KONTAKTE - Zwölf

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Aufschreiber

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Es war kalt ... saukalt. Torve Fjellhuset versuchte, dem Frost, der ihn umgab, zu entkommen, doch seine Muskeln reagierten nicht. Nur der Herzschlag und die Atmung funktionierten leidlich, wobei ersterer kaum wahrnehmbar und entsetzlich verlangsamt war.
Die Zeit, die verging, bevor es ihm gelang, die eiskalten Lider zu heben, fühlte sich wie ein Jahrhundert an. Seine Gedanken wälzten sich wie ein schwerer, zäher Brei durch das unterkühlte Hirn.
Wo war er? Warum ... war es hier so kalt? Wo war Barbara?
Die Erkenntnis tropfte sirupgleich in sein Bewusstsein. Er war in einem Raumschiff. "Unbrakeable", erschien der Name vor seinem inneren Auge, als sei es die Aufschrift eines Teleprompters und es würde von ihm erwartet, dass er das Wort aussprach.
"...nnbrr..." Sprechen ging nicht.

Barbara! Sie musste hier sein, ... gleich ... neben ihm. Ja! - Nun wurde alles klar. Er befand sich in einer Anabiosebox und war geweckt worden. Die kleine Panik, die sich ihren Weg das Rückenmark hinauf gebahnt hatte und nun im Hinterkopf lauerte, verblasste.
Wecken, das hieß: Ankunft. Torve entspannte sich, so gut das in seinem halbgefrorenen Zustand gelang. Alles würde sich aufklären. Er musste nur ... geduldig sein.

* * *

Barbara Ziegenrainer fröstelte. Sie versuchte krampfhaft, zu erkennen, was hier los war. Das Sedativum in ihrem steifen Körper dämpfte die Gedanken und - zum Glück - auch die Wahrnehmung. Mit einiger Mühe beschwor sie das letzte Bild herauf, das sie bewusst aufgenommen hatte, ehe ...
"Anabiose!" Das Wort platzte, schmerzhaft fast, in ihr Denken. Und ein zweites folgte ihm, beinahe nahtlos: "Torve". Sie zwang ihre Atmung in einen Rhythmus, konzentrierte sich auf den restlichen Organismus. Die Meditation erzeugte nach einer Weile ein Aufwallen von Wärme, das ihr Bewusstsein förmlich aufsog, empfing, wie ein Kind sein erstes Weihnachtsgeschenk. Sie versenkte sich ganz in ihre Körperwahrnehmung.
Ihre Augen öffneten sich, kaum schneller als eine Rosenknospe. Kräftiger pumpte das Herz, sandte breiiges Blut in alle Gliedmaßen. Die Muskeln, träge noch, doch nicht mehr paralysiert, begannen zu zucken, ohne wirklich zu gehorchen.
"Nur Ruhe!", kommandierte Barbara ihr Bewusstsein. Das half. Sie unterdrückte die Unsicherheit. Die Umgebung verschwamm, wurde bedeutungslos. Minuten verstrichen unbemerkt, dann begannen Arme und Beine zu stechen; elektrisiert, als seien sie eingeschlafen. Unangenehm wie es war, bedeutete es doch Gutes. Die Muskeln ließen das Zucken und begannen, den Impulsen des Hirns wieder zu gehorchen.
Langsam, ganz langsam wandte die junge Frau den Kopf nach rechts, wo, wie sie sich zu erinnern glaubte, die Box ihres Mannes sein musste. Da! Das Bild war noch unscharf, doch sie konnte die Umrisse des Containers erkennen, in der Torve ruhen musste.
"Torve!", kein Gedanke erfüllte sie so mit Energie, wie dieser Name.

* * *

Zrrgll war fasziniert. Es hätte nie gedacht, dass diese winzigen Intellekte eine derart hohe Gedankenintensität hervorzubringen in der Lage sein könnten. Die beiden Wesen, Barbara und Torve, wie es den Speichermodulen der Maschinen entnommen hatte, dachten so intensiv, dass Zrrgll sein Bewusstsein sogar ein wenig zurückziehen musste, um keine Interferenzen zu riskieren. Es erhöhte vorsichtig die Raumtemperatur, beschleunigte die Reanimation. Dieses Experiment würde sicher die Ältesten der Frrmllo beeindrucken. Es wäre perfekt gewesen, wäre ihm der Irrtum mit der Substanz nicht unterlaufen. Aber das war nicht bedeutsam, schließlich war Zrrgll, nach den Maßstäben seiner Spezies, kaum mehr als ein ... Kind. Es manipulierte das Teilsystem, das die Maschinen mit "Synthesizer" bezeichneten, so, dass es ein Nahrungsmittel erzeugte. Zrrgll hatte den menschlichen Metabolismus weitgehend erforscht und wusste, welche Stoffe diesem zugeführt werden mussten, um seine Funktion zu katalysieren. Am Schacht der Ausgabe erschien eine Art gelblich-grüner Fladen ...
Ob das als Futter ausreichend war? Zrrgll entsann sich anderer "Speisen", wie etwa derer, die von der Gruppe Geschöpfe zu sich genommen worden waren, die sich vor dem Abflug in dieser "Wohnung" ... Diese Gemische hatten ... anders ... ausgesehen. In der Tiefe seines Bewusstseins tauchte ein kleines Bedauern auf. Frrmllo besaßen weder Geruchs- oder Geschmackssinn, noch eine haptische Wahrnehmung.
Sicher, im Körper des Weibchens hatte es derartige Fähigkeiten besessen, doch jetzt, in seiner immateriellen Existenzform, konnte es diese Eindrücke nicht erinnern. Zu groß waren die Unterschiede.

