Lavandula angustifolia

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S

Stoffel

Gast
Hallo,
ich stelle die Geschichte, da archiviere, spaeter in die Schreibwerkstatt.An dieser Stelle werde ich keine grossartigen Aenderungen vornehmen.(mein Prinzip bei der "Schreibaufgabe".*smile*)

Danke fuers lesen.:)
lG
Sanne


LAVENDEL
(Lavandula angustifolia)​

Es roch nach Lavendel und ich sah mich um, von welchem meiner Mitreisenden dieser, fuer mich fast unangenehme, Duft stammen konnte.Der junge Mann mir gegenueber kam auf keinen Fall in Frage. Er war in einem Fachbuch ueber Informatik vertieft. Vielleicht ein Student? Mein letzter Partner, also Lebensabschnittsgefaehrte ueber sechs Jahre, war ein Informatiker. Ein furtztrockener Typ. Langweilig und fantasielos. Ich sass viele Abende da, waehrend er programmierte und er kannte nur ein Gespraechsthema. Dennoch hielt ich es ja sechs Jahre mit ihm aus. Zumindest wusste ich irgendwann, wie man sich eine eigene Website baut. Ich lerne naemlich schnell. Besser vom zusehen, als aus Buechern.

Der vermeintliche Student sah kurz auf, ich laechelte ihn an und wie zu erwarten, zog er nur seine Augenbrauen zusammen und tauchte in sein Buch ab.
Neben ihm sass ein, ich schaetzte, Mittvierziger. Gut gekleidet, womit ich meine Anzug, Krawatte und sauberes weisses Hemd. Seine schwarzen Slipper waren blank geputzt. Er schlug ein Bein ueber das andere und seine weissen Socken sprangen mir ins Auge. Mann, wie konnte man nur. Onkel Erich trug auch immer weisse Socken in seinen Sandalen, stramm hoch gezogen waren sie. Man haette meinen koennen, sie sie waren angewachsen.Dazu dann im Sommer die kurzen Hosen. Nun gut, ich war auch nicht gerade der neuesten Mode entsprechend gekleidet. In den letzten Jahren hatte sich ja da auch sicher einiges getan. Ich war da nicht auf dem Laufenden. Aber weisse Socken zu schwarzen Slippern? Und er trug einen Hut. Den hatte er tief in sein Gesicht gezogen. Irgendwie trug sein Mund zynische Zuege. Und sein langes, hageres Gesicht wirkte so, wie soll ich sagen? Geheimnisvoll? Vielleicht auch abartig. Ich fragte mich, welchen Beruf er wohl ausuebte. Seine Haende waren gepflegt, wie auch seine Naegel. Ich machte mir immer schon einen Spass daraus das Alter oder den Beruf eines fremden Menschen zu erraten. Ich konnte es einfach nicht lassen. Und manchmal war das wie ein Zwang fast schon. Das macht mir heute Angst, weil ich viel darueber weiss. Alles macht mir Angst, was mit Zwang zu tun hat oder zu ihm fuehren koennte.
Ich hatte fast das Gefuehl, schon die ganze Fahrt ueber, das er die Tageszeitung schon das x-te-mal las. Ich las schon lange keine Zeitungen mehr. Die Medien. Mann, die Medien. Vor Jahren habe ich sie zu meinem Feind gemacht. Ich kannte nie das Wort Hass. Gab es nicht in meinem Sprachschatz. Niemals hatte ich etwas oder jemanden gehasst. Aber ich fing an die Medien zu hassen. Weil sie die Menschen verdummen. Sie beeinflussen. Sie zu Dingen treiben, die sie eigentlich nicht wollen. Zu Marionetten machen. Irgendwann setzte ich ein Zeichen. Aber ich hoere lieber auf weiter daran zu denken. Das ist nicht gut fuer mich.

