KONTAKTE - Einunddreißig

Aufschreiber

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Als Botschafter Jan Bechtler am Morgen aufstand, blinkte bereits das Hyperfon, das ihm R'Akso "verehrt" hatte, damit man sich "flüssiger abstimmen" konnte. Er nahm sich nicht die Zeit, seine Sinne zu ordnen, sondern sprang hinüber zum Schränkchen, auf dem das außerirdische Gerät lag.
"Ja? Hallo?", krächzte er hinein. Es dauerte einen kleinen Moment, ehe die Stimme des Pr'akso ertönte.
"Es gab einen Zwischenfall. Man hat ihre Abgesandten beleidigt. Drücken Sie bitte die Taste, auf der das Symbol 'Ⲇ' zu sehen ist! Das Video vom Vorfall wird ihnen dann gezeigt."
Jan gehorchte und erlebte alles mit. Anschließend fragte er: "Wer war das Individuum?"
Es schien dem Reptil nicht sehr angenehm zu sein, sich dazu zu äußern.
Nach einer kleinen Denkpause antwortete R'Akso zögerlich: "Das ist K'Rsaza, der Goßneffe des Imperators. Er ist ein Bursche ohne Skrupel und Benehmen, dem der Herrscher unglücklicher - und unverständlicherweise sehr zugetan ist. Meist geht K'Rsaza bei seinen Kapriolen straflos aus, immer mit der Sicherheit, dass 'Onkelchen' schon alles richten wird."
"Das heißt, er darf auch ungestraft die interstellaren Beziehungen torpedieren?"
"Nein, das auf keinen Fall. Die R'ak-P'aksi, eine Vereinigung bedeutender Bürger des Imperiums, die sich für einen schnellen und dauerhaften Fortschritt der Beziehungen zwischen den Spezies stark macht, haben bereits eine scharfe Protestnote im Palast abgeliefert. Diesen Vorfall kann auch der Imperator nicht herunterspielen."
"Was wird also geschehen?", wollte Jan wissen.
"Es wird einen Prozess geben. Die R'ak-P'aksi haben Klage erhoben, wegen Volksverhetzung und gefährlichem Rassismus."
Der Außerirdische legte wieder eine kleine Pause ein.
"Sicher wird das kein Schauprozess werden. Das ist eher die Art, wie die Yemn'In solche Dinge handhaben. Doch das Urteil wird kaum ein gnädiges sein - und es wird in allen Medien veröffentlicht werden."
Bechtler spürte wohl, dass dem Botschafter das Ganze äußerst unangenehm war. Er verzichtete auf eine weitere Vertiefung der Betrachtungen.
"Wie weit ist unsere Idee gediehen?"
"Ihre Abteilung hat bereits die wichtigsten Auszüge aus der Pr'aksischen Gesetzgebung erhalten. Es ist nun an ihnen, festzulegen, ob und in welchem Umfang man die genannten Strafmaße auch auf Menschen anwenden kann - und will."

Der Mensch lief, das fremde Kommunikationsgerät in der Hand, zu seinem Arbeitsplatz und startete den Rechner. Er meldete sich bei seinem Behördenaccount an und überflog die eingegangenen Informationen.
Es war gut, dass das Hyperfon keine Video - Telefonie erlaubte, denn was Bechtler dort las, verpasste ihm eine graugrüne Färbung. Es war ... barbarisch, blutrünstig, brutal, ... Konnte eine Spezies, die mit ihren Schiffen die Unendlichkeit durchquerte, Lichtjahre zurücklegte, wie die Menschheit einen Spaziergang um das Wohnviertel, ... konnten die Pr'aksi dermaßen gewalttätig sein, gegen ihre eigenen Artgenossen?
"Ist das die normale Rechtsprechung?", erkundigte er sich.
"Für solche Vergehen, wie Entführung und Versklavung unterlegener Individuen? Ja, natürlich. Ich hatte ihnen das schon bei unserem letzten Treffen angedeutet."
"Ich bezweifle stark, dass dieses Strafmaß gegen die eventuellen Komplizen der Täter Anwendung finden wird. Die Menschen haben diese Dinge ... anders ... gelöst."
"Ich weiß. Doch unsere Psycho - Edutronik ist - aus offensichtlichen Gründen - bei weitem nicht so ausgereift, wie die irdische. - Möglicherweise ist das ein Gebiet, auf dem die Menschen uns Entwicklungshilfe leisten können."

Jan nickte vor sich hin. Was für eine Vielfalt, die das Universum bevölkerte. Und nun nahte der Moment, in dem die bisherigen Bekannten zwei neuen Rassen begegnen würden. Er tauchte aus seinen Gedanken auf und bemerkte, dass R'Akso inzwischen weitergesprochen hatte.
"Botschafter", unterbrach er seinen Gesprächspartner, "Entschuldigen sie bitte, ich war für einen Moment abgelenkt. Ich würde vorschlagen, dass ich die Dokumente meinen Kollegen und Vorgesetzten übergebe und wir uns baldigst zu einem weiteren Gespräch, optimalerweise einer finalen Einigung, treffen."
"Das sehe ich genauso. Ich grüße sie mit den Worten, die Freunde auf P'rak sprechen, wenn sie sich verabschieden: 'T'lakk K'pasuk'k Vo'R'onut'Am!'"
Damit schaltete R'Akso die Verbindung ab.

