KONTAKTE - Neun

Aufschreiber

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Die Kommunikationszentrale der Sternenflotte kehrte zum Alltag zurück. Ein paar der Beschäftigten diskutierten den Vorfall noch kurz, doch danach war alles wieder wie immer. General Pham ließ sich nach Hause fahren, wo er all die Dinge nachholte, die normalerweise zu seinem Morgen gehörten. - Und das war auf jeden Fall das Frühstück mit seiner Familie. Sein Dienst brachte ihm so viele überraschende Einsätze, dass diese Zeit schon beinahe rituell genutzt wurde.
"Was gab es denn?", erkundigte sich Jane, seine Frau. Er schaute sie eindringlich an und schüttelte den Kopf.
"Geheim?"
"Ja, mein Schatz, tut mir leid. Aber du würdest es höchstwahrscheinlich sowieso nicht verstehen können. Selbst ich kapiere nur einen winzigen Bruchteil dessen, was da geschehen ist."
Seymour, der siebenjährige Sprössling, schaute seinen Vater an. Dann beklopfte er sein Frühstücksei mit dem Löffel.
"Dad, habt ihr neue Aliens entdeckt?"
Der General nahm seinem Sohn das Ei aus der Hand und köpfte es fachmännisch.
"Nein, leider nicht. Wir senden aber gerade ein Raumschiff zu den Teloni. Die werden unsere Forscher weit ins Universum hinaus fliegen, wo es - wahrscheinlich - wirklich eine neuentdeckte außerirdische Zivilisation gibt."
Seymour nahm mit offenem Mund seinen Eierbecher wieder in Empfang.
"Wow", staunte er, "Darf ich meinen Freunden davon erzählen?"
"Das solltest du lieber noch lassen. Du willst doch nicht als Schwindler dastehen, sollte sich herausstellen, dass es dort draußen gar keine neuen Aliens gibt?"
Der Kleine schüttelte heftig den Kopf. "Nö, das will ich lieber nicht."

* * *

Zrrgll war verunsichert. Alles hatte so erfolgversprechend ausgesehen, doch nun lebten von den acht Wesen nur noch sechs. Was hatte es übersehen? Wieder und wieder rief es die beiden Versuche ab, konnte aber keinen Fehler entdecken. Schließlich resignierte es und wandte sich mit neuem Eifer der Entschlüsselung der Maschinen zu. Hier gab es nicht diese Unwägbarkeiten. In winzigen Schritten tastete sich Zrrgll durch die elektronischen Welten. Eins nach dem anderen gaben die Module des Systems ihre Rätsel preis ...

Irgendwann glaubte Zrrgll, es sei an der Zeit, das Puzzle zusammenzusetzen. Es formulierte eine Anfrage an den Teil, in dem die verarbeiteten Bitmuster gespeichert wurden. Dort hatte es ein neues Set von Zeichenfolgen entdeckt, die es studiert hatte. Die Erwartung war groß, als es nun übermittelte: 'select * from db_main where topic like "health";'

Eine Lawine von Zeichen ergoss sich über die Anzeige. Für einen Moment war Zrrgll verwirrt, doch dann erinnerte es sich einer anderen Sequenz. Es wiederholte das Kommando, hängte aber am Ende ein: "| less" an. Das half. Nun stoppte die Datenflut, sobald die Anzeigefläche voll war. Zrrgll konnte die Zeichen in Ruhe betrachten, den Inhalt mit den Erkenntnissen vergleichen, die es während seines Aufenthaltes in dem Körper des Wesens gewonnen hatte.
Es verging viel Zeit, bevor es auch nur ansatzweise verstand, was dort gespeichert war. Dann aber war plötzlich alles klar. Zrrgll war von der falschen Annahme ausgegangen, der seltsame Stoff in den Körpern sei für den Erhalt der Funktionen da. Aber das Gegenteil traf zu, das 'Stimulans' war ein Mittel zur Dämpfung der Funktionen gewesen. Durch die Überdosis hatte es ... die Versuchsobjekte vergiftet.

* * *

Damian schlief wie ein Stein. In all seiner Anspannung und Aufregung hatte er nicht wahrgenommen, dass er beinahe drei Tage lang auf den Beinen gewesen war. Als die Verbindung zum Schiff gekappt worden war, hatte er alle seine Spuren beseitigt und war endlich auf seine Couch gesunken.
Zusammengekringelt wie ein Fötus, die verschwitzten Klamotten noch am Leib, ruhte er reglos und verschlief alles, was möglicherweise ...

Der mittlere Monitor beendete seine Bereitschaft und wurde hell. Die Entwicklungssoftware für Simulate wurde geöffnet und ein Projekt geladen. Anschließend aktivierte sich die Datenverbindung zu dem Illusor, in dem Kren, der junge Kontakter, seine Abschlussprüfung absolviert hatte. Die Wiedergabe der Aufzeichnungen dieses Vorganges lief los.

