Leben

xavia

Mitglied
von Susi Sorglos und Xavia Yeda

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Maya hatte sich in eine Ecke am Fenster des Cafés gesetzt. Mitten im Trubel des Kommens und Gehens, der prustenden Espressomaschine und dem Stimmengewirr um sie her versuchte sie, sich klarzumachen, wie um alles in der Welt sie hier hergekommen war.

Die Alltäglichkeit der Geräusche, der gewisse Friede der sie umgebenden Situation, standen in einem derart krassen Gegensatz zu ihrer inneren Befindlichkeit, dass sie glaubte, jeder müsse geradezu hören können, wie es um sie stand. Als würde sie ihren inneren Aufruhr mit jedem Atemzug, jeder winzigen Schweißperle, die aus ihren Poren austrat, einen Klang, ein Wort, einen Satzfetzen hinterherschicken, den jeder, wenn er nur wollte, aufschnappen könnte. Aber die Menschen um sie herum schienen sie überhaupt nicht wahrzunehmen. Niemand schien von der Frau im grauen offenen Trenchcoat mit dem ziemlich verschlissenen Rollkragenpullover darunter und der schwarzen Jeans irgendeine Notiz zu nehmen. Alle waren ebenso wie sie ausschließlich mit sich selbst beschäftigt. Emsig in ihren Tassen rührend, als könne man damit das, was einen umtrieb, aufräumen, die Chancen neu verteilen. Die Karten aufs Neue mischen, irgendetwas Vergangenes ungeschehen machen. Sie rührte ihren mittlerweile abgekühlten Kakao um und um. Fast wie in Trance versuchte sie, den vielen scheinbar zusammenhanglosen, aber für sie so entscheidenden, alles verändernden, letzten Tagen eine neue Bedeutung zu geben, mit der sie wieder in Frieden leben könnte.

Sie sah einen älteren Mann mit einem kleinen flachen Holzkoffer unter dem Arm eintreten. Die Angestellten hinter dem Tresen warfen einander bedeutungsvolle Blicke zu. Offenbar kannten sie ihn. Einige der Gäste blickten demonstrativ in eine andere Richtung, seit sie ihn bemerkt hatten, als wollten sie den Kontakt vermeiden. Er blieb unweit der Tür stehen und sah sich im Raum um. Seine Gestalt, mittelgroß und schlank, wäre nicht weiter aufgefallen. Seine Kleidung war in guten Zustand, Jeans und Windjacke von einer teuren Outdoor-Firma. Die zu einem Zopf gebundenen vollen weißen Haare und die leicht abgewetzten Lederstiefel verliehen ihm jedoch etwas Verwegenes. Ebenso strahlte seine entspannt-aufrechte Haltung und die Ruhe, mit der er die Menschen an den Tischen musterte, eine Präsenz aus, die die Atmosphäre im Raum verwandelte. Er ging zu Maya, hob den Koffer und zeigte auf den im Deckel eingebrannten Namen des Spiels. »Eine Partie Backgammon?«


»Natürlich«, krächzte sie unpassenderweise. Sie hätte eigentlich etwas anderes sagen sollen, etwas lockeres, lässiges. Etwa: »Klar, warum nicht«, aber dieses »natürlich« purzelte aus ihren inneren, viel zu schnell ablaufenden Gedanken und Bildern, die die Ankunft dieses Mannes in ihr ausgelöst hatte. Sie hatte ihn bereits gebannt und wie paralysiert durch das spiegelverkehrte »é« des Wortes » é f a C «, mit dem die getönte Scheibe in fast handtellergroßen Lettern beklebt war, beobachtet, wie er zielstrebig, federnden Schrittes auf den Eingang des Cafés zugegangen war.

Schlagartig wurde ihr bewusst, dass er ihr gefolgt sein musste, obwohl sie bereits einen Kontinent hinter sich und diesem ungeheuerlichen Abenteuer gelassen hatte … aber warum ihr? Sie war in dem Spiel doch bloß … aber … natürlich! Es waren die Steine! Er hatte die Steine in dem Kasten! Das war es! »Natürlich« brachte sie also viel zu rau hervor und konnte ihren Blick kaum von diesem scheinbar harmlosen Spiele-Koffer wenden. In diesem Moment war sie sich sicher, dass sich darin die heiligen Steine befanden. Die Steine, für die so viele Menschen schon ihr Leben gelassen hatten. Und vielleicht noch lassen würden. Ein Frösteln überkam sie und kalter Schweiß begann, ihren Rücken hinabzulaufen. Eine Gänsehaut ließ sie schaudern.


Scheinbar ganz unbefangen und gut gelaunt schaffte er Platz auf dem Tisch zwischen Dekoration und Speisekarten und legte das Köfferchen dort ab. Er klappte es auf und innen war es ein Spielbrett. An den Seiten gab es Rinnen, in denen weiße und schwarze Steine sowie fünf Würfel lagen. Der herbeigeeilten Kellnerin sagte er: »Einen Pott Kaffee und einen Cognac bitte.« Als sie wieder weg war, raunte er Maya zu: »Lassen Sie sich nichts anmerken. Es stimmt, sie sind es.« Mit flinken Fingern legte er die weißen und die schwarzen Steine an ihre Plätze auf dem Spielbrett.

»Haben Sie schon mal Backgammon gespielt? Es ist nicht schwer. Ich erkläre es Ihnen.« Unauffällig blickte er sich um. Niemand schien Notiz von ihnen zu nehmen. Er murmelte: »Seit vier Wochen bin ich jeden Samstag hier, seit ich weiß, dass Sie Sonntags herkommen. Die Leute hier kennen mich als einen, der gerne spielt. Jeder wird davon überzeugt sein, dass wir uns zufällig begegnet sind. Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen. Aber Sie müssen die Steine nachher mitnehmen. Bei mir sind sie nicht sicher. Sie sind mir dicht auf den Fersen. Sie kennen mich. Ich habe noch den Satz Original-Steine in der Hosentasche.«

Als er die Kellnerin näherkommen sah, sagte er mit erhobener Stimme: »Sie ziehen von oben nach unten und ich in entgegengesetzter Richtung. Wer die höchste Zahl würfelt, beginnt, wer zuerst alle Steine auf der anderen Seite herausgesetzt hat, hat gewonnen. Wenn ein Stein allein steht, kann man ihn schlagen. Stehen mehrere auf einem Feld, kann die Gegnerin das Feld nicht benutzen. Geschlagene Steine müssen erst wieder hereingewürfelt werden, bevor andere gesetzt werden dürfen. Und es dürfen nur dann Steine hinausgewürfelt werden, wenn alle eigenen Steine im letzten Viertel des Bretts stehen.«

Maya sah aus den Augenwinkeln zu der Kellnerin, die stehengeblieben war, und stellte fest, dass diese nicht den bestellten Kaffee dabeihatte, sondern neugierig auf das Spielbrett blickte. War sie auch eine von denen? Der Mann hatte Nerven! Seine Kaltschnäuzigkeit amüsierte sie und sie entspannte sich ein wenig, ließ sich von seiner scheinbaren Unbekümmertheit anstecken. Wenn bloß nicht alles derart grotesk wäre, so unberechenbar. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Die Spielregeln, die er ihr mit Unschuldsmiene näherzubringen versuchte, klangen unter diesen Umständen wie eine Analyse der Geschehnisse der letzten Monate: Genauso hatten sie versucht, sich in diesem fremden Land durchzuschlagen, um die Steine zu finden und herauszuschmuggeln. Steine, vielleicht nicht das ewige Leben verhießen, aber …

Oh je, wie er die Kellnerin mit einem schnellen, gespannten Seitenblick musterte, das verhieß nichts Gutes. Sie konnte sofort den Energiewechsel in seinem Gesicht wahrnehmen. Dann überschlugen sich die Ereignisse. Er blickte elektrisiert in Richtung Eingangstür, wo eine junge Frau mit wallender roter Mähne eingetreten war, die sich nun suchend umsah. Er sprang auf, griff seinen Rucksack und lief eilig zu einer Nische, in der Mäntel aufgehängt waren, aber es war zu spät. Zielstrebig kam sie auf ihn zu. Als sie einige Schritte vom Eingang entfernt war, rannte er ihr entgegen, dann an ihr vorbei, ehe sie reagieren konnte und hinaus auf die Straße. Sie stand im Raum, sah die Frau an, die immer noch reglos vor dem Backgammon-Brett saß, dann blickte sie zur Tür, offenbar unschlüssig, was zu tun war. Von draußen war ein dumpfer Aufprall zu hören.


Maya sah die Rothaarige hinausrennen und blickte durch das Fenster auf die Straße, wo sich offenbar ein Unfall ereignet hatte. Ein schwarzer Sportwagen stand mitten auf der Kreuzung, unweit davon lag ein Rennrad, dessen Vorderrad sich noch drehte, dessen hinterer Teil aber sehr verbogen aussah. Plastikteile lagen herum und ein Mann in seltsam verrenkter Haltung … Sie reckte den Kopf, spähte zwischen den Schaulustigen hindurch: Das war doch ihr Backgammon-Partner! Schnell fanden sich mehr und mehr Passanten ein, die aufgeregt in ihre Handys redeten, Fotos oder Filme machten. Gebannt beobachtete sie, wie ein großer, starker Mann vom Typ ›Bodyguard‹ sich über den reglos am Boden liegenden beugte und ihm den Rucksack abnahm. Er drehte ihn unsanft um, tastete ihn ab und nahm eine Handvoll Backgammon-Steine aus seiner Hosentasche. Dann lief er zu dem Sportwagen und fuhr mit quietschenden Reifen davon.

Adrenalin schoss durch Mayas Körper. Im Bruchteil einer Sekunde wusste sie, was zu tun war: Sie ließ den Spielekasten mit den schwarzen Steinen liegen, raffte hastig die weißen zusammen, steckte sie in ihre Hosentasche, warf einige Euro auf den Kaffeetisch, registrierte im Augenwinkel, dass die Kellnerin aufgeregt in ihr Handy zischte und rannte hinaus ins Freie. Kurz wandte sie den Blick zur Unfallszene und hatte plötzlich die Idee, dass er – als Profi, der er war –, diesen Zwischenfall inszeniert hatte. Zumindest hoffte sie es sehr, denn sie bewunderte ihn glühend. Aber falls ihm wirklich etwas passiert sein sollte, kümmerten sich eine Menge Leute um ihn. Schluss jetzt! Sie musste die Steine in Sicherheit bringen.

Ferne Sirenenklänge kündigten bereits einen Rettungswagen an und sie hörte noch, wie die Rothaarige, die neben dem am Boden Liegenden kniete, schrie: »Spider, nein, sag’ doch was! Du darfst jetzt nicht sterben!« Eine Frau und zwei Männer versuchten, sie davon abzuhalten, den Verletzten wachzurütteln. Maya wandte sich ab, rannte los, lief um ihr Leben.

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Inga hörte Vögel zwitschern und stutzte: In ihrer Mansardenwohnung in Berlin hörte sie nie Vögel zwitschern. Träge wälzte sie sich auf die andere Seite und wunderte sich erneut: Da lag jemand neben ihr im Bett! Sie öffnete die Augen und begann, sich zu erinnern. Sie war nicht in ihrer Mansardenwohnung, war überhaupt nicht in Berlin. Langsam dämmerte es ihr: Diese Wohngemeinschaft irgendwo in Schottland. Sie bauten Gemüse an, hielten Nutztiere, alles in Handarbeit. Mit gemeinsamen Meditationen und Gottesdiensten hatte Inga sich schon arrangiert, aber dass sie am Abend nicht entscheiden konnte, neben wem sie am Morgen aufwachen würde, weil niemand etwas dabei fand, sich nachts ein Bett zu suchen, in dem noch Platz war, das fand sie extrem gewöhnungsbedürftig. Die blonden Locken des Typen neben ihr kamen ihr vom Abendessen her bekannt vor. Timo oder Tim? – Er war ein Freund eines Bewohners dieses Anwesens und wollte hier das Wochenende verbringen; war gestern angekommen. Seine aufgesetzt gute Laune und Selbstgefälligkeit hatten sie spontan abgeschreckt und sie hatte nicht weiter auf ihn geachtet. Jetzt war sie erst recht nicht in der Stimmung für Kontakt und drehte sich wieder auf die andere Seite. Die Tür schwang auf und ein großer hellgelber Hund trottete herein. Na, prächtig! Sie hatte die Wahl zwischen blonden Locken auf der einen und gelbem Wuschel auf der anderen Seite. Hoffend, dass der Mensch am frühen Morgen mehr Zurückhaltung übte als der Hund drehte sie sich noch einmal um und blickte in ein fröhliches und für ihren Geschmack viel zu waches Gesicht.

»Hallo, schöne Frau! Hoffentlich war es in Ordnung, mich bei dir einzuquartieren? Die anderen Zimmer gefallen mir nicht. Und es ist ja nur für ein Wochenende! – Ach, übrigens: Ich bin Terreverde, aber du kannst mich Tim nennen, das machen die anderen auch. Terreverde ist den meisten Leuten einfach zu lang und zu ungewohnt, aber meine Eltern wollten unbedingt ein Kind großziehen, das die Erde würdigt. Sie meinten: ›Namen sind Magie‹, weißt du? – Wie heißt du eigentlich?«

Oh weh, eine ganze Lebensgeschichte vor dem Frühstück! Sie bereute, dass sie sich nicht für die gelben Wuschel und die raue Hundezunge entschieden hatte und antwortete konfliktvermeidend: »Ich heiße Inga. Du kannst mich ›schöne Frau‹ nennen, wenn du willst.« Mit diesen Worten flüchtete sie ins Badezimmer.

Mit geschlossenen Augen ließ sie sich das Wasser ins Gesicht prasseln. So eine heiße Dusche ist doch 'ne Wonne! – Gut, dass diese Ökos sich nicht für die ›natürliche‹ Variante eines Eimers mit kaltem Wasser, im Garten aufgehängt, entschieden haben, dachte sie. Ein paar Bequemlichkeiten braucht der Mensch und heißes Duschen gehörte für Inga eindeutig dazu. Als sie voller Tatendrang und entschlossen, ihr Zimmer zu verteidigen, zurückkam, waren blonde Locken ebenso wie gelbe Wuschel entschwunden. Frustriert überlegte sie, ob sie es riskieren könnte, im Garten eine zu rauchen. Gesehen werden wollte sie auf keinen Fall bei sowas. Es passte irgendwie nicht hierher. Aber die Stimmung, die in ihr lauerte, drohte, die das Duschen kurzzeitig zurückgedrängt hatte, passte gleichfalls nicht in diese ›heile Welt‹.

