Laufen (gelöscht)

B

bluefin

Gast
hallo @retep,

ein interessanter ansatz, den du da genommen hast, und ein routinierter, unspektakulärer stil, in dem du geschrieben hast. ganz offenbar ist nicht nur der prot, sondern auch sein urheber ein marathon-mann.

was ein bisschen übertrieben ist, finde ich, sind die minutiösen selbstanalysen während des langstreckenlaufs. das nimmt man dem prot nicht so recht ab – hecheln, auf pralle hinterteile gucken, innere stimmen hören, den bewegungsapparat kontrollieren, uhr und landschaft im auge zu behalten und daneben noch eine präzise anamnese machen, das schafft keiner mitten im rennen. erzählerisch verlässt du den läufer, sozusagen; du lässt ihn nicht selber keuchen, sondern stehst neben ihm und redest wie ein nervenarzt oder ein fremdenführer.

ein langstreckenläufer denkt nie so, als ob er plaudern würde, denn er muss, wie wir beide ja wissen, immer die hände frei haben, um den inneren schweinehund damit zu würgen. er keucht, wie schon gesagt; er schwitzt, rotzt, röchelt, spuckt, und die gedanken, die ihm daneben noch kommen könnten, sind wie die bilderfetzen einer landschaft, die er nebenbei gerade noch wahrnehmen kann.

dass dein sportler ein triebverbrecher sein könnte, würd ich offener lassen. warum nutzt du nicht den umstand, dass beim laufen jeder ziemlich bald sein gehirn ausschaltet und erst nach der zielgeraden wieder wirklich „zu sich“ kommt? in dieser zeit kann alles mögliche passiert sein. der typ erkennt’s aber nicht im inneren (weil ihm die erinnerung daran fehlt), sondern nur äußerlich – vielleicht hat er blut an den händen, kratzer im gesicht, die er erst bemerkt, als er sich wäscht, oder irgendetwas mit seiner kleidung stimmt nicht.

so oder so ähnlich hätt der alte hitchcock spannung aufgebaut und dem publikum schatten auf die seele gemalt. die leichen im keller hätt’s gar nicht gebraucht.

die idee, die hinter deiner geschichte steht, ist grandios. viellicht findest du möglichkeiten, sie noch besser umzusetzen?

nix für ungut und liebe grüße aus münchen

bluefin
 

Ohrenschützer

Mitglied
Hallo retep,

(ohne bluefins Kommentar gelesen zu haben):
ein interessanter Text, mir sind keine grammatikalischen Fehler aufgefallen. An einer Unklarheit bin ich hängen geblieben, nämlich als die "erste Brücke" das zweite Mal im Text auftaucht: "Jetzt ist es nicht mehr weit bis zur ersten Brücke." Da musste ich mich frage, ob er eine Runde läuft oder hin und zurückläuft und inzwischen umgedreht ist.

Als Hobby-Läufer konnte ich mich in die Geschichte anfangs gut hineindenken, bis zum schockierenden Absatz vier, wo ich natürlich sofort auf Distanz zum Erzähler gegangen bin. Danach lebt die Spannung davon, beim Lesen der freien Assoziationen (die ich beim Joggen auch immer habe) etwaige Hinweise auf diese zwielichtige Figur zu finden.

Der Schluss ist heftig und in der Deutlichkeit wahrscheinlich notwendig. Das analytische Element des Von- und Vor-sich-selbst-davonlaufens finde ich schön herausgehoben. Man könnte möglicherweise noch im Laufe des Texts mit Doppeldeutigkeiten arbeiten, deren fatale Wahrheit sich am Ende herauskristallisiert. Interessant fand ich zB, dass ich als Leser in Erinnerung hatte, dass die erste Freundin weglief, dabei steht da nur, dass sie weglaufen *wollte*. Solcherlei Arbeit mit dem Unbewussten des Lesers mag ich.

Gern gelesen. Ich finde, der Text hat dennoch Verbesserungspotential im Aufbau und den Feinheiten. Schönen Gruß,
 

Retep

Mitglied
Hallo bluefin,

- danke für den "routinierten, unspektulären Stil", ich bemühe mich so zu schreiben. "grandiose Idee" ist wohl ein bisschen übertrieben.

-
was ein bisschen übertrieben ist, finde ich, sind die minutiösen selbstanalysen
Das sehe ich nicht ganz so schlimm, ich glaube, dass solche Gedankengänge beim Laufen möglich sind, wenn der Läufer sich nicht völlig verausgabt.

-
und daneben noch eine präzise anamnese machen
Verstehe nicht, was du damit meinst.Dachte bisher, Anamnese habe nur etwas mit Medizin zu tun.Habe mal gegoogelt:

- Anamnese (von griech. ανάμνησις anamnêsis „Erinnerung“) bezeichnet
Anamnese (Medizin), die im Gespräch ermittelte Vorgeschichte eines Patienten in Bezug auf seine aktuelle Erkrankung
Anamnese (Liturgie), das feierliche Gedächtnis des Todes und der Auferstehung Christi
Anamnesis, das philosophische Konzept der Wiedererinnerung der Seele an vor der Geburt geschaute Wahrheiten

Davon steht nicht drin im Text.

