KONTAKTE - Siebenundzwanzig

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Drei Tage lang waren Anh und Jenny von den drei Teloni durch das Schiff geführt worden, hatten Vorträge über die Probleme der Hyperraumreisen gehört und wertvolle Informationen über die Struktur des Kreises der Raumreisenden Spezies vermittelt bekommen. Wären nicht die sehr entspannten Feierabend - Treffen gewesen, die die insektoiden Gastgeber langsam zu Vertrauten, vielleicht sogar ein wenig zu Freunden, machten, dann wäre die Reise wahrscheinlich unangenehm gewesen, etwa wie ein irdischer Intensivkurs, bei dem es auf jedes gesprochene Wort, jede Darstellung und Formel ankam, wollte man die Abschlussprüfung bestehen.
Doch der Druck verschwand, wenn Tek'Enh, Tei'Anh und Tak'Unh am "Abend" von ihren Erlebnissen erzählten, Witze rissen und einmal sogar zu tanzen versuchten - eine Tätigkeit, die den Teloni vollkommen fremd sein musste, denn deren Leben bestand im Großen und Ganzen aus ... Dienst. Tageszeiten hatten für diese Wesen keine Bedeutung, sie hatten die Unterscheidung nur für ihre irdischen Gäste übernommen.

Im Gegenzug hatten die beiden Frauen aus ihren Leben erzählt, gemeinsam gesungen und den "Weltraum - Ameisen" eben diese irdischen Tänze vorgeführt. Es war unglaublich faszinierend für die Menschen, zu erkennen, mit welcher perfekten Effizienz die Telonische Intelligenz funktionierte. Auf der Erde gab es kaum jemanden, der dem auch nur nahe käme.
"Sagt", erhob Jenny ihre Stimme am letzten Abend, "Sind alle Teloni so ... perfekt oder hat man euch ausgewählt, um uns zurückgebliebene Kreaturen zu beeindrucken?"
Tei'Anh machte eine Geste der Belustigung. Sie klickte ein paar Laute und antwortete dann auf Unilingo: "Entschuldige mein Lachen! Wir sind nicht nach diesen Kriterien ausgewählt worden, sondern sind eher durchschnittlich, was Wissen, Können und Effizienz angeht. Das Geheimnis unseres scheinbaren Vorsprungs in der Entwicklung liegt in mehreren Tatsachen begründet. Zu allererst ist da unser Erbe. Wir stammen von einer Spezies ab, die euren Ameisen nicht unähnlich gewesen ist. Das heißt, wir haben die individuelle Intelligenz aus derjenigen des Schwarms, des "Volkes", wie ihr es nennt, entwickelt. Diese "Schwarm - Intelligenz" existiert noch immer, hat sich nur bei der Individualisierung abgeschwächt.

Die Asiatin nickte, Jenny saß mit halboffenem Mund da und lauschte. Die Leiterin fuhr fort:
"Der zweite Aspekt ist die vergleichsweise lange Zeit, die unsere friedliche Zivilisation bereits existiert. Die letzte kriegerische Auseinandersetzung auf unseren Planeten ist etwa siebzehn Jahrtausende her. Es war die Vereinigung der drei "Stöcke", deren einziges Überbleibsel die Unterschiede in unseren Namen sind: 'Anh', 'Enh' und 'Unh' ..."

