Kopf-Kino

anbas

Mitglied
Kopf-Kino

Sobald meine Nachbarin über mir besonders laut Musik hört – vornämlich Rumba – ist ihre Fernbeziehung zu Besuch, und beide rammeln was das Zeug hält. Sie sehen sich selten, aber wenn es dann endlich mal wieder soweit ist, lassen sie es richtig krachen. Doch meine Nachbarin möchte nicht, dass wir anderen Bewohner des Hauses alles mit anhören, weshalb sie immer die Musik voll aufdreht. Dabei wissen wir inzwischen natürlich längst, was gerade abläuft, wenn die Rumba-Rhythmen unsere Tassen im Schrank zum Klirren bringen.

Ich wohne schon länger in diesem Haus. In der Wohnung über mir gab es bereits mehrere Mieterwechsel und somit auch die unterschiedlichsten Geräuschkulissen:
Kindergetrampel, Ehestreitigkeiten oder nächtliche Saufgelage. Besonders gut erinnere ich mich an die Katze, die ebenfalls eine Zeitlang dort oben lebte. Genau über meinem Schlafzimmer spielte sie nachts gerne mit einem Flummi. Ich erwähnte noch nicht, dass wir Holzfußböden haben – plopp, plopp, plopp-popp-popp-popp-popp – plopp, plopp, plopp-popp-popp-popp-popp … – Das war dann auch die Zeit, in der ich damit begann, mich mit Morsezeichen zu beschäftigen. Aber wirklich weitergebracht hat mich das nicht. Auch die junge Frau, die wochenlang sämtliche Dielen mit einer kleinen Handschleifmaschine bearbeitete und kurz danach wieder auszog, werde ich so schnell nicht vergessen. Sie hat vermutlich etwas anderes zum Schleifen gefunden.

Ja, unser Haus ist sehr hellhörig. Ein 20er-Jahre-Bau mit quietschenden Holzfußböden und dünnen Wänden. Wenn man etwas andübeln möchte, sollte man schon aufpassen, dass man dem Nachbarn nicht das Bild zerstört, das möglicherweise genau auf der anderen Seite der Wand hängt.

Apropos "dübeln" – mein Nachbar neben mir hört keine Musik, wenn er gerade dübelt. So weiß ich ebenfalls immer Bescheid, wenn seine Freundin bei ihm ist. Auch die Gespräche zwischen den beiden bekomme ich regelmäßig mit. Allerdings unterhalten sie sich nur noch sehr leise oder verständigen sich mit Zeichen, seit ich ihm mal gesagt habe, er solle seiner Freundin nicht so oft ins Wort fallen – sie hätte nämlich häufig recht interessante Gedanken. Ich habe tatsächlich schon viel von ihr gelernt. Dass sie sich mit Zeichen verständigen, weiß ich übrigens seit dem missglückten Versuch, ein Hängeschränkchen an die Wand zu dübeln – noch haben sie das Bohrloch nicht entdeckt.

Allein diese beiden Nachbarn sorgen bei mir für großes Kopf-Kino – mal mit musikalischer Untermalung, mal ohne. Doch auch die übrigen Bewohner tragen zu meiner Unterhaltung bei. Lindenstraße oder andere Dokusoaps sind nichts gegen das, was ich in diesem Haus erleben darf.

Selbstverständlich möchte ich von dem Guten, das ich hier erfahre, auch etwas zurückgeben. Da ich derzeit keine Freundin habe, kann ich mit dem beliebtesten Unterhaltungsprogramm nicht dienen. Also habe ich damit begonnen, Saxophon zu lernen. Es bereitet mir wirklich viel Freude.

Interessanterweise werde ich seitdem häufiger zu den Partys meiner Nachbarn eingeladen. Das war früher nicht der Fall. Besonders auffällig bei diesen Einladungen ist, dass sich unter den Gästen immer einige alleinstehende Frauen befinden, die sich sehr um mich bemühen. Manchmal habe ich doch tatsächlich das Gefühl, dass man mich verkuppeln möchte.
 

molly

Mitglied
Hi Andreas

Auch bei mir ging das Kopf-kino an. Gerade habe ich mir vorgestellt, ich würde unter Deinem Wohnzimmer wohnen und Du übst Saxaphon. Kein Wunder, dass Dich die Nachbarn gerne einladen. Erstens schweigt dann das Musikinstrumeent und zweitens wollen sie Dich mit den Damen auf andere Gedanken bringen: Du sollst Dich den normalen Geräuschkulisssen des Hauses wieder anpassen.

"wenn die Rumba-Rhythmen unsere Tassen im Schrank zum Klirren bringen."

Das passsiert ja nur ab und zu, aber Dein Saxaphon bekommen Deine lieben Mitbewohner jeden Tag zu hören. Wenn Du unbedingt ein Musikinstrument spielen willst, lerne doch einfach "Luftgeige".