Erst gestern Morgen hatte sie ein Typ auf halbem Weg durch die Küche abgefangen und ihr ganz normales Vor-der-ersten-Zigarette-Miesepeter-Gesicht zum Anlass genommen, sie zu bedrängen. Er nahm ihre beiden Handgelenke, blickte ihr tief in die Augen und sagte: »Willst du darüber reden? Ich bin für dich da.« Alle konnten es hören. Nach ihrem »Nein.« musste sie sich einen langen Monolog anhören, bis sie sich endlich auf die Befreiungsgriffe vom Rettungsschwimmen erinnerte und mit einem schnellen Ruck in Richtung auf seine Daumen beide Arme wieder frei bekam, um die Flucht zu ergreifen.

Um das nicht noch einmal zu erleben, übte sie bereits auf der Treppe ein Lächeln und lief dann schwungvoll, ein extra-fröhliches »morning« singend, durch die geräumige Wohnküche mit den selbst gezimmerten Möbeln, in der einige beim Kräutertee saßen. Sie eilte durch die Diele und den Hof hin zu ihrem Lieblingsbaum, den sie behende erklomm und ließ sich mit einem wohligen Seufzer in einer der bequemen Astgabeln nieder. Ihren Tabaksbeutel hatte sie dabei. Immerhin rauchte sie hier Selbstgedrehte, das war sie sich schuldig auf so einem Öko-Hof. Momente wie diesen vorhersehend hatte sie bereits eine fertig fabrizierte Zigarette vorrätig, steckte sie an und sog daran wie eine Ertrinkende. Als ihre Lebensgeister langsam erwachten, drehte sie sich vorsorglich die nächste. Sie hatte Sehnsucht nach zu Hause. Dieser Ort war ihr gar zu heiter und die Leute waren gar zu lieb zueinander. Aber sie hatte sowas ja nun einmal kennenlernen wollen.

›Seinen Horizont erweitern‹ nannte man das, ›Selbstfindung‹. Ihre Freundin war oft hier gewesen, hatte begeistert davon erzählt. Hätte sie vielleicht lieber warten sollen, bis Maya mitgekommen wäre? – Nein, dazu war keine Zeit gewesen. Nachdem ihr geliebter Tom bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen war, musste sie weg. Weg aus der Stadt, wo alles sie an ihn erinnerte, weg aus ihrem bisherigen Leben. Tom. Er war ihr Ein und Alles gewesen. Sie hatten sich erst drei Monate gekannt, aber sie wussten beide, dass sie den Rest ihres Lebens zusammenbleiben würden. So, wie sie es aus Kitsch-Filmen kannten, aber auf einmal war es ihnen gar nicht mehr kitschig vorgekommen, sondern einfach nur schön. Drei Monate Glück … Ihr kamen wieder die Tränen. Sie ließ es zu, weinte still vor sich hin.

Dann schnäuzte sie sich die Nase und atmete tief durch. Hier wollte sie neu anfangen. Eine neue Inga werden mit neuen Ideen und neuen Plänen. Die frische Luft tat ihr gut und das Essen schmeckte phantastisch. Heute Nachmittag würde sie zu einem Vortrag gehen, der ihr sicherlich ebenfalls weiterhelfen würde. – Sie fragte sich, was Maya wohl gerade tat. Sie hatte ihr nicht verraten, wieso sie nicht mitkommen konnte, wieso sie ihr nicht beistehen konnte in ihrer Trauer, hatte nur gesagt, sie solle hierher kommen, das würde ihr guttun. Tat es ja auch, wenn sie ehrlich war. Vielleicht sollte sie die Gelegenheit nutzen, sich hier das Rauchen abzugewöhnen. Das immerhin eine Maßnahme. Dann brauchte sie die Reserve-Zigarette nicht mehr, die sie gedreht hatte, konnte sie ebensogut gleich rauchen. Gedacht, getan. Sie steckte sie an der Kippe an und stellte sich vor, dass dieses ihre letzte Zigarette wäre.

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Terreverde, der fluchtartig das Zimmer der schlecht gelaunten Frau unter der Dusche verlassen hatte, erholte sich gerade von der ungewohnten Erfahrung, kein Glück bei einer Frau zu haben: Na ja, die ist sowieso nicht mein Typ. Was soll's, andere Mütter haben auch schöne Töchter, dachte er und überlegte, was er mit dem sonnigen Tag anfangen sollte. Also, für heute Nachmittag war ein Vortrag über ›Focusing‹ angekündigt. Ein Schüler von Eugene Gendlin wurde erwartet. Wirklich prickelnd fand er das Thema nicht. Selbsthilfe, Problemlösung, allenfalls könnte er dort vielleicht Ansatzpunkte finden, wie er eine der Frauen hier auf einen neuen Weg führen könnte, aber sicher keinen Weg der Psychotherapie. Er dachte da eher an Körperarbeit. Irgendwie war er nach wie vor angepisst, weil die Frau ihn dermaßen hatte abblitzen lassen. Wozu war er überhaupt hier? – Ja, okay. Er erinnerte sich an das mickrige Nest, in dem er vor ein paar Tagen Rast gemacht hatte. Es gab dort einen bescheidenen Markt. Jetzt, wo er sich daran zu erinnern versuchte, entstand das Bild wieder deutlich vor seinem inneren Auge. Er hörte, ja, er roch es sogar wieder:

Der leckere Duft von gegrilltem Fleisch und selbst gebackenen Steinofenbroten lockt mich an. Ich esse fantastisch und komme beim Stout mit der Dorfjugend in Kontakt. Ein hübsches Mädel fällt mir besonders ins Auge, als sie mich interessiert mustert. Ich brauche noch einen Schlafplatz, also flirte ich etwas nachdrücklicher mit ihr. Sie riecht wunderbar nach grünem Gras. Ein Mann mit meinem Charme wird es leicht haben mit diesem Landei. Plötzlich packt mich ein Bauerntölpel am Arm und schleudert mich mit einem flinken Ruck auf den Boden. Alle stehen um mich herum und lachen. Verschämt und eilig trolle ich mich, ehe mein Luxus-Körper, wie ich ihn stolz nenne, ernstlich Schaden nehmen kann. Eine Schlägerei um ein Mädchen? – Nee, so weit geht meine Sympathie denn doch nicht.

Ich setze mich abseits, eine dicke Eiche im Rücken, auf eine Steinmauer, blinzle ins Nachmittagslicht und beobachte ohne Interesse das Treiben auf dem Markt. Dabei denke ich über mich und die Welt nach – besonders über mich, natürlich. Plötzlich bemerke ich er einen kümmerlichen Stand beinahe außerhalb des Marktes, als sei der gerade erst dort entstanden. Es macht mich neugierig, was jemand anbietet, der sich so wenig in den Vordergrund drängt, wie das alte Mütterchen dort.

Unauffällig schlendere ich hinüber, um das herauszufinden. Als ich nahe genug bin, erstarre ich: Sie dreht sich zu mir um, sieht mich mit durchdringenden, blitzenden Augen an und fragt ohne jede Einleitung, ob sie mir ein paar wichtige Dinge sagen dürfe.

Mein Gott! Was ist das denn für eine? – Ich schaue verdattert auf die Eierpappen und die drei Bund Petersilie, die vor ihr auf dem Tischchen liegen, kombiniere, dass die Waren wohl nur eine Art Alibi-Funktion haben. Ich fühle mich einigermaßen überrumpelt, denke kurz an die Jahrmärkte meiner frühen Kindheit: Dort war auch jedes Mal eine Wahrsagerin am Werk gewesen. Mein Vater hatte sich niemals eine solche Gelegenheit entgehen lassen. Wenn ich ihm neugierig folgen wollte, zog meine Mutter mich ungeduldig weiter, was mich nicht sonderlich störte: Es gab auf einem Rummelplatz ja wesentlich interessantere Dinge für einen Jungen.

Aber in diesem Moment auf dem Markt fühlt es sich irgendwie richtig an, mit der Alten zu sprechen. Unverhofft sind Kindheit und Vater mir sehr nah und mir ist irgendwie merkwürdig zumute: Welche Weisheiten hatte Pa wohl damals mit auf den Weg bekommen? Hatte eine dieser Frauen ihm ein aufregendes Schicksal prophezeit? Und – hatte es ihm genützt? Unmengen von Fragen stürzen auf mich ein. Es ist, als hätte sich eine lange verschlossene Tür in meinem Inneren geöffnet, hatte ich mir doch immer verkniffen, an meinen Vater zu denken, der Haus und Hof verlassen hatte, um als ›Spider‹ irgendsoein Abenteurer zu werden. Ma hat ihm bis zu ihrem Tod nicht verziehen.

Die Alte zischelt fast schon klischeehaft zwischen ihren kautabakgeschwärzten Zähnen hindurch: »Oh, du hast einen sehr, sehr heldenhaften Vater … und auch du, mein Junge wirst eines Tages Großes vollbringen. Du bist der Sohn eines Helden. Verbringe das nächste Wochenende am Loch an Eilean, bei der kleinen Gemeinschaft, die dort nach einem besseren Leben sucht! Du wirst sie leicht finden, auf der Seite, wo die Wälder sind, weit weg von der Straße. Dort sind viele Farben, viele Leute. Gute Leute.«


Mehr hatte Terreverde nicht aus ihr herausbekommen, hatte ihr ein paar Münzen hingelegt und sich vollkommen verdattert auf den Weg zum Loch an Eilean gemacht, im Herzen all die verschüttet geglaubten Erinnerungen an seinen Vater.

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›Du wirst sie leicht finden‹, hatte die Alte gesagt. ›Leicht‹, das war offensichtlich ein sehr dehnbarer Begriff. Das Loch an Eilean war ›leicht‹ zu finden, denn jeder in der Gegend kannte den See. Aber dann, dann hatte Terreverde sich durch die unwegsame Waldlandschaft kämpfen müssen. Zwei Tage lang war er um das ›Loch‹ herumgewandert, hatte die angrenzenden Wälder durchkämmt, all seine Vorräte aufgebraucht, bevor er endlich die erste Hütte entdeckt hatte. Die Gebäude der Gemeinschaft verschmolzen geradezu mit der Umgebung, selbst das Haupthaus fielen kaum auf. Das Lachen auf dem Platz davor hatte ihm schließlich den Weg gewiesen.

Nun war er hier und abgesehen davon, dass er wirklich, wie die Alte gesagt hatte, am Wochenende hier eingetroffen war, fand er alles viel weniger abenteuerlich als erhofft. Was sollte er bis zum Vortrag tun? Vielleicht konnte er die Frau, mit der er die Nacht verbracht hatte, finden und mit ihr sprechen, damit sie ihren Irrtum einsah. Vielleicht ging es das erste Mal in seinem Leben nicht darum, Frauen ins Bett zu kriegen – belustigt stellte er fest, dass die Bettszene bereits hinter ihnen lag –, sondern … um was denn bloß? Was gab es denn sonst noch?

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Von ihrem Baum aus sah Inga den Mann aus ihrem Bett durch den Garten schlendern. War sie zu streng mit ihm gewesen? Er war gestern erst angekommen und hatte sich eigentlich freundlich verhalten. Er hatte den obligatorischen Annäherungsversuch gemacht, den frau von einem Mann erwarten konnte, der neben ihr geschlafen hatte, und diesen nicht weiter verfolgt, als ihre schlechte Laune spürbar wurde. Vielleicht war er gar nicht so übel. Außerdem war er nicht so derart öko wie die anderen hier. Sollte sie ihm eine Chance geben? Maya würde das Schicksal entscheiden lassen. Ein Versuch konnte nicht schaden. Sie sah zu ihm hinüber und verabredete mit sich, dass er seine Chance bekäme: Wenn er sie hier entdeckte – was nicht wirklich leicht war, denn sie saß hoch oben im dicht belaubten Geäst –, wenn er ihr zuwinkte, dann würde sie zurückwinken. Wenn nicht, war er für sie gestorben.

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Terreverde versuchte sein Glück erst einmal im Garten. Frauen halten sich gerne in Gärten auf, das wusste er von seiner Mutter.

»Na mal sehen, viel ist hier ja nicht los«, murmelte er. Außer ihm schien kein Bewohner da zu sein. Dennoch fühlte er sich beobachtet. Er sah hinüber zu einer prachtvollen Eiche, die mitten auf der Wiese stand und ihre Äste ungehindert in alle Richtungen ausgebreitet hatte, ein majestätisches und harmonisches Bild. Zielstrebig näherte er sich dem Baum und saugte dessen Anblick mit den Augen auf. Da fiel ihm weit oben zwischen den Ästen etwas Dunkelgrünes auf, das einen anderen Farbton hatte als die Blätter:

Er lachte, spähte zur oberen Baumetage hoch und rief: »Ach, was für eine Überraschung! Die schöne Frau Inga!« Und er winkte, was das Zeug hielt, denn er freute sich wirklich sehr, sie wiedergefunden zu haben.

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Inga wäre vor Schreck beinahe vom Baum gefallen: Das war nur ein Gedanke gewesen, niemals hätte sie gedacht, dass er sie wirklich hier oben entdecken würde. Etwas unsicher winkte sie zurück: »Na, auch hier?«

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»Ja! Ich habe dich gesucht! Hast du vielleicht Lust, die Gegend ein wenig zu erkunden?« Insgeheim hoffte er, dass er auf diese Weise mit ihr ins Gespräch kommen könnte. Vielleicht half sie ihm, zu ergründen, warum er überhaupt hier war. Auf jeden Fall hatte er null Bock darauf, den heutigen Vormittag allein zu verbringen. Ihm dämmerte, dass Geheimnisse sich viel besser in Gemeinschaft lösen lassen. Das war auf jeden Fall ein Ansatz, auf den er seine weitere Suche aufbauen konnte!

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Inga kletterte behände von ihrem Versteck herunter. Warum sollte sie einer so freundlichen Einladung nicht folgen? Immerhin war sie hier, um auf andere Gedanken zu kommen.

