KONTAKTE - Achtundfünfzig

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Kren hing in seinem Kopiloten-Liegesessel. Er war ganz ruhig und ausgeglichen; zumindest versuchte er, sich das einzureden.
In der Raumzentrale der Marsstation fieberten Nadine, Jenny, Anh und Barbara dem kommenden Ereignis entgegen.
Aber noch eine Person war dabei: "Tayna", die Abiturientin, Tochter der beiden hoch dekorierten Kontakter erster Klasse.
Siebzehn Jahre waren seit ihrer Rückkehr vom Schöpfer vergangen.
Kren musste noch immer lächeln, wenn er sich der 'Coming Home Party' erinnerte, die sie mit ihren alten Freunden gefeiert hatten. Aus dem Abschied für immer war eine Trennung für etwas mehr als neun Monate geworden, was alle sehr genossen. Einmal im Monat trafen sie sich, um die Memoiren an ihre Jugendzeit aus der Holothek zu kramen.

Ein bisschen widerwillig wandte er seine Gedanken der Gegenwart zu. Die großen Raumfahrt-Rassen hatten die technologisch rückständigen Menschen unter ihre Fittiche genommen. Und heute sollte es nun so weit sein. Die Menschheit würde in den Kreis der Hyperraumreisenden aufsteigen.
Eigentlich hatte niemand damit gerechnet, dass die Teloni und die Pr'aksi ihre Geheimnisse so bereitwillig mit den Menschen teilen würden, wie sie es getan hatten. Aber sie hatten ihre Technologien nicht einfach verschenkt, sondern nur an den richtigen Stellen kleinere Hilfestellungen gegeben, was die irdische Kreativität stark aktivierte, sodass die Erfindungen und Entwicklungen nur so purzelten.

Kein Jahrzehnt in der Geschichte der Menschheit war von so vielen Erkenntnissen, Erfindungen, Erfolgen gekennzeichnet gewesen, wie das gerade vergangene. Und wie nicht anders zu erwarten, hatten die Schüler gelegentlich ihre Lehrmeister überflügelt, hatten Lösungen entdeckt, die den Außerirdischen bisher entgangen gewesen waren.

Der Andruck des Starts traf Kren und den Hauptpiloten Boris, trotz aller Vorbereitung und Konzentration, wie ein riesiger Hammer. Die Rippen schienen bersten zu wollen, die Lungen zu platten Klumpen zu verkleben. Jeder Atemzug jagte Magma durch die gequälten Körper, ließ die verformten Augäpfel weiter aus ihren Höhlen treten, während sich die Wangen in den Nacken zurückzuziehen schienen.
Urplötzlich war der Andruck verschwunden und die Beiden fühlten sich, als würden sie im nächsten Augenblick nach vorn schießen und aus dem Gleiter geschleudert werden.
"Gnnnrhnnh!", sagte Kren.
Boris antwortete mit einem "Grrrknnngnkr!" Dann verstummten beide wieder.

Der Miniraumer schoss dahin, dem Rand des Sonnensystems zu. Wie lange es dauerte, bis die Körper der beiden Raumfahrer wieder halbwegs normal reagierten, konnte später keiner von ihnen angeben. Dennoch war irgendwann der Moment da, in dem sie sich wieder so weit in der Gewalt hatten, dass sie die Gurte lösen konnten.
Kren setzte sich auf und schwebte der Wand entgegen.
"Mist!", jammerte er, "warum klappt das nicht?"
Boris grinste ihn breit an und löste seinen Haltegurt. Er hielt sich mit einer Hand fest und drückte mit der anderen auf einen Knopf.
"Wie kann ich euch helfen?", samtete eine Frauenstimme.
"Schwerkraft!", schnaufte der immer noch schwebende Kren. "Aber nicht ..." weiter kam er nicht, denn die abrupt eintretende Anziehung schleuderte ihn zwischen die Sessel.
Boris erhob sich und schlenderte zur Steuerkonsole. "Du solltest deine Kommandos ein bisschen genauer formulieren. Sie werden verzögerungsfrei befolgt, weißt du?"
Er betätigte einen Schalter, woraufhin die Sessel sich zu den Konsolen bewegten und dort zu Formsitzen wurden, optimal für die Steuerung eines Raumschiffes eingerichtet.
Boris half seinem Kameraden auf die Beine. "Alles okay?", fragte er, noch immer ein bisschen vor sich hin grinsend.
Kren rieb sich die Schulter, die gegen die Armlehnen geprallt war und schlenkerte mit den Armen. "Geht so."

