KONTAKTE - Sechzehn

Aufschreiber

Mitglied
Yun Pham wiegte den Kopf. Die ganze Angelegenheit drohte, die Grenzen der Sicherheitsabteilung zu sprengen. Wenn man die Außerirdischen behelligte, konnte das Ganze schnell außer Kontrolle geraten. - Seiner Kontrolle schien es ja ohnehin schon entglitten zu sein.

Vor dem Büro saßen Jenny Farnton und Oove Johansson, die, soviel war klar, eine Entscheidung erwarteten. Was würden die Beiden tun, wenn er dagegen oder - noch schlimmer - gar nicht entschied? Auch das war eine Unwägbarkeit. Pham schüttelte sich. Diese Art Situationen hasste er.
Widerwillig lenkte er seine Gedanken wieder dem eigentlichen Problem zu. In dem Raumschiff, das aufgebrochen war, um diejenigen Vertreter der gesamten Menschheit zu befördern, die auserkoren waren, den ersten Kontakt mit der dritten intergalaktischen Rasse herzustellen, deren Existenz auf der Erde bekannt geworden war, taten sich außerordentliche Dinge.
Die Menschheit hatte keine Möglichkeit, diese Unregelmäßigkeiten zu untersuchen, geschweige denn, sie zu unterbinden.
Welche andere Alternative gab es? Mit vibrierendem Bewusstsein kalkulierte der General alle Varianten, die ihm irgendwie bedenkenswert erschienen. Am Ende saß er wieder nickend da. Es blieben nur die Teloni.
"Butler!", bellte er.
"Sie wünschen?"
"Bitte Jenny Farnton und Oove Johansson herein. Anschließend rufst du Rupert Mongabe und Anh Singh-Carlstien zu mir. Termin: 10:30 Uhr!"
"Sehr wohl."
Die servile Art des Programmes nervte Pham. Nicht prinzipiell, nur in diesem Augenblick. Es fühlte sich an, als mache sich der Butler über seine Ratlosigkeit lustig.

Die beiden Mitarbeiter traten ein und grüßten militärisch.
"Lassen sie das!", forderte Pham, "Sie sind keine Militärs." Johansson nickte kurz und setzte sich unaufgefordert auf einen der Stühle, die vor dem Schreibtisch standen. Jenny, von dem Einwand ebenfalls verunsichert, tat es ihm nach. Der General verzog für einen Moment das Gesicht, sagte aber nichts zu dieser Insubordination. Vielmehr ging er sofort zur Tagesordnung über.
"Ich habe ihren Vorschlag gründlich geprüft. Und nach Abwägung aller mir bekannten Fakten und Einflüsse, bin ich zu dem Schluss gekommen, ... "
Ein Ruck ging durch die beiden Gäste. Sie richteten sich kerzengerade auf und schienen den Atem anzuhalten.
"... dass ihre Einschätzung korrekt ist. Es bleibt uns keine andere Möglichkeit, als die Teloni, später vielleicht sogar die Pr'aksi, hinzu zu ziehen. Wenn das, was dort, auf der Un-brakeable ist, wirklich zu all den Dingen fähig ist, die wir ...", er unterbrach sich, "... die Damian Kryptowski ... herausgefunden hat, dann wären wir dieser ... Erscheinung ... ohnehin schutzlos ausgeliefert."

"Also", Oove schien noch im Zweifel, ob das, was er gerade vernommen hatte, wirklich real war, "Also setzen wir die Teloni darauf an?"
"Ganz genau", nickte Pham, "Und sie beide werden die Operation leiten. - Gemeinsam mit den Doktoren Mongabe und Singh-Carlstien."