»Ich kenne mich auch nicht besonders gut aus, obwohl ich schon eine Woche hier bin. Für mich sah es so aus, als sei es im wesentlichen grün hier, aber meinetwegen. Gucken wir mal, ob es da noch etwas anderes gibt. Vielleicht finden wir einen See oder einen Bach oder so.«

Obwohl sie zweifelte, dass sie eine ehrliche Antwort bekommen würde, fragte sie ihn, während sie auf den Schotterweg zugingen, der vom Grundstück herunterführte: »Warum bist du eigentlich hier, du bist doch eher nicht so der Öko-Typ?«

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Donnerlüttchen, dachte er, die Frau geht ja gleich ans Eingemachte, und blieb ihr eine Antwort schuldig. Schweigend folgten sie einem schmalen Pfad, der von der Anlage wegführte. Schließlich sprach er:

»Ich habe, ehrlich gesagt, nicht die leiseste Ahnung.« Als Inga auf diese Eröffnung nichts erwiderte, besann er sich auf den Plan, ihre Hilfe beim Lösen des Rätsels zu nutzen und erzählte ihr die Geschichte von dem Mütterchen auf dem Markt, verschwieg dabei aber wohlweislich die Episode mit der Dorfjugend.

»Na«, stieß er atemlos hervor, »was sagst du dazu?«

In den Augenblicken, die nun folgten, hatte er Angst, dass sie ihn für völlig durchgeknallt hielt. Er lauschte dem Rascheln der Gräser und Kräuter, die sie beim Gehen berührten. Eine Amsel ließ ihr »zick-zick-zick« hören, um zu signalisieren, dass Fremde in ihre grüne Welt eingedrungen waren.

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Inga überlegte, wie viel Ehrlichkeit sie dem Jüngling zumuten sollte. Er schien jetzt darauf zu warten, dass sie etwas von »höheren Mächten« und »Fügung« sagte, wie das an Orten wie diesem üblich war. Andererseits … sie war ihm nichts schuldig. Sie hatte nichts zu verlieren. Sie hatte bereits alles verloren. In einem Fall wie diesem war schonungslose Ehrlichkeit das Einfachste. Warum sollte sie die Dinge ohne Not verkomplizieren?

»Ich denke, das Mütterchen geht kein Risiko ein mit solch einer Geschichte. Du bist nun weit genug weg, um dich nicht zu beschweren, wenn hier nicht das große Abenteuer auf dich gewartet hat und die Chance, dass hier etwas passiert, das hinterher als ihre Prophezeihung ausgelegt werden kann, ist sicherlich sehr groß. Sie hätte dich auch nach Edinburgh schicken können. In Großstädten passiert ja öfters etwas, aber vielleicht eher mal was Unangenehmes als hier, wo Fuchs und Hase einander gute Nacht sagen. – Glaubst du etwa an Wahrsagerei?« Prüfend sah sie ihn an.

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»Nö … ja, vielleicht … ich weiss nicht«, stammelte er, um überhaupt etwas zu antworten. »Also, ich glaube«, gestand er nach ein paar Augenblicken der Sammlung, die ihm Inga anscheinend bereitwillig schenkte, »ich glaube, dass es Leute gibt, die sich schon so lange durch den Kreislauf der Wiedergeburten bewegt haben, dass sie gewisse Gaben entwickelt haben. Zum Beispiel die Gabe der Prophetie. Manche kriegen das vielleicht auch in einem einzigen Leben hin, durch Yoga oder sonstige Techniken oder mit Hilfe eines Gurus. Also ich denke, dass das Mütterchen nich' so die Yoga-Type war«, setzte er mit einem entwaffnenden, strahlenden Lächeln hinterher und sah jetzt das erste Mal, seit die beiden sich auf dem von einem köstlichen Blätterdach teils beschatteten, teils besonnten Weg befanden, direkt zu Inga hinüber, gespannt auf ihre Reaktion. Ach, dachte er, wie schön ist es doch, mit einer vollkommen fremden Person über so ein Thema zu reden. Diese Augenblicke des Anfangs waren es, die ihn so am Leben faszinierten. Dieser ganz frische Moment, bevor man die oder den anderen in irgendwelche Schubladen hineinverfrachtet hatte und die Urteile und Vorurteile sich übereinanderhäufen.

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»Wiedergeburt, soso«, sagte Inga und lugte vorsichtig durch ihre wirren schwarzen Strubbelhaare zu ihm hinüber. Er war genau der Typ, vor dem Mütter ihre Töchter warnten, und sie hatte nicht vor, ihm in die Falle zu tappen, auch wenn sie zugeben musste, dass er verdammt gut aussah. Aber er wusste das bestimmt und war daran gewöhnt, dass die Frauen ihm zu Füßen lagen. So einfach würde sie es ihm nicht machen. Sie würde versuchen, ihm eine neue Erfahrung zu ermöglichen, damit diese Wiedergeburt sich für ihn gelohnt hätte.

»Dann glaubst du wohl, das Mütterchen hat dich hierher geschickt, um mich zu treffen, was? – Dann hätten wir jetzt nur noch zu klären, wozu das gut sein sollte. Immerhin hast du dir das Bett der wahrscheinlich einzigen Person auf diesem Gelände ausgesucht, die nichts von derlei Hokuspokus hält. Es gab doch weißgott Auswahl genug!«

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»Du meine Güte, nein«, stieß er mit ehrlicher Entrüstung hervor. »An dich habe ich … ähm … in diesem Sinne gar nicht gedacht!« Er wagte einen vorsichtigen Seitenblick.

»Ich denke da an ganz was anderes«, stotterte er. Verdammter Mist, immer wenn ihm Frauen so kamen, geriet er in Straucheln. Es war wirklich zum Mäusemelken! Bald hatte er sich wieder gefasst. Schließlich mussten ja die vielen Therapiestunden zu irgendwas nütze gewesen sein.

»Sieh mal Inga, auch wenn man an solchen Hokospukus, wie du ihn nennst, nicht glauben kann, ist es doch unübersehbar, dass das Leben voller Geheimnisse steckt, die man rational überhaupt nicht erklären kann, oder?« Ein kurzer Seitenblick gab ihm Mut, weiter auszuholen.

»Weißt du, mein Vater hat in seinem Leben immer wieder ›Informationen‹ von solchen Mütterchen oder Medien eingeholt und ist damit in ein superaufregendes, abenteuerliches Leben geraten. Ich glaube, dass das jedem Menschen zusteht, dieses Abenteuer. Kann ja sein, dass er auch ohne diese Hilfen dorthin gekommen wäre, aber er hätte sich vielleicht nicht getraut, einfach nur auf seine innere Stimme zu hören. Wenn einem nochmal jemand anderer dasselbe sagt, was einem durch den Sinn geht, oder eine wichtige, bis dahin fehlende Message auf Lager hat, gibt das ordentlich Schubkraft. Mein Vater wollte immer gerne so eine Art ›Stein der Weisen‹ finden. Keine Ahnung, was er sich darunter eigentlich vorstellt. Vielleicht irgendeine besondere Kraft, die, wenn sie in die richtigen Hände gelangt, viele Menschheitsprobleme zu lösen vermag: Hunger, Armut, Krankheit, verstehst du?«

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»Stein der Weisen?? – Das ist doch so ein Ding, mit dem man Blei in Gold verwandeln kann. Danach sucht dein Vater?« Inga war fassungslos. »Meine Freundin Maya, die glaubt auch an solches Zeug. Sie ist gerade unterwegs ›in geheimer Mission‹, wollte mir nicht mehr darüber verraten, um mich nicht in Gefahr zu bringen. Ganz dramatisch, wie in diesen Agenten-Filmen: ›Wenn ich dir das erzähle, muss ich dich töten‹.« Inga war sich nicht sicher, ob sie davon reden durfte, entschied dann, dass sie diese Mission ihrer Freundin, wie so viele Missionen in der Vergangenheit, nicht ernst nehmen musste.

»Wenn Maya nicht Hals über Kopf mit irgendsoeinem Verrückten auf die Reise gegangen wäre, dann wäre sie jetzt hier. Es war eigentlich ihre Idee, hierher zu kommen. Es war bestimmt nicht einfach für dich, mit so einem Vater aufzuwachsen. Jedenfalls finde ich es oft nicht einfach mit so einer Freundin.«

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»Weißt du, mit welchem ›Verrückten‹ deine Freundin auf und davon ist?«, fragte er, einer Eingebung folgend. Er musste schallend lachen: »Stell dir mal vor, der ›Verrückte‹ wäre mein Vater! Das wäre so einer dieser ›Zufälle‹, die ich liebe!« Er blieb mit ausgebreiteten Armen stehen, strahlte sie an, als würde er Beifall erwarten.

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»Das ist gar nicht mal so abwegig, wenn man bedenkt, dass es ja gar so viele völlig Verrückte nicht gibt«, stellte Inga fest, während sie merkte, dass die erfolgsgewohnte Masche dieses Frauenhelden trotz aller Schutzschilde, hinter denen sie ihre verwundete Seele versteckt hatte, zu wirken begann. Verdammt, wieso kann ich jetzt hier nicht in aller Öffentlichkeit erst mal eine rauchen?, schoss es ihr durch den Kopf. Aber das erschien ihr an einem so spirituellen Ort wie diesem unklug.

»Ich mache mir allmählich Sorgen. Wenn Maya sonst unterwegs war, dann hat sie mir spätestens abends alles haarklein berichtet, aber dieses Mal ist es anders. In den letzten Tagen habe ich sie nicht mal mehr auf dem Handy erreicht. Es ist anscheinend permanent ausgeschaltet«, sinnierte Inga.

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Am Tag zuvor war Zoë mit ihrer Geduld am Ende. Es war nicht schwierig, sie wütend zu machen, aber in diesem Fall wäre auch eine weniger temperamentvolle Person ausgerastet. Meinte sie zumindest. Seit drei Monaten vermied Spider jeglichen Kontakt zu ihr. Wenn sie ihn überhaupt ans Telefon bekam, war er kurz angebunden und wirkte abwesend. Er würde ihr später alles erklären. – Später! Das war jawohl jetzt! Sie war wirklich – WIRKLICH! – geduldig gewesen. Hatte ihn später wieder angerufen und als sein Handy nun überhaupt keine Regung mehr zeigte, hatte sie nicht die Polizei verständigt, sondern weiter gewartet. Er war in Marocco, er war beschäftigt. Nachdem sein Handy eine Woche lang ausgeschaltet gewesen war, hatte sie es nicht mehr ausgehalten und war zu seiner Wohnung gefahren. Vielleicht hatte sie Glück und es wohnte jemand darin, den er genauerer Informationen für würdig erachtete. Und wirklich: Ein hochaufgeschossener blasser Jüngling mit schwarzen Haaren, schwarz lackierten Fingernägeln und schwarz geschminkten Augen, vielleicht 18 oder 19 Jahre alt, also jünger als sie selbst, hatte ihr aufgemacht und auf ihre Fragen hin bereitwillig mitgeteilt, dass Spider schon seit ein paar Wochen wieder in der Stadt sei und Samstags immer in sein Lieblings-Café in der Innenstadt ging, um Backgammon zu spielen. Nein, jetzt sei er nicht da und der Jüngling wusste auch nicht, wo er war und wann er wiederkäme, wenn überhaupt. Sie war so wütend! Und noch dazu zur Untätigkeit verdammt. Heute würde sie wohl keine Gelegenheit mehr bekommen, ihm die Leviten zu lesen.

Frustriert hatte sie sich ins ›Mephisto‹ verzogen, wo sie sich an der Theke den einen oder anderen Tequila genehmigt und voller Ingrimm jeden, der versuchte, Kontakt zu ihr aufzunehmen, bösartigst hatte abblitzen lassen. Selbst die Frau hinter der Theke bekam nur eine patzige Antwort, als sie mitfühlend zu ihr sagte: »Das ist wohl heute nicht dein Tag, was?« – Nein, sie wollte kein Mitgefühl, sie wollte Informationen. Sie wollte endlich wissen, was los war. Sie hatte ein Recht darauf!

Am nächsten Morgen – genauer, am nächsten Mittag – hatte sie einen mächtigen Brummschädel und keine Ahnung, wie sie nach Hause gekommen war. Nach einigen Wiederbelebungsmaßnahmen, Aspirin, eine heiße Dusche und danach eine ebenso heiße Pizza, die ihr Tiefkühlfach freundlichst zum Aufbacken bereitgehalten hatte, fühlte sie sich schon wesentlich besser und bereit, ihrem Peiniger entgegenzutreten. Der soll mich kennenlernen!, dachte sie grimmig und warf sich ihren neonblauen Mantel über. Hoffentlich steht mein Rennrad nicht noch vor dem ›Mephisto‹, schoss es ihr durch den Kopf, als sie die Treppen des Mehrfamilienhauses hinuntereilte. Erleichtert entdeckte sie es auf dem Rasen vor der Haustür liegend. Während sie kräftig in die Pedalen trat und bereits auf dem Weg zu Spiders Backgammon-Café war, gingen ihr philosophische Betrachtungen über Fahrraddiebstähle durch den Kopf: Erstaunlich, wenn ich es sorgsam abschließe, fehlt Morgens das Vorderrad oder das ganze Gefährt, aber wenn ich es einfach auf den Rasen fallen lasse, ist es Morgens noch da.

Sie erreichte das Café etwas atemlos und sprang vom Rad, ließ es achtlos gegen die metallene Umzäunung kippen und eilte zu dem Fenster neben der Eingangstür. Sie spähte hindurch, konnte aber nichts erkennen, zu dunkel war der Raum. Sie stürmte durch die angelehnte Eingangstür hinein, guckte sich um. Augenblicklich verstummten die Gespräche und alle guckten zu ihr hinüber, als erwarteten sie einen Auftritt. Kein Wunder, denn sie war der Typ Frau, den man nicht übersehen konnte: Mit beachtlichen 1,81 cm Körpergröße und einer leuchtend roten Mähne, die ihr in Wellen über die Schultern fiel, und mit all der Wut, die sie mitgebracht hatte. Auch Spider hatte ihr den Blick zugewandt, aber statt ihr freudig entgegenkommen, eilte er zur Gargerobennische, dem einzigen Versteck, das der Raum bot. -- Wie erbärmlich! Sie war hin- und hergerissen, ob sie sich erst ihn oder erst die Frau, an deren Tisch er gesessen hatte, vornehmen sollte. Sie ging ein paar Schritte in den Raum hinein, so weit, dass sie sich noch nicht entscheiden musste. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken: Wer ist diese Frau? Kann ich aus ihr die Antworten herausbekommen, die er mir seit Monaten beharrlich verweigert? Wird er weiterhin schweigen oder ausweichen?