Der Platz neben mir war frei. Da legte ich meine Reisetasche und meine Handtasche drauf. Und ich hielt beides fest. Die Handtasche war ein Abschiedsgeschenk von Tante Maria. Sie sagte, wenn ich wieder nach Hause komme, bekomme ich die passende Geldboerse dazu. Neben dem freien Platz sass eine Dame. Ich sage Dame, weil sie so gekleidet war. In ihrem rosa farbenen Kostuem und dem knall Rot geschminkten Mund sah sie allerdings aus, wie eines dieser leckeren Petit Fours. Und an ihrem Hals und Armgelenken hingen breite Goldketten. Ihren rechten Ringfinger zierten zwei goldene Ringe. Ich glaube, ihr Mann war schon gestorben. Mit Sicherheit war der zweite Ring der Ehering ihres Mannes. Ihre langgezogenen Ohrlaeppchen trugen schwere Ohrringe. So goldene mit blauen Steinen. Die Laeppchen waren schon richtig ausgeleiert. Irgendwie erinnerte sie mich an Oma Gerlinde. Gott hab sie seelig.
Ich machte mir nichts aus Goldschmuck. Ich mag Silberschmuck und Tuerkis. Irgendwann kaufe ich mir mal eine huebsche Kette mit einem Tuerkisanhaenger. Die alte Dame im rosa farbenen Kostuem striff sich die flachen schwarz-weiss karierten Pumps, die viel zu klein erschienen ab und nickte ein. Der Student packte seine Sachen und verliess vor Eintreffen in den naechsten Bahnhof wortlos das Abteil. Wenn der mal ne Freundin hat, die tut mir jetzt schon leid. Ich laechelte ihm wissend hinterher. Sechs Jahre lang ist meiner auch wortlos gegangen. Ich ermahnte mich, denn man soll ja nicht alles ueber einen Kamm scheren. Jaja, die alten Muster.
"Bitte verfallen sie nicht in alte Muster". Ausrufezeichen.

Noch eine Stunde Fahrt, dann endlich wuerde mich Tante Maria in den Arm nehmen. Dann werde ich daheim sein. Es schnuerte mir die Kehle zu, aber ich riss mich zusammen. Die alte Dame raeusperte kurz, zog sich die Schuhe langsam an und griff ihre Handtasche und ging aus dem Abteil. Sicher wuerde sie auf die Toilette gehen, oder aber in den Speisewagen, eine Kleinigkeit essen? Ich wuerde auch gern etwas trinken gehen, aber ich weiss doch wie die einen ansehen, wenn man nur ein Wasser bestellt. Das brauche ich jetzt nicht. Der Mann mit dem Anzug stand auch auf. Er strich sich die Hose glatt, entfernte ein paar Fussel vom Jacket und rueckte den Hut zurecht. Jetzt sah ich den schweren Siegelring an seinem Finger. Ich mochte ihn nicht, weil mein Vater auch so einen hatte. Und er konnte einem damit sehr weh tun. Der Mann nahm seinen Trenchcoat und ging, vielmehr schlich der irgendwie. Merkwuerdiger Mensch. Ich hatte bei ihm das Gefuehl, als tut der mehr als er war. Gibt ja solche Typen. Aber was ging es mich denn an? Ich aergerte mich ueber mich, das ich mir so viele Gedanken wieder machte. Wer machte sich denn gerade jetzt Gedanken ueber mich? Niemand. Doch, Tante Maria dachte gerade an mich. Sie war nicht nur meine Tante, bei der ich auf wuchs. Sie war meine Mutter. Auch wenn sie mich nicht geboren hatte.
Ich nickte ganz kurz ein, denn ich war muede. Dann kam der Mann im dunklen Anzug wieder zurueck. Er sah kurz nach oben, dort wo das Gepaeck der alten Dame stand. Er setzte sich und sah mich an. Seine Augen waren wie die eines Raben, verdammt. Ich bekam Gaensehaut und sah schnell aus dem Fenster.
Nur noch fuenf Minuten. Wo aber war das Petit Four, also die alte Dame? Ja, ich weiss. "Fangen sie an fuer sich selbst zu sorgen!" Hatte mir man eingebleut. Ich dachte immer daran, was mir meine Psychologin sagte.
Ich stand auf, zog meinen Mantel an, nahm meine Taschen und sagte leise Aufwiedersehen zu dem Fremden. Er stand auch auf und an der Ausganstuer stand er genau hinter mir. Ich sah durch das kleine Fenster der Zugtuer, sah alte vertraute Gegend und wieder hatte ich einen Kloss im Hals. Ich spuerte wie bei dem Gedanken an Tante Maria mir Traenen in die Augen schossen, und dann rannen sie mir die Wangen runter und ich schluchzte. Der Zug hielt und ich stieg aus. Der Mann im dunklen Anzug gab mir meine Reisetasche und er laechelte mich an. Na, gibts denn so etwas? Ich schniefte und er reichte mir ein Stofftaschentuch. "Auf Wiedersehen", sagte er und dann tauchte er in der Menge ab. Ich faltete das Taschentuch auseinanderund schnaeuzte kraeftig hinein. Es roch nach Lavendel und in einer der Ecken waren Initialen eingestickt. "G.H.". Ich fragte mich, wie er wohl heissen wuerde. Gerhard Hagemann vielleicht? Gustaf Huppert? Ich kannte naemlich mal einen Gustaf Huppert. Tante Maria holte mich aus meinen Gedanken. Ja, ich war auch froh, endlich daheim zu sein und ich wollte einfach nur noch mein Leben leben.

