Kreuzfahrt, ganz anders.

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Klaus K.

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Kreuzfahrt, ganz anders.

Eine Kreufahrt? Zum "Good price"? "All inclusive"? Mit ein paar tausend Gleichgesinnten? Halligalli rund um die Uhr und Cocktails an der Bar?
Mit Unterhaltungsprogramm für die gequälten und ach so gestressten Seelen?
Ganz nach persönlichem Gusto. Kein Problem, aber alternativ dann doch vielleicht mal auf einem mehr als 100 Jahre alten und ehemals privaten Luxus-Segler mit nur maximal 50 Plätzen, immer einer halben Flasche Champagner abends in der Kabine und einem eher völlig entspannten Ambiente ohne jegliche Animation? Diese Variante kostet dann aber richtig, Exklusivität hat halt ihren Preis. Nicht fragen, rauslegen. Sofern man kann, natürlich. Ich kann.- Und wir sind bereits jetzt hier an Bord. Lissabon und die Strasse von Gibraltar lagen hinter uns, Sizilien noch weit vor uns.
Ich bin jetzt zum dritten Mal verheiratet. Mein erster Mann, den ich sehr geliebt habe, ist tragisch bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Dann habe ich seine selbst aufgebaute Firma verkauft, denn von der Materie hatte ich keine Ahnung. Gut verkauft, nein, sehr gut verkauft, das war's. Mein zweiter Mann war dann eine Katastrophe. Bereits nach einem halben Jahr Ehe haben wir uns nur noch gestritten. Scheidung, im gegenseitigen Einvernehmen. Ich habe letztlich draufgezahlt, aber was soll's. Hauptsache vorbei. Kinder hatte ich keine, jetzt bin ich Mitte vierzig. Game over, man sollte den Bogen nicht überspannen, denn man wird ja auch durch sie nicht jünger.
Dann mein derzeitiger Angetrauter. Der hatte anfangs kurz gezirpt wie eine Grille, ich war begeistert. Das einzige, was mich etwas irritiert hatte, war, dass er auf dem Standesamt nach dem "Ja" ganz, ganz seltsam gegrinst hatte. Das Bild habe ich noch vor Augen. Nun denn, kaum verheiratet hatte er sich dann total geändert. Arbeit? Er nannte sich "Freier Kommunikatonsberater", aber er machte nichts, sein Argument lautete:"Du hast doch genug, das langt noch mindestens 100 Jahre für uns beide, und so alt kann kein Mensch werden!"
Dann kam das große Schweigen bei meinem Kommunikationsberater. Ich glaube nicht, dass seine Flasche Scottish Whiskey am Abend - pro Abend - mit ihm spricht. Mit mir spricht er jedenfalls nicht, vielleicht ist das mit dem Zirpen bei Grillen ja dann auch so. Aber es ist mit das Schlimmste für eine aktive, lebenslustige Frau, so ein langweiliger Stoffel. Ein Mann ohne jegliche Inspiration, ohne Geist, ohne Witz, ohne Ideen, ohne Charme. Bildung? Kann sein, aber ich merke nichts davon, er spricht ja kaum. Ich habe wirklich alles versucht, ja ich habe dann meinerseits gezirpt, bis zum Gehtnichtmehr, ohne jetzt zu viele Details zu offenbaren. Chancenlos, obwohl jeder Biologe mit einem Exemplar wie mir damit für den Nobelpreis nominiert worden wäre. Zirp, zirp!
Dann kam mir die Idee. Er mußte weg, er blockierte mich. Eine erneute Scheidung, das wäre teuer geworden, und er hätte wohl nie eingewilligt. Also Kreuzfahrt, denn ich hatte gelesen, dass die Anzahl eleganter Selbstmorde da gewaltig ist. Die Kandidaten, männlich wie weiblich, verschwinden einfach. Aus Überdruß, aus Liebeskummer, aus Verzweiflung, man weiß es nicht, man kann sie ja auch nicht mehr fragen. Und die Kreuzfahrt-Betreiber sind natürlich bemüht, diesen unangenehmen Aspekt möglichst nicht zu erwähnen. Ich gestehe, ich hatte die Absicht meinen Ehemann jetzt in die Reihe der auf See Verschollenen einzureihen. Ja, wirklich. Daher diese Kreuzfahrt, die Würfel waren gefallen.
Abends saß man immer im Salon oder auf dem Deck des Seglers zusammen, in netter Runde. Man hatte sich kennengelernt, in unserem Fall waren wir zu acht. Das Ehepaar Doktor Nussberg aus Graz, die schon etwas ältere verwitwete Frau Bandler aus Zürich, Mrs. B. , die nur so genannt und angesprochen werden wollte, aus Jacksonville/Florida, die Geschwister Mr. und Mrs. Somhill aus Leeds und mein Mann und ich. Acht Personen, mehr passten nicht an einen Tisch, und wir hatten uns sozusagen bereits am ersten Abend "gefunden", hatten viel Spaß miteinander, und man sprach deutsch. Warum? Weil Mrs.B. ursprünglich Deutsche war, ebenfalls bereits verwitwet, die Somhills deutsch bereits in der Schule gelernt hatten. Das hätte meinem Mann an sich gefallen können, aber er hielt sich wie üblich bedeckt, sprach wenig und bestellte wie immer einen Scotch mit Coca-Cola nach dem anderen. Der Steward hatte bereits beim ersten Mal gezuckt. Ein edler schottischer und sündhaft teurer Whiskey, mit Coca-Cola? Mr.Somhill zog nur leicht eine Augenbraue hoch, Doktor Nussberg unterbrach seinen Vortrag über die landschaftlichen Spezialitäten der Steiermark - der Fauxpas erster Güte blieb also nicht unbemerkt, ich konnte zumindest den Steward dann später mit einem entsprechendem Trinkgeld beruhigen. 