Ich mag beide; ein Freund mochte das erste mehr.
Es ist gut, wenn du mit beiden Versionen zufrieden bist. Und noch besser, dass du die Rückmeldung bekommst, dass die erste Version eben auch bevorzugt werden kann. Die unterschiedlichen Lese-Erwartungen entspringen eben dem ganz individuellen sprachlichen Vorlieben und Prägungen und Erlebnissen, die man mit dem Text und seiner Art, wie er geschrieben ist, verknüpft (etwas, das beinahe unbewusst passiert).
Jetzt, wo ich beide Versionen lesen kann, sehe ich bei der ersten Vorzüge, die die zweite nicht hat und umgekehrt. Mir persönlich gefällt die zweite tatsächlich ein wenig besser - auch, wenn ich zugeben muss, dass sie durch die gleichmäßigere Melodie ein bisschen weniger Eindringlichkeit und Drama hat. Ich glaube, sie gefällt mir in erster Linie besser, weil die letzten zwei Zeilen fehlen.
Es ist auch nicht ganz so einfach: Textarbeit an fremden Texten ist heikel und sollte mit viel Vorsicht und so wenig Eingriffen wie möglich geschehen, denn man wird automatisch immer auch die ganz eigenen Vorstellungen von dem, was Lyrik für einen können muss, mit hineinbringen. Ich hatte schon ein wenig Skrupel, dir meine Vorstellung von einem möglichen Kreisen in Textform als Beispiel zu schreiben, denn ich weiß: egal, wie sehr man versucht, deutlich zu machen, dass es sich hier nur um eine Veranschaulichung einer von vielen Möglichkeiten handelt - es ist eben doch ein So-würde-ich-es-machen-"Muster", das man anlegt an einen fremden Inhalt. Darum versuche ich, das immer zu betonen, dass in letzter Instanz der Autor weiß und entscheidet, was für ihn gut und richtig ist. Glaub also definitiv nicht alles, was ich hier so schreibe, gleich und ganz ohne Vorbehalte.
Man hat ohnehin nie die Kontrolle darüber, was beim Lesepublikum wie ankommt. Bewahre dir also einen gesunden "Dickschädel", wenn es um deine Texte geht. Das finde ich wichtig. Es ist aber auch wichtig, die Rückmeldungen - so man welche bekommt - wahrzunehmen. Nicht alles aber einiges davon bringt einen durchaus weiter. Die Frage ist: wohin willst du? Und wie? Das weißt nur du allein.
Fazit: die erste Version ohne die letzten beiden Zeilen? Was würde dein Freund dazu sagen?
Liebe Grüße,
fee