KONTAKTE - Dreizehn

Aufschreiber

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General Yun Pham konnte nicht schlafen. Dieser Kryptowski ließ ihn einfach nicht zur Ruhe kommen. Ganz gleich, wie sie die Angelegenheit angegangen waren, der Kerl war nicht zu greifen gewesen. Es gab nichts, was man ihm auch nur ansatzweise nachweisen konnte. Und das nervte den General.
Jane kam im Morgenmantel herein und legte ihm von hinten die Hände auf die Schultern. Sie begann, seinen verspannten Nacken zu massieren und schaute verständnislos auf den Monitor, auf dem mehrere Videos gleichzeitig abgespielt wurden.
"Willst du dich nicht wenigstens ein paar Minuten hin legen? Vielleicht tut dir schon die Ruhe allein gut?"
"Ach, Schatz!" Der durchtrainierte Mann wandte sich vom Bildschirm ab, seiner Frau zu. "Ich habe sogar schon ein leichtes Schlafmittel genommen ..."
Jane, die neben ihrem Mann zierlich, beinahe kindhaft wirkte, setzte sich auf seinen Schoß und legte ihren Kopf an seine Schulter. "Dann ist es wirklich schlimm", sagte sie, "Und ihr seid sicher, dass der Mann all diese Dinge getan hat?"
"Es gibt keine andere Möglichkeit. Mongabe und Singh-Carlstien haben den Vorgang am Thorium Server simuliert. Das ist die mächtigste Rechenmaschine der nördlichen Hemisphäre. Und alle Testläufe ergaben, dass dieser, dieser, ..."

Die schlanke Frau erhob sich und küsste den ratlosen General. "Hat die Simulation auch einen ... Grund ergeben?", fragte sie.
"Das ist ja das Verrückte. Es gibt keinen Grund, keinen Anlass. Mehr noch, einige der Manipulationen an den Schiffsgeräten kann man normalerweise gar nicht aus der Ferne vornehmen, dazu müsste man ... Oh mein Gott! Da ist jemand auf der Un-brakeable!"
Er sprang auf und löste sich aus Janes Umarmung. "Schatz, ich muss sofort in die Zentrale, tut mir leid." Er raste durch das Appartement und schlüpfte in seine Freizeitkleidung. Dann rief er seinen Fahrer.

* * *

Barbara und Torve waren verwirrt. Sie saßen vor dem Terminal und starrten auf den Countdown für die Ankunft.
'2151 : 17 : 31 : 55' Das waren fast sechs Jahre. Sie konnten also kaum aus dem Sonnensystem heraus gekommen sein. Aber warum waren sie dann geweckt worden?
Barbara wechselte zu einem anderen Arbeitsplatz. Sie unterbrach die Sequenz, die die Sekunden, Minuten, Stunden und Tage rückwärts zählte.
'Login: ', forderte der Rechner. Sie gab ihren Nutzernamen und das Passwort ein, das ihr engrammiert worden war, bevor die Un-Brakeable startete.
'Access denied! Wrong timeframe!'
"Shit!", presste sie zwischen den Zähnen hindurch.
"Was ist, Liebling?" Torves Stimme klang besorgt.
"Wir bekommen mit unseren Kennungen keinen Zugang. Erst in fünfeinhalb Jahren."
"Das gibt es doch nicht!" Torve war fassungslos. "Und was tun wir nun? Wir können keinen Einfluss auf ... irgendwas ..."
Barbara erhob sich und trat zum Synthesizer. Sie orderte zwei Pötte Kaffee und einige kleine Bisquits. Das Geforderte erschien fast sofort.
"Wir können den Synth benutzen."
"Ja, toll!", schnarrte Torve wütend, "und die Toilette ..."

Die kräftige junge Frau musste grinsen. Bisher hatte sie ihren Partner selten, ... , nein, noch niemals, ... so sauer gesehen. Sie trug das Tablett zu seinem Platz hinüber und schob die Tastatur zur Seite.
"Lass uns erst einmal einen Kaffee trinken und dann überlegen, was wir nun tun wollen!"
"Gut", schniefte Torve und griff sich einen Keks. Er verspeiste ihn und nahm einen tiefen Schluck aus dem Kaffeepott. "Hmmm, lecker."
Als Kaffee und Gebäck verzehrt waren, war auch sein Zorn verraucht. Sie saßen sich gegenüber und grübelten, jeder für sich, welche Optionen ihnen blieben.
"Wenn ... ", setzte Torve an, "... ach nein. Mist!"
"Aber wenn ..." murmelte Barbara und verstummte.
Wieder schwiegen sie, sannen auf eine Lösung ihrer Misere.