50 Jahre in einem Eichenfass gereift, und dann eine derartige kulturelle Kapitulation! Mein Mann hatte sein Schicksal verdient, diese Blamage! Hoffentlich war das bald vorbei, denn als Frau wird man ja durch solche Banausen sofort mit in das dann barbarische Bild integriert, wenn man einen derartigen und absoluten Ignoranten nicht salonfähig machen konnte.
Mein Mann war zudem Raucher, und damit hatte er zumindest Kontakt. An unserem Tisch mit Frau Bandler, Mrs.B. und Mrs.Somhill, denn diese Damen rauchten auch. Sie gingen öfters raus auf das Deck, mal zu zweit, mal alle zu viert, auch noch allein später am Abend, nur um ihrer Sucht zu frönen.
Wir Frauen waren immer sehr chic gekleidet, sehr modisch elegant, immer passenden und jeweils täglich anderen Schmuck dazu tragend, alles sehr geschmackvoll und dezent. Und wertvoll natürlich. Ich stand dem zwar in nichts nach, aber ich rauchte nun mal nicht. Zu gerne hätte ich mal draußen Mäuschen gespielt! Links einen Whiskey-Cola in der Hand, rechts eine Zigarette - ob er damit dann als Kommunikationsberater punkten konnte? Egal, er mußte weg, nur wann und wie?
Wir gingen zu Bett, in unsere Kabine. Später merkte ich - ich war bereits fast eingeschlafen -, dass er noch einmal aufstand und seinen Morgenmantel anzog. Ich kannte das schon, er ging noch einmal nach oben auf das Achterdeck, zum Rauchen. Ich schlief leider ein. Ich weiß jetzt, das wäre der ideale Moment gewesen! Aber ich war einfach zu müde und überhaupt noch nicht vorbereitet....
Am nächsten Morgen war anfangs alles beim Alten. Nur eine Person hatte beim gemeinsamen Frühstücksbuffet gefehlt, Mrs.B.
Niemand dachte sich etwas dabei, obwohl heute ein Landausflug nach Taormina vorgesehen war. Dann hörte man die Ansage des Kapitäns, der alle Passagiere in den Salon gebeten hatte: "Sehr geehrte Damen und Herren, ich muß Sie über eine wichtige und soeben bestätigte Tatsache informieren.
Die Ihnen bekannte Mrs. Boulder aus Florida ist nicht mehr bei uns an Bord. Ihre Abwesenheit wurde bereits heute morgen registriert, inzwischen hat sich der Verdacht verifiziert. Wir haben alle entsprechenden und dafür in Frage kommenden Behörden sofort verständigt. Suchmaßnahmen zu Wasser und in der Luft wurden bereits eingeleitet. Wer von Ihnen Aussagen machen kann, wann man Mrs.Boulder zuletzt gesehen hat, wird gebeten, dies jetzt zu melden. Wir warten jetzt hier vor Catania auf weitere Anweisungen. Der geplante Ausflug fällt vorerst aus. Sie werden sofort informiert, wenn uns neue Erkenntnisse vorliegen. Vielen Dank."
Die Nachricht löste Entsetzen und Erschütterung aus. Natürlich auch bei mir, denn man war mir jetzt zuvorgekommen. Und einen "Plan B" hatte ich nicht. Unabhängig davon hatte Mrs.B. diesen so betrachtet gleich für sich mit beansprucht.-
Unsere Yacht ankerte. Nach längerem Austausch mit anderen Passagieren über das dramatische Ereignis gingen mein Mann und ich in unsere Kabine, da sich die Spekulationen über das Verschwinden von Mrs.B. im Kreis drehten und alle Vermutungen natürlich keine Lösung herbeiführten.
"Bist du ihr denn noch einmal begegnet, als du heute nacht rausgegangen bist?" fragte ich jetzt meinen Mann.
"Was soll die Frage?"
Ich drehte mich um und sah dann die kleine Schachtel auf meinem Kopfkissen. "Was ist das? Wo kommt das her?"
"Mach's doch einfach auf!"
Ich öffnete den Pappdeckel. Die Schachtel stammte hier von unserem Schiff, normalerweise war sie für eine einzige größere Praline vorgesehen. Drinnen lag ein Ring, ein Goldring mit Brillant. Nagelneu. 18 Karat Gold, ich konnte die Punze lesen. Der Brillant in der Mitte hatte mindestens zwei Karat. Ein unglaubliches Stück!
"Was soll das, wo kommt der her?" fragte ich erstaunt.
"Probier' ihn doch mal an!"
Der Ring war mir viel zu groß, er passte nicht einmal auf meinen Mittelfinger. "Ist der von dir?" fragte ich.
"Jetzt ja. ".-
Er hatte doch überhaupt kein eigenes Bargeld mitgenommen, hatte zwar eine Kreditkarte, aber wo und wie konnte er diesen Ring erworben haben? Ich verstand das alles nicht. Dann sah ich ihn an.
Und da war es wieder, dieses seltsame Grinsen. Nur lief es mir jetzt dabei eiskalt den Rücken herunter.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Klaus,

