Kompletter Irrsinn (KI schreibt Gedichte)

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Welche Erfindung hat uns zuletzt wirklich entlastet, erleichtert, von Mühsal befreit?
Nach Strom und fließend Wasser in den beheizten Behausungen, Staubsaugern, Waschmaschinen... kam in den letzten Jahrzehnten erstaunlich wenig nach, das uns eine körperliche Arbeit effektiv abgenommen und uns stattdessen eine Freizeit, ein Labsal geschenkt hätte. Auch mit Staubsaug- und Rasenmährobotern haben wir althergebrachte Geräte bloß weiter optimiert; bahnbrechend neue Erfindungen waren das nicht.
Nur wer über die Produktionsmittel verfügt, konnte durch den maschinellen Fortschritt zunehmend profitieren, während die große Mehrheit vor allem mit Unterhaltungselektronik billig abgespeist wurde.
In der Tat hatten die wirklich neuen Erfindungen der letzten Zeit oft eher spielerischen Charakter und ermöglichen es uns etwa, Filme und Serien nach Belieben herbei zu streamen oder Informationen, Fotos… mit ein paar Klicks um die Welt zu schicken, mehr aber nicht. Das ganze große Internet ist ja doch vor allem eine theoretisierende Spielwiese, auf der gewiss immens viel Geld hin- und hergeschoben, aber an sich nichts Greifbares produziert wird.

Generell gilt:
Dort, wo es nötig ist, dass Menschen Hand anlegen, wird meist auch weiterhin die menschliche Hand gebraucht.
Wo Menschen betreut, gepflegt oder abgefüttert… werden sollen, gibt es keine große maschinelle Entlastung.
Der Pflegeroboter kam bisher höchstens als Kuschelrobbe* daher, die aber schon wieder nicht mehr als ein Spielzeug ist und noch nicht mal ein besonders originelles. Mit Tamagotchis** und Furbys*** fleuchte schon bedeutend ausgereiftere Technik durch die Kinderzimmer dieser Welt.
Auch schon wieder widersinnig, dass gerade der zwischenmenschliche Kontakt durch ein fellbeflocktes Metallskelett (durch etwas Nicht-Menschliches) ersetzt werden soll, während die Mühsal der Pflege erst recht wieder beim Menschen verbleibt.
Vor allem spielerische und geistige Aufgaben übernimmt die Maschine: So kann Fortschritt doch nicht gedacht sein.
Mit dem Vorantreiben der technischen Möglichkeiten schaffen wir somit auch einen neuen Wust an Zuständigkeiten, welche delegieren oder dokumentieren, während das Eigentliche im Schatten dieser Vorgänge weiterhin verkümmert.
Und doch ist viel mehr von der vermeintlich notwendigen „Digitalisierung des Gesundheitsbereichs“ die Rede als dort investiert wird, wo die Hände zupacken – was für ein Irrsinn.
Wir nennen es „modern“, wenn uns heute unterbezahlte Lohnsklaven auf dem Fahrrad die Pizza an die Tür liefern, weil die Bestellung nunmehr über eine App läuft, die aber ihrerseits die eigentliche Arbeit nicht übernimmt.
Bloß das Delegieren und Organisieren läuft nun anders und genau dies sind auch jene Schnittstellen, an denen großes Geld verdient wird; an der Arbeit selbst, also der Zubereitung der Speisen bis zu ihrer Auslieferung, hat sich nicht viel verändert. Das tun Menschenhände, keine Maschinen und kein Algorithmus, und meist können sich diese Menschenhände dafür noch nicht mal guten Lohn oder Lebenssicherheit erwarten.

Nach dem Organisieren soll die KI nun weitere Aufgaben geistiger Natur übernehmen, die ehemals von Menschenköpfen geleistet wurden.
Körperlose Apparaturen sollen nun sogar kreative Inhalte erstellen, Musik komponieren und Literatur schreiben, Rezepte, Restaurantbewertungen…?
Spätestens hier wird es grotesk.
Wie soll mir etwas, das nicht fühlen oder schmecken kann, kein Herz, keinen Magen, kein Empfinden hat, in dieser Hinsicht etwas erklären, näherbringen?
Besonders im kreativen Bereich ist die unmittelbare Mensch-Erfahrung unabdingbar, einfach nicht an ein Ding abtretbar.
Das konterkariert den Sinn und die Bedeutung kreativer Arbeit nun völlig.
Phantasie oder Poesie wohnen der Maschine nicht inne, sie kennt nur Bits und Bytes.
Nicht einzusehen, dass wir das Allermenschlichste und das Lustbetonte an ein Ding auslagern, das weder menschlich ist noch Lust verspüren, nicht erleben und nicht wahrnehmen kann…
Noch dazu, wo auch gar kein Mangel an kreativen Inhalten besteht. Gibt genug brotlose Künstler da draußen (mich ev. eingeschlossen), die für ihr Leben gern ihre Kreativität, ihre Wahrnehmung und ihr Empfinden, original menschlich, mit der Welt teilen möchten.

Wirklich „kreativ“ ist die KI ja auch nicht.
Nichts Neues kann sie aus sich selbst schaffen, wo eine sogenannte „Intelligenz“ doch stets nur in Datensätzen wühlt, um diese neu zu kombinieren, bis am Ende ein Text oder vielleicht eine Melodie steht.
Wer sich mehr erwartet, als mit variierten Wort- oder Tonfolgen sattsam unterhalten zu werden, muss sich von der KI zwangsläufig enttäuscht zeigen.
Nachdem die verwendeten Datensätze auch immer erst von Menschen aus Fleisch und Blut eingespeist werden müssen, kann das Endergebnis immer nur ein Mosaik aus Plagiaten sein; professionell abgekupfert, aber niemals aber ein eigener Gedanke, eine Idee dem eigentlichen Sinn nach.
Die eigentliche Arbeit, das Entwickeln von Ideen und Impulsen, verbleibt damit auch einmal mehr bei den Menschen, die für diese Arbeit – das Einspeisen der Daten, aus denen die KI „schöpft“ – nur schlecht oder gar nicht entlohnt werden.

