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Klaus K.

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Ein Zettel unter der Parkbank. Sie hob ihn auf und las:

"Nimm' nicht alles, was du kriegen kannst
Sortiere schnell das Schlechte aus
Höre auf dein Inneres, ganz genau
Er sucht dich, für ihn bist nur du die absolute Frau!

Für ihn bist nur du das Paradies
Er beobachtet dich, du merkst es nicht
Der Zauber, der dir innewohnt
sein heimlicher Blick dich dafür belohnt!

Du kennst ihn nicht, er dich wohl
weiß alles über dich, du glaubst es nicht?
Er sucht dein Auge, den ersten Blick
gib' ihm eine Chance, schau' zu ihm zurück!

Sei bereit, sag' zu ihm nicht nein
eine erste Begegnung gibt dir alles
Er hat Angst davor, sei nicht böse
hör' ihn an, auf das sich die Spannung löse!"

P.S.: Die Erkennung lautet "Gedicht", das ist das Zauberwort....

Hmm, interessant, hochinteressant. Der Zettel war blitzsauber und nicht zerknittert. Ein Liebesgedicht! Ein Liebesgedicht eines Unbekannten! Weggeworfen, fallengelassen. Auf einer Parkbank, auf der sie ganz allein saß. Hatte sie ihn gesehen, oder vielleicht sogar bereits die Adressatin? Aber das war eigentlich gleich, denn das Gedicht war ja offensichtlich nicht für sie bestimmt. Oder etwa doch?
Auf jeden Fall war es ein wundervolles Gedicht, sehr zart, irgendwie ängstlich, die Sehnsucht zwischen den Zeilen war deutlich nachzuempfinden. Und es war nicht abgeschrieben, kein Relikt aus einer romantischen Vergangenheit, es war der Versuch einer Kontaktaufnahme wie aus einer anderen Zeit. Wer konnte so etwas noch so formulieren heute?
Sie faltete den Zettel sorgfältig zusammen und verstaute ihn dann in ihrem Portemonnaie. Es war einfach zu schade, ihn hier liegen zu lassen oder gar zu vernichten.

Auf dem gepflegten Parkweg näherten sich ihr zwei Männer mit einem Hund, beide etwa in ihrem Alter. Im Vorbeigehen schaute sie der größere dabei an, vielleicht einen Moment zu lang. Sie registrierte das sofort, aber die Beurteilung der Blickdauer war relativ, Wunschdenken und Wirklichkeit verschwommen dabei. Sie war dieses Phänomens bewußt, aber er gefiel ihr auch, und sie erwiderte den Blick.
Sein Begleiter redete ununterbrochen, sie schnappte dabei das Wort "Gesicht" auf, oder war es "Gedicht" gewesen, also das, was sie hören wollte? Beide entfernten sich, aber dann drehte sich der größere junge Mann noch einmal zu ihr um. Er sagte etwas zu seinem Kollegen mit dem Hund, der jetzt alleine den Weg fortsetzte, er hingegen kam in ihre Richtung zurück.
"Entschuldigung, aber darf ich mich hier zu Ihnen auf die Bank setzen?" fragte er höflich.
Sie lächelte amüsiert und erwiederte "Selbstverständlich, la playa es por todos!"
"Hola! Sind die Spanierin?"
"Ach was - das fiel mir nur so gerade ein, außerdem ist das ja kein Strand sondern eine öffentliche Parkbank!"
Er gefiel ihr, ein gut aussehender junger Mann, nur wenig älter als sie selbst, bartlos, ein offenes, ehrliches Gesicht, nicht schön, nicht ebenmäßig, nicht völlig durchtrainiert, aber auch nicht dick. War er es?
"Ich habe Sie gerade gesehen, wir hatten uns kurz fixiert. Also, ich bin kein Anmacher, aber Sie....na, wie soll ich es sagen....also, Sie interessieren mich, wenn ich das so sagen darf. Ist das zu direkt? Bitte sagen Sie mir, wenn Ihnen das nicht gefällt, ich gehe dann auch sofort wieder!"
"Ach was! Sprechen Sie ruhig weiter, so etwas erlebt man nicht jeden Tag als Frau...."
"Also, mein Name ist Wolfgang Kollig, ich bin dreißg Jahre alt, ledig, bin Biologe und arbeite für ein Landschaftsplanungsinstitut hier in der Stadt.."
"Annette Hattenbeck, Contentmanagerin bei der hiesigen Firma Software-Clicks. Was meinen Sie, ich bin nur wenig jünger als Sie....wollen wir uns duzen?"
"Sehr gerne! Sie....äh du, also du bist aber wirklich sehr kontaktstark, wenn ich das so sagen darf..."
"Das bringt mein Job wohl auch so mit sich. Und wenn du mir unsympathisch wärst, dann wäre unser bisheriges Gespräch sicher anders verlaufen. Aber ich bin auch nicht so tough, wie ich jetzt vielleicht rüberkomme....vielleicht liegt es ja an dir?"
"Wolfgang, der Eroberer! Das hat man mir noch nie zugeschrieben, ich bin kein Held! Du hast mir Mut gemacht, das ist es wohl...."
"Ein Zauberwort fällt dir aber jetzt nicht ein, Wolfgang?"
"Ein Zauberwort? Was meinst du damit? Habe ich doch etwas falsch gemacht, etwas falsch gesagt? Was soll ich denn jetzt sagen, Annette?"