Da kam er angelaufen, der Lump. Sie holte tief Luft, um eine Schimpftirade vorzubereiten, da war er schon an ihr vorbei und zur Tür hinaus. Sie war dermaßen verdutzt, dass sie handlungsunfähig im Raum stehenblieb. Die Frau in der Ecke guckte sie an, tat nichts. Da hörte sie draußen einen dumpfen Laut. Es war das Übelkeit erregende Geräusch, das entsteht, wenn ein fahrendes Auto auf einen lebenden Menschen trifft. Normalerweise geht diesem Geräusch ein Quietschen von Bremsen voraus, dieses Mal aber nicht. Es entstand eine ohrenbetäubende Stille. Sie rannte hinaus und sah ihn auf der Straße liegen, lief zu ihm, wollte ihn schütteln, ihn wachrütteln. Jemand hielt sie zurück; sie riss sich los, wollte zu ihm, begriff, dass sie von ihm keine Antworten bekommen würde, und hielt inne, ballte die Fäuste, blickte sich um. Das Rad, das da verbogen auf der Staße lag, war ihr eigenes. So eine Gemeinheit! Aber darum konnte sie sich jetzt nicht kümmern. Auch nicht um Spider, der war zäh und irgendjemand hatte bestimmt schon einen Krankenwagen gerufen. Sie hörte bereits eine Sirene näher kommen.

Dann sah sie die Frau im Trenchcoat aus dem Café eilen und ihr wurde klar, was zu tun war: Sie sprang auf und rannte zu ihr. Die ältere Frau ergriff die Flucht, hatte aber keine Chance, zu entkommen. Bereits nach ein paar Schritten packte Zoë sie an deren flatternden Trenchcoat. Die andere schlüpfte heraus und rannte weiter. Wütend schleuderte Zoë den Mantel in einen Hauseingang und setzte ihre Verfolgung fort. Schnell hatte sie sie wieder eingeholt, lief an ihr vorbei und stellte sie, hielt sie an beiden Oberarmen fest und schüttelte sie: »Was hat das alles zubedeuten?«

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Irgendetwas in Maya wusste –, während sie rannte, gepackt wurde und ihren geliebten Mantel aufgeben musste –, dass diese Hyäne, die sie da verfolgte, für sie keine Gefahr darstellte. Die war keine von ›Denen‹. Die hatte irgendeinen anderen Auftrag. Trotzdem: Das hier war mehr, als sie aushalten konnte –, dachte sie zumindest zu diesem Zeitpunkt. Okay. Sie musste irgendetwas antworten, sich was einfallen lassen, und zwar schnell. Daher stieß sie überlaut und stärker um Atem ringend, als notwendig gewesen wäre, hervor:

»Sind Sie bescheuert? Sind Sie auf Drogen? Was soll das, was wollen Sie?« Während sie die Worte in ausdrücklicher Empörung auf die Neon-Tussi abfeuerte, sah sie im Augenwinkel den Bus kommen. Ihre Verfolgerin hatte erschrocken losgelassen, holte tief Luft, um zu einer Antwort anzusetzen, als Maja Haken schlagend davonflitzte und gerade noch in den Bus springen konnte, bevor sich die Türen zischend hinter ihr schlossen. Glück muss man haben! Sie griff nach einer Halteschlaufe und blickte hämisch aus dem kleinen Eckchen des Fensters, das nicht mit Werbung zugeklebt war. Die total verdutzt dreinschauende junge Frau blieb mit leeren Händen am Straßenrand zurück.

Meine Güte, gerade noch geschafft, dachte sie erleichtert. Auf so eine Hysterische hatte sie wahrhaftig keine Lust. Mist, dass der Mantel weg war –, aber gottlob – Die Steine hatte sie noch.

Was nun? In welchem Bus war sie überhaupt? Wohin ging die Fahrt? Diese Fragen schossen ihr durch den Kopf, während sie angespannt versuchte, die draußen vorbeiziehenden Häuser wiederzuerkennen, wurde ihr klar, dass sie wohl nicht darum herumkommen würde, schon wieder ein neues Leben anzufangen. – Hört denn das niemals auf?

Eine Woge von Selbstmitleid wollte Maya überschwemmen, als ihr klar wurde, dass sie kein armes Opfer war. Sie hatte das alles selbst angezettelt. – Und mal ehrlich: War nicht alles im höchsten Maße interessant und spannend? Zugegeben, auch gefährlich – Ach was: Das Eine ging eben nicht ohne das Andere. Sie wollte nicht wie ihre früheren Freundinnen in einer Eigentumswohnung versauern und als Highlight der Woche auf den Sonntags-Krimi lauern. Pah!

»Nächster Halt Hauptbahnhof.« Die elektronische Ansage riss sie aus ihrem Gedankenstrom. Okay, dachte sie, dann machen wir mal wieder eine kleine Reise.

Sie drängelte sich zum Ausgang durch und sprang als letzte aus der Tür. Die anderen Fahrgäste strebten zum Bahnhofsgebäude. Ein Blick in die Runde zeigte: Keine Verfolger in Sicht. Also gut! Sie hatte ihre Scheckkarte in der Hosentasche. Ein neues Outfit war vonnöten. Was brauchte sie noch? Eine kleine Mahlzeit wäre super. Vielleicht konnte sie eine Verbindung erwischen, um über Köln oder Düsseldorf zu Inga nach Schottland zu fliegen. Ja, das war ein Ansatz: Inga war immer die Bodenständigere von ihnen beiden. Die wusste stets, was als Nächstes zu tun war. Bei ihr gab es keine faulen Kompromisse. Oh, wie sie sich plötzlich nach ihrer Freundin sehnte! Zu dumm, dass sie ihr Handy in der Pension gelassen hatte, sonst könnte sie sie jetzt anrufen. Na ja, darum würde sie sich später kümmern.

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Völlig verblüfft stand Zoë da und blickte dem Bus nach. Der fuhr zum Bahnhof, wie die meisten Busse hier in der Gegend. Sie fuhren alle über den Bahnhof und dann stadtauswärts. So ein Mist, jetzt entkam ihre einzige Informationsquelle und Spider, falls er überlebte, würde sich bestimmt erneut herauswinden. In dem Moment kam ein Taxi um die Ecke. Ohne darauf zu achten, ob es frei war, stürzte sie sich wild entschlossen auf die Straße. Das Taxi kam mit quietschenden Reifen zum Stehen. Ein Fahrgast saß darin. Die Taxifahrerin war wenig erfreut über die Unterbrechung ihrer Tour und schrie sie durch das heruntergekurbelte Fenster auf der Beifahrerseite an: »Was soll das denn? Sind Sie lebensmüde? Aus dem Weg, aber dalli!«

»Bitte, das ist ein Notfall, ich muss unbedingt zum Bahnhof! Es geht um Leben oder Tod!«

Der Mann hinten im Taxi sagte rasch: »Lassen Sie sie einsteigen, sie kann mitfahren. Ich will sowieso zum Bahnhof und habe nichts gegen eine so schöne Begleitung einzuwenden, im Gegenteil.« Er lächelte anzüglich und rutschte auf den Sitz hinter der Fahrerin.

Zoë atmete auf, riss die hintere Tür auf, sprang hinein und rief: »Sie sind mein Retter! Vielen, vielen Dank! Nun aber schnell zum Bahnhof! Ganz schnell!«

Am Bahnhof entkam sie ihrem »Retter«, der sie unterwegs mit lüsternem Blick nach dem Grund ihrer Eile gefragt hatte. Jetzt musste er auf sein Gepäck warten, während sie zu der Tafel mit den Abfahrtszeiten eilte. Mit dem Kerl im im selben Zug zu sitzen erschien ihr beinahe so qualvoll wie weitere Wochen der Ungewissheit. Ratlos betrachtete sie die Tafel: Es gab mehrere Züge, deren Abfahrtszeit unmittelbar bevorstand. Sie entschied sich für den ICE nach Hannover und eilte zum Bahnsteig, auf dem sie nach der Fremden Ausschau hielt. Erst jetzt kam ihr in den Sinn, dass diese vielleicht gar nicht zum Bahnhof gefahren war, sondern bis zur Endstation. Sie konnte an jeder anderen Haltestelle ausgestiegen und mit dem nächsten Bus zurückgefahren sein. Niedergeschlagen ließ sie sich auf eine der Bänke sinken.

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Maya konnte ihren knurrenden Magen nicht länger ignorieren und steuerte zunächst schnurstracks auf den Döner-Wagen neben dem Bahnhof zu. »Ein Brot mit Salatfüllung und Soße ohne Döner bitte«. Der Budenbesitzer nahm ihre Bestellung entgegen und ging mit geschmeidigen Bewegungen und einem ebensolchen Lächeln ans Werk.

Oh wie gut das tat! Maya biss so herzhaft zu, dass die Soße an beiden Seiten heruntertropfte. Sie hatte sich auf ein kleines Stück Rasen zwischen den gepflasterten Wegen gesetzt, auf dem zwei Mütter mit ihren Kindern spielten und war vollkommen vertieft in ihr Schmausen, als ein kleines Mädchen eine Puppe mit beweglichen Armen und Beinen in ihre Richtung warf. Die Puppe blieb mit verrenkten Gliedern vor ihr auf dem Rasen liegen. Das Mädchen eilte herbei und starrte sie mit einem halb schüchternen und zum Teil unverhohlen neugierigen Blick an. Es packte die Puppe mit einem fast brutalen Griff und rannte so schnell, wie es hergekommen war, lachend wieder davon, als habe es eine wichtige Mutprobe bestanden.

Maya hatte plötzlich jeglichen Appetit verloren. Sie saß jetzt wie verloren auf dem Rasen, das leckere Brot achtlos in der Hand. Die kleine Szene mit der Puppe hatte in ihr schlagartig die Erinnerung an ihren Schicksalsgefährten Spider ausgelöst, der vorhin fast genauso auf der Straße vor dem Café gelegen hatte. Ihr war klar, dass sie ihn suchen musste. Sie konnte nirgendwo hinfahren. Los! Sie hatte keine Zeit zu verlieren.

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Zoë war keine Frau, die lange Trübsal blies. Sie sah zu, wie Menschen aus dem ICE stiegen, sah andere einsteigen und dachte währenddessen über ihre Möglichkeiten nach, Spiders Geheimniskrämerei auf den Grund zu gehen.

Die Fremde war entwischt, das wurde ihr klar. Sie konnte jetzt stundenlang jedem abfahrenden Zug nachsehen, während diese vermutlich irgendwo im Bus durch die Stadt gondelte. Die Idee mit dem Bahnhof war eine Schnapsidee. Sie hatte gar nicht die Geduld, hier zu warten, während Spider vielleicht …

Ein weiterer prüfender Blick über die Bahnsteige. Die Frau war unauffällig gekleidet ohne den Trenchcoat. Keine Farbe, an die sie sich erinnerte. Nichts, das einem ins Auge fiel. Dennoch war Zoë davon überzeugt, dass ihr Adlerblick die Fremde entdeckt hätte, wenn diese zwischen den Reisenden stände.

Da blieb ihr nur der Trenchcoat, den sie achtlos in einen Hauseingang geworfen hatte. Vielleicht gab es darin einen Hinweis auf die Identität seiner Besitzerin? Einen Brief? Papiere? Impulsiv wie sie war, gab es für sie nach diesem Gedanken kein Halten mehr. Sie gab ihren ursprünglichen Plan auf, systematisch alle Möglichkeiten zu durchdenken.

Zoë eilte vom Bahnsteig, rannte durch das Bahnhofsgebäude zum Vorplatz, zur Bushaltestelle. Sie hoffte, dass bald ein Bus kommen würde, der sie direkt vor das Café brachte, schneller als sie die relativ kurze Stecke laufen konnte. Sie versuchte, nicht an Spider zu denken. Für den war gesorgt, um den konnte sie sich später kümmern. Wahrscheinlich hatte man ihn in das Evangelische Krankenhaus gebracht, das war das nächstgelegene. Er war ein zäher Bursche, er würde das schon überleben.

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Verdammt, dachte Maya, als sie die rothaarige Frau aus dem Bahnhof rennen sah. Sie schüttelte rasch ihre Beine aus, die durch das Sitzen auf dem Rasen eingerostet waren. Zunächst wusste sie nicht genau, wie sie sich verhalten sollte, als sie aber sah, dass die sich Frau eilig auf die Bushaltestelle zubewegte, fasste sie sich ein Herz und rannte zu ihr. Sie hatte keine Lust mehr wegzulaufen. Verdammt, so auffällig zurechtgemacht konnte die Lady nichts Böses im Schilde führen! Aber warum verfolgte sie sie? Sie würde sie schlicht und einfach zur Rede stellen. Vielleicht konnte sie ihr sogar helfen.

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Manche Probleme lösen sich von selbst, dachte Zoë erfreut, nachdem sie sich, durch eiliges Getrappel aufmerksam geworden, umgedreht hatte und die Frau ohne Trenchcoat, die sie verzweifelt verfolgt hatte, auf sich zu rennen sah. Erstaunt von deren Sinneswandel wartete sie gespannt. – Was mochte die Andere von ihr wollen? Zoë hatte einen ausgeprägten Sinn für Situationskomik, unterdrückte den Impuls, nun ihrerseits vor dem Opfer ihrer vorherigen Verfolgung zu fliehen: Das wäre nun doch zu sehr Slapstick gewesen!

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»Hallo«, sagte Maya ziemlich außer Atem. »Ich habe noch mal über alles nachgedacht. Tut mir leid, dass ich vorhin vor ihnen geflohen bin, aber … Sie wissen … Sie können ja nicht wissen …« – zu dumm, jetzt fehlte ihr der rote Faden. Wie und vor allem was durfte oder sollte sie der Frau erzählen? Sie errötete. »Verdammt«, sagte sie hilflos, »was zum Teufel wollten Sie in dem Café?«

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»Na, Kaffee trinken sicher nicht«, antwortete Zoë barsch. Dann besann sie sich: Das war ihre Chance, die durfte sie keinesfalls verpatzen. »Ich habe Spider gesucht, ich konnte ihn schon lange nicht erreichen. Ich verstehe nicht, wieso er mir aus dem Weg geht. Das ist sonst überhaupt nicht seine Art. Können Sie mir nicht sagen, was los ist?« Hoffnungsvoll sah sie die andere Frau an, während der Bus kam. »Der Bus fährt zum Café. Wollen wir versuchen, Ihren Mantel wiederzufinden?« – Es konnte sicher nicht schaden, ein paar Pluspunkte in Verständnis zu sammeln.

