KONTAKTE - Zweiundfünfzig

Aufschreiber

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Anh und die restlichen Passagiere der Un-brakeable, die sich auf dem Kreuzer der Pr'aksi befanden, waren vollkommen der Faszination der militärischen Ordnung verfallen. Alles lief so ... geschmeidig, niemand war untätig und dennoch gewann man immer wieder den Eindruck, dass keine Hektik aufkam. Wie ein Uhrwerk lief das alltägliche Bordleben ab.
Barbara und Torve, die beiden, die vom "originalen" Zrrgll schon geweckt worden waren, hatten sich mehr vom unbeeindruckten Denken bewahrt. Sie ergingen sich nicht in kritikloser Bewunderung, sondern hatten es sich angewöhnt, Dinge und Anweisungen immer wieder zu hinterfragen.

Die Pr'aksi, als Nachfahren reptilischer Raubtiere, hatten sich einen beträchtlichen Teil der Predator - Natur bewahrt. Die Strafen auf Verfehlungen waren drakonisch und was die beiden Menschen davon erfuhren, jagte ihnen Schauer über den Rücken. Wie konnte eine technologisch dermaßen fortgeschrittene Spezies so brutal und empathielos sein?

* * *

Anh, die sich der Faszination Pr'aksischer Ordnung nicht vollständig hatte entziehen können, saß in ihrer winzigen Kabine und dachte nach, als der Summer ertönte. Sie erhob sich und trat zur Tür, wo sie die Außenkamera aktivierte. Vor dem Eingang stand Kr'Akso, der Offizier, dem sie seit dem Zwischenfall kaum noch traute. Dennoch hatte sie versprochen, seine Verfehlung nicht zu melden. Gelegentlich hatte sie sich seither gefragt, was sie zu diesem Zugeständnis bewegt hatte.
"Darf ich eintreten?", fragte der beeindruckende Echsenmann. Anh öffnete den Durchgang und trat beiseite, um ihren Gast herein zu lassen. Der schritt in die Kabine und ließ sich auf einem der Sitze nieder, die um den kleinen Tisch in der Ecke gruppiert waren. Er stellte eine Flasche auf den Tisch und hüllte sich in Schweigen.
Anh nahm auf dem zweiten Sitz Platz und schaute Kr'Akso fragend an. "Nun?", sagte sie schließlich.
"Ich bin gekommen, um mich nochmals ihres Wohlwollens zu versichern", gestand er.
"Welchen Anlass gibt es dafür? Fürchten sie, ich könnte mein Versprechen ... nicht halten?"

Kr'Akso schien ziemlich nervös zu sein. Er rutschte auf dem Sitz herum und schien keine bequeme Stellung zu finden. Schließlich erhob er sich und trat vor Anh hin.
"Sie waren bei der Konferenz von Telmoniq. Sicher erinnern sie sich des Pr'akso, der sich dort ungebührlich betragen hat."
"Ja", bestätigte Anh nachdenklich. "Der hieß K'Raza oder ähnlich und war der ... Großneffe ..."
"Des Imperators", unterbrach sie der Besucher. "K'Rsaza ist ... war sein Name. Und er war ... unantastbar, denn der Imperator hat seine Verfehlungen gedeckt. Nun haben Erde und Imperium eine Übereinkunft getroffen. Und deshalb musste ... ein Beweis guten Willens ..." Die Stimme des Reptils verebbte in einem Röcheln.

"Was ist geschehen?" Anh war mesmerisiert. Worauf wollte der Kerl hinaus?"
"K'Rsaza wurde", das Sprechen fiel Kr'Akso sichtlich schwer. "Er wurde verurteilt."
Anh fuhr zurück, beim Anblick des grauen, völlig in sich zusammengesunkenen Offiziers, der unbeholfen vor ihr niedersank, offenbar in dem Bemühen, eine ... kniende Haltung einzunehmen.
"Weiter!", hauchte sie.
"Er wurde ... neuterisiert!"
Die Worte schienen alle Energie aus dem Organismus Kr'Aksos zu saugen. Anh befürchtete beinahe, er werde im nächsten Moment kollabieren.
"Was bedeutet das?"
"Er gilt als geschlechtslos. Damit wird er zum ... Abschaum. Er verliert alle ... ALLE ... Bügerrechte, selbst seinen Namen. Er wird zum 'Kr'Kpak', einem ... Schatten."

Anh hatte noch immer keine Vorstellung davon, was das genau bedeuten konnte, aber sie sah, dass allein die Erwähnung der Strafe den Pr'akso an den Rand des Wahnsinns brachte. Trotzdem wollte sie eine verständliche Erklärung haben. "Was genau bedeutet das?", wiederholte sie ihre Frage.
Der vor ihrem Sitz kauernde Kr'Akso erzitterte.
"Es ist ... ein Todesurteil. Offiziell gibt es die Todesstrafe im Imperium seit einiger Zeit nicht mehr. Man hat sie durch 'Rk'ap'K'ii' ersetzt, den Persönlickeitsverlust. Wer diese Strafe erleiden muss, wird ... verhungern, verdursten, zugrundegehen."

Anh begriff endlich. Wenn sie ihr Versprechen nicht hielte, dann würde dieses Schicksal den Pr'akso ebenfalls ereilen. Sie glaubte, einen kleinen Stromschlag zu spüren, als ihr klar wurde, dass sie das Leben Kr'Aksos in der Hand hatte. Er würde alles tun, um diesen Tod abzuwenden ...

* * *

Voan'Min war in größte Betriebsamkeit verfallen, seit sie ihr Wissen mit Jenny geteilt hatte. Sie verbrachte ganze Tage in ihrer Kabine, koordinierend, Informationen sammelnd, organisierend.
Sie erstarrte, als der Summer an ihrer Eingangstür erklang. Hastig pausierte sie alle Kommunikationsverbindungen und tauschte das Bild auf ihrem Vs'osass, ihrem Datenverarbeitungsinstrument, gegen die Darstellung eines Yemn'ianischen Tempeltals.

Vor dem Eingang stand Jenny. Sie sah besorgt aus.
"Was ist los?", fragte die Schlangenartige barsch.
Jenny fuhr zurück. Solch eine abweisende Begrüßung hatte sie nicht erwartet, nach all den Sorgen, die sie sich um ihre Freundin gemacht hatte.
"Ich wollte nur einmal nach dir schauen", erklärte sie, "Ich wollte sehen, ob es dir gut geht."

Voan'Min öffnete. "Komm rein!" Damit glitt sie zu ihrem Nest zurück und wies der Irdischen mit dem Kopf einen Platz gegenüber ihrer Ruhestelle zu.
Jenny trat wie eine Marionette heran und setzte sich.
"Entschuldige, wenn ich ein wenig unfreundlich gewirkt habe!", sagte die Yemn'ina, "Ich bin mitten in der Arbeit."
Jenny nickte verstehend. "Hast du schon ...", hob sie an.
"Warte ab!", wieder knallte die Antwort der menschlichen Frau entgegen.
Sie verstummte und klappte den Mund zu, verkniff die Lippen.

"Ich bin dran", erklärte Voan'Min, "Es sieht vielversprechend aus."
 



 
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