Konferenzen

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poetix

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Herr A. fuhr wieder einmal zu einer Konferenz. Das hatte sich so eingespielt: Leute aus verschiedenen Ländern, die arbeitsmäßig jeweils das Gleiche taten, trafen sich alle zwei Jahre an einem schönen Ort – möglichst mit Strand –, um sich über ihr Fachgebiet auszutauschen. Zu den Zielen dieser Konferenzen gehörte auch die Aus-bildung der entsprechenden sozialen Netzwerke, das heißt eine gemeinsame Sozialisation wurde aufgebaut. Mit anderen Worten: Man machte gemeinsam einen drauf.
Die Firmen zahlten den Spaß und Herr A. fuhr gern hin. Nicht unwichtig dabei war, dass es sich praktisch um bezahlten Urlaub handelte. Nun gut, jeder musste immerhin jedes Mal einen Vortrag über seine Arbeit halten, eine kleine Verpflichtung, die Herrn A. aber nichts ausmachte, da er sich in seinem Spezialgebiet bestens auskannte.
Es verstand sich, dass die Frauen zu Hause blieben. Ihnen wurde gesagt, dass sie sich ohnehin nur langweilen würden. In Wahrheit wollten die Männer nicht kontrolliert werden, wenn sie über die Stränge schlugen. Das ging schon in Ordnung. Diese Herrenausflüge (es waren tatsächlich hauptsächlich Männer) verliefen, wie so etwas normalerweise verläuft: großes Trara, Rudelbildung, viel Alkohol, eventuell eine Strip-Bar, ein bisschen Gejohle – aber nichts wirklich Schlimmes. Große Jungs eben.

So kam es, dass auch diesmal Herr A. in Florida allein in seinem Hotelzimmer saß und sich auf seinen Vortrag vorbereitete. Als er fertig war, zog er sich um. Festliche Kleidung war erwünscht. Ein wenig hastig zog er sich das weiße Hemd über. Der zweitoberste Knopf, der nur noch an drei Fäden hing, riss ab. Verflixt, jetzt wurde es wirklich knapp. Panisch suchte Herr A. das Näh-Set hervor, das seine Frau ihm zu Hause gegen seinen Willen noch aufgedrängt hatte. Mit zitternden Händen wollte er den Knopf schnell annähen. In seiner Hektik stach er sich jedoch prompt in den Finger – und das gar nicht mal so wenig!

Die Fingerspitze blutete ordentlich und das Hemd bekam einiges davon ab. Das Hemd war versaut und der Knopf immer noch nicht angenäht. Da half alles nichts. Er musste das Hemd so anziehen, wie es war, und versuchen, die Katastrophe irgendwie mit der Krawatte zu verdecken. Es ging so halbwegs.
Den Vortrag brachte er ohne Zwischenfall hinter sich. Keiner sagte etwas. Die meisten hatten wohl nichts von seinem Schlamassel mitbekommen. Das Licht im Raum war wegen der PowerPoint-Präsentation gedimmt und man konnte Herrn A. kaum erkennen. Hinzu kam, dass die Zuhörer teilweise auch schon dem Sekt zugesprochen hatten, der im Foyer ausgeschenkt wurde.
Als das Licht für seine Schlussworte wieder voll aufgedreht wurde, nutzte Herr A. die angeheiterte Atmosphäre, um seine Krawatte anzuheben und das erlebte Missgeschick zu erzählen. Herzliches Gelächter und ein ausgiebiger Applaus waren sein Lohn.
 

poetix

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Herr A. fuhr wieder einmal zu einer Konferenz. Das hatte sich so eingespielt: Leute aus verschiedenen Ländern, die arbeitsmäßig jeweils das Gleiche taten, trafen sich alle zwei Jahre an einem schönen Ort – möglichst mit Strand –, um sich über ihr Fachgebiet auszutauschen. Zu den Zielen dieser Konferenzen gehörte auch die Ausbildung der entsprechenden sozialen Netzwerke, das heißt, eine spezifische Sozialisation wurde aufgebaut. Mit anderen Worten: Man machte gemeinsam einen drauf.
Die Firmen zahlten den Spaß und Herr A. fuhr gern hin. Nicht unwichtig dabei war, dass es sich praktisch um bezahlten Urlaub handelte. Nun gut, jeder musste immerhin jedes Mal einen Vortrag über seine Arbeit halten, eine kleine Verpflichtung, die Herrn A. aber nichts ausmachte, da er sich in seinem Spezialgebiet bestens auskannte.
Es verstand sich, dass die Frauen zu Hause blieben. Ihnen wurde gesagt, dass sie sich ohnehin nur langweilen würden. In Wahrheit wollten die Männer nicht kontrolliert werden, wenn sie über die Stränge schlugen. Das ging schon in Ordnung. Diese Herrenausflüge (es waren tatsächlich hauptsächlich Männer) verliefen, wie so etwas normalerweise verläuft: großes Trara, Rudelbildung, viel Alkohol, eventuell eine Strip-Bar, ein bisschen Gejohle – aber nichts wirklich Schlimmes. Große Jungs eben.

