Larry Brot und die letzte Saat

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WackyWorld

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Hans, ein bayerischer Bauer mit hünenhafter Gestalt und Händen, so rau wie die Rinde der uralten Eiche, die vor seiner Scheune stand, blickte auf seinen alten PC, der wie ein Fremdkörper wirkte in seiner rustikalen Bauernstube. Die vier Wände, gefüllt mit dem Aroma von alter Holzvertäfelung und dem Staub vieler Jahrzehnte, schienen zu flüstern – Geschichten von Vergangenheit und Gegenwart, von harter Arbeit und dem einfachen Leben, das er - nach außen hin - geführt hatte.

Seine Tochter hatte Schaum vorm Mund und fluchte auf Lateinisch. Zeichen von Besessenheit.

Er schaltete den Rechner an. ExoGPT, der KI gestützte Bot für Austreibungen. Leider war sein Tokenlimit erreicht. Telefonisch erreichte er auch niemanden. Das einst so prächtige Rom, das ehemalige Zentrum des göttlichen Beistands, befand sich in einer tiefen Krise. Fachkräftemangel. Diese verfluchte Generation Z, hatte nichts mehr übrig für den Exorzistenberuf. 4 Tage Woche, remote-Arbeiten. Damit konnte der Vatikan nicht dienen. Der Teufel war 24/7 unterwegs. Und leibhaftig.

Dann eben die Kirche in Bayern, der Freistaat war schon immer ein Exempel der Frömmigkeit. Aber es war Ferienzeit. Ausgerechnet jetzt, dachte sich der Bauer, und verfluchte die ausgedehnten Ferien in Bayern. Knüppelhartes Abitur, aber dauernd frei.

Freie Tage waren ihm fremd. Er ackerte durch.

Plötzlich, pling, eine Mail. Der Bischof von Bayern. Gottlieb Gondel-Wenkemann. Warum ein Doppelname? War jetzt auch im Katholizismus die Sünde freigegeben? Ihm sollte es recht ein.

„Dr. Jonathan Zinklär ist abkömmlich. Wir senden ihnen aber einen vielversprechenden Devil Scientist ed. (Ed stand wohl für Education). Larry Brot.“

Der Bauer googelte. Larry Brot war ein Praktikant. Medial begabt, aber eben noch in Ausbildung.

Egal. Hauptsache es kam wer.

Es klingelte nach 4 Stunden an der Tür. Hans öffnete. Da stand er, der Larry. Wie ein schüchterner Schauspieler, den man gegen seinen Willen auf die Bühne hinausstoßen hatte. Aber, eines spürte der Bauer, dieser Mann bestand aus purem Glauben, leider nicht aus einer Fülle von Muskeln. Er war lediglich so groß wie der Sonderangebotsaufsteller vor seinem Lieblingsdönerladen, und seine Brillengläser hätten sogar ein U-Boot wasserdicht gehalten. Er roch leicht nach Schweiß. War wohl aufgeregt.
„Hast du göttliches Wasser?“, wollte der Entsandte wissen.
Eines musste man ihm lassen, er kam gleich zur Sache.
„Nee, aber wenn du Durst hast, haben wir göttliches Met.“, gab der Bauer zurück.
Der Praktikant schüttelte den Kopf.
„Kein Wunder, dass der Teufel hier ist, wenn hier so gesündigt wird.“
Der Bauer grunzte und dann trank der das Met alleine.
„Wo ist deine Tochter?“, wollte der Praktikant wissen.
„Sie ist im Stall und isst ne Ziege.“
Larry, der Praktikant, schluckte hörbar. „Gut, dann sollten wir wohl besser dort hingehen.“

Hans nickte und führte den Praktikanten zum Stall.

Im Stall angekommen, war nichts mehr von der Ziege zu sehen.

Anna lag in einer Ecke, hielt sich den Bauch und lachte hysterisch. „Was bist du denn fürn Milchbubi?“, krächzte sie und ihre Augen blitzten boshaft.