Nun endlich konnten sie die Kommunikation mit der Marszentrale wieder aufnehmen. Kren strahlte, als ihm Frau und Tochter vom Monitor aus entgegenlächelten.
"Teil eins haben wir hinter uns", hob er an, wurde aber von Boris unterbrochen: "Nur die Landung hat nicht so geklappt."
Der Pilot wirbelte, wild mit den Armen flatternd, durch die Steuerkabine. Dann ließ er sich plötzlich zu Boden fallen und stieß ein schauriges "Kraaaaaks!" hervor.
Die Frauen lachten kurz auf, verstummten aber schnell, als sie Krens ärgerliches Gesicht sahen.
Anh, die sich dem Familientreffen eben hinzugesellt hatte, schaute zur Seite. "Wie lange noch?", murmelte sie versonnen.
"Nach dem Abendbrot, denke ich."
Boris mimte den Futter verschlingenden Fressack. Er war ein zu schnell gewachsenes Kind, ein Hanswurst im Körper eines Taigabären. Er war bekannt und auch ein bisschen berüchtigt für seine verrückten Späße und überbrandenden Scherze.
"Das dauert ja noch ..." Tayna sah enttäuscht aus.
"Dann sucht euch doch etwas zu tun!", schimpfte Kren, halb im Scherz.
"Wir melden uns, wenn die heiße Phase naht", heulte Boris, wie ein außer Kontrolle geratener Ghoul. Dann sprang er zu seinem Sitz, ließ sich hinein fallen und unterbrach die Verbindung.
Er ließ den Sessel rotieren und jaulte dazu: "Sterne, Nebel, Galaxien! Wartet nur, bis wir erscheinen!" Kern trat von hinten an ihn heran, stoppte die Drehung mit etwas Kraftaufwand und klebte dem üblen Sänger ein großes Pflaster auf den Mund, das er heimlich dem Sanitätsfach entnommen hatte.
"Mhmm mm, mmm hmmm, ..." Boris verstummte und riss sich den Klebestreifen von den Lippen. "Kulturbanause!", schimpfte er.
"Lass uns die Routineprüfungen machen!", lenkte Kren ab.
Sie versanken in konzentriertem Schweigen, testeten, schalteten, simulierten, notierten, ...

* * *

Diese Reise würde in doppelter Hinsicht eine Premiere sein. Nicht nur die Impulstriebwerke des Gleiters waren eine fast vollkommene Neuentwicklung, sondern auch die gesamte Steuerung mit ihren biokybernetischen Schaltungen nach Art der Pr'aksi, sowie den nanokristallinen Strukturen, die aus Telonischen Modulen gezüchtet worden waren.
Diese Zusammenarbeit hatte ihren Niederschlag auch im Namen des winzigen Schiffes gefunden: "Pr'akonia Hum'n'in".
Ja, auch die Yemn'In hatten ihren Anteil am Projekt. Sie hatten fast die gesamte Entwicklungsarbeit finanziert. Ohne sie hätte es diese Mission nicht gegeben.
Die Zentrale der irdischen Raumbehörde hatte festgelegt, dass an Bord der Pr'akonia Hum'n'in ein zwölfstündiger Tag-Nacht-Rhythmus gelten sollte, wie ihn die Menschen gewohnt waren. So kam es, dass die beiden Raumreisenden tatsächlich gerade beim Abendessen saßen, als die Schmeichelstimme des Bordcomputers ertönte.
"Bitte begebt euch zu euren Stationen, der Test beginnt in X plus fünfzehn!"