* * *

Jenny Farnton erwachte von einem schrillen Geräusch. Sie sprang aus ihrem Bett und rannte zur Arbeitsstation.
*Illusor aktiviert!*, blinkte ihr entgegen. Daneben sah sie die Bilder der Überwachungskameras und die Aktivitätskontrollen des betroffenen Gerätes. Was geschah dort? Mit zitternden Fingern stellte sie eine Verbindung zur Zentralsteuerung der Abteilung her. Wie gut, dass sie das Überwachungsprogramm installiert hatte. Auch ihre beiden anderen Displays erhellten sich nun. Auf dem linken Schirm erschien die Benutzerschnittstelle der Zentrale, auf dem rechten sah sie, was sich im Interface des Illusors tat.
Es war eigenartig. Anscheinend wurde irgendeine Simulation abgespielt, doch die Akteure waren ... verändert. Hastig durchsuchte Jenny die Datenbanken nach der Kennung der Session.
"KF-2377/0908, Kren Wronski, PS", leuchtete es ihr entgegen. Das war eine 'PS', eine Partnersession, gewesen. Sie ließ sich auf dem rechten Bildschirm die Daten der zweiten Simulation anzeigen. "KF-2377/0908, Nadine Oberhausen, PS", lautete die Identifikation. Jenny schaltete die Wiedergabe dieser Session dazu.
Was sie sah, ließ ihren Atem stocken. Anstelle der Figur, deren Rolle Nadine spielen sollte, sah man eine Art Doppelbild. Einerseits befand sich dort ein Katzenwesen. Das war erst einmal in Ordnung, denn in der Planung war vorgesehen gewesen, dass der Illusor eine zufällige Erscheinungsform wählen sollte. Doch gleichzeitig gab es an derselben Position eine ... Plasmawolke? Das Gebilde war durchsichtig, waberte ein wenig, wirkte fast wie ein Gel. Aber das war noch nicht alles. Es streckte unzählige Tentakel aus, die in die Partnerfigur (Kren) und auch alle technischen Systeme eindrangen.
Jenny wollte die Wiedergaben stoppen. Das funktionierte nur für die von ihr gestartete, die andere lief ungehindert weiter. Dort sah man jetzt, dass sich ein Teil des Plasmas mit der Figur des Probanden verbunden hatte.

Ohne einen Blick vom Monitor zu wenden, sprach die junge Frau:
"Buttler, Sofortkontakt General Yun Pham, Oove Johansson! Stufe 5!"

Wenige Sekunden später schauten sie vom linken Monitor zwei erstaunte Gesichter an.
"Meine Herren, es gibt neue Probleme", erklärte Jenny.
"Was ist denn los?" Johansson war sichtlich angesäuert.
"Ich schalte sie gleich auf die Verbindung auf. Dann sehen sie selbst. Nebenbei sende ich ihnen den Mitschnitt meiner eigenen Session."
"Ok." Johannsson nickte, schaute zur Seite und erblasste. "Was ist da los?"
Pham war offenbar vom Frühstückstisch aufgesprungen und in sein Arbeitszimmer geeilt. Sein Bild erschien wieder und auch er war sichtlich beunruhigt, von dem, was er sah.
"Wann hat das begonnen?", wollte er wissen.
"Kann ich leider nicht sagen. Ich hatte eine Watchdog - Software installiert, die mich vor einer Weile geweckt hat."

Jennys Blick wanderte zurück zu dem Schirm, auf dem sie die Vorgänge beobachtet hatte.
Sie erstarrte, tippte und klickte wild drauflos.
"Was ist passiert?", fragten beide Männer gleichzeitig.
"Ich kann es nicht erklären. Beide Aufzeichnungen sind plötzlich ... ganz normal. Nirgends eine Spur der Erscheinung, die wir gesehen haben. - Warten sie, ich fahre zum Anfang zurück ..." Sie stoppte - diesmal erfolgreich - beide Streams, setzte sie zurück und startete erneut.

Da gab es nichts Außergewöhnliches. Alle Abweichungen waren verschwunden.

Jenny nickte. Das würde sie aufklären, um jeden Preis. Sie loggte sich in den Hauptrouter der Abteilung und kontrollierte das Verbindungslogbuch.
"Ich habe die Verbindung gefunden!", frohlockte sie.
"Wo ist der Ursprung?" General Pham war nun sichtlich beunruhigt.
"Wer war das?", fragte auch Johansson.
Jenny übermittelte die Logdaten.
"Das ist unser Mann: Damian Kryptowski, Chefentwickler für die Szenarien."
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Aufschreiber,

so langsam kommen sie den seltsamen Dingen auf die Spur, ja?

Über eine Kleinigkeit bin ich gestolpert:

Du willst doch nicht kein Komma als Schwindler dastehen

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 



 
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