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Entnervt zerrte Kurt die Sachen aus dem Rucksack, den er erbeutet hatte: Ein dünner, warmer Pulli, eine Brieftasche, ein Paar Socken, eine Rolle Pfefferminzdrops, ein Brillenetui aus Metall, Verbandszeug, ein Taschenkalender, eine Taschenlampe, eine Zahnbürste, ein Kamm, etwas Werkzeug, eine Wasserflasche, eine Banane, … Kurt ließ die Arme sinken und rollte mit den Augen. – Wollte dieser Typ auf eine Expedition?

Ratlos betrachtete er den Kram, der jetzt auf dem Feldweg lag, an dem er geparkt hatte und den Rucksack, den er noch immer in der Hand hielt. Dann besann er sich, steckte den Taschenkalender in seine Hosentasche, seufzte tief und räumte das ganze Zeug wieder ein. Er hatte ein Problem. Ein Riesenproblem! Mit dem Rucksack hatte er geglaubt, es sei ein Kinderspiel gewesen: Den Typen vom Rad kicken, den Rucksack schnappen, fertig.

Und nun? Die verdammten Steine waren nicht dabei. Das roch nach Ärger. Riesenärger! Obwohl es nicht seine Schuld war, dass die Steine nicht im Rucksack waren. Aber das interessierte niemanden, SIE am allerwenigsten. Was in drei Teufels Namen sollte er jetzt tun? Hätte er nur »Ja« gesagt, als Dirk ihn begleiten sollte, dann wäre jetzt wenigstens jemand da, dem er die Schuld geben konnte. Er hatte alles perfekt eingefädelt, war diesem Spider wochenlang auf den Fersen gewesen und es war nichts, aber auch gar. Nichts. Passiert. Und heute, endlich, eine Spur: Der Typ rannte weg! Der musste die Beute doch einfach dabeihaben, wenn er wegrannte, das war doch sonnenklar. Er war so stolz gewesen auf seinen Scharfsinn und jetzt? Wie sollte er das nur erklären? So ein Unfall, der war doch viel zu auffällig. Eine Kurzschlussreaktion. Und wenn der Blödmann nun daran starb? Aus wem sollte er die Information dann herauskitzeln? Die Information, wo die Steine waren und wie sie funktionierten? Was nun? Mit leeren Händen konnte er IHR nicht unter die Augen treten.

Ins Krankenhaus oder zurück zum Café? Hatte der Typ die Steine in die Hosentasche gesteckt oder hatte er sie bei seiner Flucht im Café gelassen? Eine Münze werfen? – Nein, es war einfacher, im Café nachzusehen, als im Krankenhaus an die Hosentaschen seines Opfers heranzukommen. Er hatte keine Zeit zu verlieren, es konnte leicht sein, dass noch andere hinter den Steinen her waren.

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Ein Mann stand am Fenster des Imbisses gegenüber des Cafés. Er war erblasst, denn er hatte mit schreckgeweiteten Augen zugesehen, wie der Dicke, nachdem er einen flüchtenden Radler offenbar absichtlich angefahren hatte, mit dessen Rucksack geflohen war.

Wieso standen die Leute alle wie die Ölgötzen auf dem Fußweg herum und keiner unternahm etwas, fragte er sich. Das ging ihm alles eine Nummer zu schnell und da er kein Mann der voreiligen Entschlüsse war, nahm er erst mal einen weiteren Schluck aus seiner Cola, um nachzudenken. Sah zu, wie eine scharfe Braut sich über den am Boden Liegenden beugte. – Wieso hatte der so viel Glück bei den Frauen? Für einen Moment wünschte er, selbst dort am Boden zu liegen.

Doch dann rannte sie weg, einer anderen hinterher, die er weit weniger scharf fand. – Ja, so waren sie, die Frauen, wankelmütig. Gerne wäre er ihnen gefolgt, aber sie wirkten gar so hektisch, das war nicht sein Ding.

Er sah den Krankenwagen kommen, sah die Helfer ihr Werk verrichten und er sah den Wagen wieder abfahren. Da wurde ihm langsam klar: Er musste ins Krankenhaus! Er wollte wissen, was mit dem Typen passiert ist. Schließlich hatte er bei dem Kerl noch eine Rechnung offen. Wer hatte diesem Spider denn in Marokko geholfen, als die Schweinehunde sich an seine Fersen geheftet hatten? Ha! Das war ja wohl er gewesen! Jonny der Abenteurer! Der, der immer wusste, wann irgendein mittelschweres Ding am Laufen ist. Ha! Der, der immer eine Kleinigkeit organisieren kann.

Er lächelte selbstverliebt. »Das saubere Pärchen meint wohl, dass ich so 'ne Art Samariter bin, oder sowas. Pah! Nicht mit mir!«, grummelte er, kippte den Rest seiner Cola in sich hinein und verzog sich flink wie ein Wiesel, ohne diese zu bezahlen, aus dem Imbiss.

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~ 7 ~
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Die beiden Frauen stiegen in den Bus. Maya nestelte ihr Kleingeld hervor, während die Andere keine Anstalten machte, es ihr gleichzutun. Sie fuhr innerlich schon wieder ein wenig hoch und fragte sich, mit was für einer Tussi sich Spider da eingelassen hatte. Die zwei sind doch wohl kein Paar, dachte sie, sagte jedoch scheinheilig zu Zoë:

»Lassen Sie ihr Geld nur stecken, ich mach' das schon.« Die Andere suchte einen Fensterplatz und als beide saßen, flüsterte Maya ihr zu:

»Wir müssen ab jetzt bei allem, was wir machen, sehr vorsichtig und mit Bedacht vorgehen. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass wir verfolgt oder möglicherweise aufgespürt werden von gewissen Leuten. Wir sind ab jetzt beide in Lebensgefahr. Wollen Sie das hier wirklich mit durchziehen, für Spider? Sind Sie … sind Sie beide irgendwie … liiert?« Eigentlich wollte sie fragen: »Schlafen Sie miteinander«, denn mehr kann er wohl mit so einer … Bin ich etwa eifersüchtig, schoss es ihr durch den Kopf. Sie fühlte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. Das war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für derartige Verwicklungen. Es ging hier um eine große, eine wirklich große Sache, und sie waren ein Teil davon. Jetzt bekam Maya eine Gänsehaut. Schauderte.

Oh Mist, die Andere hatte schon etwas gesagt. »Oh, bitte, was haben Sie gerade gesagt?«, flüsterte sie und bemühte sich, der Anderen ihre volle, neurale Aufmerksamkeit zu schenken.

»Wenn Sie verfolgt werden, ist das Café mit Sicherheit der letzte Ort, wo Sie sich aufhalten sollten, nach allem, was passiert ist«, erklärte diese. »Vergessen Sie Ihren Mantel und sagen Sie mir endlich, was hier gespielt wird!« Sie zog Maya in eine Sitzbank auf derjenigen Seite des Busses, die dem Café abgewandt sein würde, wenn sie dort vorbeifuhren. Dann fuhr sie, leise aber in entrüstetem Tonfall, fort: »Ich muss doch wohl wissen, wofür ich mein Leben aufs Spiel setze. Was ist das für eine Sache, in der Sie da stecken, und welche Rolle spielt Spider darin?«

Der Bus fuhr am Café vorbei, davor standen ein ratlos um sich blickender Mann Typ »Bodyguard« und neben ihm eine heftig gestikulierende und aufgeregt auf ihn einredende Kellnerin. Zoë duckte sich unwillkürlich und hielt Maya davon ab, aufzustehen.

»Lassen Sie uns eine Haltestelle weiter fahren«, fügte sich Maya der Initiative ihrer Nachbarin, bewunderte deren scharfen Verstand und gewitzte Vorgehensweise. Dann hätte sie noch ein wenig Zeit, sich eine Geschichte auszudenken. – Oder sollte sie die Wahrheit sagen? Nein, auf keinen Fall. Dafür stand aus ihrer Sicht zu viel auf dem Spiel.

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Erwartungsvoll sah Zoë die ›Frau ohne Trenchcoat‹ an. Sie war nahe daran, die Geduld zu verlieren. Wenn sie etwas nicht konnte, dann war das Warten. Am liebsten würde sie die Wahrheit aus der Frau herausschütteln, aber vielleicht gab es eine zivilisiertere Variante, zu der ihre Mutter sie stets ermahnt hatte. Die Frau wirkte fahrig und unentschlossen. Sie sah aus, als wollte sie reden, aber würde sie es auch tun?

Da hatten sie schon die nächste Haltestelle erreicht, das Café war außer Sichtweite und sie vorerst in Sicherheit, sofern der ›Bodyguard‹ sie nicht erkannt hatte. Jedenfalls trug er eine Sonnenbrille und sie waren für ihn durch die mit Werbung beklebten Scheiben des Busses ohnehin fast unsichtbar. Andererseits war Zoë nicht gerade passend gekleidet. Ihre hellroten Locken waren schon auffällig genug, aber zu allem Überfluss hatte sie auch noch den neonblauen Mantel angezogen, den sie so liebte. Damit war sie schon von Weitem erkennbar. Wenn es zu einer Verfolgungsjagd käme, musste sie den vorher loswerden. Aber das hatte vielleicht noch Zeit, bis sie wusste, worum es ging. Vielleicht konnte sie ihn irgendwo deponieren. Darunter trug sie Schwarz. Immer noch ein Blickfang, aber wenigstens konnte sie damit in einer Menge untertauchen. Sie stiegen aus und Zoë drängte die Andere in eine finstere Kneipe.

Hinter der Theke stand eine junge Frau. Als sie die neuen Gäste hereinkommen sah, erhellte sich ihre Miene und sie machte sich geschäftig daran, die blitzblanke Theke abzuwischen. Ein einsamer Trinker saß vor ihr und ließ sie unbeirrbar in eintönigem Sermon an seinen Gedanken über die Gesellschaft und das Leben und all die Ungerechtigkeiten teilhaben.

Sie setzten sich an einen der freien Tische am Fenster. Nachdem Zoë ihren Mantel an den Ständer neben der Eingangstür gehängt hatte, bestellte sie zwei Tee.


Die Kellnerin stutzte kurz, blickte Zoë erstaunt an, zuckte mit den Schultern und griff nach dem Wasserkocher. Zoë sah erfreut dabei zu, wie sie ihn ausspülte und frisches Wasser hineinlaufen ließ.

»Kuchen haben wir aber nicht. Kekse auch nicht. Tut mir leid«, teilte ihr die Kellnerin mit.

Während der Kocher sich ans Werk machte und beim Aufheizen ein geschäftiges Rauschen hören ließ, nahm der Trinker seinen Monolog wieder auf:

»Die da oben machen ja doch, was sie wollen. Weiß gar nich', wieso ich noch zur Wahl geh'. Alles dasselbe. Einer wie der andere. Alles Gauner. Haben nur ihren Vorteil im Sinn. Hab' ich nich' Recht?« lallte er und bekam von der Kellnerin ein zustimmendes Lächeln.

Zoë stellte sich vor, wie es wohl wäre, tagein tagaus mit solchen Tiraden beschallt zu werden. Sie könnte seinen Monolog ohne diesen Mann zu kennen, fortsetzen: Nach der Gesellschaft würden sicherlich die Fussball-Vereine dran sein und die Manager und Trainer. Sie bewunderte die Gelassenheit der Kellnerin, deren Gesichtsausdruck keine Herablassung oder Genervtheit ahnen ließ, rollte verschwörerisch mit den Augen, aber die lächelte sie nur freundlich an und goss das kochende Wasser in die vorbereiteten Becher mit Teebeuteln.

Auch gut, dann würde sie sich jetzt daranmachen, die ›Frau ohne Trenchcoat‹ auszufragen. Die Kellnerin wäre mit dem Trinker beschäftigt und sie wären an ihrem Tisch weit genug von der Theke entfernt, um ihre Geheimnisse zu wahren. Falls es denn Geheimnisse gab. Diese Frau tat ja so als stünde der Fortbestand der Menschheit auf dem Spiel. Bevor die Kellnerin die beiden Becher auf ein kleines silberfarbiges Tablett stellen konnte, langte Zoë über die Theke, »Danke, ich mach das schon«, schnappte sich die Becher an den Henkeln und stolzierte zu ihrem Tisch, siegesgewiss und entschlossen, Antworten zu bekommen. Sie stellte die Becher ab, zwang sich dazu, sich erst zu setzen und einen tiefen Atemzug zu nehmen und blickte die Andere auffordernd an:

»Also? Was steckt hinter all dem?«

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»Also gut«, sagte Maya seufzend, warum sollte sie der Anderen, die sich ja nun ohne Frage nicht nur sehr interessiert, sondern auch engagiert gezeigt hatte, warum sollte sie ihr nicht wenigstens die Eckdaten erläutern? Schließlich gehörte auch das zu dem, was die Steine für sie bedeuteten: ein authentisches Leben. Ein Leben ohne dämliche Machtkämpfe, ohne zu übervorteilen. Ein Leben in Frieden, ohne Angst. Sie seufzte noch einmal vernehmlich, und erzählte ihrer aufmerksamen Zuhörerin von ihrem Besuch einer öffentlichen Session eines bekannten Mediums.

»Ich habe dort eine direkte Ansage bekommen, die mich mitten ins Herz getroffen hat. Ich hatte nicht den geringsten Zweifel gehabt, dass seine Worte mir galten. Niemand der sonstigen Anwesenden schien die Sätze so wie ich zu verstehen, keiner außer mir schien auf seinem kleinen Klappstuhl zu versteinern. Ich hörte nur mein eigenes Blut in meinen Ohren sausen und wusste mit aller Klarheit und Eindringlichkeit, dass diese Aussage genau das war, worauf ich seit – seit meiner Kindheit eigentlich schon – gewartet habe. Jedenfalls fühlte ich mich am Ende des Vortrages dazu aufgerufen, sofort nach Marokko zu reisen und in einer Höhle am Rand eines kleinen Nomadendorfes nach einem Schatz zu suchen.« Nachdem sie diesen außerordentlich gekürzten Anfang der Geschichte der jungen Frau erzählt hatte, die sie aufmerksam beobachtete und aufmunternd nickte, sah sie sich nicht in der Lage, den Rest der Geschichte für sich zu behalten.