* * *

Barbara war noch immer schockiert. Es war neu, dass Torve in seiner Trance tatsächlich Unilingo sprach. Was hatte das zu bedeuten? Sie ließ ihren Mann stehen und lief hinaus, in das Labyrinth der Verbindungsgänge. Für eine Weile schlenderte sie vor sich hin, ohne einen klaren Gedanken zu fassen. Es tat ihr gut, erinnerte sie an die endlosen Spaziergänge an der Küste der Nordsee, wo ihre irdische Heimat lag. Mit einem Mal wurde ihr klar, wie sehr sie die Erde, das Meer, ihre Familie und Freunde vermisste. Alle Menschen, die sie gekannt hatte, wären bei ihrer Rückkehr tot und längst vergessen. Sie hatte sich eingebildet, es mache ihr nichts aus, aber das war nicht wahr. Es war eine dieser Schutzbehauptungen, die sich das Bewusstsein einredete, um den Schmerz zu meiden, der logische Folge solcher Erkenntnisse wäre.

Sie kehrte um und lief in leichtem Jogging - Schritt zu ihrem Geliebten zurück.
Torve hatte sich bequem zurecht gesetzt und schaute sie liebevoll an.
"Wo warst du?"
"Ach, ich hatte das Gefühl, ich müsse aus unserer ... Kabine, ein bisschen umher streunen ....", antwortete sie geheimniskrämerisch.
Er stand auf, umarmte und küsste sie. "Ich weiß. Auch mir droht schon der Raumkoller. Man frostet die Passagiere solcher Fernreisen nicht unbegründet ein. Du kennst selbst die traurigen Geschichten aus den Anfängen der interstellaren Raumfahrt."
Barbara setzte sich auf ihren Entspannungssitz und wippte leicht. "Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir in die Anabiose zurückkehren sollten." Sie zwinkerte Torve zu. "Es ist ja nicht nur die endlos lange Zeit, sondern auch die Tatsache, dass wir als einzige ... altern."
Torve horchte auf. "Bedrückt dich das wirklich so sehr?"
"Irgendwie schon. Wir waren die jüngsten Mitglieder der Crew. Wenn wir munter bleiben, werden sogar Tanita und John physisch jünger sein - und die sind 3 Jahre älter."
"Ich weiß nicht." - Torve schien nicht überzeugt. "Wir könnten, wir könnten, ..."
"... nichts tun, was die Computer der Un-brakeable nicht auch ohne uns zuwege brächten - oder irre ich mich?"
Für einige endlose Sekunden ruhte Torves Blick auf seiner Partnerin. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper. Er setzte sich aufrecht hin und erklärte: "Ok, ich gebe mich geschlagen. Dagegen lässt sich kein sinnvolles Argument anführen. Wann wollen wir uns ... wieder einfrieren?"
Barbara strahlte. Sie hatte mit einer ausgedehnten Diskussion gerechnet. "Morgen?", schlug sie vor.
"Einverstanden", stimmte ihr Liebster zu.

* * *

Zrrgll wurde von der Aktion seiner ... "Kinder" vollkommen überrascht. Es hatte sich mit den Datenbanken des Schiffes beschäftigt gehabt und die Überwachung der beiden Wesen vernachlässigt. Es konnte sich nicht vorstellen, was die Beiden unerwünschtes tun könnten. Als es ihnen wieder einen Teil seines Bewusstseins zuwandte, waren sie bereits in der Sedierung. Die Temperaturen in den Anabioseboxen sanken. Diese Phase, hatte Zrrgll in den Speichern des Schiffes gefunden, durfte auf keinen Fall unterbrochen werden.
Es dauerte eine Weile, bis sich seine ... Aufregung ... legte. Auch dieser Zustand war ihm vollkommen neu. Ein Frrmall, wie die Individuen der Frrmllo - Population hießen, erlebte so etwas normalerweise nicht. Sein Volk bestand aus Plasma - Energie - Komponenten, verfügte nicht über ein ausgeprägtes Gefühlsleben. Die Frrmllo waren ... Alphawesen. Fast keines der Geschöpfe, denen seine Spezies bisher begegnet war, konnte sich mit ihnen vergleichen.
Sie waren, was die Menschen "Götter" nannten.

Zrrgll war verwirrt. Was geschah hier mit ihm? Diese kleinen, schwachen Kreaturen schienen eine Art ... Rückkopplung auszulösen. Es beschloss, diese Wesen künftig nicht mehr so oft und ausgiebig zu kontrollieren. Irgendwie war das - fast weigerte sich sein Verstand, es zu denken - gefährlich.
 



 
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