das ist der Knaller! Stille Wasser sind tief. Ob sie jetzt noch darüber nachdenkt, ihn ebenfalls zu entsorgen?

Schöne Grüße,
Rainer Zufall
 

Klaus K.

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@ Hagen

Vielen Dank! Das tut der Mimose hier gut, nach einer harten Arbeitswoche wollte ich mich auf dringende Empfehlung erstmals testweise anderweitig verlustieren, deine Aufbau-Tabletten stellen ruhig und schalten mich wieder in einen entspannten Modus. Danke!
 

Hagen

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Hallo Kaus,
wieder mal eine geile Story das!
Habe ich gerne gelesen, obwohl die Idee nicht ganz so neu ist. (Siehe Daniel Kübelböck, der jetzt wahrscheinlich in Kanada oder so lebt und sich in's Fäustchen lacht. - Ich habe eine ähnliche Idee, allerdings nicht aus Sicht des Protagonisten, als Neben,- Nebenstrang auch schon mal in meinem Roman Vergeltung für Rebecca abgearbeitet.
Aber egal, die Story finde ich sehr, sehr gut so wie sie geschrieben ist. Allerdings solltest du etwas mehr rausarbeiten, dass die Geschichte aus der Sicht einer Frau geschrieben wurde; - sonst könnte der naive Leser annehmen, Du seiest schwul ...
Also, nochmal Chapeuo!

Nun denn, in diesem Sinne, wir sehen uns in der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... und bleib' schön fröhlich, gesund und munter!
Herzlichst
Yours Hagen


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Weise Lebensführung gelingt keinem Menschen durch Zufall.
Man muss, solange man lebt, lernen, wie man leben soll.
(Seneca)
 

Klaus K.

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@ Hagen, im Nachgang

Ich, schw...? Nein, das ist beileibe nicht "my cup of tea". Was wären wir ohne die Frauen? Keulenschwingende Primaten, bestenfalls. Ich zumindest !
 

Hagen

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Hallo Klaus,
zunächst: eine gute Geschichte erkennt man daran, dass sie lange in des Leseres Gedächtnis haften bleibt und er sie nochmal liest!
Du bist sehr schön auf Details eingegangen (Alter Scotch mit Cola z.B.) hast aber den Goldring mit Brillant, Nagelneu, 18 Karat Gold der Mrs.B. zunächst ignoriert! (Was einmal anklingt muss später Bedeutung erlangen!) Dieser Ring hätte im Zuge der Kontinuität erwähnt werde müssen. (Meine Meinung.)
Dass du schwul bist, habe ich nie erwähnt!
Der Leser neigt nur dazu, die Protagonisten mit dem Autoren zu identifizieren. - Sorry, aber das ist nicht nur meine Erfahrung.
Aber was den 'Keulenschwingenden Primaten' betrifft; - als ehemaliger Homo Technicus hätte ich mir Gedanken über die geringe Reichweite der Keule gemacht und währe möglichherweise auf Flitzebogen oder Boomerang gekommen, während ein Mädel die Keule hübsch verziert hätte ...

Nun denn, in diesem Sinne, wir sehen uns in der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... und bleib' schön fröhlich, gesund und munter!
Herzlichst
Yours Hagen
________________________________________
Achte auf Deine Gedanken,
denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Gewohnheiten,
denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deine Handlungen,
denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Worte,
denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deinen Charakter,
denn er wird Dein Schicksal.

Asiatisches Sprichwort​
 

Klaus K.

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@ Hagen

Von Beginn an berichtet doch nur die Ehefrau? Die Antwort bezog sich daher auf ".....sonst könnte ein (naiver) Leser annehmen....".- Alles im grünen Bereich!
Mit Gruß, Klaus
 



 
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