»Spider habe ich im Flugzeug kennengelernt. Er saß neben mir. Ich musste diese Geschichte unbedingt einem Menschen erzählen. Ich hatte nicht im entferntesten damit gerechnet, dass eine fremde Zufallsbekanntschaft mich auf meiner Schatzsuche begleiten würde. Nein, wirklich nicht«, beteuerte Maya. Einen Augenblick lang überrollten sie die Gefühle von damals, aber sie wurde sich der Umgebung, in der sie sich befand, bewusst und versuchte verzweifelt, sachlich zu bleiben.

»Am Anfang war alles viel leichter, als ich es mir in den kühnsten Träumen ausgedacht hätte. Wir fanden die kleine Wüste ohne Schwierigkeiten, das Nomadendorf auch, machten uns ein wenig vertraut mit der Umgebung, taten, als wären wir verliebte Touries. – Was wir aber nicht waren«, beeilte sich Maya, zu betonen. Sie starrte ihrer Zuhörerin forschend in die Augen, um deren Reaktion zu ergründen, aber die blickte gelassen und aufmerksam zurück.

»Wir fanden also nach einiger Zeit das inzwischen verlassene Nomadendorf und schließlich auch die Höhle. Sie müssen nicht denken, dass es eine kleine Höhle war. – Nein, nein: Es war eine riesige Höhle, und das schlimmste war, sie war ›bewohnt‹. Es hielten sich darin allerhand Subjekte unsicherer Herkunft auf und so wurde unsere Exkursion plötzlich zu einem lebensgefährlichen Abenteuer … bis heute. Aber das verrückteste ist« und ihr Gesicht strahlte plötzlich kindliche Freude aus, »das verrückteste ist, dass wir den Schatz geborgen haben: Er ist hier! Hier in meiner Hosentasche! Deswegen werden wir verfolgt und sind nun in großer Gefahr. Und alle, die sich uns anschließen, werden auch in Gefahr geraten.«

Das Strahlen auf ihren Zügen erlosch, und sie sank ein wenig in sich zusammen. Es war ein langer Tag, ein sehr langer Tag gewesen. Das erste Mal, seit sie sich auf diese Reise begeben hatte, überfielen sie Zweifel. Sie würden es nie schaffen, mit Hilfe der Steine die Menschheit zu retten. -- Was für ein Wahnsinn! Wie konnte sie glauben, dass sie es schaffen könnten?

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Zoë kämpfte mit dem Impuls, auszurasten. Mit äußerster Anstrengung gelang es ihr, ruhig zu erscheinen: Diese Geschichte war ungeheuerlich. – Aber rechtfertigte das, seine Familie zu verlassen? Ohne ein Wort des Abschieds oder der Erklärung zu verschwinden? Um sie zu versöhnen musste das ein wirklich ganz, ganz großartiger Schatz sein, dem er da nachgejagt war.

»Was macht das, was Sie in ihrer Hosentasche haben, zu einem Schatz? Was hatte denn dieses ›Medium‹ darüber gesagt, dass sie es suchen wollten? Und wenn er oder es wusste, wo sich der Schatz befindet, wieso ist er nicht selbst hingefahren, um ihn zu holen? Und jetzt, wo Sie den Schatz haben, was wollen Sie damit tun? Was kann man überhaupt damit tun?«

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Die geballte, obgleich unterdrückte Energie der Rothaarigen sowie ihre vielen Fragen gaben Maya neue Kraft. Es war, als grabe sich der intensive Blick der Frau in ihre Augen, durchstieß diese und leuchtete in ihrem Inneren verborgene Räume aus. Sie dachte an ihre Jugend. Sie war etwa 14 Jahre alt gewesen, als sie das erste Mal bewusst wahrnahm, dass sie scheinbar alltägliche Begebenheiten mit Gewissheit in wichtig und unwichtig einteilen konnte. Sie hatte nie sagen können, wofür diese Einteilung eigentlich taugte, aber die Wucht der Erkenntnis, die sie dabei jedesmal traf, hatte etwas Körperliches, etwas Unausweichliches. Etwas, das nicht hinterfragt zu werden brauchte. Wie sollte sie der anderen das erklären? Für normale Ohren musste es wie der größte Schwachsinn klingen. Sie gab sich einen Ruck und antwortete:

»Ich fand als Jugendliche ein Buch, ein Taschenbuch. Es lag auf einem Grabbeltisch vor einem Kaufhaus. Sowas war früher üblich. Das werden Sie nicht mehr kennen.« Sie konnte bei dieser Erinnerung ein breites Lächeln nicht unterdrücken, wohl aber den Satz »Meine Güte, wie die Zeit vergeht!« Sie rief sich zur Disziplin. Schließlich wollte sie hier nicht die Nacht verbringen. War es hier überhaupt sicher? Sie nahm erstmals, seit sie Platz genommen hatten, den Raum genauer in Augenschein, konnte aber nichts Verdächtiges finden.

»Also gut, das Buch handelte von Atlantis, dem untergegangenen Kontinent. Ich hatte schon das Eine oder Andere darüber gelesen, aber in diesem Buch war von Apparaturen die Rede, die die einstigen Bewohner von Atlantis gebaut haben sollen. Apparaturen, mit denen Energie – heute würde man sagen ›saubere‹ Energie – erzeugt werden konnte. Die Leute haben dermaßen viel Energie damit erzeugt, dass sie sich auf kleinen Fluggeräten schwebend fortbewegen konnten. Sie haben verschiedene Krankheiten damit heilen können und viele von ihnen erreichten ein geradezu biblisches Alter. Die Menschen lebten in Eintracht gut zusammen und hatten alles, was das Herz begehrte. Bis das einer kleineren Gruppe nicht mehr reichte. Ein paar erkannten, wofür sich diese Kraft sonst noch nutzen ließe und wurden durch ihre Gier nach Macht und Ansehen böse. Sie verloren den Halt und wollten mehr und immer mehr, bis die Apparatur so viel Energie erzeugte, dass sie den Kontinent sprengte und er im Meer versank. Bis heute wird nach Fragmenten und Hinweisen gesucht. Es ist nicht überliefert, wie die Apparatur ausgesehen hat. Sie funktionierte mit ein paar unscheinbaren Steinen, einer gewissen Mechanik und Sonnenlicht. Das war alles.

Ich las es und vergaß es nie. ich hatte es im hintersten Winkel meines Gedächtnisses abgespeichert. Später, mit etwa 20 Jahren, studierte ich Architektur. Es gab eine Ausschreibung. Ein Brunnen sollte in der Fußgängerzone von Düsseldorf gebaut werden. Mein Vorschlag für die Gestaltung der Anlage erhielt den ersten Preis und ich bekam ein Stipendium für die Uni Heidelberg. – Meine Güte, wie ich diese Stadt liebte! Ich verbrachte Stunden in der Universitätsbibliothek. Und eines Sonntagnachmittags fand ich ein sehr, sehr altes Buch dort. Es hatte an der Stelle, wo es stand, überhaupt nichts zu suchen. Wahrscheinlich hatte es jemand vor langer Zeit in der Abteilung ›gotische Rundbögen in einer neuzeitlichen Betrachtung‹ versteckt, damit es niemand ausleihen konnte und die Bibliothek es für verloren hielte. Jedenfalls waren darin Bau-Anleitungen für Apparaturen des Altertums gesammelt. Sie werden es erraten: Eine dieser ›Maschinen‹ erinnerte mich spontan an die sagenumwobene Energiemaschine von Atlantis. Es durchfuhr mich wie ein Blitz. Ich schaute um mich, merkte, dass ich allein in dem Abschnitt der Bibliothek war, und versteckte das Buch in meinem Mantel.« Bei dem Gedanken an ihren Mantel fröstelte Maya plötzlich. Sie hatte nur ihren verschlissenen Rollkragenpullover an und vermisste den alten Trenchcoat.

»Das Buch ist viele Jahre mit mir umgezogen und durch die Weltgeschichte gereist. Von allem möglichen konnte ich mich trennen, aber nicht von diesem Buch. Dann kam der Tag, an dem dieses schottische Medium, von dem ich schon erzählt habe, in die Stadt kam, in der ich wohnte. Es läuft bei solchen Sessions so ab, dass das Medium vorne steht und sich sammelt, und die Zuhörerschaft mehr oder weniger gespannt einfach nur da ist. Das Medium plaudert vielleicht sogar über dieses und jenes und stimmt sich so mehr und mehr auf die Zuhörer ein. Dann beginnt es, scheinbar zusammenhanglos, mitten in einer anderen angefangenen Erläuterung, medial zu sprechen. Jedes Mal ist es bei diesen Zusammenkünften so, dass sich ein bestimmter Teilnehmer zutiefst und ohne Zweifel angesprochen fühlt. Kein anderer kann mit dem Gesagten etwas anfangen. Für die anderen klingt es wie Mumpitz. Aber wenn du gemeint bist … mein lieber Schalli!« Maya kam es so vor, als säße sie wieder in dem gediegenen Vortragssaal mit seinen hohen Fenstern, die von schweren, dunkelblauen Vorhängen gesäumt waren, hörte wieder das leise Zischeln der zwei vor ihr sitzenden jungen Mädchen, die sich über irgendetwas nicht einig werden konnten. Sie berichtete weiter:

»Das Medium fing unvermittelt an, eine Höhle in Marokko am Rand einer Wüste zu beschreiben. Er sprach davon, dass sich aufgrund von ›Umwälzungen‹ vor zehntausend Jahren etwas erhalten hat, das eigentlich längst hätte untergehen sollen, und dass nur wenige Menschen eine Ahnung hätten, wie gewisse Steine zu verwenden seien. Dass sie unter einer zehn Meter langen und fünf Meter breiten mit drei Wellen gravierten Platte einzusetzen sind, um der Menschheit zu Diensten zu sein. Ich wusste natürlich sofort, was die Stunde geschlagen hatte: Das war der letzte, noch fehlende Hinweis! Jetzt brauchte ich nur noch – abzufliegen.« Mit einem verschmitzten Grinsen schaute Maya auf.

»Heißt das, Sie haben etwas in Ihrer Hosentasche, mit dem man Atlantis versenken konnte? Darf ich es sehen? Ist es nicht gefährlich, das in der Tasche zu haben? Ich meine, abgesehen von dem Bösewicht, der uns folgt? Und ist es vielleicht möglich, Spider damit zu heilen? – Oh, wie es ihm jetzt wohl geht! – Da wir nun irgendwie zusammenarbeiten, können Sie mich ruhig Zoë nennen. Ich bin Zoë Pinsen.«

»Hm«, machte Maya versonnen, »Spider damit heilen … Spider damit heilen …«, wiederholte sie die Worte ihres Gegenübers, gedankenverloren die Tischkante musternd, als hätte diese eine Antwort parart. »Wenn ich bloß wüsste, wie!« Sie sah auf, schüttelte sich kurz, als würde sie aus einem Selbstgespräch erwachen:

»Ich habe keine Ahnung, wie sie wirken und was man mit ihnen alles machen kann. Darüber habe ich überhaupt noch nicht nachgedacht. Meine Güte, Zoë, ich weiß nichts! Überhaupt nichts! Und was noch viel schlimmer ist, mir rennt die Zeit davon!« Eine kurze Panik befiel sie bei dem Gedanken. »Zoë, packen Sie bitte ihren Kram zusammen! Wir zahlen und … und … wir müssen los. Wir müssen ins Krankenhaus!«

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~ 8 ~
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Kurt hatte im Café nur ein zurückgelassenes Backgammon-Spiel erbeutet, dem die hellen Steine fehlten. Die Kellnerin hatte ihm geglaubt, dass er die Sachen seines Freundes holen wollte, der nach einem schlimmen Fahrrad-Unfall im Krankenhaus lag. Sie hatte ihm bereitwillig das Spiel ausgehändigt und versichert, dass weiter nichts zurückgeblieben sei außer einer unbezahlten Rechnung, die er, um seine Tarnung nicht auffliegen zu lassen, zähneknirschend übernommen hatte. Er beschloss, das Spiel mitzunehmen. – Besser, als IHR mit leeren Händen unter die Augen zu treten. Er musste nachdenken: Gab es noch etwas zu tun? Die Frauen konnten sonst wo sein, der Kerl lag im Krankenhaus. – Krankenhaus! Ja, das war die Idee! Er guckte in die Brieftasche, die er mit dem Rucksack erbeutet hatte: Siegfried Pinsen stand auf dem Ausweis. Gut, dann war er jetzt Kurt Pinsen, der treusorgende Bruder, dem sicher niemand einen Platz an Siegfrieds Bett verweigern würde, selbst wenn dieser ein Koma vortäuschte. Und sobald sie allein wären würde er sich den Burschen vorknöpfen. Sollte er nicht auspacken, dann würde wohl früher oder später eine der beiden Frauen dort auftauchen. Die könnte er schnappen und mitnehmen. Das wäre besser als wenn er das komplette Spiel hätte. Das wäre vielleicht sogar die Lösung. Wenn er mit Geiseln bei IHR auftauchte, wäre sie sicherlich entzückt, einschlägige Informationen aus ihnen herauskitzeln lassen zu können. Den Spiel-Koffer packte er in den Rucksack, hechtete schwungvoll in seinen Wagen und startete mit quietschenden Reifen, Richtung Krankenhaus.

Dort angekommen stellte er sich an der Rezeption als Kurt Pinsen vor und fragte nach seinem Bruder. Ja, er sei hier, teilte der freundliche Herr am Schalter ihm mit und schickte ihn zur Unfallstation, wo man ihm weiterhelfen würde.

»Es tut mir sehr leid, im Moment können Sie nicht mit ihm sprechen«, sagte die Krankenschwester, der er auf dem Flur der Unfallstation in den Weg lief.

»Aber ich bin sein Bruder! Sie müssen mich zu ihm lassen! Er hat doch sonst niemanden!«, forderte er scheinheilig und ziemlich ungeduldig.

»Es ist nicht so, dass ich Sie nicht zu ihm lassen will. Aber er liegt im Koma. Er hatte eine schwere OP und wir werden nicht vor Ablauf einer Woche versuchen, ihn aufzuwecken. Sie müssen mit dem Schlimmsten rechnen, vielleicht wacht er überhaupt nicht wieder auf. Aber Sie können sich zu ihm setzen und ihm etwas erzählen oder vorlesen. Das soll gut sein für Koma-Patienten, wenn sie eine vertraute Stimme hören.«

So ein Mist! Das fehlte noch, dass er dem Typen Märchen vorlas! Kurt wollte nur noch weg von hier, Krankenhäuser machten ihn nervös. Auf die Frauen konnte er ebenso gut draußen warten. Er ließ die verdutzte Schwester einfach stehen und eilte davon.