So kam es, dass auch diesmal Herr A. in Florida allein in seinem Hotelzimmer saß und sich auf seinen Vortrag vorbereitete. Als er fertig war, zog er sich um. Festliche Kleidung war erwünscht. Ein wenig hastig zog er sich das weiße Hemd über. Der zweitoberste Knopf, der nur noch an drei Fäden hing, riss ab. Verflixt, jetzt wurde es wirklich knapp. Panisch suchte Herr A. das Näh-Set hervor, das seine Frau ihm zu Hause gegen seinen Willen noch aufgedrängt hatte. Mit zitternden Händen wollte er den Knopf schnell annähen. In seiner Hektik stach er sich jedoch prompt in den Finger – und das gar nicht mal so wenig!

Die Fingerspitze blutete ordentlich und das Hemd bekam einiges davon ab. Das Hemd war versaut und der Knopf immer noch nicht angenäht. Da half alles nichts. Er musste das Hemd so anziehen, wie es war, und versuchen, die Katastrophe irgendwie mit der Krawatte zu verdecken. Es ging so halbwegs.
Den Vortrag brachte er ohne Zwischenfall hinter sich. Keiner sagte etwas. Die meisten hatten wohl nichts von seinem Schlamassel mitbekommen. Das Licht im Raum war wegen der PowerPoint-Präsentation gedimmt und man konnte Herrn A. kaum erkennen. Hinzu kam, dass die Zuhörer teilweise auch schon dem Sekt zugesprochen hatten, der im Foyer ausgeschenkt wurde.
Als das Licht für seine Schlussworte wieder voll aufgedreht wurde, nutzte Herr A. die angeheiterte Atmosphäre, um seine Krawatte anzuheben und das erlebte Missgeschick zu erzählen. Herzliches Gelächter und ein ausgiebiger Applaus waren sein Lohn.
 
Der Stoff an sich, poetix, hat tatsächlich humoristisches Potential. Leider fördert der Text selbst meine Lachlust nicht. Er zeichnet sich durch allzu große Nüchternheit aus. In diesem Stil könnte man auch eine Werksbesichtigung abhandeln. Vielleicht hättest du den Fokus mehr auf den "blutigen" Auftritt und die schadenfrohen Gedanken / Reaktionen der Zuhörer legen sollen (z.B. Zwischenrufe). Auch eine Verknüpfung mit dem vorher kurz gestreiften Thema erotische Abenteuer bietet sich an. Vermutlich hast du dagegen die gesitteten bzw. unaufmerksamen Reaktionen des Publikums ganz realistisch dargestellt. Der Leser will sich jedoch nicht mit ihm auf diese Weise identifizieren, sondern indem er an seinem boshaften Vergnügen teilhaben kann.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
 

poetix

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Hallo Arno Abendschön,
vielen Dank für deine wertvollen Anregungen. Das hört sich wirklich sehr plausibel an. Ich werde sehen, was ich tun kann.
Viele Grüße
poetix
 

poetix

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Herr A. fuhr wieder einmal zu einer Konferenz. Das hatte sich so eingespielt: Leute aus verschiedenen Ländern, die arbeitsmäßig jeweils das Gleiche taten, trafen sich alle zwei Jahre an einem schönen Ort – möglichst im Frühjahr an einem Ort mit Strand –, um sich über ihr Fachgebiet auszutauschen. Zu den Zielen dieser Konferenzen gehörte auch die Ausbildung der entsprechenden sozialen Netzwerke, das heißt, man knüpfte und pflegte Kontakte, eine spezifische Sozialisation wurde aufgebaut. Mit anderen Worten: Man machte gemeinsam einen drauf.
Die Firmen zahlten den Spaß und Herr A. fuhr gern hin. Nicht unwichtig dabei war, dass es sich praktisch um bezahlten Urlaub handelte. Nun gut, jeder musste jedes Mal eine Kleinigkeit tun, einen Vortrag über seine Arbeit halten, eine marginale Verpflichtung, die Herrn A. aber nichts ausmachte, da er sich in seinem Spezialgebiet bestens auskannte.
Es verstand sich, dass die Frauen zu Hause blieben. Ihnen wurde gesagt, dass sie sich ohnehin nur langweilen würden. In Wahrheit wollten die Männer nicht kontrolliert werden, wenn sie über die Stränge schlugen. Das ging schon in Ordnung. Diese Herrenausflüge (es waren tatsächlich hauptsächlich Männer) verliefen, wie so etwas normalerweise verläuft: großes Trara, Rudelbildung, viel Alkohol, eventuell eine Strip-Bar, ein bisschen Gejohle – aber nichts wirklich Schlimmes. Große Jungs eben.