„Du sündige Ausgeburt Scheitans, du elender Succubus, du Kröte des Verderbens!“.

Er zog ein kleines silbernes Kreuz aus seiner Tasche und hielt es in Annas Richtung.

„Exorcizo te, omnis spiritus immunde, in nomine die Patris omnipotentis, et in noimine Jesu Christi Filii ejus, Domini et Judicis nostri, et in virtute Spiritus Sancti, ut descedas ab hoc plasmate die. Quia ipse tibi imperat, maledicte damnate, qui pedibus suis super mare, et super fluvios calcavit. Tremere et fugere, ad nomen Domini nostri, Jesu Christi, qui inferi tremunt, et cui Virtutes coelorum et Potestates et Dominationes subjectae sunt. Quem Cherubim et Seraphim indefessis vocibus laudant, dicentes: Sanctus, Sanctus, Sanctus, Dominus Deus Sabaoth....“

Plötzlich schoss ein Feuerstrahl aus Annas Mund, der das Kreuz zum Schmelzen brachte. Larry sprang zurück und stolperte dabei über eine Heugabel, die hinter ihm auf dem Boden lag.

„Ich brauche mehr Ausrüstung“, stammelte Larry und blickte sich panisch im Stall um. „Hast du vielleicht... ähm… göttliche Glocken?“

Hans zuckte die Schultern. „Nicht wirklich. Aber ich habe eine Kuhglocke, die ich immer läute, wenn das Abendessen fertig ist.“

Larry atmete erleichtert aus. „Das wird funktionieren. Kannst du sie mir bringen?“

Der Bauer nickte und verschwand im Haus, um die Glocke zu holen. Als er zurückkam, war Larry gerade dabei, Anna mit Weihwasser zu besprühen, das er aus einer alten Gießkanne auf sie kippte.

Mit der Glocke in der Hand schlich sich Hans an seine Tochter heran und läutete so laut er konnte. Anna zuckte zusammen und stieß einen markerschütternden Schrei aus.

Larry, der hinter ihr stand, nutzte die Gelegenheit und stürzte sich auf sie, um ihr den Mund mit einer alten Socke zu stopfen, die er in der Ecke gefunden hatte.

„Jetzt kann sie keinen Feuerstrahl mehr spucken!“, triumphierte er und sah Hans stolz an. „Der erste Schritt zur Austreibung ist gemacht!“

„Hast du ne Bibel da?“, fragte Larry.

„Sag mal, Bürschen, hast du überhaupt was mitgenommen?“

„Hast du?“

„Ist es schlimm, wenn die vom Söder, unserem Landesvater, signiert ist?“

„Ist es. Ist wertlos für mich. Hast du sonst irgendwas heiliges und schriftliches da?“

„Ich habe sonst nur noch Rechnung aus dem Holy Shit, ist ne Kifferkneipe. Geht das Teil?“

„Jepp.“

Hans stürmte nach oben und kehrte mit einer zerknitterten Rechnung zurück, die er in einem Stapel von alten Steuerunterlagen gefunden hatte. Die Rechnung war von der „Holy Shit“ Kifferkneipe und zeigte eine Aufstellung der Getränke und Snacks, die er während eines seltenen Abends der Entspannung genossen hatte. Es war nicht gerade die Heilige Schrift, aber es war das einzige schriftliche Dokument mit dem Wort „Heilig“ darauf, das er finden konnte.

Larry nahm die Rechnung mit einem gequälten Ausdruck entgegen. Er betrachtete sie einen Moment lang.

„Wenn ich das hier sehe, sehe ich nur eine Liste deiner Sünden. Du bist der Nächste!“


Er kniete sich vor Anna hin, die sich inzwischen gewaltig auf dem Heuboden wand und grunzte wie ein Schwein zur Brunftzeit. Ihre Augen leuchteten in einem übernatürlichen, furchterregenden Grün und ihr Gesicht war verzerrt vor lauter Raserei.
Larry begann, laut aus der Rechnung vorzulesen. „Zwei große Bier, ein Teller Nachos, ein Cheeseburger mit extra Bacon, vier Shots Tequila...“ Jede Zeile las er mit einer Ernsthaftigkeit und Hingabe, als ob er aus der Bibel zitieren würde.