»Soso, der Bruder …«, murmelte diese vor sich hin, als sie in Spiders Krankenzimmer ging, um ihm zu berichten, dass der von ihm erwartete Gast da gewesen und wieder gegangen war.

»Sie haben mir sehr geholfen, meine Liebe, vielen Dank«, flüsterte Spider. Er freute sich, dass seine für ihn lebenserhaltende Intuition anscheinend bei dem Unfall nicht gelitten hatte. Vielleicht das Einzige, das an ihm noch funktionierte, dachte er verzagt. Er konnte seine Füße nicht bewegen, atmete die meiste Zeit durch eine Sauerstoffmaske, Schläuche hingen an seinem Arm und führten hinauf zu Beuteln, die an einem Ständer neben dem Bett aufgehängt waren. Andere waren für den Abtransport von Urin und Fäkalien an seinen Körper angeschlossen worden. Keine Schmerzen … aber was heißt das schon … ich im Krankenhaus … Nebel im Kopf, Gedankenfetzen dazwischen … das Bewusstsein entgleitet mir … Zoë … hätte ich sie doch nur aus der Sache heraushalten können … dickköpfig ist sie … wie ihr Vater … keine Chance, sie loszuwerden … ich hätte ihr alles erklären sollen … nun kann ich sie nicht beschützen … sie weiß nicht … Er dämmerte hinüber in einen tiefen, bewusstlosen Schlaf, gegen den er sich nicht wehren konnte.

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Die Schwester kontrollierte die Beutel mit den Medikamenten. »Erstaunlich, dass der Typ in halbtotem Zustand noch seine Verfolger austrixen kann«, murmelte sie vor sich hin und verließ eilig das Krankenzimmer, um sich dem nächsten Patienten zuzuwenden.

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~ 10 ~
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Jonny der Abenteurer war froh, dass er diesen Dummbatz mit Spiders Steine-Kasten so mühelos hatte verfolgen können. Ha! »Flink wie ein Wiesel«, das hatte seine Oma schon immer von ihm gesagt. Er seufzte selbstverliebt und fläzte sich auf eine Bank vor dem Krankenhaus. Es war für ihn nicht schwer zu kapieren, dass dieses trottelige Schwergewicht gleich kommen würde, um sich Spider vorzuknöpfen. Aber warum eigentlich? Er konnte einfach nicht verstehen, wie die Vorgänge hier zusammenpassten.

Er wolte nur eine rauchen und sich Gedanken machen, ob er Spider ein wenig die Hölle heiß machen konnte und zu gucken, was dieser Dicke hier überhaupt zu suchen hatte, als genau der sich neben ihn setzte. Jonny wurde als gutem Beobachter schnell klar, dass sich das Schwergewicht eine Menge Gedanken machte. Er ahmte vorsichtig dessen Gesten nach und fühlte sich in ihn hinein. Der Dicke achtete nicht auf Jonny, schien in irgendeiner Bedrängnis zu sein. Sein dicker Schädel schwang hin und her, und er murmelte etwas von »Hauptquartier«.

Als er dann sein Handy zückte und sich mit »Jaguar« meldete, anscheinend mit seiner »Chefin« telefonierte und wohl von Spider als »Paket« quatschte, hätte Jonny beinahe seine Patienten-Tarnung auffliegen lassen und laut gelacht. So mündete seine unterdrückte Heiterkeit nur in einen bellenden Hustenanfall, der ihn als bedauernswerten Lungenkranken noch authentischer wirken ließ.

Aha, dachte Jonny, nachdem er das Gespräch zu Ende gehört hatte, dann geh' ich schon mal zum Auto, die drei Hübschen werden wohl gleich kommen, und er feixte sich eins. Als der Dummbatz die beiden in sein Auto stopfte, schrieb er sich schnell das Kennzeichen auf. Man kann ja nie wissen, dachte er.

Und dann ging es auch schon los. Mit quietschenden Reifen schoss der Dicke davon, Jonny würde seine Fahrkünste hier endlich mal unter Beweis stellen müssen, denn der Andere konnte verdammt gut fahren. Er nahm die Ausfahrt mit Karacho und Jonny musste ja auch noch darauf achten, nicht entdeckt zu werden. Ein Wagen hatte sich zwischen seinen und den Anderen gezwängt und hielt jetzt an einer roten Ampel. Verdammt! Jonny konnte den anderen Wagen weit entfernt noch erkennen, weil die Landstraße einen geraden Verlauf hatte. Ein Glück. Weiter ging's, das Hindernis war schnell überholt und schon war er wieder dran. Es kam ihm entgegen, dass er hatte warten müssen; das war unauffälliger.

Heißa-dideldumdei, was macht die Bande denn nun? murmelte Jonny, als das Auto in einen Waldweg einbog und danach zum Stehen kam. Er hiehlt am Straßenrand und hoffte, dass ihn niemand bemerkte. Um seine Tarnung zu unterstreichen, stieg er aus, stellte sich an einen Busch und tat so, als würde er pinkeln. In dem anderen Auto wurde heftig gestikuliert und offensichtlich gestritten. Merkwürdig. Er hatte so gehofft, dass der Preisboxer-Typ zu diesem ominösen »Hauptquartier« fahren würde, aber dann gäbe es ja nichts zu verhandeln.

Er schwang sich wieder in seinen BMW. Vielleicht hatte der Kerl ja vor, die Frauen zu vergewaltigen oder wer weiß was. Ihm kamen Bedenken. An so einem Scheiß wollte er keine Aktien haben. »Was ich nich' weiß, macht mich nich' heiß«, hatte seine Oma immer gesagt. Er trat aufs Gaspedal und fuhr an dem Waldweg vorbei, weiter die Landstraße entlang. Er würde Spider schon finden und zur Rechenschaft ziehen. Er war schließlich nur ein kleiner Ganove, mit ganz dicken Dingern wollte er nichts zu schaffen haben.

Nach weiterer zehnminütiger Fahrt hellten sich seine Züge auf: »Hey, da ist ja 'ne Sauna-Tenne«, sagte er, dabei mit der Zunge schnalzend, zu sich selbst. Voller Vorfreude auf ein kleines erotisches Intermezzo in heißem Schaum, ein schönes Essen und einen Drink, fuhr er sein Auto auf den Parkplatz, stieg aus und meldete sich beim Türsteher an. Sein Geld würde noch reichen: »Scheiß drauf, der morgige Tag sorgt für sich selbst.« Er betrat den mit rotem Samt ausgekleideten, schummrig beleuchteten Raum und ließ sich widerstandslos in die einladend ausgestreckten weißen Arme einer der »Damen« sinken, deren weiche Fülle ihn verschlang.



~ ~ ~​

Kurt hatte das schlimmste Donnerwetter seines Lebens hinter sich: SIE hatte sich schrecklich aufgeregt, hatte getobt, Gift und Galle gespuckt, ihn einen hirnlosen Trottel genannt. – Na gut, dass die Frauen ihn nicht nach seiner Handy-Nummer gefragt hatten, sich also nicht melden konnten, das hätte ihm auffallen müssen. Aber sonst? »Steine der Macht«, das klang doch glaubwürdig. Und wenn die eine Frau wirklich von der Polizei ist, dann will SIE die doch bestimmt nicht hier haben. Aber SIE hatte natürlich Recht: Er hatte die beiden gehabt und jetzt waren sie entkommen.

Nicht mal ins Krankenhaus zurückfahren wollte SIE ihn lassen! Den Türsteher hatte SIE nun geschickt, damit er mit Dirk die Sache regelte und er selbst stand hier, um die Kunden einzulassen. So eine Schande! Das war so ungerecht! Das war absolut unter seiner Würde! Er hoffte, dass der eine Kunde, der seit geraumer Zeit bei Nicole war, Ärger machte. Das käme ihm jetzt gerade recht, jemanden nach Strich und Faden verdreschen zu dürfen.

Aber Jo, der eigentliche Türsteher, hatte ihm, bevor er mit wichtiger Miene entschwand, gesagt, das sei ein harmloser Typ, der sicher keine Probleme machen würde. So richtig väterlich hatte er das gesagt, als wenn er sich besser auskennen würde. Dabei hatte Kurt selbst hier als Türsteher angefangen, als Jo noch in die Windeln gemacht hatte. Hatte sich raufgearbeitet und seit einem Jahr nicht mehr diesen langweiligen Job machen müssen. SIE wollte ihn demütigen. Ja, SIE wusste genau, wie das ging. Niedergeschlagen starrte er auf das Licht der Leuchtreklame, das durch die Gardine flackerte: Rot – Pink – Gelb – Rot – Pink – Gelb – Rot …

~ ~ ~​

… Pink - Gelb - Rot - Pink - Gelb … Jonny war müde. Er stand rauchend vor dem Fenster, das notdürftig mit einer vergilbten Gardine verhängt war und schaute wie in Trance auf das Licht der Leuchtreklame. Hier, im oberen Stockwerk waren die Zimmer nicht so schick wie im Parterre. »Außen hui, Innen pfui«, sagte er halblaut, um die verächtlichen Gedanken, die sich nach seinen »Liebes-Abenteuern« meistens einstellten, Ausdruck zu verleihen. »Sein Mädel« hatte sich schon angezogen und war zum nächsten Freier gehuscht.

»Scheiße!« zischte er in den schwül-warmen, leeren Raum. Und was sollte er jetzt machen? Sein Blick schweifte durch die Nacht. Unten kamen gerade neue Gäste an, als die Haupttür aufschwang und der Türsteher kurz zu sehen war, um der Dame im langen Mantel ins Haus zu helfen. Donnerlüttchen! War das da unten nicht der dicke Dummbatz? Er stutzte einen Moment und dann wurde ihm schlagartig klar, dass dieses wunderhübsche Etablissement, in das er da hineingeschneit war, das ominöse »Hauptquartier« sein musste. »Scheiße, scheiße, scheiße … der kennt mich!« Schnell drückte er sich zurück, hinter die Gardine.

So! Dann waren die Steine also jetzt hier, und er auch. Er massierte kurz seine Hände, ließ alle Gelenke mal so richtig knacken und wollte gerade starten, um sich im Obergeschoss ein wenig umzusehen, als Nicole, »sein Mädel«, hereinhuschte. Sie war sichtlich überrascht, dass er immer noch hier war, nickte ihm kurz zu, sagte, dass sie ihren Lippenstift hier liegengelassen habe, als ihm eine Idee kam.

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~ 11 ~
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Maya und Zoë hatten das Landeskrankenhaus erreicht. Auf der Fahrt mit dem Bus hatten sie geschwiegen. Zoë wusste es zu schätzen, wenn eine schwieg, die gerade nichts zu sagen hatte. Die Haltestelle war nicht weit vom Eingang entfernt, aber beide Frauen zögerten noch, einzutreten. Sie blickten auf einen kleinen Park neben dem Krankenhaus in dem große Eichen, sicherlich älter als das fantasielos gestaltete Gebäude, sich mit kleineren Bäumen und Gebüsch abwechselten, zwischen denen Bänke standen, viele davon besetzt. Es war doch ein Vorteil, wenn ein Krankenhaus etwas außerhalb der Stadt lag, da musste man den Patientinnen nicht erst sagen, dass sie an die frische Luft gehen sollten, um gesund zu werden. Selbst zwischen den zahlreich vorhandenen Parkplätzen gab es kleinere Bäume, wie sie in der Zeit der ›Schottergärten‹ zuweilen noch an Straßenrändern zu sehen waren. Amerikanische Eichen. Sie fragte sich, ob diese Bäume auch größer werden konnten. Sie kannte sie nur in Einheitsgröße und -form, zurechtgestutzt und wahrscheinlich bei Überschreiten der Einheitsgröße ersetzt durch kleinere Exemplare.

»Hier werden die Autofahrer, die es oft nicht schaffen, ihren Wagen mittig auf einem Parkplatz unterzubringen, ihre liebe Not haben, den kostbaren Lack vor Kratzern zu schützen«, bemerkte sie gehässig und erntete von Maya ein verschwörerisches Grinsen.

Sie betraten den großzügigen Eingangsbereich, in dem die obligatorischen Hydrokultur-Kästen versuchten, darüber hinwegzutrösten, dass man in ein Krankenhaus kam.

»Hoffentlich können die hier überhaupt mit Unfallopfern umgehen, so ein abseits gelegenes Krankenhaus ist doch eigentlich eher den ›planbareren‹ Leiden wie Herz-OPs oder Krebs vorbehalten«, bemerkte Zoë, aber Maya konnte sie beruhigen:

»Hier arbeiten die Expertinnen in Sachen Unfall-Chirurgie, deswegen ist er ja verlegt worden. Mit dem Krankenwagen kommt man schneller hierher als durch den dichten Verkehr in der Innenstadt, und hier kann ein Hubschrauber auf dem Dach landen.«

»Na, Sie kennen sich ja aus.« Zoë strebte zum Treppenhaus, Aufzüge machten sie nervös.

Die Station 4 lag im zweiten Stock und war anhand der Hinweistafeln leicht zu finden, obwohl sie durch endlose Gänge laufen mussten. Immer wieder vergewisserte Zoë sich, dass niemand ihnen folgte. Auf der Station kam ihnen ein Krankenpfleger entgegen, ein kleiner, drahtiger Typ mit fröhlichen braunen Augen, der auf die Frage nach dem Zimmer von Robert Weber reagierte, als hätte er sich schon lange nach ihnen gesehnt. Er blickte zu Zoë auf und hauchte:

»Zimmer 205, den Gang hinunter, das vorletzte Zimmer auf der linken Seite.«

Spiders Bett stand gleich neben der Tür. Er schlief, war an Maschinen angeschlossen. Der Monitor zeigte, so weit Zoë das beurteilen konnte, unbedenkliche Werte. Das Herz schlug gleichmäßig und der Blutdruck schien auch okay zu sein. Der Rest sagte ihr nichts. Aber diesen unverwüstlichen Mann so hilflos im Bett liegen zu sehen zerriss ihr das Herz.