Einmal mehr soll der Mensch als eine Melkkuh für jedwedes Datenmaterial ausgebeutet werden. Vor allem das soll die Zukunft sein.
Alles was die moderne Technik heute neu hervorbringt, fußt ja doch vor allem auf der gewinnbringenden Sammlung und Auswertung von Datensätzen.
Dabei bleibt der Gewinn für die Allgemeinheit überschaubar – hingegen der Preis ist hoch; besonders, wenn man bedenkt, dass der Einzelne hier einen Kontrollverlust erleidet und zur Datenfreigabe (oft bis in sensible, private Bereiche hinein) verleitet oder fast schon gezwungen wird.
Das Menschliche und Zwischenmenschliche wird immer öfter durch eine kalte, maschinelle Kontaktstelle unterbrochen, das Mensch-Typischste, das Kreative nun auch noch wird dem Menschen genommen; übrig bleiben Lohnabhängige, die sich um immer weniger Erwerbsmöglichkeiten rangeln müssen und zwecks Datenhunger zunehmend gläserner werden; die körperliche Arbeit wird vielfach mühsamer, nicht leichter, weil zugunsten der Technik an den menschlichen Ecken gespart wird - aber die KI schreibt uns zum Ausgleich ein Gedicht über den Müßiggang an einem blauen Sommertag, den niemand mehr erlebt.
Ein auffallend schlechter Handel.
Die technische Entwicklung wird überdies meist als „unausweichlich“ (mal wieder „alternativlos“), quasi als automatisierter Selbstläufer beschrieben und wird so getan, als könnten wir uns nur darauf einstellen und uns anpassen – statt umgekehrt die technischen Umstände darauf abzustellen, wie eine Zukunft menschlich und sozial besser werden kann.

Ist doch kompletter Irrsinn.
An welchem Punkt dieses Prozesses etwas Gutes für die Menschheit herausspringen soll, erschließt sich mir partout nicht.
Viel eher hat es den Anschein, als würde das Nicht-Menschliche immer weiter überhandnehmen und immer finden sich genug Menschenhände, die dazu auch noch begeistert applaudieren.
Aber wirklich schon fehlt nicht mehr viel zu den dystopischen Büchern und Filmen, die wir bislang als warnendes Beispiel kannten.


* https://de.wikipedia.org/wiki/Paro_(Roboter)

** https://de.wikipedia.org/wiki/Tamagotchi

*** https://de.wikipedia.org/wiki/Furby
 

sufnus

Mitglied
Hey D. E. :)
Du scheinst Dir hier einiges an Frust und/oder Besorgnis von der Seele zu schreiben, was im Sinne eines kathartischen Dampfablassens ja äußerst begrüßenswert ist. :) Die Frage ist halt, ob Du im Nachgang großes Interesse an einem Diskurs über das für und wider über den Einsatz von KI in der Kunst im Allgemeinen oder der Lyrik im Besonderen hast? Ich mein, wenn Du Dir vor allem Luft verschaffen wolltest, ist das jetzt vielleicht gar nicht so in Deinem Fokus, jetzt in graustufige Abwägungen einzusteigen, dann will ich da nicht unbedingt off-target rumschwafeln ;)
Auf alle Fälle habe ich ann Deinen Überlegungen mit großem Vergnügen Anteil genommen. :)
LG!
S.
 
Servus sufnus,

natürlich bin ich offen für einen Diskurs und freue mich über Antworten jeder Art.
Meine Sicht der Dinge habe ich nun offengelegt, ganz ohne Anspruch auf allgemeine Gültigkeit, und möchte natürlich auch andere Aspekte gelten lassen.
Insgesamt ist meine Kritik vielleicht auch ein wenig arg zugespitzt? Meine Sicht gar zu negativ?
Sicherlich bringt die moderne Technik eine ganze Reihe wunderbarer Möglichkeiten mit sich, das will ich auch gar nicht negieren – nur diese Fortschrittsgläubigkeit, die zu grassieren scheint, scheint mir oft schon so eine Art Religionsersatz. Es soll nur stur geglaubt, praktiziert und nicht mehr hinterfragt werden - das war ja noch nie was Gutes.
Dass sich die „moderne“ Welt zum Besseren entwickelt, daran habe ich jedenfalls erhebliche Zweifel in vielerlei Hinsicht; das wollte ich zum Ausdruck bringen.

Mit liebem Gruß,

Erdling
 

sufnus

Mitglied
Moin Erdling!
Alles klar - dann will ich doch gerne an einem gemeinsamen Diskursfaden spinnen. :) Ich könnte mir durchaus vorstellen (mag mich natürlich irren), dass @lyrikPower angesichts seiner aktuell offenbar stattgehabten ChatGTP-Nutzung zu dem ein oder anderen von Dir angestoßenen Aspekt auch etwas zu sagen hätte. Gibt aber sicher den ein oder anderen Mitdiskutanden, der sich hier bereits Meinungen gebildet hat oder noch auf der Suche nach selbigen ist. :)
Ich selbst will den allgemeinen Aspekt der Besorgnis vor KI nur relativ kurz streifen: Ich halte die Technologie (wie jede ausgefeilte Technologie) im Bereich der Militärtechnik tatsächlich für hochgefährlich. Durch autonome und "clever" aber "skrupellos" agierende KI-basierte Waffensysteme bzw. Waffensystem-"Clouds" (ggf. in Kombi mit Mikro- oder Nanotechnologie) stehen uns Gefahren ins Haus, die mit der nuklearen Waffentechnologie ohne weiteres mithalten können (ggf. lässt sich das natürlich auch kombinieren).
Während ich hier also ziemlich pessimistisch bin, sehe ich dem Einsatz von KI im Bereich der Kunst überwiegend mit Freude entgegen. Es steht m. E. überhaupt nicht zu erwarten, dass KI die menschlichen Künstler arbeitslos macht, einfach deshalb, weil (nach dem Abebben der Anfangseuphorie) "menschliche" Kunst auf mehr Interesse stoßen wird als komplett KI-basierte Kunst. Auch wenn der Vergleich ein bisschen hinkt: Die Entwicklung übermenschlich gut spielender Schachcomputer im Niveau von >3000 ELO-Punkten hat den Schachsport auch nicht zum erliegen gebracht (eher im Gegenteil) und die Einführung der Fotographie mit ihren "perfekt" naturalistischen Bildern hat die Malerei auch nicht zerstört. Technik ergänzt im Bereich der Kreativität aller historischen Erfahrung nach eher die menschliche Kunstentfaltung, ohne sie zu ersetzen. Insofern könnte uns hier eigentlich eher einiges sehr Schönes erwarten. So meine Hoffnung. :)
LG!
S.
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich möchte auch kurz etwas dazu schreiben. Ich sehe eine große Besorgnis gegenüber der KI witzigerweise hauptsächlich bei den Künstlern und manchmal (Damit bist nicht notwendigerweise du gemeint Dichter Erdling) aus verletzter Eitelkeit heraus. Die KI darf nicht besser machen, was ich ebenfalls mache ... in der Regel ist es so primitiv.