Am naechsten Morgen wollten wir ganz toll fruehstuecken und ich ging Broetchen holen. Beim Zahlen fiel mein Blick auf den Zeitungsstaender. Ich las die Headline einer Tageszeitung.

"Zugmoerder hat wieder zugeschlagen....
Erna B. aus Soest wurde auf Zugtoilette tot aufgefunden..."
Auffaelligkeit waere auch, das alle Opfer eine organische Substanz, hier Lavendel, am Koerper aufwiesen......Der Taeter bevorzugt aeltere Damen und raubt sie aus. Sachdienstliche Hinweise an...

Ich rannte nach Hause, in mein Zimmer, und kramte das Taschentuch aus meinem Mantel heraus. "G.H." und dieser Duft von Lavendel. Mein ganzes Zimmer roch danach und meine Haende auch. In meinem Kopf haemmerte es schon wieder, wie damals vor sechs Jahren. Was sollte ich tun? Ich hasste die Medien.

Das alles ist nun zwei Jahre her. Das Taschentuch hatte ich damals sofort vergraben. In Tante Marias Garten, zwischen den Lavendelbueschen und den pinkfarbenen Rosen. Wieso ich nicht zur Polizei ging? Wieso ich niemanden etwas sagte?
Nun, WER bitte schoen haette einer Frau geglaubt, die gerade frisch aus einer psychatrischen Klinik entlassen wurde?
Ja, ja, ich weiss....es gibt eine Zeitung, die alles glaubt. Aber ich sagte doch...ich hasse die Medien!
 
P

Pete

Gast
Hallo Stoffel, Urgestein,

auf welcher Insel weilst Du? Ist wohl ein Insider-Joke. Die fehlenden Umlaute sind der authentische Beweis!

Eine stimmige Geschichte ist Dir gelungen, die m.E. sehr gut in den Bereich "Erzählungen" passen würde.

Kann mir, trotz Deiner Prominenz, ein paar Anmerkungen nicht verkneifen (warum lasse ich mich nicht einschüchtern?).

Sehr inspirierend waren Deine zarten Andeutungen der Vergangenheit der Protagonistin:
Nun gut, ich war auch nicht gerade der neuesten Mode entsprechend gekleidet. In den letzten Jahren hatte sich ja da auch sicher einiges getan. Ich war da nicht auf dem Laufenden.
Eine sehr dezente Andeutung des Endes (Entlassung aus der psychiatrie) lieferst Du hier:
Und manchmal war das wie ein Zwang fast schon. Das macht mir heute Angst, weil ich viel darueber weiss. Alles macht mir Angst, was mit Zwang zu tun hat oder zu ihm fuehren koennte.
Mir war das etwas zu wenig deutlich. Den ersten Satz dieses Abschnitts hätte ich anders formuliert, vor allem den unterstrichenen Bereich. Aber vielleicht ist das von Dir beabsichtigt, um die Protagonistin zu charakterisieren.

