht gutes Deutsch spricht auch einfach:
Pardon, aaben dasch?
Jeder Leser merkt sofort: "Ah, sie ist Französin."

Deine spricht aber gutes Deutsch.
In dem Fall ist zu überlegen, welche Laute dem Franzosen schwerfallen.
Klar, das stimmhafte h, das scharfe s!
Was noch? Mein französischer Unterricht liegt zwar schon beinahe 40 Jahre zurück, aber soweit ich mich entsinne, meine Kenntnis verwende, wird zum Beispiel im Deutschen k eher als Zungenlaut (Mundraum) gesprochen, im Französischen eher als Kehllaut.
Ich würde mir in diesem Fall Franzosen anhören, die Deutsch sprechen oder singen, vielleicht die Mireille Mathieu .

Mache dir mal einen schönen Abend mit deiner Frau und einem guten französischen Roten.

Liebe Grüße
Ahorn
 

ahorn

Foren-Redakteur
Teammitglied
Moin, Rainer Zufall,

deine Franzosen lassen mir keine Ruhe.
Sie hat in der Schule Deutsch gelernt, bon. Aber spricht sie tagtäglich?
Außeredem denke daran, dass sie nervös ist.

Wie wäre es mit Folgenden:

„Wie ernst muss ich diese Äußerungen nehmen, junger Mann?“, fragte ich ihn.
„Sagen Sie rruhig Jaques, Err Kommissarr. Ja, also, derr Err Lohmarrk aat die Marrie schon ein bisschen angemacht. Ich aabe die beiden auch zum Schluss nooch auf däm Gang gesähen. Da standen sie vorr seinem Zimmärr. Die Lährärr aaben ja Einzelzimmärr.“
„Und?“
„Na ja, err aat sie nicht gähen lassen, aat sie in sein Zimmärr gedrängt. Ich denke, err wollte märr.“
„Das ist ein schwerer Vorwurf.“
„Därr Dirrk kann es bestätigen. Err aat es auch gesähen.“
„Wie ernst muss ich diese Äußerungen nehmen, junger Mann?“, fragte ich ihn.
"Euh, sagen Sie Jag, Misziö Kommisär. Oont fä, Misziö Lomark aat Marrii schon un pö, ein bisschen angemascht. Ich aabe beide zu Ende auf der Flur gesehen. Da standen sie vor seinem Zimmer. Alor, die Leerer aaben Zimmer mit nur ein Bett."
„Und?“
"Alor, er aat sie nischt lassen geen, aat sie in sein Zimmer gedrengt. Bön jii, ich denke, er wollen meer."
„Das ist ein schwerer Vorwurf.“
"Der Dirk kann besteetgen es. Er att geseeen, onfin."

Ich habe die deutschen in französische Füllworte getauscht, dieses aber so geschrieben, wie man sie - soweit es möglich ist - ausspricht.

Liebe Grüße
Ahorn
 
Guten Morgen, Ahorn,

jetzt hab ich Dich echt angespitzt, ja?:)
Nun, es ist die Abiturklasse mit Deutsch-LK. Sie haben also in den letzten Wochen gewiss mehr Deutsch gesprochen, um die Sache gut zu machen.
Darum war ja meine Frage, ob ich es ein wenig übertrieben habe. Dein Vorschlag geht schon in die richtige Richtung, denke ich. Ich bin natürlich auch mutig, ausgerechnet eine Sprache zu wählen, die ich überhaupt nicht gelernt habe.
Eines erkenne ich an Deinen Vorschlägen: das 'ä' ist übertrieben häufig von mir verwendet. Aber das mit dem rollenden 'r', das ich zu 'rr' gemacht habe, dachte ich, wäre ein bisschen typisch.
Ich denke, typisch französische Worte kann man auch so schreiben. Dein 'Euh' soll doch sicher 'Oui' heißen. Richtig? Seinen Namen (Jaques) würde ich ebenfalls korrekt schreiben. 'Misziö' dagegen finde ich schräg. Ich Banause wüsste nur gerade nicht, wie man es in Original-Französisch schreibt ...:rolleyes:
Und was bedeutet dieses 'Bön jii'?

Diese Woche ist meine Zeit noch etwas knapp. Aber ich würde mich freuen, wenn Du Dir meine Geschichte mal näher anschaust. Ab dem 12.12. habe ich ein bisschen Urlaub. Da kann ich mich dann an die Überarbeitung setzen - sofern meine Frau mich lässt ...:oops:;)

Liebe Grüße,
 
Ich bin natürlich auch mutig, ausgerechnet eine Sprache zu wählen, die ich überhaupt nicht gelernt habe.
Eines erkenne ich an Deinen Vorschlägen: das 'ä' ist übertrieben häufig von mir verwendet. Aber das mit dem rollenden 'r', das ich zu 'rr' gemacht habe, dachte ich, wäre ein bisschen typisch.
Hallo Rainer,

sorry, wenn ich mich hier dazwischen quetsche (der Beitrag war ja an ahorn gerichtet), aber das finde ich interessant und habe einen Tipp:

Schau dir mal Musikvideos auf YouTube in französischer Sprache an. (Z. B. Celine Dion oder Mireille Mathieu). Vielleicht hilft das ein wenig.