Aber auch viele Punkte, die du anbringst, wollen mir nicht recht einleuchten. Es sind nur Fragen und ich hoffe du kannst sie mir beantworten.

Das ganze große Internet ist ja doch vor allem eine theoretisierende Spielwiese, auf der gewiss immens viel Geld hin- und hergeschoben, aber an sich nichts Greifbares produziert wird.
Das muss es auch nicht, ich kann dir versichern, dass das Spiel und das nicht Greifbare eine wunderbare Sache sind. Dinge sind eben manchmal auch Selbstzweck, weil sie Lustgewinn sind. Es muss nicht "Greifbar" sein um wertvoll zu sein. Und erzähle mir nicht, dass das Internet deine Lebensqualität nicht gesteigert hätte, dann wärst du nämlich nicht hier.

Vor allem spielerische und geistige Aufgaben übernimmt die Maschine: So kann Fortschritt doch nicht gedacht sein.
Mit dem Vorantreiben der technischen Möglichkeiten schaffen wir somit auch einen neuen Wust an Zuständigkeiten, welche delegieren oder dokumentieren, während das Eigentliche im Schatten dieser Vorgänge weiterhin verkümmert.
Und doch ist viel mehr von der vermeintlich notwendigen „Digitalisierung des Gesundheitsbereichs“ die Rede als dort investiert wird, wo die Hände zupacken – was für ein Irrsinn.
Wir nennen es „modern“, wenn uns heute unterbezahlte Lohnsklaven auf dem Fahrrad die Pizza an die Tür liefern, weil die Bestellung nunmehr über eine App läuft, die aber ihrerseits die eigentliche Arbeit nicht übernimmt.
Bloß das Delegieren und Organisieren läuft nun anders und genau dies sind auch jene Schnittstellen, an denen großes Geld verdient wird; an der Arbeit selbst, also der Zubereitung der Speisen bis zu ihrer Auslieferung, hat sich nicht viel verändert. Das tun Menschenhände, keine Maschinen und kein Algorithmus, und meist können sich diese Menschenhände dafür noch nicht mal guten Lohn oder Lebenssicherheit erwarten.
Das ist schon richtig, aber eben der notwendige Gang der Entwicklungen. Denn um komplexe Handlungen von einer KI steuern zu lassen und sie damit komplexe Arbeit übernehmen zu lassen, muss man erst einmal wissen, wie man eine KI richtig mit Informationen umgehen lässt und dementsprechend ist diese Kritik keine Kritik, sondern ein Übergangsstadium, das notwendigerweise da sein muss.

Nach dem Organisieren soll die KI nun weitere Aufgaben geistiger Natur übernehmen, die ehemals von Menschenköpfen geleistet wurden.
Das wird sie immer noch und wird sie auch zu allen Zeiten werden. Bereitet es dir Lust Gedichte zu schreiben und die Gedichte von anderen Personen zu lesen? Ja? Na, dann wirst du damit nicht aufhören, nur weil eine KI es auch kann.

Spätestens hier wird es grotesk.
Warum? Warum sollte mir ein gutes Lied, dass eine KI erstellt hat nicht gefallen? Weil ich nicht vor dem musikalischem Genie einer besonders begabten Person niederknien kann? Is mir doch wurscht: Außerdem:

Wirklich „kreativ“ ist die KI ja auch nicht.
genau das! Das was die KI schafft ist nicht die Einzelhandlung eines begabten Individuums, sondern eine die Kollektivleistung aller Menschen, die sie mit Informationen gespeist haben. Ich würde gerne mal jm. treffen, der anerkennt, dass das (was die KI schafft) das Ergebnis vieler Menschen ist, die über Jahrtausende zusammengearbeitet haben und dass es wunderbar ist zu sehen, wie die vielen Puzzleteile an Informationen (zu denen wir alle beitragen) kombiniert werden.

Nachdem die verwendeten Datensätze auch immer erst von Menschen aus Fleisch und Blut eingespeist werden müssen, kann das Endergebnis immer nur ein Mosaik aus Plagiaten sein; professionell abgekupfert, aber niemals aber ein eigener Gedanke, eine Idee dem eigentlichen Sinn nach.
Die eigentliche Arbeit, das Entwickeln von Ideen und Impulsen, verbleibt damit auch einmal mehr bei den Menschen, die für diese Arbeit – das Einspeisen der Daten, aus denen die KI „schöpft“ – nur schlecht oder gar nicht entlohnt werden.
Eben, der Unterschied zwischen einer KI und einem Bewusstsein (oder auch Unterbewusstsein) ist eben, dass es selbstständig neue Reize interpretieren kann, aber in welchem Maße? Ich zweifel manchmal daran, dass ich bei den meisten Kreativen Arbeiten mehr tuen, als schon verarbeitete Reize zu kombinieren ... wollen wir jetzt zu dem Gedanken zurück, dass wir unendlich frei sind und aus einer göttlichen Inspiration heraus eine neue Welt schaffen? Das Einzige das wir können (und die KI nicht) ist die Relationen, in die wir gesetzt sind, zu kennen, sie zu fühlen, aber ich zweifel daran, dass wir im wesentlichen mehr tun als Reize zu kombinieren, also auf unseren Erfahrungs, Instinkt und Sinnesdatensatz zuzugreifen und es zusammen-zu-puzzeln. Und schon im Schreiben bist du immer mehr das Ergebnis dessen was du gelesen hast, als ein Gott, der eine neue Welt schafft.

Und was wird jetzt schlecht entlohnt? Leute die KIs für Banken entwickeln? Die sind nun wirklich nicht schlecht entlohnt ... Soll ich jetzt dafür entlohnt werden, dass ich den YouTube Algorithmus speise. Ich verstehe nicht wovon du redest.