Anh richtete sich auf ihrem Sattel auf; erstens, weil die Sitzhaltung langsam unbequem wurde und zweitens, weil sie eine Frage hatte.
"Wie ist es möglich, dass die Milliarden Teloni mit einem so beschränkten Namenssystem zurecht kommen, wie wir es bei euch sehen? "Tei" - das sind drei Buchstaben. Geht man von unserem standardisierten Alphabet aus, dann reicht das doch niemals, um allen Teloni einen einzigartigen Namen zu geben."
Diesmal vollführten alle drei Gastgeber die Belustigungs - Geste.
Anschließend sprach Tek'Enh: "Das ist wahr. Die Namen, die wir euch sagen sind nur sehr grobe Annäherungen an die Telonische Sprache. Allein die Klangkobinationen meines Namens erlauben - mit unseren Mandibeln artikuliert - eine Vielzahl von Varianten. Die Form, die ihr hört, hat mit dem tatsächlichen Klang wenig zu tun. Hinzu kommt, dass auch der Rang und die gesellschaftliche Stellung im Stock normalerweise Teil der Identifikation sind. Diese Aspekte sind für die Kommunikation mit anderen Spezies eher unwichtig. Deshalb haben unsere Linguisten diese Verkürzungen entwickelt, die für die Verständigung mit den Pr'aksi, den Yemn'In und nun auch den Menschen, durchaus sinnvoll sind. Mein vollständiger Name lautet ..."
Er klick-klack-schnarrte drauflos, in einer Geschwindigkeit, die die beiden Frauen nie erwartet hätten. Das Lautfeuerwerk dauerte etwa drei Sekunden, dann verstummte der Kapitän.
Tei'Anh übernahm.
"Ins Irdische übertragen heißt das, sehr grob angenähert: 'T-Gche-ghkg Enh, Kapitän Nummer 5781 der Flotte von Enh, männlicher Einwohner des Zentralstocks Telmoniq, Brut 4177/73995 von Enh'. Er ist also im Viertausend-einundert-siebenundsiebzigsten Brutzyklus des Jahres Dreiunsiebzigtausend ..."
"Ok, danke, ich habe es begriffen", unterbrach Anh, "Die kurze Namensgebung geht also davon aus, dass wir ohnehin nicht alle Einwohner treffen werden."
"Ganz genau. Es gibt auf den dreiundzwanzig Planeten der Telonischen Unität rund vier Billionen Individuen. Nehmen wir an, ihr lernt zweihundert davon kennen, dann ist die kurze Benennung durchaus effizient. Für statistische Aufgaben wird dann wieder auf die vollständige Nomenklatur zurückzugreifen sein. Aber ich denke, dass die Menschheit wichtigere Dinge zu tun hat, als eine Zählung der Teloni durchzuführen."

Diesmal lachten alle.

* * *

Damians Abend in der Diskothek nahm weitestgehend den geplanten Verlauf. Nach etwa einer Stunde verschwand Marika mit Adela auf der Damentoilette und kehrte, kaum dreißig Minuten später, dezent geschminkt zurück.
Der Simultroniker überging die Veränderung locker, um nicht neues Streitpotential zu schaffen. Yuri war leider nicht so clever.
"Oh!", rief er, "Wo kommt denn auf einmal diese Schönheit her?" Er legte seine Arme um die beiden Frauen. "Tja, Mädchen, Mathematik - selbst höhere - macht eben doch noch nicht sexy."
Damian erstarrte kurz, doch Marika blieb erstaunlich gelassen. "Das nehme ich einfach als Kompliment, egal, wie es gemeint ist."
Sie schnappte sich den Arm ihres Gastgebers und fuhr fort: "Nun, da ich jetzt ja scheinbar dem Mainstream ... ", sie deutete auf die tanzenden Massen, " ... entspreche, will ich mich auch so benehmen. Du darfst mir einen Drink spendieren. Aber ich warne dich, ich habe bisher nur sehr wenig Stärkeres getrunken, als Caj."
Davon ließ sich Damian nicht beeindrucken. Er begleitete Marika zur Bar und wählte für sich einen Whiskey und für sie einen 'Diffusor', einen Fruchtsaft - Drink, der mit einem leichten Stimmungsaufheller gemixt wurde. Der schien ihr zuzusagen, denn sie wünschte sich einen zweiten, sobald sie das erste Glas geleert hatte.
Als sie nach dem dritten Drink fragte, entschloss sich Damian, ihr etwas Potenteres anzubieten. So kam es, dass die verschlossene Einzelgängerin wenige Minuten später ausgelassen tanzte und alle Vorurteile gegenüber der Unternehmung vergessen hatte.

Es war bereits früher Morgen, als die Truppe Marika an ihrer Unterkunft absetzte. "Willst du noch mit rein?", fragte sie unvermittelt.
"Soll ich?"
"N...naja, wolltest du nich ... Sex?"
"Das hat Zeit. Und vor allem will ich, dass du dabei nüchtern bist."
"Wiedu ... willst." Marika verzog ihre Lippen zu einem Schmollmund. "Nacht!"
Damit drehte sie sich um und betrat das Gebäude. Es dauerte ein paar Augenblicke, ehe hinter einem Fenster im zweiten Stock das Licht eingeschaltet wurde. Dann schwang die Scheibe nach oben und die Bewohnerin schaute herab.
"War ... gar nicht übel, der Abend", rief sie den drei Untenstehenden zu, "Danke!"

Das Fenster schloss sich und ein Nachtschirm wurde herab gelassen.
"Stimmt", kicherte Adela, "Die kann ja auch ... ganz nett sein".
"Auf jeden Fall", stimmte Yuri zu.
"Warten wir ab, wie sie sich morgen gibt!"

Damian verabschiedete sich von seinen Freunden und fuhr nach Hause.
"Ganz nett ...", murmelte er vor sich hin, startete seine Arbeitsstation und verlor sich in der Betrachtung all der Schnappschüsse von Marika, die die Cloud bereit hielt.
 



 
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