Landschaft

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Matula

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Vor mir liegt der tiefgrüne See. Ein widerlicher Gestank geht von ihm aus. Er ist eigentlich ein Sumpf, von dem ich nicht trinken würde, auch wenn man bis zum Grund sehen könnte oder wenn er sich wie Wasser schöpfen ließe. Die weißen Schlieren auf seiner Oberfläche sehen wie Wellen aus, aber es zieht kein Sturm auf, der ihn über die Ufer peitscht. Es ist mir gelungen, die großen gelben Steine dorthin zu schaffen, obwohl sie glitschig sind und immer wieder in den Sumpf zu stürzen drohen. An der Unterseite sind sie von grünem Schlamm bedeckt. Es sollte ein kalter Regen kommen und sie abwaschen. Dann würden sie wenigen dampfen und stinken. Auf der anderen Seite des Ufers liegt eine rostbraune Brücke. Ihre untere Hälfte ist im See versunken. Ich werde auf sie verzichten müssen. Vorsichtig schiebe ich die saubere Oberseite näher zu den gelben Steinen. Das ergibt zumindest ein hübsches Bild.

Die böse Frau betrachtet die Landschaft und schüttelt den Kopf. Das bedeutet nicht, dass sie sich wundert oder mit der Anordnung der Elemente unzufrieden ist. Es bedeutet, dass es keine Nachsicht gibt und ich die grüne Kloake in mich aufnehmen muss. Eines Tages werde ich sie dafür büßen lassen. Mach weiter, sagt sie, alles wird kalt. Ich hole mir einen gelben Stein vom Ufer und wische ihn rasch an der Serviette ab. Dabei zerfällt er und stinkt noch mehr. Er verbrennt mir die Faust, mit der ich ihn wieder zusammenklumpen will. Bevor die böse Frau zu schreien anfängt, stopfe ich ihn in den Mund. Aber dort kann er nicht bleiben. Ich versenke ihn im Sumpf.

Sie hat es gesehen. Ihre Augen sprühen Funken. Mir fällt der Löffel in die Brühe. Nur die vordere Spitze ragt noch heraus. Sie will, dass ich ihn heraushole, aber mein ganzer Körper zittert vor Ekel. Ich versuche es mit der Serviette. Sie fletscht ihre grünen Zähne und holt den Löffel selbst aus dem See. Die zwei übriggebliebenen Steine rutschen hinein und reißen die rostbraune Brücke mit. Jetzt ist alles verdorben. Die böse Frau nimmt mir keifend den Teller weg. Sie knallt ihn auf die Anrichte. Ich darf aufstehen und gehen. Sie wird den restlichen Tag nicht mit mir reden, aber vorher schreit sie mir nach: Möchte wissen, was an Spinat, Kartoffeln und Knackwurst so ekelig ist !
Sie kommen von dir, denke ich, und du verstehst ja nie.
 
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Rachel

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Grüß dich Matula,

bin deinem Täuschungsmanöver auf den Leim gegangen: Im dunkelgrünen Irland, in Hades und in seltsamen fremden Landschafts-Träumen durch die Gegend, aber echt, ich saß nicht im Pflegeheim. Die "rotbraune Brücke" sorgt am Ende für ein Schmunzeln.

Sie kommen von dir, denke ich, und du verstehst ja nie.
Treffendes Ende: Kann sein, dass dieses Gefühl, du verstehst mich nicht oder keiner versteht mich, bis zum letzten Spinatteller gelegentlich erscheint. :)

LG, Rachel
 

Matula

Mitglied
Guten Abend Rachel,

es war noch schlimmer als das Pflegeheim: Mittagessen mit Muttern zu einer Zeit, als man dachte, dass Spinat wegen seines hohen Eisengehalts die ideale Ernährung für anämische Kinder sei (siehe Popeye the Sailor). Bald darauf war der Irrtum aufgeklärt, aber bis dahin ...
Danke für Deine freundliche Bewertung
und liebe Grüße,
Matula
 



 
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