Mysteriös wird es in dem Abschnitt:
Aber ich fing an die Medien zu hassen. Weil sie die Menschen verdummen. Sie beeinflussen. Sie zu Dingen treiben, die sie eigentlich nicht wollen. Zu Marionetten machen. Irgendwann setzte ich ein Zeichen. Aber ich hoere lieber auf weiter daran zu denken. Das ist nicht gut fuer mich.
Da hätte ich noch eine Pointe erwartet, dergestalt, dass sie in Wahrheit die Mörderin ist, sich das aber nicht eingestehen mag. Andeuten kannst Du es, wenn Du den Schluss, beispielsweise wie folgt gestaltest:

>>> Wieso ich nicht zur Polizei ging? Wieso ich niemanden etwas sagte?
Nun, WER bitte schoen haette einer Frau geglaubt, die gerade frisch aus einer psychatrischen Klinik entlassen wurde?
Und den Hut, den hatte ich ebenfalls schon vergraben. Er erinnerte mich zu sehr an das überraschte Gesicht des Mannes, als er die Wirkung des Giftes spürte. Er hieß übrigens tatsächlich Gustav. Gustav war ganz anders als Egon. Uns verband eine geheimnisvolle, mörderische Leidenschaft.

Außerdem war Gustav ein Mann, der mich niemals verlassen würde. Ein schlichter Lavendelbusch markiert die Stelle, an dem ich ihn immer finden werde. <<<

So ähnlich, formuliert in Deiner eigenen, unnachahmlichen Art, bekommst Du zur Pointe eine Überhöhung. :)
 
S

Stoffel

Gast
Hi Pete,
leider kennen die Spanier keine Umlaute, darum wohl sind sie auch nicht auf der Tastatur zu finden. ;)
Sorry.

Danke lieb fuer die Auseinandersetzung mit der Geschichte. Ich werde es mir demnaechst vornehmen.

Geht nicht hervor, wer der Moerder ist?? *hm*

Bis bald
lG
Sanne
 
P

Pete

Gast
Geht nicht hervor, wer der Moerder ist?? *hm*
So, wie ich die Geschichte, jetzt noch einmal, gelesen habe, war der Lavendel-Mann der Mörder.
Dann schlage ich vor, dass dieser Mörder Opfer der Protagonistin wird.

Oder habe ich irgend etwas nicht kapiert?

Grüße

Pete
 
S

Stoffel

Gast
Hallo Pete,

wieso sollte sie ihn toeten, zu einer Moerderin werden? Die arme Frau hat doch einiges schon hinter sich.*lach*
Der Kern der Geschichte ist ein anderer. Aber ehrlich gesagt, moechte ich sie auch nicht auseinander fieseln, also im Detail erklaeren. Entschuldige ;)
Da ich diese Geschichte archiviere (dazu sollte sie ueberarbeitet sein) haette ich gern zur Form, Spannungsbogen, etc..Vorschlaege. Muss aber nicht sein, ich kann sie auch spaeter in die Schreibwerkstatt stellen. Was ich nicht moechte ist, eine voellig neue Geschichte draus zu machen.
Man koennte allerdings die Story weiter fuehren. Denn der Moerder sagte ja "Auf Wiedersehen". *smile*

Danke dennoch,
lG
Sanne
 

Haremsdame

Mitglied
Hallo Stoffel,

leider habe ich bei Deiner Geschichte den von der Aufgabenstellung her erwarteten Humor nicht gefunden :(. Aber vielleicht bin ich nur blind?
 
P

Pete

Gast
Ja, die Geschichte wird besser, je öfter ich sie lese. Jetzt ist sie in der Schreibaufgabe gelandet und ich kann sie erneut bewerten.

Super!
 
S

Stoffel

Gast
Hallo,
lieben Dank. :)
Ich denke mal, es ist egal ob mit oder ohne Humor, für mich ist die Schreibaufgabe einfach eine Herausforderung, mir zu dem Thema etwas in Kürze einfallen zu lassen. Ich stelle sie später in die Werkstatt, weil ich sie archivieren möchte.

Übrigens habe ich wieder Umlaute:)

lG
Sanne
 



 
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