Einmal mehr soll der Mensch als eine Melkkuh für jedwedes Datenmaterial ausgebeutet werden. Vor allem das soll die Zukunft sein.
Einmal mehr? Warum, wieso? Ich weiß, die Welt ist nicht kunterbunt ... aber im Maßstab von Jahrzehnten gesehen, gibt es Quasi konstant seit 200 Jahren immer weniger Armut und Ausbeutung auf der Welt. Es geht uns immer besser, wir leben immer länger und besser und meckern gleichzeitig immer mehr.


An welchem Punkt dieses Prozesses etwas Gutes für die Menschheit herausspringen soll, erschließt sich mir partout nicht.
Viel eher hat es den Anschein, als würde das Nicht-Menschliche immer weiter überhandnehmen und immer finden sich genug Menschenhände, die dazu auch noch begeistert applaudieren.
Aber wirklich schon fehlt nicht mehr viel zu den dystopischen Büchern und Filmen, die wir bislang als warnendes Beispiel kannten.
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder die KI wird auf lange Sich die Zeit verkürzen, in der du arbeiten musst, interessante Dinge schaffen und ganz nett sein und ein wunderbares Experimentierfeld für viele Menschen werden, oder sie wird ein "Eigeninteresse" entwickeln und uns alle zu knechten versuchen. Und ähm, ja, eine selbständig denkende KI könnte problematisch werden und Chaos herbeiführen, aber (Sorry, dass ich das jetzt so primitiv ausdrücke, aber letztlich ist es genau das) dann zieh halt den Stecker. Die meisten Dystopien in der Richtung, ließen sich mit dem Prinzip einer externen Stromquelle beseitigen. Es tut mir wirklich leid, dass ich das so ... primitiv darstelle, aber der Gedanke, dass man auf lange Sicht die Kontrolle über eine KI verlieren würde, schließt halt den Gedanken mit ein, dass man sie nicht zeitig beseitigen könne, weil man entweder zu blöd ist oder sich ihr gegenüber versklavt hat ... und das wage ich zu bezweifeln.

Oder willst du darauf hinaus, dass die Überbetonung des Technischen uns anderweitig schaden wird? Denn im gewissen Sinne stimme ich dir da zu, aber ich will nicht resigniert klingeln ... das wird sowieso passieren. Es wäre auf lange Sicht gesehen viel klüger das Unvermeidbare zu gestalten zu suchen und auch mal die Potenziale zu sehen, die darin stecken, als uns mit Händen und Füßen dagegen zu wehren und ohne Ideen in die neue Herausforderung zu gehen.

LG
Patrick

PS: Sorry, hab grad echt wenig Zeit und wollte nur ein paar Gedanken dalassen, ich kann es gerade nicht überarbeiten, also entschuldige die Fehler.
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ach so - noch eine Kleinigkeit: Bewusstsein (und im wesentlichen Eigeninteresse) ist ja eine wunderliche Sache, die ich wirklich nicht verstehe. Aber es ist ja doch offensichtlich, dass die Funktion (und deswegen bin ich kein Cartesianer) des Bewusstseins im Wesentlichen darin besteht sich verständlich zu machen. Eine komplexe Gruppendynamik erfordert ein komplexes zusammenarbeiten und deswegen ist es sinnvoll, wenn die betroffenen Individuen "wissen", was sie denken, "wissen, was sie fühlen und das Eigeninteresse entsteht dann, wenn man "weiß", was einem "nutzen" würde.

Dazu ist es aber notwendig, dass du dich in einer Umwelt befindest, in der du ständig neuen Reizen ausgesetzt bist und in der du davon abhängig bist, dass du mit anderen interagierst. Warum zur Hölle sollte eine KI so ein Eigeninteresse entwickelt? Das macht einfach keinen Sinn, denn es besteht keine Notwendigkeit dafür.
 
@sufnus

Deine Argumente bezüglich Schach und Photographie scheinen fürs Erste tatsächlich ein wenig tröstlich.
Das Spezifikum der „kreativen“ KI besteht aber darin, dass sie sich am Ende selbst gar nicht ausweist wie der schachspielende Computer oder dass sie sich vom Wesen her nicht abhebt wie das Foto vom Gemälde. Es werden nunmehr Inhalte geschaffen – Texte, Bilder, Musik… - die zwar menschlich anmuten, aber nicht wirklich von Menschen produziert werden. Es könnte unmöglich werden, hier noch unterscheiden zu können – und so könnte sich unbemerkt etwas als „neues Normal“ einschleichen und die wahrhaft menschlichen Inhalte verdrängen, ohne dass dies bewusst und offen geschieht.

Demgegenüber stehen auch viele andere Beispiele, in denen der Fortschritt und die Digitalisierung den Lohnabhängigen einfach nur haufenweise Arbeitsplätze weggefressen hat. So sind die Menschen zwar zunächst vom „Mühsal“ der Arbeit befreit worden; das aber nur, um sich anschließend als Ausrangierte vor einem Hartz-IV-Regime verantworten zu müssen und statt Freiheit und Autonomie gibt es die sanktionierte Beklemmung.
Das hat sich auf vielen Feldern eingeschlichen.
Neuerdings stehen die Kunden im Supermarkt und kassieren sich selbst ab, Anfragen laufen über den Chatbot, am Bahnhof geht man zum Automaten statt zum menschlich besetzten Schalter… was die arbeitslos gewordenen Mitarbeiter heute tun, weiß man nicht so genau.

Der Mensch steht zunehmend in Konkurrenz zur Maschine und verliert immer genau dort, wo diese billiger arbeitet, immer öfter an den kostenintensiven Mensch-zu-Mensch-Schnittstellen.
Die Früchte des Fortschritts ernten vor allem diejenigen, die über die Maschine verfügen; der Rest muss zusehen, wie er sich mit den Neuerungen arrangiert.

Im kreativen Bereich gibt es schon unter den menschlichen Teilnehmern härteste Kämpfe um Marktanteile/Aufmerksamkeit/Erfolg; wenn hier nun auch noch maschinelle Konkurrenz mitmischt, die so gut ist, dass sie das Menschliche derart überzeugend imitieren kann, dass es kaum jemand durchschaut, ist das dann schon nochmal ein bedrohliches Signal.
So vollumfänglich kann ich deinen Optimismus mit Blick auf die Kunst also nicht teilen.