Der berühmte "Schuß in den Ofen" also. Er war nicht der anonyme Dichter, aber das spielte ja im Moment erst einmal keine Rolle mehr.

"Kaffee, Wolfgang! Das Zauberwort schlechthin. Frag' mich doch einfach, ob du mich jetzt nicht zu einer Tasse einladen darfst, damit wir unsere Unterhaltung dann dabei fortsetzen können. Was hältst du davon?"
"Ach so! Oh, jetzt fällt mir aber ein Stein vom Herzen! Dank für den Wink, dein Ritter steht bereit! Raus aus der Kemenate mit dir, zartes Weib, folge deinem Helden in die Schlacht, wir werden diese elenden Torten und Plunderstückchen jetzt niedermachen! Wandle in meinem Schatten, Holde! Es wird dir nichts geschehen!"
Ein Poet. Vielleicht auch ein Romantiker. Ein Mann, ganz anders als die meisten, die sie bislang kennengelernt hatte.

Sie standen auf. Ihnen näherte sich jetzt ein älterer Herr. Ein gepflegter Anzug, ein Tuch im Revers, ein Gehstock mit einem Silberknauf.
"Entschuldigen Sie, aber kann es sein, daß Sie auf Ihrer Bank ein Stück Papier vorgefunden haben? Es kann auch sein, daß dieses eine Blatt heruntergefallen ist, es ist auch nur einseitig beschriftet und ich hatte es hier liegengelassen. Also, es sollte hier liegenbleiben, aber dann kamen Sie....."
 
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Gelöschtes Mitglied 23262

Gast
Also so`n romantisch redender Kerl, wie Wolfgang, wird`s heuzutage echt schwer haben `nen Burgfräulein zu finden und in sein Schloß zu schleppen. Wie gut, dass das Gedicht Annette in die richtige Stimmunng versetzt und offen für Kontakt gemacht hat. Nur, warum gibst du ihm so einen drögen Beruf? Also, ich finde, der müßte auch mal `ne Potentialanalyse machen. ;) Was hälst du denn von Kinderbuchautor? Oder Romanschriftsteller?
Das ist wieder eine schöne Geschichte von Dir. Und ich merk schon, wir beide mögen die Enden.
Viele Grüße
Judith
 

Klaus K.