Plötzlich sprang Barbara auf und lief durch das Schiff.
"Wo willst du hin?", rief ihr verblüffter Mann ihr hinterher.
"... anderen Passagiere ...", hallte die Antwort, kurz darauf hörte er das Geräusch einer sich öffnenden Anabiose - Kabine.
"Torve!" - Das klang alarmierend.
Er beeilte sich, hinaus zu kommen, rannte zu der kleinen Kammer, vor der Barbara stand. Als er hineinschaute, war ihm sofort klar, was sie so erschreckt hatte. In den beiden Boxen, die sich in der Kabine befanden, lagen graue, halb verweste Körper. Das waren früher Arnold und Rebecca gewesen, ihre Freunde von der Akademie.
Er riss sich von dem Anblick los und stürzte zur nächsten Kabine. Patma und Grigori ruhten dort. Völlig aufgelöst kam er an und schaffte es in seiner Aufregung nicht, die Verriegelung der Kabine zu deaktivieren.
Barbara, die sich mehr Zeit gelassen hatte, trat zu ihm und ergriff seine Hand. Einen Moment lang standen sie da, als seien sie erstarrt, dann sagte sie:
"Du musst nicht öffnen, Schatz. Schau, die Kontrolldaten sind alle im Normbereich. Sie sind ok."

Torve zuckte zusammen, als erwache er aus einer Trance.
"Glleihgkhrll, Rkll!", fauchte er.
Barbara fuhr zurück. Sie wandte sich um, auf der Suche nach einem Med - Container, in dem sie sicher ein Sedativum finden würde.
"Rrkll!", das klang, als sei es ein ... Kommando. Sie schaute sich um. Torve lief ihr hinterher. Sie musste ihn abhängen, das Medikament holen!
"Sshnaphrutijikosll, gllishknaprijik!"
Sie spürte, wie ihr Wille erschlaffte. Langsamer und langsamer wurde ihr Schritt. Letztenendes blieb sie stehen, unfähig zu einer Reaktion.

* * *

Jenny erwachte. Sie sah sich im Zimmer um. So sah also Damians Unterkunft aus ... Sie drehte sich um und schaute in sein Gesicht.
"Wie harmlos er scheint, wenn er so schläft", dachte sie. Anschließend erhob sie sich und trat zu dem riesigen Fenster, das in der nächtlichen Finsternis dezent leuchtete. Die Wohnung lag sehr weit oben, vielleicht sogar im Dachgeschoss eines der luxuriösen Wolkenkratzer im USS4 - Quadranten der Stadt. Es gab kein Gegenüber, was der nackten Frau sehr entgegen kam.
Sie legte die Stirn an die kühle Scheibe, ließ den Blick über das Gebirge der Wohntürme schweifen, entdeckte am Horizont den ersten rötlichen Schein des knospenden Tages. Zufrieden wandte sie sich ab. Alles lief wie gewünscht und entwickelte sich sehr ... angenehm.
Sie begann, den Raum zu erkunden. Besonders ordentlich schien er nicht zu sein. Elektronische Module und Quelltext - Fiches lagen - wie malerisch drapiert - umher. Aber, gab sie zu, sie hatte auch nichts Anderes erwartet. Er war ein Nerd, der vor dem Schlafen sicher noch eine Runde "Universal Extinction" zockte, das angesagte VR - Ballerspiel. Und natürlich hatte er das Game gehackt, kannte alle Tricks und Cheats, kein Zweifel.

Sie schlenderte an den Serverschränken entlang, die fast die Hälfte der linken Wand einnahmen. Für den Preis eines dieser Geräte konnte man sich sicher einen kleinen Space - Jumper leisten. Inmitten des hallenartigen Raumes befand sich ein Arbeitsplatz, der fast wie die Zentrale eines Fusionskraftwerkes aussah. Reihenweise Monitore, Touchpads, Leapers, Tastaturen. Speicher - Arrays türmten sich links, Holodrives lagerten rechts.
Was machte der Mann mit all diesen Sachen? Er hatte einen Account in der CX - 7 Cloud, dort stand ihm Rechenpower zur Verfügung, gegen die sich sein Sammelsurium wie eine Spielkonsole ausnehmen musste. Wozu also diese Anlage?
Damian rührte sich. Er öffnete die Augen und hob den Kopf.
"Was rennst du denn hier umher?", fragte er, noch halb verschlafen, "Komm wieder ins Bett!"
Jenny lief zu ihm und schlüpfte wieder unter die Decke.