Der Verweis auf militärischen Gebrauch scheint mir indes wichtig.
Gewiss kennst du den Spruch, der Krieg sei „der Vater aller Dinge“.
Damit verweist man z. B. gern darauf, dass auch das große Internet von Anfang an der militärischen Nutzung entspringt. US-amerikanische Universitäten, die fürs Verteidigungsministerium forschten, bauten Ende der 1960-er Jahre ein Netzwerk auf, um ihre Rechner miteinander zu verbinden.
Ich kann dem Spruch per se nicht viel abgewinnen, auch wenn er auf Heraklit zurückgehen soll und auch wenn sich historische Beispiele finden, die den Sager untermauern.
Ich meine, natürlich entspringen die großen Erfindungen eben jenen Forschungsfeldern, denen am meisten Zeit und Ressourcen gewidmet werden. Bei einer Menschheit, die auf Konfrontation und Konkurrenz aus ist, liegt dieser Fokus natürlich auf kriegerischen Mitteln und Institutionen und kein Wunder, wenn dann von dort die größten Leistungen kommen.
Würde der Fokus anderswo liegen, es würde der Erfindergeist wohl aus anderen, vermutlich fruchtbareren Feldern schöpfen.
Ich meine: Der Krieg ist nicht Vater, sondern ist vor allem Zerstörer und viel fruchtbringender ist doch die Friedenszeit, wo ein Miteinander im Vordergrund steht.
Aber kaum noch, dass wir Menschheit anders denken können als eine Spezies, die sich im gegenseitigen Übertrumpfen die Köpfe einschlägt.

Mit KI-basierten Waffensystemen erreicht das Ganze nochmal neue bedrohliche Qualitäten.
Ohne gerichtlichen Prozess werden damit heute schon Todesstrafen vollstreckt, werden Menschen per Knopfdruck getötet, das ist eine maximale Entrechtung.
Vorerst passiert das noch relativ weit weg vom sogenannten „Wertewesten“, aber auch hierzulande passiert es zunehmend, dass ein Algorithmus Menschen entrechtet, ohne dass die Betroffenen sich wehren könnten.
Am Arbeitsamt berechnet der Computer die Nutzbarkeit oder den Bedarf des Einzelnen, dessen materielle Existenz von der hinterher gefällten, amtlichen Entscheidung abhängt.
Oder: Bankkonten wurden eingefroren, nachdem Kontoinhaber für die corona-streikenden LKW-Fahrer in Kanada gespendet hatten.
Internet-Nutzerkonten willkürlich gesperrt, wenn Nutzer meinungsmäßig von einem definierten Kurs abweichen, d.h. die Meinungsfreiheit ist vielfach eingeschränkt, über die Zensur entscheidet oft ein Algorithmus.
Mit dem ETIAS-Programm, das ab 2024 Pflicht und Realität werden soll, hängt die Einreiseerlaubnis in die EU auch davon ab, ob Softwareprogramme, die auch in Interpol- und Gesundheits-Akten wühlen dürfen, keine Einwände zutage fördern usw.

Die Maschine ist damit immer öfter Bedrohung und technokratische Hürde als sie eine Bereicherung, Hilfe oder Entlastung wäre.
Jeden weiteren Schritt in diese Richtung beobachte ich von daher mit skeptischen Argusaugen.

Liebe Grüße von


Erdling
 
@Patrick Schuler

Ich will versuchen, deine Einwürfe Punkt für Punkt zu beantworten.

Das mit der verletzten Eitelkeit könnte ein Argument sein, wenn sich am Ende tatsächlich immer das Bessere durchsetzen würde – so ist es meiner Meinung nach aber genau nicht.
Mitnichten ist die Maschine immer besser – nur: sie macht es halt billiger.
Die Entscheidung, statt auf Menschen auf eine Maschine/KI zu setzen fußt ja nicht darauf, was die vielen Menschen haben wollen oder brauchen, also was wirklich besser ist, sondern meist auf rigiden Spargedanken und dem Profitstreben einiger Weniger sowie dem sturen Ausreizen von dem, was technisch geht.

Die Idee mit der „Kollektivleistung“, die sich in der „kreativen KI“ ausdrückt, ist mir natürlich auch schon gekommen; aber sie verfängt nicht so recht bei mir.
Ich sehe es vielmehr so, dass Potential von den Vielen abgesaugt wird, um den Wenigen, die die Hand auf der KI halten, einmal mehr zu bereichern, also reicher zu machen.
Man kann eben so oder so auf die Sache schauen; für eine gesamtheitliche Betrachtung braucht es vermutlich beide Blickwinkel mindestens.

Dass die Maschine kein Bewusstsein hat, ist fürs Thema vielleicht gar nicht so wichtig.
Durch die maschinelle Schnittstelle geht für mich einfach etwas verloren, es ist dann nicht mehr dasselbe. Nicht mehr Mensch-zu-Mensch. In den kreativen Belangen, die sich aufs Menschliche beziehen wie kaum was anderes ist das, sagen wir mal wenigstens: unpassend.
Dass der Technikhype noch nicht mal vor diesen kreativen Größen Halt macht, beängstigt mich schon.
Nicht, dass ich fürchtete, die KI würde sich verselbständigen und uns alle knechten – das besorgen schon immer noch Menschen; zum Beispiel solche, die auf die KI Besitzansprüche anmelden können. Gewiss: Denen und deren Handlangern geht’s gut.

