Kostümzwang

anemone

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Es war mir schon wichtig, dass meine Gäste in diesem Jahr mit einem Kostüm zu meinem Geburtstag erschienen, deshalb schrieb ich dieses Wort auf die Einladungskarten: KOSTÜMZWANG!

Es war wohl nicht unbedingt jedermanns Sache verkleidet bei mir zu erscheinen. Von Tante Klärchen konnte ich es mir beim besten Willen nicht vorstellen, allein darum bestand ich darauf. Ich wollte endlich mal wieder was zu Lachen haben, wie schon lange nicht mehr.
Sie rief mich auch prompt wenige Tage nach meiner Einladung an:

„Sag mal, das ist doch nicht dein Ernst, die Sache mit den Kostümen!?“ es klang entrüstet. „Oh doch,“ gab ich ihr zu verstehen „es ist mein bitterer Ernst!“ worauf sie sogleich außer sich war. Ihr Protest ließ sich nicht überhören, doch ich blieb unerbittlich: „Kein Kostüm, kein Einlass!“ „Und Onkel Josef? Verlangst du es etwa auch von ihm?“ rief sie in letzter Verzweiflung aus. „Unbedingt!“ gab ich ihr zu verstehen, wonach sie dann urplötzlich den Hörer auf die Gabel legte.

„Mama ist verrückt geworden!“ hörte ich meinen Sohn sagen. „Jetzt spinnt sie total!“ Das war, als ich auf der Leiter stand um die Luftballons im Wonzimmer aufzuhängen. „Du solltest mir besser dabei behilflich sein, den Raum zu schmücken!“ giftete ich ihn an. „Ne,ne,“ meinte er: „Wenn du anfängst zu spinnen, werde ich dich nicht auch noch dabei unterstützen!“ Er lief zum Telefon, um in meiner Anwesenheit seinen älteren Bruder über meinen Zustand zu informieren. Der machte sich daraufhin wohl ernsthaft Sorgen über mich und kam schon eher nach Hause, als ich erwartet hatte.

Am nächsten Tag war es dann soweit, meine Gäste erschienen: Tante Klärchen hatte ein Hütchen aufgesetzt. Etwas anderes konnte man von ihr auch nicht erwarten, doch Onkel Josef erkannte ich nicht wieder: Ausgelassen wie ein Kind blies er mir eine bunte Luftrolle ins Gesicht und rief „Helau!“ Er hatte sich von Kopf bis Fuß in ein Clownskostüm gezwängt und vermied es sich zu setzen. Sicher hatte er Bedenken, es könnte in den Nähten platzen, denn es schien wirklich hauteng zu sein.

Fortsetzung
 

anemone

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Fortsetzung

„Herzlichen Glückwunsch zu deinem Vierzigsten!“ ertönte es von allen Seiten und was auch immer es gekostet hatte, mit dem Kostümzwang war die Stimmung gleich zu Beginn eine andere. Die Gäste beschielten sich gegenseitig, machten Bemerkungen über die Gestalten, die erschienen waren und verhielten sich recht locker, bis auf Einen: Es war mein Gatte.

Verknittert betrachtete er das bunte Treiben und obwohl er vom Kostümzwang wusste, saß er wie eine graue Maus zwischen der bunten Gesellschaft. Ich ignorierte sein Verhalten, bezeichnete ihn als „Spielverderber“ und ließ ihn in der Ecke sitzen. Vor dem Fest wollte er mit mir wetten, dass er nicht der einzige wäre, ohne Kostüm; hätte ich nur die Wette angenommen, denn diese Wette hätte er verloren.

Dass ihn nun aber jeder wegen dieses Delikts ansprach, war ihm wohl doch zu dumm, er nahm sich das Tablett, band sich ein Küchentuch um und gab einen ausgezeichneten Kellner ab.
Für diesen Zweck hatte ich die Jugend vorgesehen, die ihre Aufgabe recht gut erfüllte.
Sie servierten fleißig und entgegen meinen Erwartungen tranken doch mehr Leute von dem Alkohol, als ich es bisher gewohnt war, denn die Helfer gingen nicht eher mit dem Tablett vorbei, bis auch der Letzte sein Gläschen, das er in der Hand hielt, ausgetrunken hatte.

Hugo, ein Freund des Hauses hatte die großartige Idee mir ein Ständchen zu bringen. In seinem Wickinger-Kostüm animierte er alle dazu, mitzusingen und tatsächlich: Sie stellten sich in Reih und Glied auf und erhoben ihre Stimmen, um mir mitten im Sommer am späten Abend auf der Terasse Karnevalslieder zu singen.

Da von dem Text immer nur der Refrain bekannt war, war es auch dieser, den ich zu hören bekam: „Da steht ein Pferd auf dem Flur, jaja ein Pferd auf dem Flur“ und „Die Karawane zieht weiter, der Sultan hätt Dorsch“ und schon setzte sich die Karawane in Bewegung.

Ich traute meinen Augen und Ohren nicht mehr, als ich Gustav vorbeigröhlen sah, ausgerechnet Gustav, mit seinen künstlichen Herzklappen. Mit ihm und Erika konnte man sich normalerweise nur noch über Krankheiten unterhalten. Gustav steckte in einem Häschen-Kostüm, während Erika als Mäuschen herumlief.

„So,“ sagte Hugo, der die Polonaise anführte „und jetzt werden wir uns alle den Karnevalszug ansehen!“ und er führte die bunte Gesellschaft am späten Abend hinaus auf die Straße bis zur nächsten Kneipe. Schnell hängte ich mich hintenan. „Wo laufen sie denn?“ meinte Hugo, währen wir alle am Straßenrand standen. Es war das erste und bis jetzt auch das letzte mal dass ich nicht mehr weiß, wie der Tag denn so zu Ende ging.

Doch dieser Karnevalszug muss allen noch sehr gut in Erinnerung geblieben sein, weil sie noch oft davon reden.
 

anemone

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hallo Marion

stimmt, aber dann ist die Spannung weg und ich muss fleißiger sein.

Es gibt keine Pflicht sich selbst den Spaß zu verderben und anderen vorzugaukeln, als mache Spaß, was nur noch Gewohnheit ist. (Willi Brand)
 



 
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