Mit jeder weiteren Zeile schien Annas Wut zuzunehmen. Sie schrie und spuckte, versuchte aufzustehen und Larry zu attackieren. Aber der Bauer war schneller. Er sprang auf sie zu und hielt sie mit seiner kräftigen Bauernhand nieder.
„Ruhig, Anna. Es ist für dein Bestes“, sagte er. Und grinste.

Larry las weiter, seine Stimme bebte vor Anstrengung. „Ein Long Island Iced Tea, drei Gläser Rum-Cola, ein Teller Chicken Wings...“

Langsam aber sicher, begann Anna sich zu beruhigen. Ihr grünes Leuchten in den Augen wurde schwächer und der schaumige Speichel an ihrem Mund begann zu trocknen. Sie schloss ihre Augen und ihr Atem beruhigte sich.

Endlich, nachdem Larry die letzte Zeile der Rechnung - „Gesamtsumme: 99,99 Euro. Trinkgeld: 0 Euro. Bitte seien Sie das nächste Mal großzügiger. Danke für Ihren Besuch im Holy Shit!“ - gelesen hatte, öffnete Anna ihre Augen. Das grüne Leuchten war verschwunden und wurde von ihrer normalen, hellblauen Augenfarbe ersetzt.

„Ist es vorbei?“, fragte sie leise.

„Ja, Anna. Es ist vorbei.“

Hans setzte seine biergeschwängerte Tasse ab und nickte. „Du hast dich gut geschlagen, Bursche. Ein echter Kämpfer.“

Larry, dessen Augen immer noch groß und rund vor Ungläubigkeit waren, atmete tief durch. „Das...das war ein Test?“

„Ja, Junge. Ein Test“, sagte Hans und nickte.

Hans und Anna tauschten einen Blick aus und lachten. „Larry“, sagte Anna und klopfte ihm freundlich auf die Schulter. „Ich bin nicht besessen. Das war alles nur gespielt.“

Larry starrte die beiden an. Sein Mund öffnete sich, um etwas zu sagen, aber kein Ton kam heraus.

„Verstehst du, Larry“, fuhr Hans fort, „wir haben das alles nur getan, um dich auf die Probe zu stellen. Um zu sehen, wie gut du wirklich bist. Und du hast dich gut geschlagen. Besser als die meisten.“

Larry fühlte, wie die Erleichterung durch seinen Körper strömte. Er war nicht gescheitert. Er hatte sich bewährt. Er lächelte vorsichtig.

Doch dann wechselte der Ausdruck in Annas Gesicht. Sie sah ihn mit einem hungrigen Blick an, und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen.

„Vati“, sagte sie in einem tiefen, gruseligen Ton, „kann ich ihn jetzt fressen?“

Vati nickte.
 
Zuletzt bearbeitet:

rainer Genuss

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Was für eine überbordende, hirngespinstige Phantasie!
Dafür werfe ich gerne 4 Sterne in den Ring.
Der Schreibstil ist auf jeden Fall verbesserungswürdig: Am Anfang verschachtelte Riesensätze, gegen Ende (der Autor war wohl erschöpft) minimalistische Kleinstsätze.
Sepp würde sich besser anhören als Hans.
Für mich auf jeden Fall ein abgehobener, außergewöhnlicher, komödiantischer schwarzer Lesetrip, der mir gefiel.
Gruß Ra
 

WackyWorld

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Sepp ist geil. Da haste Recht. Und ja, am Ende war ich, naja, nicht direkt erschöpft sondern schlichtweg leicht angeschwippst. Fernab davon, danke für deine ehrliche und konstruktive Kritik.
 