* * *

Torve hatte seinen Körper nun wieder so weit unter Kontrolle, dass er es schaffte, seinen Kopf nach links zu drehen. Dort musste Barbaras Anabiosecontainer stehen. Er atmete auf, als sich seine Vermutung bestätigte. Aber nicht nur das, er nahm in der Box eine geordnete Bewegung wahr. Sollte auch sie ...?
"Babs?", krächzte eine fremde Stimme aus seinem Mund.
"Torve, Schatz!" Diese Worte klangen viel mehr nach der Erinnerung, die er an die Stimme seiner Geliebten hatte.
Die linke Box öffnete sich komplett und Barbara setzte sich langsam und sehr vorsichtig auf.
Sie blickte zu Torve hinüber und lächelte.
"Wie geht es dir?"
"Ganz gut. Ich bin noch nicht ganz soweit wie du, aber es dauert sicher nicht mehr lange."
"Lass dir Zeit, Liebling!"

Barbara erhob sich aus der Box und tat auf wackeligen Beinen ein paar unsichere Schritte.
Sie stakte umher und gelangte zum Synthesizer.
"Ieks!", rief sie, "Was ist denn das?"
"Was?", wollte Torve wissen.
"Irgendwie hat der Synth hier eine stinkende Masse produziert. Sieht ... eklig aus und riecht nicht besser. Ich werde es recyclen."

* * *

Zrrgll freute sich. Offenbar waren die Wesen, zumindest das eine, unbeschadet wiedererwacht.
Und um das Futter musste es sich auch keine Gedanken machen, selbst wenn sein Experiment offenbar den Geschöpfen nicht zugesagt hatte. Sie würden sich selbst füttern. Es wandte seine Aufmerksamkeit wieder der "Torve" - Person zu und induzierte einen kleinen Adrenalinschub. Der Körper reagierte prompt. Das Wesen setzte sich mit einem Ruck auf und entstieg ... entkroch ... dem Kühlbehälter.

So musste es gehen.

* * *

Damian und Jenny saßen sich gegenüber. Man hatte ihm, wie er schon gewusst hatte, nichts nachweisen können, musste ihn also freigeben. Im Gegenzug hatte er seine Mitarbeit angeboten, bei der Lösung des "Simula - Mysteriums", wie die Wissenschaftler das Ganze getauft hatten. Er nippte an seinem Whiskey und betrachtete Jennys fein geschnittenes Gesicht über den Rand seines Glases hinweg. Dann setzte er es ab und stellte es auf den Tisch zurück.
"Das wird unsere Nacht", dachte er, während er sie anlächelte.
 
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Hallo Aufschreiber,

nur eine Kleinigkeit: Langsam, ganz langsam wandte die junge Frau den Kopf nach rechts, wo ...

Die Erweckten mögen noch relativ jung sein, aber Zrrgll ist sich dessen gewiss nicht bewusst, dass sie das ferne Ziel nicht lebend erreichen werden, oder? Sie sind ja eingefroren worden, um am Ziel erst aufgetaut zu werden. Oder beschleunigt die Unbreakable nun auf Warp 9? Oder lenkt Zrrgll das Schiff gar in eine andere Richtung? Fragen über Fragen ... ;)
Und Damian ist scharf auf Jenny, oder? :cool:

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

Aufschreiber

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Hallo Rainer,

ich poste mal noch ein Kapitel, da müsste das dann bisschen klarer werden. Reisezeit bis zum Rendezvous mit den Teloni wären noch ca. 6 Jahre gewesen. Also nicht so lebenslang, wie man vermuten könnte.

Ja, Damian will an Jenny ran, sei es nur - als Trophäe ;o)
Es wird noch einiges an Entwicklung geben.

Vielen Dank noch, für Deinen Hinweis. Wird sofort korrigiert.

Beste Grüße,

Steffen
 
Hallo Aufschreiber,

nur 6 Jahre? Das ist dann ja gleich um die Ecke. Oder können die auch so schnell fliegen, wie meine Rrokkari? Die schaffen bis zu 1000 Lichtjahre am Tag.

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

Aufschreiber

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Hallo Rainer,

nein, so wahnsinnig schnell sind die nicht. Sie wissen auch nicht, dass ihnen die (richtig schnell fliegenden) Teloni entgegen kommen werden, weil ihre "Un-Brakeable" so eine Schnecke ist...

Beste Grüße,

Steffen
 



 
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