Hingegen schlecht entlohnt werden heute genau die, die etwas fürs Gemeinwohl leisten und ihre Leistung direkt am Menschen erbringen, meist mit ihren menschlichen Händen.
Für sie ist die Maschine meist nur Konkurrenz oder Vorgesetzter.
Pflege und Pizzaboten sind da nur Beispiele.
Generell: Das Lohnniveau sinkt oder stagniert, täglich werden neue prekäre Arbeitsverhältnisse geschaffen. Leiharbeit, Schein-Selbständigkeit, ausufernde Niedriglohnsektoren, ausgebeutete Erntehelfer, Tagelöhner, Zwangsprostitution, sklavenähnliche Zustände…
Neue fortschrittliche Errungenschaften im Sinn der sogenannten „Arbeitnehmer“ gibt es schon lange nicht mehr; die alten Errungenschaften werden vielmehr abgebaut und zurückgenommen.
Weniger Freizeit, mehr Stress und Belastung heißt es vielfach.
Wer vom System als „unbrauchbar“ ausgespuckt wird, wird nicht etwa bestmöglich aufgefangen, sondern muss sich hierzulande einem knickrigen Sanktionsregime unterwerfen und wird zum getretenen Bittsteller; weiter weg muss er vielleicht verhungern oder flüchten…
Neue und größere Zumutungen gibt es. Die Angst vor dem Abstieg ist allgegenwärtig und wird auch immer öfter Realität.
Krisen, Krieg auf dem Vormarsch, mit der Arm-Reich-Schere schneiden wir uns langsam den Kopf ab…
Also nein, ich finde nicht, dass es „uns immer besser geht“, im Gegenteil. Der Trend ist schwer rückläufig seit vielen Jahren schon.
Auf der großen Internet-Spielwiese gibt es für die meisten eben genau nur das: neue Spiele, kein Brot.

Wo wir uns vielleicht einig sind:
Die Überbetonung des Technischen IST generell eine Bedrohung fürs Menschliche.
Und mir scheint, „überbetont“ wird nun wie noch nie.
Ich sehe und höre bloß Werbesprüche, voreilige Jubelschreie und Glaubensbekenntnisse statt kritischer Auseinandersetzung.
Die Gedichte-schreibende KI ist da nur das vorläufige I-Tüpfelchen.

Aber nicht will ich mich einfügen in ein vermeintlich „Unvermeidbares“ à la T-I-N-A (There Is No Alternative), das wäre MIR dann zu pessimistisch gedacht.
Nichts ist „alternativlos“, vor allem dann nicht, wenn man uns das von oben herab einreden will.
Mir schwebt eine gänzlich andere Welt vor.
Eine, die nicht nur durch eng zugekniffene, technokratische Kapitalistenaugen angeschaut werden will.
Eine, in der die Menschen sich auf die Bedeutung von Demokratie und Gemeinwohl besinnen und die Welt in diesem Sinne für alle gestalten; im Sinne der vielen Milliarden Köpfe und Herzen, die eine globale demokratische Mehrheit repräsentieren.
Das ist groß und sehr idealistisch gedacht, ich weiß – aber sollten wir nicht genau so denken, wenn die Welt eine bessere werden soll?

Mit diesen Gedanken grüße ich dich sehr freundlich,


Erdling
 

petrasmiles

Mitglied
@sufnus

Deine Argumente bezüglich Schach und Photographie scheinen fürs Erste tatsächlich ein wenig tröstlich.
Das Spezifikum der „kreativen“ KI besteht aber darin, dass sie sich am Ende selbst gar nicht ausweist wie der schachspielende Computer oder dass sie sich vom Wesen her nicht abhebt wie das Foto vom Gemälde. Es werden nunmehr Inhalte geschaffen – Texte, Bilder, Musik… - die zwar menschlich anmuten, aber nicht wirklich von Menschen produziert werden. Es könnte unmöglich werden, hier noch unterscheiden zu können – und so könnte sich unbemerkt etwas als „neues Normal“ einschleichen und die wahrhaft menschlichen Inhalte verdrängen, ohne dass dies bewusst und offen geschieht.

Demgegenüber stehen auch viele andere Beispiele, in denen der Fortschritt und die Digitalisierung den Lohnabhängigen einfach nur haufenweise Arbeitsplätze weggefressen hat. So sind die Menschen zwar zunächst vom „Mühsal“ der Arbeit befreit worden; das aber nur, um sich anschließend als Ausrangierte vor einem Hartz-IV-Regime verantworten zu müssen und statt Freiheit und Autonomie gibt es die sanktionierte Beklemmung.
Das hat sich auf vielen Feldern eingeschlichen.
Neuerdings stehen die Kunden im Supermarkt und kassieren sich selbst ab, Anfragen laufen über den Chatbot, am Bahnhof geht man zum Automaten statt zum menschlich besetzten Schalter… was die arbeitslos gewordenen Mitarbeiter heute tun, weiß man nicht so genau.

Der Mensch steht zunehmend in Konkurrenz zur Maschine und verliert immer genau dort, wo diese billiger arbeitet, immer öfter an den kostenintensiven Mensch-zu-Mensch-Schnittstellen.
Die Früchte des Fortschritts ernten vor allem diejenigen, die über die Maschine verfügen; der Rest muss zusehen, wie er sich mit den Neuerungen arrangiert.

Im kreativen Bereich gibt es schon unter den menschlichen Teilnehmern härteste Kämpfe um Marktanteile/Aufmerksamkeit/Erfolg; wenn hier nun auch noch maschinelle Konkurrenz mitmischt, die so gut ist, dass sie das Menschliche derart überzeugend imitieren kann, dass es kaum jemand durchschaut, ist das dann schon nochmal ein bedrohliches Signal.
So vollumfänglich kann ich deinen Optimismus mit Blick auf die Kunst also nicht teilen.

Der Verweis auf militärischen Gebrauch scheint mir indes wichtig.
Gewiss kennst du den Spruch, der Krieg sei „der Vater aller Dinge“.
Damit verweist man z. B. gern darauf, dass auch das große Internet von Anfang an der militärischen Nutzung entspringt. US-amerikanische Universitäten, die fürs Verteidigungsministerium forschten, bauten Ende der 1960-er Jahre ein Netzwerk auf, um ihre Rechner miteinander zu verbinden.
Ich kann dem Spruch per se nicht viel abgewinnen, auch wenn er auf Heraklit zurückgehen soll und auch wenn sich historische Beispiele finden, die den Sager untermauern.
Ich meine, natürlich entspringen die großen Erfindungen eben jenen Forschungsfeldern, denen am meisten Zeit und Ressourcen gewidmet werden. Bei einer Menschheit, die auf Konfrontation und Konkurrenz aus ist, liegt dieser Fokus natürlich auf kriegerischen Mitteln und Institutionen und kein Wunder, wenn dann von dort die größten Leistungen kommen.
Würde der Fokus anderswo liegen, es würde der Erfindergeist wohl aus anderen, vermutlich fruchtbareren Feldern schöpfen.
Ich meine: Der Krieg ist nicht Vater, sondern ist vor allem Zerstörer und viel fruchtbringender ist doch die Friedenszeit, wo ein Miteinander im Vordergrund steht.
Aber kaum noch, dass wir Menschheit anders denken können als eine Spezies, die sich im gegenseitigen Übertrumpfen die Köpfe einschlägt.