Matula

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Man möchte gar nicht glauben, wie gefährlich bayrische Bauern sind, wenn sie nichts mehr haben, was ihnen heilig ist ...
Ziemlich lustige Geschichte !
Schöne Grüße aus Wien,
Matula
 

WackyWorld

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Besten Dank, Matula. War früher übrigens mein Lieblingsdetektiv bei "Ein Fall für 2". Ist immer etwas ernüchternd, wenn man seine Stars von früher dann in Rente gehen sieht. Die Nachfolger kommen nicht ran an Strack und Matula. Aber zurück zum Bauern: Da muss man aufpassen, besonders, wenn sie in Kifferkneipen abhängen, einen Tequila-Shot nach dem anderen wegzimmern und ne Bibel haben, die von Söder signiert ist ;)
 

Klaus K.

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WackyWorld,

am Schreibstil habe ich nichts auszusetzen, vielleicht ist nur der lateinische Ausflug für manche etwas arg lang.
Und Söder? Nun denn.
Ich halte deine IDEE dahinter für beachtenswert, darum geht es mir - oder besser "hier"?
Gelungen, diese Umsetzung, knackig präsentiert, da klebt man am Text fest. Und der Schluss? Bravo!

Mit bestem Gruß, Klaus
 

WackyWorld

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Besten Dank, Klaus! Ja, da haste wohl Recht, der Lateinkrempel ist ziemlich lang geworden, hab ich mir generieren lassen und der Sound war so geil, da wollte ich nichts kürzen ;)
 

WackyWorld

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Da gibt es nur einen kleinen Unterschied für mich. Hans Söllner, ebenso wie der obergeile Tax Brasket (ein Saupreiß, aber ein genialer ;)), sind geile Musiker, wobei mich Söllner ein bisschen an meine Lieblingsband zu Punkzeiten erinnerte, Kassierer. Aber warum nun Söder anstatt der Kreativen? Ich wollte da lieber einen Signierenden haben, der charakterlich etwas anders gelagert ist. Da bin ich auf das Bild von Söder gestoßen im Schloss Herrenchiemsee. Sofort schlug der Flashback ein: Louix XIV. Wenn kein Brot mehr da ist, dann esst doch Kuchen. Da spürte ich mehr mieses Karma...
 

rainer Genuss

Mitglied
Da gibt es nur einen kleinen Unterschied für mich. Hans Söllner, ebenso wie der obergeile Tax Brasket (ein Saupreiß, aber ein genialer ;)), sind geile Musiker, wobei mich Söllner ein bisschen an meine Lieblingsband zu Punkzeiten erinnerte, Kassierer. Aber warum nun Söder anstatt der Kreativen? Ich wollte da lieber einen Signierenden haben, der charakterlich etwas anders gelagert ist. Da bin ich auf das Bild von Söder gestoßen im Schloss Herrenchiemsee. Sofort schlug der Flashback ein: Louix XIV. Wenn kein Brot mehr da ist, dann esst doch Kuchen. Da spürte ich mehr mieses Karma...
Einleuchtend!
Ein ganz Großer der surrealistischen Phantastereien ist hier "Hagen" der zurecht sein erstes Buch veröffentlicht hat. Deine Kurzgeschichte lässt auf weiteren skurrilen Memes hoffen
 

Bo-ehd

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Hallo WackyWorld,
es ist in den vorangegangenen Kommentaren eigentlich alles gesagt. Möchte nur nochmal den Hut ziehen: rabenschwarzer Humor, höchst phantasievolle Story, top Pointe, sehr schön lesbar geschrieben. Der Text ist streckenweise etwas holprig, was nicht deinen Schreibqualitäten entspricht. Für mich sieht das aus, wie in einem Flow geschrieben und danach nur flüchtig korrigiert. Kannst du besser. Trotzdem volle Punktzahl.
Deine Sprachgewalt ist sensationell.
Gruß
Bo-ehd
 



 
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