* * *

Anh und Jenny saßen in der Lounge des Hotels, in dem sie untergebracht waren. Beide hatten sich ein Menü der typisch Telonischen Getränke zusammenstellen lassen und suchten nun nach ... Favoriten.
Jenny bevorzugte bisher den Drink, dessen Bezeichnung, übersetzte man sie in Unilingo, etwa "Feuriger Synapsenspalter" lautete. Glaubte man ihrer begeisterten Lobeshymne, so kam dies der tatsächlichen Wirkung zumindest nahe. Die junge Frau, die gerade ihre ersten Schritte auf dem Parkett interstellarer Zusammenarbeit unternahm, hatte ihre Wahrnehmung beim Genuss des ersten Kelches dieser Spezialität viel kürzer charakterisiert:
"Buooooaaah!"
Anh, die im Umgang mit außerirdischen Lebensmitteln bereits ziemlich versiert war, hatte dazu gekichert. Sie hatte schon bei ihrem ersten Urlaub auf Reliqo, einer der Telonischen Welten, ihren absoluten Lieblingsdrink entdeckt. Er hieß "Sanfter Hirnschmelzer" - und wirkte genau so, wie man es sich bei diesem Namen vorstellte. Einziges Problem war, den resultierenden Brei am nächsten Morgen schmerzarm wieder in ein Denkorgan umzuwandeln.
"Man hat mir mitgeteilt", erzählte Anh, "Dass der Kerl, der uns ins Bordell verfrachten wollte, der Großneffe des Herrschers sei. Offenbar ein sehr ... netter ... Zeitgenosse."
"Hahaha!" Jennys erste Synapsen waren offenbar bereits gespalten. Sie versuchte, ihren Blick auf Anhs Gesicht zu fixieren.
Es misslang.

Ein junger Yemn'Inu trat zu ihnen. "Gestatten sie, dass ich mich zu ihnen geselle?"
"Gern. Wer sind sie?", antwortete Anh. "Hahahaha!", gab Jenny von sich.
"Mein Name ist Voi'Mun. Ich habe sie von meinem Platz aus gesehen und bemerkt, dass sie noch kein gutes Maß beim Genuss Telonischer Starkgetränke gefunden haben. Ihre Freundin", er deutete auf die grinsende Jenny, "hat sicher noch keine Vorstellung, was ihr morgen blühen wird."
"Und das bewegt sie ... warum?", wunderte sich Anh.
"Weil ich ihnen helfen kann. Wir Yemn'In sind dem Rausch ebenfalls nicht abgeneigt - und", er pausierte theatralisch, "legen ebensoviel Wert auf die Vermeidung unangenehmer Folgen."
"Aha." Anh versuchte, ihre Gedanken so weit zu stabilisieren, dass ihr der Sinn der Aussagen des Fremden aufginge. "Helfen", viel weiter kam sie nicht, bevor dieses angenehme Wabern wieder einsetzte.
"Genau", bestätigte Voi'Mun, "wir haben einige - völlig ungefährliche - Mittelchen entwickelt, die ihnen morgen wie eine Gabe aus dem ... Paradies ..."
"Aha." Anh gab auf.
"Hahahaha!", Jenny hatte diesen Punkt schon hinter sich.
"Ich könnte ihnen", der Yemn'Inu senkte seine Stimme geheimnisvoll, "würde ihnen eine Portion von unserem ... Mittel ..."
"Ah ...", begann Anh. Voi'Mun ließ sich nicht irritieren.
"Für einen unglaublichen Preis von nur ... siebzehntausend Creds ..."
"Hahaha!"
"Pro Person ..."
"Aha."

Bevor der Schlangenmann fortfahren konnte, erschienen zwei Hausangestellte, schnappten ihn und trugen ihn davon.
"Hilfe! Ich werde unangemessen behandelt! Überfall!"
Die beiden Frauen lauschten dem schwindenden Lärm mit unbeteiligten Gesichtern nach. Dann glitt Jenny - kichernd - von ihrem Sattel.
Tek'Enh stand plötzlich neben ihr und verabreichte ihr aus einer kleinen Phiole eine Flüssigkeit.
"Oh!", kommentierte Anh.
Der Telono verpasste ihr eine Injektion.
"Danke!", sagte Anh und lächelte verständnislos.
"Danken sie mir morgen!", schlug der Kapitän vor.

Dann half er Jenny auf, verbeugte sich vor Anh und ... verschwand.
 



 
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