-
ein langstreckenläufer denkt nie so, als ob er plaudern würde,
Ich wollte ihn nicht "plaudern" lassen. Wenn das aber so ankommt, muss ich wohl anders formulieren.

-
in dieser zeit kann alles mögliche passiert sein. der typ erkennt’s aber nicht im inneren (weil ihm die erinnerung daran fehlt), sondern nur äußerlich – vielleicht hat er blut an den händen, kratzer im gesicht, die er erst bemerkt, als er sich wäscht, oder irgendetwas mit seiner kleidung stimmt nicht.
- in "dieser Zeit" ist nichts passiert. Es war vorher. Wäre natürlich eine gute Idee, wenn während dieser Zeit etwas passieren würde, dann nur könnten Hinweise als Andeutungen gemacht werden, wie du sie anführst. Wäre vielleicht eine bessere Geschichte.

so oder so ähnlich hätt der alte hitchcock spannung aufgebaut und dem publikum schatten auf die seele gemalt. die leichen im keller hätt’s gar nicht gebraucht.
- ich bin nun mal leider nicht der alte Hitchcook, brauche die Leichen im Keller.

Mein Dank nochmals, dass du dich so ausführlich mit dem Text beschäftigt hast, werde die Geschichte sicherlich noch einmal überarbeiten

Liebe Grüße aus Freiburg.

Retep
 

Retep

Mitglied
Hallo Ohrenschützer,

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"Jetzt ist es nicht mehr weit bis zur ersten Brücke." Da musste ich mich frage, ob er eine Runde läuft oder hin und zurückläuft und inzwischen umgedreht ist.

- Nach 36 Minuten komme ich bei der anderen Brücke an, [blue]laufe auf der anderen Seite des Flusses zurück.[/blue]
Das steht im Text.

-
Als Hobby-Läufer konnte ich mich in die Geschichte anfangs gut hineindenken, bis zum schockierenden Absatz vier, wo ich natürlich sofort auf Distanz zum Erzähler gegangen bin.
Nicht auf Distanz zum Erzähler (Autor?) sondern auf Distanz zum Protagonisten. (Der hier allerdings der Erzähler ist)

-
Der Schluss ist heftig und in der Deutlichkeit wahrscheinlich notwendig
.

Denke ich auch. Elegantere Lösungen wären möglich, beherrsche ich aber leider (noch?) nicht.

-
Gern gelesen. Ich finde, der Text hat dennoch Verbesserungspotential im Aufbau und den Feinheiten.
Ganz bestimmt hat der Text Verbesserungspotential.

Schön, dass du ihn gern gelesen und dich ausführlich mit ihm beschäftigt hast.

Gruß aus Freiburg.

Retep
 

nachts

Mitglied
Ich mag die Story. Gerade das mit dem Laufen hat was, dieses Disziplierte in Gegensatz zum Triebhaften.
Was ich n bischen schwierig finde ist dass du wechselst zwischen den Gedanken die er sich beim Laufen macht und der Beschreibung, wenn du weißt was ich meine?

----"Um 7.00 Uhr fange ich an zu laufen. Mindestens dreimal in der Woche mache ich das, seit ich in Frührente bin, laufe zwischen zehn und zwanzig Kilometer." ----
das z.B. ist (für mich) die Beschreibung der Lebenswelt deines Prot.
Beispiel für nen Gedanken wäre: Genau zehn vor sieben. Los gehts. Ich glaube ich bräuchte wieder mal neue Schuhe. Billigmarke, China, dreimal die Woche mindestens 10 km halten die nicht lange durch, war ja klar.(Dabei müssten die in China eigentlich was vom lange Laufen verstehen)
Aber andere gehen richtig ins Geld, kann es mir ja nicht aus den Rippen schneiden, und bei dem bischen Frührente ...
- Is nur so dahingeschrieben, (nur als Beispiel) die selbe Info aber als Gedanken verpackt.

War das jetzt erhellend oder wirr? Na ja, wie gesagt, es wäre - glaub ich - flüssiger und packender wenn du eine Linie durchziehst.
Wenn du damit aber nix anfangen kannst - no problem

LG Nachts (viel Spaß beim Schreiben)
 

Retep

Mitglied
Hallo nachts,

Was ich n bischen schwierig finde ist dass du wechselst zwischen den Gedanken die er sich beim Laufen macht und der Beschreibung, wenn du weißt was ich meine?

Verstehe, wie du es vorschlägst, wird der Text besser. Werde ihn ändern.

Danke für deinen Kommentar.

Gruß

Retep
 

Walther

Mitglied
Hi Retep,

dieser Text hat für mich den besseren Ansatz. An diesem würde ich weiter arbeiten.

Hier hat die Story nur wenige Haken. Die Sache mit der zweiten Frau (Anna) kommt allerdings zu sehr aus dem Nichts. Hier sollte die Einführung in die Geschichte noch etwas klarer gestaltet werden.

Ebenso ist die Sache mit dem Stimmen im Kopf nicht genug vorbereitet in meinen Augen.

Danke für den Hinweis, ich hatte den Beitrag übersehen. Insgesamt ordentlich, so mein derzeitiger Eindruck.

Gruß W.
 



 
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