Boris nahm einen hastigen Schluck von seinem Tee, während Kren sich noch schnell eins dieser leckeren kleinen Gebäckstücke in den Mund schob, die sein russischer Kamerad für ihn synthetisiert hatte. Sie recycelten die Reste, reinigten sich und saßen pünktlich in ihren Sesseln.
"Der Countdown beginnt. Zehn, Neun, Acht, ..." Nun wurde den beiden Helden doch ein wenig mulmig zumute. Zumindest Kren hatte derartiges ja schon erlebt, aber das hier war ... ganz anders. Das war ...
"Sprung!", gab der Computer bekannt.
'... Menschenwerk', dachte Kren noch. Dann schaute er sich verdattert in der Kabine um, begegnete Boris' verstörtem Blick.
"Was ist los?", japste der. "Ist irgendwas schief gegangen? Warum springen wir nicht?"

Der Bildschirm an Krens Konsole erhellte sich und es erschien der Kopf einer Telona.
"Herzlichen Glückwunsch zum ersten Hyperraumsprung in einem irdischen Schiff!"
Neben ihr erschien das spitze Gesicht eines Yemn'Inu, der sich den Glückwünschen anschloss.
Auf dem Monitor vor dem Boris saß, erschienen zwei Pr'aksi. Beide nickten und sagten:
"Willkommen im Kreis der Raumfahrenden!"
Die beiden Menschen waren baff. Sie hatten vollkommen unbemerkt eine Strecke von elf Lichtjahren zurückgelegt. Boris betastete seinen Schädel, als erwarte er das Einsetzen des Jetlags.

In Krens Hirn aber erklang eine leise Stimme:
"Vorgang aufgezeichnet. Archiv komplett."
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Steffen,

hier noch ein paar Kleinigkeiten.

...in dem sie sich wieder so weit in der Gewalt hatten ...
"Alles okay?" Es ist hier üblich: wie gesprochen, so geschrieben.
"Lass uns die Routineprüfungen machen!", lenkte Kren ab. neue Zeile Sie versanken in konzentriertem Schweigen, testeten, schalteten, simulierten, notierten, ...
die Schmeichelstimme des Bordcomputers Das scheint ein Zwang zu sein. ;) Ich denke nur an die Stimme der "Herz aus Gold" aus dem "Anhalter". :D

Zum Thema Feedback habe ich noch eine Anmerkung, weil es mir auch in dieser Episode wieder aufgefallen war. Die mit Bindestrich zusammengesetzten Begriffe wie zum Beispiel "Kopiloten - Liegesessel" oder "Raumfahrt - Rassen" werden ohne die Leerzeichen geschrieben.

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

Aufschreiber

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Hallo Rainer,

und noch einmal recht lieben Dank!
Wird natürlich sofort bearbeitet!

Insgesamt gesehen hätte ich eine Frage: "Wenn es ein gedrucktes (oder E-) Buch wäre, würde Dich das interessieren?

Beste Grüße,
Steffen
 
Hallo Steffen,

ich denke schon. Es ist eine interessante Geschichte. Hier und da noch ein bisschen Politur ... ;) Geht mir zumindest bei meinen Geschichten so, dass ich bei jedem Korrekturlesen noch Stellen finde, die man verschönern kann. Und ich lese sie mindestens fünfmal, bevor ich zufrieden bin.

Ich habe mir auch das Buch von "unserem" Walther gekauft, diese SciFi-Geschichte. Bin nur noch nicht dazu gekommen, sie zu lesen.

Und ich werde demnächst ebenfalls ein neues Buch auf den Markt werfen. Die ersten Kapitel habe ich hier gepostet. Ist zwar in der Abteilung Erzählungen, aber es wird als Gesamtes eine romantisch frivole Fantasy-Liebesgeschichte, heißt dann: Maniola und der Außerirdische.

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

Aufschreiber

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Hallo Rainer,

vielen Dank.
Ich weiß noch nicht, ob ich es noch einmal tun werde, zumindest ohne regulären Verlag. Ich habe drei Bücher bei Tredition verlegt, (BoD).
Der Anbieter ist sehr fair und bietet quasi alles, von Vermarktung, unterschiedliche Formate, bis zu der Tatsache, dass die Rechte nur für die dreijährige Vertragslaufzeit bei denen sind, danach ist man frei, woanders zu verlegen.

Ich grüble noch ein wenig.

