leb-haft

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Vera-Lena

Mitglied
Elektrolyse

Wenn meine Fingerkuppe
deine rührt,
hab nicht ich dich
und du nicht mich
erschaffen.
Nicht eins und eins
taktet zur Symmetrie.
Ein aufgeschäumtes
du im ich
sucht seine Filter,
ein Egowallen
nebelt vor sich hin.

Erst aus dem Bodensatz
ersteht das bunte Bild.

Großmut allein
hilft dir und mir
zu tragen, was umrisshaft
sich wechselseitig spiegelt
und tausendmal verzerrt noch
hintreibt durch die Zeit.
 
T

Thys

Gast
Uff Vera-Lena,

kannst Du mir dazu mal deine Gedankengänge erklären (natürlich nur, wenn Du willst). Seit wann schreibst Du denn sowas :)

Elektrolyse handelt vom Trennen, ist klar, oder?

Grübelnde Grüße

Thys

PS: Hat was. Weiss nur nicht was.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Thys,

ab und zu habe ich, glaube ich, schon mal auf die Mathematik, auf Physik und Chemie seltener zurück gegriffen.

Wenn Du eine Kathode und eine Anode hast und fügst einen gelösten Stoff hinzu, und setzt die Anordnung unter Strom, dann gehen die einen Teilchen des Stoffes zur Anode, die anderen zur Kathode. Dort entladen sich die Teilchen und scheiden sich als neutrale Atome (Moleküle)ab, oder sie gehen mit dem Lösungsmittel eine neue Reaktion ein.(dtv-LexikonBD.5)

Wenn ich jetzt die Nähe eines Menschen suche, und er sucht auch meine Nähe, wird sich Ähnliches abspielen. Da zeigt man jetzt dieses Bild von sich und später ein anderes, versteht den anderen aus seiner Sicht heute als ein Wesen mit diesen oder jenen Eigenschaften, morgen wieder anders.

Die Egoismen, die jeder so mitbringt, werden, wenn die Beiden zusammenbleiben wollen, eine weite Strecke zurücklegen, bis jeder gewillt ist, sich um der "Gemeinsamkeit" willen von diesem oder jenem Verhalten zu trennen.

Dann erwächst allmählich das Bild, das in den Augen Beider etwas mehr Bestand haben könnte.

Aber diese "Arbeit" ist nie beendet, immer wieder taucht bei einer lebendigen Beziehung etwas Neues auf, weil beide sich ja auch ständig verändern.

Will man diesen Prozess auf Dauer durchstehn, ist Großmut wirklich eine Unterstützung. Klarheit ist gut. Die Dinge genau nehmen ist gut, aber kleinlich sein wird einem immer im Wege stehen.

Vielleicht brigt diese Erläuterung schon ein bißchen Licht in den Text. ;)

Danke für Deine Antwort!
Herzlich grüßt Dich
Vera-Lena
 
T

Thys

Gast
Hi Vera-Lena,

ok, versteh was Du meinst. Ist mir schon klar, was Elektrolyse ist. Gerade deswegen bin ich aber in's Grübeln gekommen, weil Elektrolyse einen Trennvorgang beschreibt, und zwar einen Trennvorgang mittels Strom.
Elektrolyse benutzt man z.B. zur Metallauflösung oder aber auch zur Beschichtung von Oberflächen.

Ich hätte bei Deinem Text und dem Hintergrund die Überschrift Synthese besser gefunden.

Gut geschrieben ist er natürlich wie immer bei Dir.
Hab jetzt keine Zeit. Ich muss mir den nachher noch einmal in Ruhe ansehen, um mit mir und dem Text ins Reine zu kommen ;-)

Gruß

Thys
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Thys,

es geht mir aber gerade nicht um eine Synthese, dieses für alle Zeit auf gleiche Weise Verbundensein.

Es geht mir um den Prozess, was Du ja nun auch herausgelesen hast.

Was die chemische Reaktion anbetrifft, so gibt es auch den Prozess des Vereinigens:
Deuterium lässt sich durch Wasserelektrolyse zu "schwerem Wasser", D2O anreichern. Es entsteht also aus Deuterium und Wasserstoff mittels einer sehr langsamen Reaktion eine neue Verbindung. (Findest Du bei Wikipedia)

Letztlich ist natürlich auch schweres Wasser eine dauerhafte Verbindung, aber darum geht es mir nicht, sondern die Elektrolyse steht hier für den ablaufenden Prozess.