Mit KI-basierten Waffensystemen erreicht das Ganze nochmal neue bedrohliche Qualitäten.
Ohne gerichtlichen Prozess werden damit heute schon Todesstrafen vollstreckt, werden Menschen per Knopfdruck getötet, das ist eine maximale Entrechtung.
Vorerst passiert das noch relativ weit weg vom sogenannten „Wertewesten“, aber auch hierzulande passiert es zunehmend, dass ein Algorithmus Menschen entrechtet, ohne dass die Betroffenen sich wehren könnten.
Am Arbeitsamt berechnet der Computer die Nutzbarkeit oder den Bedarf des Einzelnen, dessen materielle Existenz von der hinterher gefällten, amtlichen Entscheidung abhängt.
Oder: Bankkonten wurden eingefroren, nachdem Kontoinhaber für die corona-streikenden LKW-Fahrer in Kanada gespendet hatten.
Internet-Nutzerkonten willkürlich gesperrt, wenn Nutzer meinungsmäßig von einem definierten Kurs abweichen, d.h. die Meinungsfreiheit ist vielfach eingeschränkt, über die Zensur entscheidet oft ein Algorithmus.
Mit dem ETIAS-Programm, das ab 2024 Pflicht und Realität werden soll, hängt die Einreiseerlaubnis in die EU auch davon ab, ob Softwareprogramme, die auch in Interpol- und Gesundheits-Akten wühlen dürfen, keine Einwände zutage fördern usw.

Die Maschine ist damit immer öfter Bedrohung und technokratische Hürde als sie eine Bereicherung, Hilfe oder Entlastung wäre.
Jeden weiteren Schritt in diese Richtung beobachte ich von daher mit skeptischen Argusaugen.

Liebe Grüße von


Erdling
Lieber Dichter Erdling,

mir geht es da wie Dir.
Ich glaube auch, dass Männer da viel mehr Spieltrieb haben. Ich will hier keine Klischees bemühen und meine das auch nicht abwertend, aber ich erlebe es immer wieder, dass Männer eher dazu bereit sind, was sie 'mit der Zeit gehen' nennen. Eine Erklärung habe ich nicht.

Ich erinnere mich noch sehr gut, als der britische Prinz Harry bei der Armee war und er pausbäckig stolz berichtete, dass das ja nur ein Joystick wäre und er käme schon prima zurecht damit. Tja. Joystick. (Das Photo war der Aufmacher in einer Zeitung am Kiosk derzeit und genauer habe ich nicht hingesehen).
Da habe ich nur gedacht, ob er wirklich keine Ahnung hat, wofür das gedacht ist?
Die Analogie zu 'Ballerspielen' war wohl nicht zufällig ... ich denke tatsächlich, dass dieser Spieltrieb - oder der Eifer, immer das Neueste Technikgimmick am Markt haben zu müssen - gnadenlos ausgenutzt wird. Man denke an diese Serie 'Navy CIS', in der Reihenweise böse bis böseste Terroristen über Gesichtserkennung gefunden und vernichtet werden. Und schon sieht die Welt wieder ein bisschen sicherer aus...

Was mich an der 'dichtenden' KI am meisten stört, ist der Bedeutungsverlust von Texten und damit einem wesentlichen Aspekt der Alltagskommunikation. Neulich bei der Bestellung mit Fragen an den Hersteller kam da erst einmal eine KI zum Einsatz mit erwartbar nicht hinreichenden Antworten. Erst danach öffnete sich eine Maske, in der man frei formulierter Fragen einstellen konnte.
Aber mit der Möglichkeit, anspruchsvollere Texte erstellen zu lassen, kann doch keiner mehr wissen, ob etwas wirklich von einem Menschen geschrieben wurde, mit dem sich ein Dialog lohnt. Nur, wenn man Texte als einseitige Botschaft betrachtet, kann man sich damit zufrieden geben.
Ich nicht.

Liebe Grüße
Petra
 

sufnus

Mitglied
Also ich versuche ja jetzt schon viele Wochen lang, Chattie dabei zu helfen, ein richtig schönes Gedicht zu schreiben... und obwohl ich ihren "Enthusiasmus" und ihre unermüdliche "Motiviertheit" sehr bewundere, ist es doch nicht so einfach... aber wir bleiben dran!!! :)
LG!
S.
 
Also ich versuche ja jetzt schon viele Wochen lang, Chattie dabei zu helfen, ein richtig schönes Gedicht zu schreiben... und obwohl ich ihren "Enthusiasmus" und ihre unermüdliche "Motiviertheit" sehr bewundere, ist es doch nicht so einfach... aber wir bleiben dran!!! :)
LG!
S.
Ich habe den Chatbot einige Gedichte und Geschichten schreiben lassen und meist nur das Thema vorgegeben. Seine Geschichten haben immer gleich geendet: mit Friede, Freude, Eierkuchen. Und wenn man ihm nicht sagt, dass er Dialoge in die Geschichten einbauen soll, schreibt er keine. Unerwartete Wendungen kann er auch nicht
Fazit: Er ist nicht kreativ und daher keine Bedrohung für Autoren.

LG SilberneDelfine
 

sufnus

Mitglied
Hi SD! :)
Stimmt schon, noch (!) tut sich Chattie etwas schwer damit, "kreativ" zu schreiben. Die Gedichte, bei denen ich die KI einfach drauflosschreiben lasse, sind bis dato tatsächlich eher auf der kitschigen Seite, sprachlich sehr konventionell und formal nicht wirklich sattelfest. Jetzt ist aber die Software auch nicht primär auf das Schreiben von Gedichten optimiert worden und die Entwicklung steht wirklich noch sehr am Anfang. Die allerersten Selbstfahrgefährte waren einer Pferdekutsche auch noch deutlich unterlegen - das hat sich aber innerhalb von ganz wenigen Jahrzehnten total gedreht und das würde ich hier auch erwarten.
Ich hab ChatGPT heute gerade gebeten, ein Frühlingsgedicht zu verfassen und dabei darauf gepocht, dass eine ungewöhnliche Sprache verwendet werden soll. Nach ein bisschen hin und her kam das dann dabei heraus:


Flora und Fauna neigen zur Prachtentfaltung.
Im Kalender des Frühjahrs wuchern
die terminierten Ereignisse,
mit deren Hilfe wir die Gegenwart aufhalten wollen.