Beste Grüße,
Steffen
 
Hallo Steffen,

ich bin bei epubli. Habe ja erst meinen Kommissar Zufall veröffentlicht. Davon gibt es irgendwann einen zweiten Teil. Aber ich habe halt noch andere Projekte in Arbeit.
Einen "regulären" Verlag zu finden ist ja gar nicht so einfach, wenn denen das angebotene Werk nicht zusagt. Im Selbstverlag kannst Du doch nichts verlieren, nur gewinnen. Ich müsste noch ein bisschen mehr Werbung machen, um den Verkauf anzukurbeln, aber ansonsten ...
Die größte Schwierigkeit, vor der ich jetzt wieder stehe, ist ein vernünftiges Cover.

Also: Nur Mut!

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

Aufschreiber

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Hallo Rainer,

vielen Dank noch einmal!

Ich hab die Bücher ja eh nur verlegt, weil ich eben mal ein eigenes Buch in der Hand halten wollte. Gewinn hab ich mir kaum versprochen. Meine Frau drängelt nun schon seit langem, ich möge einen Gedichtband zusammenstellen, aber das ist ein wenig Sisyphos ... Ich schätze, ich habe etwa 1500 Gedichte verzapft. Welche nimmt man nun in so einen Band auf?

Ich habe schon angefangen, zu sichten und zusammenzustellen, aber es bleibt schwierig. ;o)

Cover:
Ich habe meine selbst gestaltet, mithilfe freier Bilder, wie etwa bei -> Pexels .
Ansonsten gäbe es noch die Möglichkeit, sofern Du jemanden kennst, mal bei Design-, Architektur-, Medieninformatik-, ... Studenten nachzufragen, die sowas, oftmals gegen einen kleinen Obolus, ganz gern übernehmen.

Tredition bietet für die Gestaltung eine ziemlich große Bibliothek von "Standard"-Covers an.

Beste Grüße,
Steffen
 
Hallo Steffen,

genau das ist es doch. Man will mal sein eigenes Buch in Händen halten! Acht Exemplare habe ich bisher verkauft, also ungefähr eins pro Monat. Davon wird keiner reich. Aber darum geht es gar nicht.

Auf die freien Bilder weist epubli auch hin, hat ebenso eine - allerdings eher kleine - Bibliothek von Standard-Covern zur freien Umgestaltung.
Danke Dir für die Anregungen. Werde ein bisschen stöbern müssen.

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

Matula

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Guten Abend Steffen,
die Initiation des Menschengeschlechts zur Raumfahrerspezies ist ein schöner Grundgedanke, aus dem eine Geschichte zu machen sich lohnt. Dass Du dabei oft die Perspektive wechselst, finde ich nicht störend und auch nicht, dass es stellenweise ziemlich turbulent zugeht und "menschelt". Was ich allerdings an manchen Stellen vermisse, sind Hinweise und Erläuterungen. So ist mir beispielsweise nicht klargeworden, was Du mit "Hyperraum" meinst (dasselbe wie "Vielraum"?). Ich kenne den Begriff nur aus der (spekulativen) Astrophysik, wo er sich auf einen höherdimensionalen Raum bezieht, in den das Universum eingebettet sein soll. Deine Vorstellung scheint aber eine andere zu sein. Mir ist auch nicht klar, weshalb sich eine als "Schöpfer" bezeichnete Energie in einem Planeten manifestiert. Andererseits ist dieser Schöpfer bei Dir offenbar kein eigentlicher, weil er erst "kurz nach der Eruption, die man bei den Menschen den 'Urknall' nennt" entstanden ist. Ich glaube, das solltest Du etwas näher erklären.
Ich muss dazu sagen, dass ich nicht viel SF-Literatur gelesen habe, mir verschiedene Begriffe also nicht vertraut sind. Mich interessieren hauptsächlich die unterschiedlichen Vorstellungen, die sich Menschen von diesem merkwürdigen Ort namens "Universum" machen. Vielleicht kannst Du da das eine oder andere noch unterbringen.

Schöne Grüße,
Matula
 

Matula

Mitglied
Entschuldige bitte, ich habe gestern Abend die Bewertung vergessen ... war ein langer Tag für mich.

Schöne Grüße,
Matula
 



 
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