Danke für Deine nochmalige Antwort!

Liebe Grüße!
Vera-Lena
 
T

Thys

Gast
Hi Vera-Lena,

da bin ich wieder. Hab jetzt mehr Zeit. Muss Dir leider
immer noch widersprechen auch auf die Gefahr hin, dass ich
Dich nerve und Du mich schlägst. Das muss ich dann wohl oder
übel durchstehen.

Ich habe mir noch einmal in aller Ruhe durchgelesen, was
Du aussagen willst. Leider, passt Elektrolyse immer noch
nicht zu Deiner Intention. Tut mir leid.

Elektrolyse heißt nicht nur, "etwas durch Elektrizität
trennen", genau das passiert auch immer als "Hauptreaktion".
Es wird IMMER zuerst eine chemische Verbindung getrennt oder
aufgespaltet. Natürlich hat diese Aufspaltung in Folge einen
beabsichtigten Sinn. Der Sinn kann als Beispiel sein

* Produktion eines der Spaltungsprodukte
-> Wasserstoff
* Erzeugung EINES neuen STABILEN Erzeugnisses mittels einem
der durch die Aufspaltungsreaktion erzeugten Elementes
-> Oberflächenbeschichtung oder schweres Wasser.

Erst immer die Spaltung und dann das daraus erzeugte
"Produkt".

Du schreibst selber, dass es Dir nicht um eine neue
dauerhafte statische Verbindung geht. Aber das genau
passiert z.B. als Ergebnis bei Deinem schweren Wasser.
Mehr noch, ist Elektrolyse kein stetiger dauerhafter Vorgang
sondern ein zeitlich begrenzter Vorgang. Mit Abschluss der
Elektrolyse hast Du genau das, worum es Dir eben in deinem
Text NICHT geht; der Prozess ist beendet und es gibt keine Reaktionen mehr.


Wenn ich jetzt die Nähe eines Menschen suche, und er sucht
auch meine Nähe, wird sich Ähnliches abspielen.


Ne, das bestreite ich. In einer gesunden Beziehung "löst"
sich kein Mensch auf, auch nicht im übertragenen Sinne.
Wenn ein Teil sich in einer Beziehung übertragen gesehen
"auflösen" würde, sich selbst verleugnen, sich selbst
aufgeben zu Gunsten des Anderen, dann wäre das eine sehr
einseitige und ungesunde Beziehung zwischen beiden. Solche
Beziehungen machen weder glücklich, noch halten sie ohne
Gewalt auf Dauer. Somit taugt die Elektrolyse eben nicht als
Bild. In einer gesunden Beziehung kommt es zu
Wechselwirkungen zwischen beiden Parteien, die nicht zur
"Auflösung" eines Partners führt um daraus entweder zwei
neue "Spaltpartnermenschprodukte" oder ein
"Spaltrestpartnermenschprodukt" und ein neues
"Vereinigungsmenschprodukt" zu erhalten. In einer gesunden
Beziehung sollten beide Partner als Person bestehen bleiben
und sich ergänzen zum Gewinn beider.


Aber diese "Arbeit" ist nie beendet, immer wieder taucht bei
einer lebendigen Beziehung etwas Neues auf, weil beide sich
ja auch ständig verändern.


Auch das hat mit dem elektrolyischen Prozess nichts zu tun.
Der ist zeitlich begrenzt und irgendwann mal sinnvoll
abgeschlossen. Kein elektrolytischer Prozess läuft stetig ab
und produziert dann auch noch immer wieder was Neues u.U.
sogar Unvorhersehbares.

Was Du beschreibst darf man getrost als Symbiose bezeichnen.
Darauf passt Deine Absicht und Deine Erklärung.

Symbiotische Grüße

Thys
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Thys,

ja Du hast mich überzeugt. Bei einer Symbiose geht es um eine Lebensgemeinschaft, bei der beide zusammen besser überleben können, als wenn jeder für sich bliebe. Im besten Falle läuft es sogar dergestalt ab, dass jeder der Beiden bemüht ist, die gemeinsame Arbeit immer wieder in ein Gleichgewicht zu bringen, so dass keiner vom anderen übervorteilt wird.