Manche Videos sind auch untertitelt, sodass du nachvollziehen kannst, wie ein "r" gesprochen wird (eigentlich nicht anders als im Deutschen), z. B. bei „parler".

LG SilberneDelfine
 
Hallo SilberneDelfine,

wirst Du wohl aufhören Dich zu entschuldigen ...;) Herzlich willkommen, meine Liebe! Ich freue mich, dass Du mal in der Krimiecke vorbeischaust.
Dieser Tipp ist nicht schlecht. Aber ich finde das rollende 'r' irgendwie passend. Es gibt ja auch in der deutschen Sprache Dialekte, wo es so gesprochen wird.
Bin schon sehr gespannt auf Deine Anmerkungen.

Liebe Grüße,
 

Sonja59

Mitglied
Hallo Rainer,

ich habe mir den Text noch einmal angesehen und nur wenig gefunden. Hier erst einmal noch etwas vom ersten Teil:


„Das ist schön. Dann kann ich mich erstmal erst mal wieder an diesen Schreibtisch hier gewöhnen.
„Dann leb dich erstmal erst mal / erst einmal wieder ein.“

Sieh mal hier:

korrekturen.de

https://www.korrekturen.de › wortliste › erstmal.shtml

erst mal / erstmal | Neue Rechtschreibung – korrekturen.de
Erst mal oder erstmal ist eine umgangssprachliche Verkürzung von »erst einmal«. Die Schreibweise mit Trennung ist empfohlen, da die ohne Trennung falsch wäre. Erfahren Sie mehr über die Rechtschreibreform und die Worttrennung.


bemerkte ich, es hatte die geregnet ‒kein Leerzeichen , hat
Ich sagte Sabrina bescheid Bescheid, dass ich mit Achim fort war.
zu spät gebremst und … An an dieser Stelle war nicht umsonst nur Sechzig sechzig / 60 erlaubt.

Siehe hier:
Zahlwörter richtig schreiben, so geht’s!
Ein Leben ohne Zahlen ist unvorstellbar. Umso wichtiger, die Nummern korrekt zu schreiben. Doch Vorsicht: So allgemein lässt sich die Frage gar nicht abhacken. Wobei wir in der Regel die Zahlen von 1 bis 12 ausschreiben und alles, was darüber hinaus geht, als Nummern festhalten.

Es heißt also eins, zwei, drei, vier, fünf, aber 13, 14, 15 und 16.
Legst du in einem Text wert auf einen ordentlichen Lesefluss, kannst du alle Zahlen ausschreiben. Wobei es bei sehr vielen Zahlen schnell unübersichtlich wird, wenn wir ALLE ausschreiben. Sachtexte und Rechnungen setzen demzufolge auf Nummern, die niemals ausgeschrieben werden.

„Nee, um Himmels Willen willen. Viele sind offenbar einfach weitergefahren

Und weiter geht es mit dem zweiten Teil. "Neid ist tödlich"

Abschlussfahrt mit ihrem Französisch-Leistungkurs Französisch-Leistungskurs
im Revier nur Achim in im Urlaub war, konnte ich mir das erlauben.
Der Täter wird die zierliche Frau, die kaum über einssechzig eins sechzig groß war,
Ich denke, wir sollten erstmal erst mal alle versammeln und ihnen
unserer Realschule hier, um hier Wandern wandern zu gehen.“
Wir werden nochmals mit ihm reden“, sagte ich.
Da hat er von ihr abgelassen und ist raus gerannt rausgerannt,hat
Nein, sie hat Eins und Eins eins und eins zusammengezählt

So, mehr war für mich nicht zu finden. Was den französischen Dialekt betrifft, so finde ich ihn persönlich so in Ordnung. Kommt schon in etwa so hin, wie meine Kollegen aus Toulouse auch sprechen. Wobei es auf Korsika wieder ganz anders klingt. Also nicht ganz so weich. Außerdem kommt natürlich auch immer darauf an, wie gut sie Deutsch gelernt haben und wie lange sie es schon sprechen. Somit finde ich, Du hast alles richtig gemacht. ;)

Ich wünsche Dir noch einen schönen Abend.

Liebe Grüße

 



 
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