:) Gerne gelesen

Liebe Grüße
Monika
 

anbas

Mitglied
Hallo Monika,

zunächst möchte ich ausdrücklich betonen, dass hier Autor und der Prot nicht ein und dieselbe Person sind (ich spiele kein Saxophon)! :D

Bei einigen der beschriebenen Ereignisse bin ich allerdings tatsächlich Ohrenzeuge gewesen, andere wurden mir berichtet, und hier und da habe ich ein wenig ausgebaut und dazugedichtet ;).

Schön, dass Dir der Text gefällt.

Liebe Grüße

Andreas
 

molly

Mitglied
zunächst möchte ich ausdrücklich betonen, dass hier Autor und der Prot nicht ein und dieselbe Person sind (ich spiele kein Saxophon)!
:D
Das weiß ich doch, Du spielst Gitarre und ich wohne nicht unter Dir.

Liebe Grüße

Monika
 

anbas

Mitglied
Kopf-Kino

Sobald meine Nachbarin über mir besonders laut Musik hört – vornämlich Rumba – ist ihre Fernbeziehung zu Besuch, und beide rammeln was das Zeug hält. Sie sehen sich selten, aber wenn es dann endlich mal wieder soweit ist, lassen sie es richtig krachen. Doch meine Nachbarin möchte nicht, dass wir anderen Bewohner des Hauses alles mit anhören, weshalb sie immer die Musik voll aufdreht. Dabei wissen wir inzwischen natürlich längst, was gerade abläuft, wenn die Rumba-Rhythmen unsere Tassen im Schrank zum Klirren bringen.

Ich wohne schon länger in diesem Haus. In der Wohnung über mir gab es bereits mehrere Mieterwechsel und somit auch die unterschiedlichsten Geräuschkulissen:
Kindergetrampel, Ehestreitigkeiten oder nächtliche Saufgelage. Besonders gut erinnere ich mich an die Katze, die ebenfalls eine Zeitlang dort oben lebte. Genau über meinem Schlafzimmer spielte sie nachts gerne mit einem Flummi. Ich erwähnte noch nicht, dass wir Holzfußböden haben – plopp, plopp, plopp-popp-popp-popp-popp – plopp, plopp, plopp-popp-popp-popp-popp … – Das war dann auch die Zeit, in der ich damit begann, mich mit Morsezeichen zu beschäftigen. Aber wirklich weitergebracht hat mich das nicht. Auch die junge Frau, die wochenlang sämtliche Dielen mit einer kleinen Handschleifmaschine bearbeitete und kurz danach wieder auszog, werde ich so schnell nicht vergessen. Sie hat vermutlich etwas anderes zum Schleifen gefunden.

Ja, unser Haus ist sehr hellhörig. Ein 20er-Jahre-Bau mit quietschenden Holzfußböden und dünnen Wänden. Wenn man etwas andübeln möchte, sollte man schon aufpassen, dass man dem Nachbarn nicht das Bild zerstört, das möglicherweise genau auf der anderen Seite der Wand hängt.

Apropos "dübeln" – mein Nachbar neben mir hört keine Musik, wenn er gerade dübelt. So weiß ich ebenfalls immer Bescheid, wenn seine Freundin bei ihm ist. Auch die Gespräche zwischen den beiden bekomme ich regelmäßig mit. Allerdings unterhalten sie sich nur noch sehr leise oder verständigen sich mit Zeichen, seit ich ihm mal gesagt habe, er solle seiner Freundin nicht so oft ins Wort fallen – sie hätte nämlich häufig recht interessante Gedanken. Ich habe tatsächlich schon viel von ihr gelernt. Dass sie sich mit Zeichen verständigen, weiß ich übrigens seit meinem missglückten Versuch, ein Hängeschränkchen an die Wand zu dübeln – noch haben sie das Bohrloch nicht entdeckt.

Allein diese beiden Nachbarn sorgen bei mir für großes Kopf-Kino – mal mit musikalischer Untermalung, mal ohne. Doch auch die übrigen Bewohner tragen zu meiner Unterhaltung bei. Lindenstraße oder andere Dokusoaps sind nichts gegen das, was ich in diesem Haus erleben darf.

Selbstverständlich möchte ich von dem Guten, das ich hier erfahre, auch etwas zurückgeben. Da ich derzeit keine Freundin habe, kann ich mit dem beliebtesten Unterhaltungsprogramm nicht dienen. Also habe ich damit begonnen, Saxophon zu lernen. Es bereitet mir wirklich viel Freude.

Interessanterweise werde ich seitdem häufiger zu den Partys meiner Nachbarn eingeladen. Das war früher nicht der Fall. Besonders auffällig bei diesen Einladungen ist, dass sich unter den Gästen immer einige alleinstehende Frauen befinden, die sich sehr um mich bemühen. Manchmal habe ich doch tatsächlich das Gefühl, dass man mich verkuppeln möchte.
 



 
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