Mitglied
Zwei unterschiedliche Strategien, das Spinnennetz der Eroberung auszuwerfen. Ein kleines Gedicht, das des Verfassers Nöte und Ängste beschreibt, der wirklich zarte Versuch einer Kontaktaufnahme. Dann als Alternative anfangs eine mehr direkte, aber sehr höfliche Art, die zum Erfolg führt. Danach im Überschwang der Gefühle dann die Anleihe bei "Ritter Kunibert". - M.E. ist beides erheblich galanter als ein eher zeitgemäßes "Hey du! Wie heißt du?"
Aber ich bin ja keine Frau. Nur die Damen können letztlich beurteilen, ob ihnen das gefällt, welche Art des Erst-Kontaktes sie präferieren...und sie wissen ja dann, was für ein Exemplar sie sich einfangen.

Und der dröge Beruf? Ein Herr X ist Biologe, hat in Südamerika vor Ort lange erforscht, ob der brasilianische Krabbelkäfer nachts auch in Venezuela rückwärts fliegen kann! Ich habe überhaupt nichts gegen Herrn X, damit das ganz klar ist! Aber was ist denn daran dröge?
"Landschaftsplaner" - als Biologe - ist doch toll! "Romanschriftsteller"? Nur Knäckebrot, die Wurstzipfel noch von Weihnachten? "Kinderbuchautor"? Stelle ich mir gar nicht so einfach vor, ich denke dabei sofort auch an z.B. Enid Blyton....spannend war's! LG, Klaus
 
G

Gelöschtes Mitglied 23262

Gast
Nöö, lieber Klaus, ich hab auch nix gegen Herrn X, damit das ganz klar ist. ;)
Ich find ja auch nicht seine Krabbelkäfer-Ausbildung dröge. Ich find seinen Job als Landschaftsplaner dröge.
Der Kerl sprudelt über vor Kreativität und Kontaktfreude (meiner Meinung nach). Vielleicht ist er Taxifahrer? Da gibt´s viele witzige und diplomierte Leute. Was ich meine: Der Mann wirkt, als würde etwas Hunger ihm nichts anhaben können (Stichwort: Wurstzipfel).

Der Herr mit dem Silberknauf ist aber auch nicht ohne.

Ich glaube, es kommt auf die Lebenssituation deiner Lady an: Wenn sie noch Kinder/Familie will, ist der Krabbelkäfer-Mann sicherlich ne gute Wahl. Hat sie das Thema abgeschlossen, freut sie sich mit dem Silberknauf-Mann auf poetische Weise ins Alter zu gehen.

Aber so ganz ohne Mann ist auch nicht schlecht ;)

Mir fiel übrigens noch auf, dass du vielleicht noch schreiben könntest, was der Freund des Krabbelkäfer-Mannes tut, während der Kerl mit der Dame balzt. Geht der Freund weiter? Guckt/hört er zu? Er hatte ja was Wichtiges zu erzählen, bevor er von den Hormonen unterbrochen wurde....

Schön, dich zu lesen

Viele Grüße
Judith
 

Klaus K.

Mitglied
Judith,

vielen Dank für deinen guten Hinweis! Wurde soeben bereits umgesetzt, wie immer bist du sehr aufmerksam!
Meine junge Dame genießt einfach den Augenblick, genießt die Aufmerksamkeit und den Respekt, der ihr entgegengebracht wird. Das Gedicht ist der Schlüssel dazu, zu ihrem Verhalten, denn sie ist anfangs einfach nur neugierig, ob ER der Absender war. Ihr persönlicher Status ist eher zweitrangig, denn sie ist "Frau" genug, um diese Situation nach ihrem Gusto zu steuern, was ja dann auch deutlich wird. La Donna e mobile, wir Männer wissen das!
Ich bin ohne meine Chefin hingegen ein hoffnungsloser Fall....Moment, wer ruft, was war das? "Klaus, bring bitte mal den Müll raus!" Ciao, LG Klaus
 



 
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