Nur nichts überstürzen. Sie hatte Zeit - und Spaß.
 

lietzensee

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Hallo Aufschreiber,
ich habe jetzt nur diesen dreizehnten Teil gelesen, hab also nur Halbwissen. Hier trotz dem mein Eindruck:

Der Text ließt sich angenehm flüssig. Sience Fiction braucht ja immer etwas mehr an Erklärungen, aber bei dir hat man das Gefühl, alles Wichtige ganz nebenbei vermittelt zu bekommen. Ich denke, das liegt auch an deiner Wortwahl. Du versuchst nicht, den Text besonders futuristisch klingen zu lassen, sondern konzentrierst dich auf Verständlichkeit. Da sagt der Leser danke.
Für mich war dieses Teilstück spannend zu lesen, auch ohne die ganze Geschichte zu kennen. Ich weiß nicht, ob die häufigen Szenenwechsel für den Gesamttext funktionieren, aber hier haben sie auf jeden Fall für Spannung gesorgt.


Zwei kleinere Anmerkungen:

"Es gibt keine andere Möglichkeit. Mongabe und Singh-Carlstien haben den Vorgang am Thorium Server simuliert. Das ist die mächtigste Rechenmaschine der nördlichen Hemisphäre.
Hier stört mich der zweite Satz. Die Frau spricht doch sicher öfter mit ihren Mann über seine Arbeit und er scheint voraus zu setzen, dass sie Mongabe und Singh-Carlstien kennt. Wird er ihr da wirklich erklären, was die mächtigste Rechenmaschine ist? Der Satz scheint eher zum Nutzen der Leser gedacht. Solche Info-Vermittlung würde ich aber aus der wörtlichen Rede raushalten. Sonst wirkt sie schnell gestelzt. Oder ergibt der Dialog mehr Sinn, wenn man die anderen Teile kennt?


"Lass uns erst einmal einen Kaffee trinken
welche Optionen ihnen blieben.
Plötzlich sprang Barbara auf und lief durch das Schiff.
Auch hier, vielleicht passt es, wenn man den Rest kennt. Aber es wirkt merkwürdig, dass sie erst mal Tee trinken, sich dann ihre Optioenn überlegen und ihnen erst dann einfällt, dass sie noch Mitreisende haben. In ihrer Situation hätte ich vermutet, dass das weiter oben auf ihrer Prioritätenliste steht.

Viele Grüße
lietzensee
 

Aufschreiber

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Hallo Lietzensee,

vielen Dank für Deine Kommentare.
Ich fürchte, dass es ziemlich wichtig ist, den bisherigen Verlauf zu kennen. Für Dich nur kurz: Die beiden Raumpassagiere sind von einer außerirdischen Intelligenz lange vor Erreichen ihres Ziels aus dem Kälteschlaf geweckt worden. Sie sind auf die Situation nicht vorbereitet, kümmern sich daher (für mein Empfinden verständlicherweise) erst einmal darum, ihr eigenes (Über-) Leben zu organisieren. Sie haben Zugriff auf den Synthesizer, der für Nahrung sorgt, aber an die Steuerung des Schiffs kommen sie erst einmal nicht ran.

Die häufigen Szenenwechsel ziehen sich tatsächlich durch die gesamte Geschichte, machen ihre Struktur aus. Vielleicht magst Du ja tatsächlich die Zeit opfern, von vorn zu beginnen? Es würde vieles klarer machen und möglicherweise auch Vergnügen bereiten. ;o)

Jane, die Frau des Generals, weiß von den vielen Dingen, die geschehen sind und die seinen Job ausmachen, nur einen Bruchteil. Die Episode geht davon aus, dass sie eine Vorstellung erlangt, wie komplex das Ganze ist, als ihr Mann erwähnt, dass die beiden Wissenschaftler den mächtigsten Computer der Hemisphäre benutzen mussten, um zu recherchieren. Dabei kam es mir auf das Ausmaß des Problems an.
In meiner Vorstellung haben sehr viele "Normalos" schon von dem Computer gehört, haben aber vielleicht keine so genaue Vorstellung. Er dient hier nur zur Verdeutlichung, welche Anstrengungen unternommen wurden.
Und natürlich ist es auch ein bisschen bildhaft: "Dieser Rechenkoloss hat nichts anderes erkennen lassen, also muss DAS die Wahrheit sein..."

Beste Grüße,

Steffen
 

lietzensee

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Hallo Steffen,
vielen Dank für die Erklärung. So kann ich es besser nachvollziehen. Dreizehn Teile nacheinander sind natürlich eine größere Investition an Zeit. Mal schauen.
Ich wollte einfach mal rein lesen. Aber zusammen gefasst. Du schreibst gut.

Viele Grüße
lietzensee
 

Aufschreiber

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Hallo Lietzensee,

danke für die Blumen. Vielleicht wäre es gut, gäbe es in der Leselupe eine Möglichkeit, Fortsetzungsgeschichten in einem extra Bereich abzulegen?
Dann wäre die Lektüre nicht problematisch.

Freut mich aber, dass Dir der eine gelesene Teil zusagte.

Beste Grüße,
Steffen
 



 
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