Während das Leben weiter geht,
stellt die nächste Endzeit
schon mal die Leiter an den Horizont.
Der Zyklus der Photosynthese umkreist das Äquinoktium.

Pollenflug oder belebte Vorstellungen
lassen sich auf Objekten nieder.
Schönes Wetter heute.

Elektromagnetische Strahlung
trifft voll auf die Erde.


Wenn ich es selbst geschrieben hätte, wär es schneller gegangen - ich musste bei ziemlich vielen Zeilen mehrmals bessere Formulierungen anfordern (hab aber keine konkreten Vorgaben gemacht). Also das war schon ein Geduldsspiel. Aber das Endprodukt ist in dem Sinn nicht unkreativ.

LG!

S.
 

petrasmiles

Mitglied
Ich habe den Chatbot einige Gedichte und Geschichten schreiben lassen und meist nur das Thema vorgegeben. Seine Geschichten haben immer gleich geendet: mit Friede, Freude, Eierkuchen. Und wenn man ihm nicht sagt, dass er Dialoge in die Geschichten einbauen soll, schreibt er keine. Unerwartete Wendungen kann er auch nicht
Fazit: Er ist nicht kreativ und daher keine Bedrohung für Autoren.

LG SilberneDelfine
Liebe SilberneDelfine,

ich finde den Begriff 'Autoren' bei Dir ein bisschen eng gefasst. Auch Gebrauchsanweisungen haben Autoren etc. und verdienen ihre Geld damit.
Es geht auch nicht nur um Kreativität, sondern um Wahrhaftigkeit.
Ich werde an andere Stelle einmal zur Digitalisierung etwas einstellen.
Fakt ist, dass 'Chattie' auch lügt. Aus ihrem 'Fundus' holt sie falsche Zitate, verdreht Fakten und zitiert aus Büchern, die nie geschrieben wurden. (Das habe ich einem Artikel aus der Berliner Zeitung entnommen, wo ein Wissenschaftler dies untersucht hat.)

Die fatalen Folgen sind für mich immer noch die potentielle Entwertung von Texten.

Liebe Grüße
Petra
 

petrasmiles

Mitglied
Hi SD! :)
Stimmt schon, noch (!) tut sich Chattie etwas schwer damit, "kreativ" zu schreiben. Die Gedichte, bei denen ich die KI einfach drauflosschreiben lasse, sind bis dato tatsächlich eher auf der kitschigen Seite, sprachlich sehr konventionell und formal nicht wirklich sattelfest. Jetzt ist aber die Software auch nicht primär auf das Schreiben von Gedichten optimiert worden und die Entwicklung steht wirklich noch sehr am Anfang. Die allerersten Selbstfahrgefährte waren einer Pferdekutsche auch noch deutlich unterlegen - das hat sich aber innerhalb von ganz wenigen Jahrzehnten total gedreht und das würde ich hier auch erwarten.
Ich hab ChatGPT heute gerade gebeten, ein Frühlingsgedicht zu verfassen und dabei darauf gepocht, dass eine ungewöhnliche Sprache verwendet werden soll. Nach ein bisschen hin und her kam das dann dabei heraus:


Flora und Fauna neigen zur Prachtentfaltung.
Im Kalender des Frühjahrs wuchern
die terminierten Ereignisse,
mit deren Hilfe wir die Gegenwart aufhalten wollen.

Während das Leben weiter geht,
stellt die nächste Endzeit
schon mal die Leiter an den Horizont.
Der Zyklus der Photosynthese umkreist das Äquinoktium.

Pollenflug oder belebte Vorstellungen
lassen sich auf Objekten nieder.
Schönes Wetter heute.

Elektromagnetische Strahlung
trifft voll auf die Erde.


Wenn ich es selbst geschrieben hätte, wär es schneller gegangen - ich musste bei ziemlich vielen Zeilen mehrmals bessere Formulierungen anfordern (hab aber keine konkreten Vorgaben gemacht). Also das war schon ein Geduldsspiel. Aber das Endprodukt ist in dem Sinn nicht unkreativ.

LG!

S.
Ich verstehe das wirklich nicht, was gerade Du als Lyrikfreund an diesem Bot findest.
Das wunderbare an einem Gedicht ist doch der hergestellte Einklang zweier Menschen - des Autors und seines Lesers - bei dem der Leser das Gefühl hat, der Dichter beschreibe etwas, was er empfindet, aber nicht ausdrücken kann.
Außer in Spielsituationen: Warum sollte man von einem Bot ein Gedicht lesen wollen?

Liebe Grüße
Petra
 
Aus ihrem 'Fundus' holt sie falsche Zitate, verdreht Fakten und zitiert aus Büchern, die nie geschrieben wurden. (Das habe ich einem Artikel aus der Berliner Zeitung entnommen, wo ein Wissenschaftler dies untersucht hat.)
Deswegen steht ja auch überall, dass man die Informationen der KI mit Hilfe anderer Quellen gegenchecken soll, da sie sich auch irren kann. Das ist doch nichts Neues.

Hier ist einiges dazu zu finden:


Aus dem Link:

Zitat:
„Wie vertrauenswürdig sind die Infos von ChatGPT?

Bei wichtigen Infos sollten Sie ChatGPT nicht einfach blind vertrauen, sondern Sie lieber noch einmal mithilfe von Google & Co. gegenchecken. Das liegt daran, dass das Tool über viele Jahre trainiert wurde und einige Informationen noch nicht upgedatet sind. Außerdem können häufig vorkommende Wörter und sehr abstrakte Fragen dazu führen, dass das Tool die Fragen noch missversteht und dann falsche Antworten generiert. Einfache Wissens-Fragen aber können in der Regel zuverlässig beantwortet werden." Zitatende
 
Zuletzt bearbeitet:



 
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