Jetzt werde ich wohl einen ganz anderen Titel suchen, denn bei der "Elekrolyse" passte für mich das Durcheinandergewusel, bis sich alles geklärt hat, so gut.

Danke noch einmal für Deine weiträumigen Ausführungen! :)

Es gibt einen Text von mir "unverbrüchlich" und der beginnt mit:

niemals kann ich mich
in dich
hineinlösen
als wäre ich ein Salz
in deinem Blute.....

Da stimme ich schon völlig mit Dir überein.


Es fällt mir momentan kein Titel ein, der passen könnte.

Mal sehen, was da noch bei mir ankommen wird. Jetzt muss ich es erst einmal ruhen lassen. Leider!!!! Denn das ist gar nicht meine Stärke.;)

Dankbare Grüße!
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Thys,

jetzt habe ich es, glaube ich gefunden. Ich lasse mal die Naturwissenschaften beiseite.

Mein neuer Titel ist:

leb-haft

Grüße!
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
leb-haft

Wenn meine Fingerkuppe
deine rührt,
hab nicht ich dich
und du nicht mich
erschaffen.
Nicht eins und eins
taktet zur Symmetrie.
Ein aufgeschäumtes
du im ich
sucht seine Filter,
ein Egowallen
nebelt vor sich hin.

Erst aus dem Bodensatz
ersteht das bunte Bild.

Großmut allein
hilft dir und mir
zu tragen, was umrisshaft
sich wechselseitig spiegelt
und tausendmal verzerrt noch
hintreibt durch die Zeit.
 
T

Thys

Gast
Hi Vera-Lena,

jetzt ist es rund für mich. Bei der Elektrolyse hattest Du bei mir direkt eine Erwartungshaltung erzeugt, die ich in dem Text überhaupt nicht wieder fand. Da las ich etwas ganz anderes. Deswegen hab ich mir keinen Reim drauf machen können. Du mußt wissen, ich bin ein Titel-Fetischist ;) Titel find ich immer ganz wichtig.

Leb-haft find ich passend. Auch mit dem Bindestrich.
Leben - Haft, lebenslange Haft, lebenslang verhaftet... damit kann man spielen und es mit Deinem Text in Verbindung bringen. Das gefällt mir.

Puhhh... jetzt bin ich aber froh. Hab mich ja schon gar nicht mehr in die Lupe reingetraut, weil ich dachte Du schlägst mich wegen meines hartnäckigen Widersprechens ;)
Bin ich nochmal mit nem blauen Auge davon gekommen.

Überlebter Gruß

Thys
 
T

Thys

Gast
PS: muss noch sein


niemals kann ich mich
in dich
hineinlösen
als wäre ich ein Salz
in deinem Blute.....


a) Das ist schön. Gefällt mir extrem gut!
b) Steckt eine Erkenntnis drin, die sowas von wahr ist, leider aber oft nicht verstanden wird und man deswegen eben doch versucht, sich in dem/der Anderen hineinzulösen.

Sei's drum...
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Thys,

mir sind Titel auch immer ganz wichtig und ich suche danach immer erst, wenn der Text fertig ist.

Darum bin ich wirklich froh, dass Du mir noch deutlich machen konntest, dass das mit der "Elektrolyse" schief herauskam.

Was das leb-haft betrifft, so habe ich schon befürchtet, dass die Haft naheliegend ist, aber die meine ich nicht. Ich meine das Anhaften, weißt Du, so als ob es da einen unsichtbaren Kleber gäbe, der einen auf seltsame Weise, und wenn es lange genug dauert, auch auf erfüllte Weise bei jemandem bleiben lässt.
Aber das schließt dann eben alle die oben schon erwähnten Prozesse mit ein. Geschenkt bekommt man eine erfüllte Beziehung nicht. Es gehört immer eine Portion "Arbeit" dazu und das Lebendigbleiben, das mal mehr und mal weniger lebhaft ist.

[blue]lebenslang verhaftet[/blue], lebenslang anhaftend, ja das trifft es.

Ich freue mich auch, dass die Sache jetzt rund ist.

