Lass uns noch

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Anni123

Mitglied
Lass uns noch
verharren
in der Langsamkeit
und den Gardinenblick
mit Winterglöckchenstick
den Focus brechen
auf Entgleisung dieser Zeit.



Lass uns noch
mehr Speck anfressen
für jene Hungerzeit
von morgen
und all das Leid
lass uns vergessen,



was naht mit jedem Tage
und jeder obsoleten Frage,
verglimmend noch
im Kerzenlicht.
vor tiefgefrorner Langsamkeit.
Wir sind noch nicht

soweit.
 
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fee_reloaded

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Da sind einige starke Bilder im Text, liebe Anni!

Der Gardinenblick mit Winterglöckchenstick als Grenze zwischen Innen- und Außenwelt ist wunderbar einzigartig. Das Verhangene, der gebrochene Fokus, steckt schon im ersten Bild vollumfänglich drin (so gesehen bräuchte es für mich den gebrochenen Fokus gar nicht mehr zusätzlich, aber er legt natürlich den Finger nochmal deutlicher auf das Thema).

Warum die großen Zeilenabstände? Für mich behindern sie die Lesbarkeit des Textes ein wenig, weil jede einzelnen Zeile an ihrem Ende zu einem Halt führt und die Brücke bis zur nächsten ein wenig zu weit gespannt wirkt. Aber das ist natürlich mein ganz persönliches Empfinden.

Groß- und Kleinschreibung und Zeichensetzung scheinen mir etwas inkonsistent bzw. erkenne ich die dahinterliegenden Absichten offensichtlich nicht.
Ich habe mir erlaubt einige Stellen zu markieren, die nach meinem Eindruck sprachlich nicht mit dem Rest des Textes mithalten:


Lass uns noch
verharren
in der Langsamkeit
und den Gardinenblick
mit Winterglöckchenstick
den Focus brechen
auf Entgleisung weit und breit.

Lass uns noch
uns Speck anfressen
für jene Hungerzeit,
die kommen wird

und all das Leid
lass uns vergessen,
Mir geht es mit dem "weit und breit" ein wenig wie dir mit dem "flitzen" in meinem Naturgedicht. Klar, weit und breit bringt den Reim auf die Langsamkeit - insofern gehört es da schon hin, aber im Verbindung mit Fokus (warum die englische Schreibweise hier?) ist es nicht ganz stimmig für mich. Ich kann aber jetzt auch keinen besseren Vorschlag liefern, muss ich gestehen. Und es ist jetzt schon Meckern auf hohem Niveau von mir - also halb so wild. ;)

Das doppelte "uns" direkt nacheinander könnte man auf jeden Fall vermeiden. Das zweite ist eigentlich obsolet und fehlt auch nicht im Rhythmus, ließest du es einfach weg. "die kommen wird" ist für mein Empfinden ein wenig ungelenk und nah am Alltagssprech und fällt aus dem sprachlichen Rahmen. Was wäre gegen "die kommt" einzuwenden? Das passte viel besser in den knappen, präzisen Sprachduktus deines Gedichts, wie ich finde.

Inhaltlich eine gelungene Darstellung dieses "Lass uns noch ein Weilchen länger so tun als ob", weil LyrIch sich nicht gewappnet fühlt (oder eine Auszeit braucht) für all das Chaos und das Leid "da draußen". Vor allem das "da draußen"-Gefühl kommt sehr gut rüber. Die Winterglöckchenstick-Gardine fehlt mir noch an meinem Fenster! Manchmal ist es gut, eine zu haben.

Sehr gerne gelesen!
LG,
fee
 

Anni123

Mitglied
danke, liebe free, für deinen ausführlichen Kommentar und deine Vorschläge. Mit dem Weit und breit hast du mich natürlich voll ertappt ;)
stimmt auch mit dem zweiten "uns". Aber ich brauche einen Einsilber für die Metrik.
Was hältt du von

Lass uns doch
noch Speck anfressen
für die Hungerzeit
von morgen
und all das Leid
lass uns vergessen...

Mit den Zeilenabständen, das kann ich nkicht ändern. Kommt so von meinem PC hier rüber...
Lieben Dank dir. dein Kommi und deine Bewertung haben mich gefreu:)t.
LG von Anni
 

fee_reloaded

Mitglied
Wenn du einen Text hier einstellst, siehst du in der Bearbeitungsleiste ganz links außen den Button "Formatierung entfernen", liebe Anni.

Damit solltest du deinen eingestellten Text von den lästigen Zeileumbrüchen befreien können. Da ich meine Texte immer "händisch" eintippe, kann ich dir aber nicht genau erklären, wie das genau geht. Ich weiß aber, dass es genau dafür gedacht ist.

Lass uns doch noch....finde ich gut. Es ginge auch "Lass uns noch gut Speck anfressen" oder etwas Ähnliches. Dir muss es zusagen. Das ist das Wichtigste.

Hab auch noch ein wenig sinniert über diese Stelle
auf Entgleisung weit und breit.
und frage mich, was du hältst von etwas wie

"den Fokus brechen
auf das Chaos unsrer Zeit" ?

Manchmal, hab ich die Erfahrung gemacht, hilft es, wenn man sich nicht zu strikt an bestimmte Worte klammert und sich ein "Ersatzbild" oder eine Ersatzformulierung sucht, die runder in den Text passt. Mein Vorschlag ist eher als Denkanstoß gemeint, denn als konkretes Textangebot. Okay? Ich bin sicher, du findest das, was so richtig "sitzt", noch.

Liebe Grüße,
fee
 

revilo

Mitglied
Lass uns noch
verharren
in der Langsamkeit
und dem Gardinenblick
mit Winterglöckchenstick
den Focus brechen
auf Entgleisung weit und breit.



Lass uns noch
uns Speck anfressen
für jene Hungerzeit,
die kommen wird
und all das Leid
vergessen wir



was naht mit jedem Tage
und jeder obsoleten Frage,

verglimmt so leis
im Kerzenlicht.
vor tiefgefrorner Langsamkeit.
Wir sind noch nicht

soweit.
LG
 

Anni123

Mitglied
vielen Dank euch beiden. Revilos Variante hat auch was. Muss nochmal überlegen. Hab Die Entgleisung ist mir schon wichtig, denn die ist ja der Grund für das Chaos. :) Hab etwas verändert. LG von Anni
.
 

Perry

Mitglied
Hallo Anni,
mir gefällt der eher beschauliche Tonfall in der 1. und 3. Strophe gut, das "Speck anfressen" stellt dazu für mich einen zu starken Kontrast (gewollt?) dar, auch weil die Gesamtfrage "für was sind wir noch nicht bereit" eher nachdenklich ist. Das ist natürlich nur mein rein subjektives Empfinden.
LG
Perry
 



 
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