So kam es, dass sich auch diesmal Herr A. – man befand sich in Florida – kurz vor seinem Vortrag von der Gemeinschaft abgeseilt hatte und nun in seinem Hotelzimmer saß, um sich auf seinen Vortrag vorzubereiten. Als er fertig war, zog er sich um. Festliche Kleidung war erwünscht. Ein wenig hastig zog er sich das weiße Hemd über den Kopf. Ratsch! Die beiden obersten Knöpfe, die bereits locker gewesen waren, rissen ab. Verflixt, jetzt wurde es wirklich knapp. Panisch suchte Herr A. das Näh-Set hervor, das seine Frau ihm zu Hause gegen seinen Willen noch aufgedrängt hatte. Mit zitternden Händen wollte er die Knöpfe schnell annähen. In seiner Hektik stach er sich jedoch prompt in den Finger – und das gar nicht mal so wenig!

Die Fingerspitze blutete ordentlich und das Hemd bekam einiges davon ab. Das Hemd war versaut und der Knopf immer noch nicht angenäht. Da half alles nichts. Er musste das Hemd so anziehen, wie es war, und versuchen, die Katastrophe irgendwie mit der Krawatte zu verdecken. Es ging so halbwegs.

Den Vortrag brachte er ohne Zwischenfall hinter sich. Keiner sagte etwas. Die meisten hatten wohl nichts von seinem Schlamassel mitbekommen. Das Licht im Raum war wegen der PowerPoint-Präsentation gedimmt und man konnte Herrn A. kaum erkennen. Hinzu kam, dass die Zuhörer teilweise auch schon dem Sekt zugesprochen hatten, der im Foyer ausgeschenkt wurde.
Die gelöste Stimmung machte Herrn A. mutig. Als das Licht für seine Schlussworte wieder voll aufgedreht wurde, nutzte er die angeheiterte Atmosphäre, um seine Krawatte anzuheben, das Blut auf dem Hemd zu zeigen und das erlebte Missgeschick zu erzählen.
In das nun folgende Gelächter mischten sich Zwischenrufe wie:
„Soll ich einen Krankenwagen rufen?“
Oder:
„Wer hat dich denn gebissen?“
Dann kam:
„Hast wohl gerade eine Pussy oral entjungfert?!“, worauf ein anderer rief:
„Das geht doch gar nicht!“
Darauf der erste: „Doch!“
Darüber entstand eine hitzige Diskussion, die auch die letzten Zuhörer wieder aufweckte.
Schließlich musste der Sitzungsleiter zur Ruhe mahnen
Herr A. lächelte schief. Er war sich nicht ganz sicher, ob er mit der Entwicklung der Dinge zufrieden sein sollte oder nicht: Sein Vortrag würde in Erinnerung bleiben, jedoch nicht das, was er eigentlich hatte sagen wollen.
 
Ja, poetix, mit dem neuen Schluss hat der Text wesentlich an Schärfe gewonnen. Nun ist dir statt des vorherigen etwas flauen Endes eine nochmalige abschließende Steigerung gelungen. Zugleich verdeutlicht diese Schlussszene das, was zu Beginn allgemein über solche Dienstreisen ausgesagt wurde. Besonders gut finde ich den neuen Schlusssatz.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
 

fion

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Hi poetix,
sehr gut finde ich, dass du offen darstellst, wie du an deinem Text arbeitest.
Ganz toll. Das machen hier nicht viele.
Ganz lieber Gruß
Fion
 

poetix

Mitglied
Hallo Fion,
danke für das Lob. Ich muss sagen, dass ich die Möglichkeit, am Text zu arbeiten, sehr an der Leselupe schätze. Freut mich, dass es dir auch gefällt.
Viele Grüße
poetix
 

poetix

Mitglied
Noch etwas zur Information: Die überarbeitete Geschichte findet sich mit vielen anderen in meinem Büchlein "Die Erlebnisse des Herrn A.", neunte Auflage (die Auflage bitte beachten), erschienen in Tredition-Verlag.
 



 
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