Danke für Deine Unterstützung! :)

Ein schönes Pfingstwochenende wünsche ich Dir.

Liebe Grüße!
Vera-Lena

PS.: Bei meiner ganzen Titelsucherei heute Vormittag bin ich auch auf "Fandarole con brio" gekommen zu Deutsch "Partnertanz mit Feuer", vielleicht mache ich über Pfingsten etwas darüber, mal sehen. Zur Zeit fesselt mich "Romantik" von Rüdiger Safranski; ich kann das Buch gar nicht aus der Hand legen. Es ist so launig geschrieben, ein echter Bonbon.
 
T

Thys

Gast
Text ohne oder mit schlechtem Titel ist wie Kuh ohne Euter.
Nichts zu danken. Hab ich halt nicht in meinem Hirn verorten können. Sowas stört mich halt. Dann will ich das lösen ;)

Ok, dann wünsch ich Dir auch schöne Pfingsten und viel Spaß mit den Büchern.

Thys
 

Vera-Lena

Mitglied
Ja, liebe Marie-Luise,

es müsste, wenn es sich nicht um Lyrik handelte, berührt heißen.

So aber habe ich die sogenannte "Dichterische Freiheit" genutzt und habe nun mehrere Möglichkeiten.

Wenn meine Fingerkuppe [blue]an deine[/blue] rührt zB,

oder wenn die Berührung durch deine Fingerkuppe so machtvoll ist, dass ich gerührt, angerührt, ergriffen, bewegt sein werde.

Das steckt jetzt in diesem Wörtchen "rührt" alles mit drin. Und deshalb habe ich es benutzt.

Danke für Deine Antwort und Dein aufmerksames Lesen! :)

Das Arabische und das Hebräische hat von vorn herein in seinen Wörtern immer mehrere Möglichkeiten. Wenn wir es ins Deutsche übersetzen, geht immer eine Menge dessen, was die Araber darunter verstehn verloren. (Diese kleine Bemerkung nur am Rande.)

Wir Deutschen müssen immer gucken, wo unsere Sprache noch einen verborgenen Reichtum versteckt hält, wenn wir unsere Möglichkeiten nutzen wollen.

Dir ein wunderschönes Pfingstwochenende! :)

Liebe Grüße von Vera-Lena
 
Hallo Vera-Lena,

''Wenn meine Fingerkuppe [blue]an[/blue] deine [blue]rührt''[/blue]

finde ich ja auch okay, doch wenn meine Fingerkuppe deine rührt ist nach meinem Gefühl nicht richtig.

Ein schönes Pfingstfest wünscht dir
Marie-Luise
 

Vera-Lena

Mitglied
Ja Marie-Luise,

Du hast auch wirklich völlig Recht.

Wenn meine Fingerkuppe an deine rührt, so ist es grammatikalisch richtig.

Es macht aber vergleichsweise eine schwache Aussage.

Wenn meine Fingerkuppe deine rührt, da steckt jetzt drin, dass in der Fingerkuppe des anderen etwas in Bewegung kommt.

Deswegen habe ich es so geschrieben.

Danke für Deine guten Wünsche! :)

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Perry

Mitglied
Hallo Vera-lena,
ja so leicht ist das nicht mit dem Erschaffen. Erst im Wallen der Egos, findet sich bei entsprechender Toleranz manchmal eine Symetrie. Insgesamt gefällt mir deine lebhafte Beziehungskunde, auch wenn sie für mich manchmal etwas zu "groß" taktet.
LG
Manfred
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Manfred,

Mit Schlichtheit habe ich dieses Thema nicht bewältigt, das stimmt schon. Trotzdem empfinde ich es nach 4tägigem Abstand doch immer noch gültig ausgesagt, was mir in der Seele so herumrumorte. Demnächst kommt wieder etwas Anderes, wer weiß? ;)
Ich nehme mir ja immer vor, nie mehr etwas zu schreiben. Bis jetzt hat das nicht geklappt.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 
Hallo Vera-Lena,
auch wenn ich mit dem ''rührt'' immer noch nicht einverstanden bin, gefällt mir dein Gedicht so gut, dass ich es doch positiv benoten möchte.
Viele Grüße,
Marie-Luise
 



 
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