»Spider?«, flüsterte sie, darauf bedacht, ihn nicht zu wecken, aber Kontakt herzustellen, falls er nur döste. – Keine Reaktion. Hoffnungsvoll sah sie Maya an: »Was machen wir denn jetzt? Die Steine?«

»Ja. Lass es uns versuchen.« Maya nestelte aus ihrer Hosentasche einen kleinen Quarz. Ihr Blick huschte über die Gegenstände im Krankenzimmer. »Man braucht ein wenig Quarz und ein bisschen Metall«, murmelte sie vor sich hin. »Natürlich hat die eigentliche Maschine ganz andere Ausmaße, aber vielleicht können wir es im Kleinen nachbauen. Es soll Spider ja nicht umhauen. Sie zog sich eine Socke aus, legte den kleinen Quarz und einen Löffel, den sie auf dem Nachttisch neben dem Krankenbett gefunden hatte, in die ausgeschüttelte Socke. Dann tastete sie nach den Steinen in der anderen Hosentasche, zögerte und nahm nur einen heraus, den sie ebenfalls in die Socke steckte.

»Falls ihn der Geruch umbringt, bekenne ich mich schuldig«, sagte sie mit einem Schmunzeln, während sie die Socke oben zuknotete und deren Inhalt in den Händen hin und her wiegte, um eine gute Verteilung der Gegenstände zu erreichen, erfasste sie plötzlich ein Energiestrom, der ihr das Lächeln aus dem Gesicht pustete.

Ihre Augen wurden groß, sie bekam am ganzen Körper eine Gänsehaut und ihr war klar, dass sie die richtigen Komponenten zusammengefügt hatte. Konnte es denn tatsächlich so einfach sein? Es kam ihr vor, als wäre sie mit einem Mal größer geworden und ihre Füße würden kaum mehr den Boden berühren. Gleichzeitig hatte sie das Gefühl, einen totsicheren Stand zu haben, so, als könnte sie nichts und niemand mehr umwerfen. Ein Gefühl der All-Macht durchpulste sie und ihr Blut schien plötzlich aus Brausepulver zu bestehen.

»Junge, Junge«, sagte sie, »wenn ihn das nicht wieder auf die Beine bringt, weiß ich auch nicht weiter«.

Zoë blickte in Mayas strahlendes Gesicht und begriff, dass diese nicht mehr an der Kraft der Steine zweifelte.

»Hier«, Maya bot ihr das Bündel an, »wollen Sie es auch einmal halten?«

Sie zögerte. Nicht, dass sie selbst Angst gehabt hätte, aber der Moment rückte näher, in dem sie Spider, der hilflos herumlag, einer unbekannten Kraft aussetzen würden. Mayas Reaktion fand sie auch nicht gerade vertrauenerweckend, eher fanatisch. Diese Frau schien etwas seltsam zu sein und sie verstand nicht, wie Spiders Beziehung zu ihr war. Die Verantwortung für sein Wohl und Wehe, möglicherweise sogar für Leben oder Tod, lag anscheinend bei ihr. – Wenn sie doch nur jemanden um Rat fragen könnte, dem sie ein klares Urteil zutraute! Die sonst so selbstsichere und entscheidungsfreudige Zoë fühlte sich in ihren Grundfesten erschüttert. Manchen Menschen fällt in so einer Situation ihr Vater ein, der helfen soll, aber Spider war es ja gerade, der hilflos im Krankenbett lag. Ihre Mutter? Die hatte sich den Herausforderungen ihres Lebens bislang nicht besonders mutig gestellt und sie würde jetzt wahrscheinlich die Hände ringen und wimmern: »Wie furchtbar, ach, wie furchtbar! Was sollen wir den jetzt nur tun?«

Immer noch unentschlossen griff sie nach der Socke, hielt sie fest, schloss die Augen, holte tief Luft … und sah im Geiste ihren Bruder vor sich. Auch er war nicht gerade eine Leuchte in vernünftigen Entscheidungen, aber immerhin besaß er ein gutes Urteilsvermögen, wusste meistens, was richtig war – ohne das dann jedoch zu tun. – Wenn sie ihn doch jetzt nur um Rat fragen könnte!

Als sie beim Ausatmen die Augen wieder aufmachte, stand sie vor ihrem Bruder und einer unbekannten Frau. Sonnenlicht blendete sie. Sie schloss die Augen sofort wieder, kniff sie zusammen, atmete noch einmal tief durch. Alles war ganz anders als zuvor in dem Krankenzimmer. Sie war draußen in der Natur, unter ihr grünes Gras und Wiesenblumen, über ihr mächtige Äste einer Eiche, die noch viel größer war als die größten neben dem Krankenhaus. Sie hörte Vögel zwitschern und Schafe blöken. All das nahm sie auch mit geschlossenen Augen wahr, konnte es nicht fassen: So etwas gab es doch nur in Science-Fiction-Filmen und diese Momente hatten ihr nie gefallen, weil sie ihr so ganz und gar unrealistisch erschienen. Ihr ganzer Körper kribbelte, sie warf die Socke auf den Boden, atmete schnell.

»Ich glaub, mir wird schlecht«, stammelte sie und schwankte. Ihr Bruder sah sie entgeistert an und konnte sie gerade noch auffangen, bevor sie zu Boden sank.

~ ~ ~​

Inga hob die Socke auf und roch daran.

»Ist es das, was du mit ›Stein der Weisen‹ meintest? Den Geruch habe ich mir ja ganz anders vorgestellt«, brachte sie, so ungerührt sie konnte und mit gerümpfter Nase, hervor. »Ich wollte, ich könnte das hier Maya zeigen, die steht auf sowas, die hätte bestimmt eine richtig schöne esoterische Erklärung dafür.« Sie blickte Tim und die ohnmächtige Erscheinung in seinen Armen erwartungsvoll an und musste dann entsetzt dabei zusehen, wie diese und die gesamte Umgebung sich in Nebel auflösten. Im nächsten Moment war sie in einem Krankenzimmer und stand vor ihrer Freundin.

»Maya! Was hat das zu bedeuten?« Sie hielt der Freundin die Socke unter die Nase.

~ ~ ~​

Derweil war Dirk nicht faul gewesen. Kurts Kumpel war ein ganz anderer Typ als er. Zwar fehlte es Dirk an körperlicher Kraft, dafür war er aber raffiniert und gemein und schreckte vor nichts zurück, lauter Eigenschaften, die Kurt fehlten, die in seinem Gewerbe aber sehr von Vorteil waren. Im Krankenhaus verfehlte der gewitzte Gauner Spider nur knapp. Am Empfang schickte man ihn zur Station 11B, auf der Spider nach Auskunft einer hübschen Krankenschwester aber nicht mehr lag. Mehr wollte sie nicht sagen. Datenschutz.

Dirk dankte und schlenderte zu den Fahrstühlen, wartete kurz, bis sich eine der Türen öffnete und blockierte sie mit einer Zigarettenschachtel. Er warf der fast leeren Schachtel noch einen bedauernden Blick zu und legte sich hinter einem nahen Pfeiler auf die Lauer. Bald schon eilte das hübsche Ding vorbei und ließ sich von ihm ohne nennenswerte Gegenwehr in den Fahrstuhl zerren. Er fuhr mit ihr in den Keller. Sie schien so schockiert zu sein, dass sie keinen Laut von sich gab und nur mit weit aufgerissenen Augen umherschaute. Umso besser. Dirk hielt mit seiner Linken ihren rechten Arm umklammert und öffnete eine Tür ohne Aufschrift in der Hoffnung, dass dahinter nicht die sprichwörtlichen ›Leichen im Keller‹ lauerten. Erleichtert stellte er fest, dass der Raum nicht stärker nach Desinfektionsmitteln roch als die übrigen Räumlichkeiten des Krankenhauses, in denen er gewesen ist und schubste die immer noch wehrlose Krankenschwester auf einen der Stühle, die dort herumstanden. Sie japste und starrte ihn an. Er ließ sein Klappmesser aufschnappen und teilte ihr mit, was er wissen wollte.

Bedauerlicherweise schien sie nicht mehr zu wissen als den Namen der verantwortlichen Ärztin, den sie leise und stockend hervorbrachte. Dirk hob ihr Handgelenk vor ihre Augen, so dass sie auf ihre Uhr sah und befahl ihr, mindestens eine halbe Stunde mucksmäuschenstill hier zu verweilen, wenn sie weiterleben und ihre Familie vor Schaden bewahren wollte. Und wehe, wenn er wiederkäme und sie säße nicht mehr hier.

Dirk fuhr wieder nach oben, schlenderte den Gang entlang, bis er die Ärztin erblickte, die er anhand ihres Namensschildes identifizierte. Schnell presste er eine Hand auf ihren Mund und zerrte sie in einen Raum, in dem Bettzeug und Handtücher lagerten. Sie zappelte und war schwer zu bändigen. Dirk zeigte ihr sein Klappmesser, sie hielt inne und er versprach ihr, ihr nichts anzutun, wenn sie sich fügsam verhielt. Nach ihrem zustimmenden Nicken nahm er seine Hand von ihrem Mund. Dirk freute sich, dass das Klappmesser und der gemeine Blick, den er des Öfteren vor einem Spiegel probte, ihre Wirkung nicht verfehlten. So teilte sie ihm stotternd, aber wortreich alles mit, was ihr einfiel, unter anderem, dass der Patient jetzt im Landeskrankenhaus sei. – Offenbar hing sie mehr an ihrem Leben als an dem des Patienten.

Anschließend verschnürte und knebelte er sie, denn ihm war klar, dass diese ›Wildkatze‹ Alarm schlagen würde, sobald er ihr den Rücken kehrte. Danach schritt er sehr selbstzufrieden und ohne Eile die langen Gänge des Krankenhauses entlang, durchquerte das Foyer und stieg draußen zu seinem Kumpel in den Wagen. – »Das war ja ein Kinderspiel«, stellte er freudig fest, »auf zum Landeskrankenhaus. Ich denke, da werde ich eine Knarre brauchen. Dort sind bestimmt alle versammelt. Du kannst wieder im Auto warten, dann richtest du keinen Schaden an. Sollst mal sehen, heute Nacht feiern wir unseren Erfolg!«

Das Krankenzimmer von ›Robert Weber‹ war schnell gefunden. An der Tür entsicherte er seine Waffe, schlüpfte, ohne anzuklopfen, in den Raum und zog die Tür leise hinter sich zu. Das Gerät, an das Spider angeschlossen war, piepte in regelmäßigem Rhythmus und zwei Frauen standen an seinem Bett. Seltsam, dass keine davon der Beschreibung entsprach, die Kurt ihm durchgegeben hatte: ›Scharfe Braut, so groß wie ich, lange rote Mähne‹. Egal.

»Keine falsche Bewegung! Her mit den Steinen!« brüllte er, denn er wusste wohl, dass der erste Eindruck entscheidend war.

Seine Worte und vor allem der Revolver in seiner Hand verfehlten nicht ihre Wirkung. Die beiden Frauen standen schreckerstarrt da, die Hände erhoben. Die mit dem Rollkragenpullover hatte der Schwarzhaarigen geschwind eine verknotete Socke weggenommen, hielt sie jetzt in der erhobenen rechten Hand. Alle anderen Hände waren leer, also ging Dirk davon aus, dass es um diese Socke ging. Er nahm sie mit Links an sich, während er mit der Waffe in der rechten Hand drohend herumfuchtelte.

»Keine falsche Bewegung, wenn ihr weiterleben wollt!«, rief er, um möglichen Missverständnissen vorzubeugen, aber beide sahen ohnehin sehr eingeschüchtert aus. Gut so!

Ich weiß zwar nicht, was hier abgeht, aber ich würde IHR zu gerne meine Beute zeigen und sie fragen, was das alles zu bedeuten hat, dachte Dirk und verschwand im nächsten Augenblick.

~ ~ ~​

Inga fragte mit zittriger Stimme: »Maya, was passiert hier? Wie bin ich hierher gekommen? Wie konnte dieser Typ auf einmal verschwinden? Bin ich in einen Fantasy-Film geraten? Gute Tricks, aber jetzt hab' ich erst mal genug davon!«

Maya starrte auf ihre rechte Hand, die nun leer war. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedankengänge, sie fühlte sich komplett überfordert von all diesem Wirrwarr und trotzdem war ihr klar, dass sie diejenige war, von der der nächste Schritt geplant werden musste. Sie war es, die die meisten Informationen hatte. Sie hatte die grenzenlose Kraft gefühlt, sie hatte gesehen, wie Zoë verschwunden war, und sie hatte gesehen, wie dieser kleine Gauner verschwunden war, und sie hatte gesehen, wie ihre Freundin, die eigentlich in Schottland sein sollte, plötzlich vor ihr auftauchte. Anscheinend konnte man die Steine in der Socke verwenden, um sich von einem Ort zum anderen zu wünschen.

»Inga, es ist unglaublich: Ich habe den Stein der Weisen gefunden!«

»Und wieder verloren«, stellte Inga fest.

»Einen, ja, aber es sind zwölf. Ich habe noch elf davon in meiner Hosentasche. Das darf niemand wissen. Ich wollte Spider, der einen Unfall hatte, heilen und habe erst mal mit einem Stein angefangen, weil ich nicht wusste, wie stark die Steine sind. Inga, es ist der Wahnsinn: Dieser eine Stein haut einen schon aus den Socken!«

»Buchstäblich, offenbar«, meinte Inga mit Blick auf Mayas linken Fuß, der ohne Strumpf im Slipper steckte.

»Ich brauche noch einen Quarz und einen Teelöffel. Damit lässt sich anscheinend die Kraft eines Steins aktivieren, um damit zu reisen. Vielleicht ja auch, um damit zu heilen.«

Inga kramte in ihren Hosentaschen, während Maya ihre verbliebene Socke auszog, dem Bettnachbarn von Spider den Teelöffel vom Nachtschrank klaute und dann ratlos im Zimmer umherblickte. Erleichtert und mit einem verwunderten Blick in Ingas Augen griff sie nach dem Quarz, den die Freundin ihr auf dem Handteller präsentierte wie eine Praline. Mit einem unsicheren Grinsen erklärte diese:

»Ich hatte den Eindruck, sowas haben zu müssen dort in Schottland. Um dazuzugehören, irgendwie.«

»Du bist unsere Rettung!« Wieder mischte Maya die Energien in der verknoteten Socke, achtete darauf, alles so zu machen wie beim ersten Mal und wieder fühlte sie die ungeheure Energie durch sich hindurchfließen. Sie verlor keine Zeit, legte die Socke sogleich unter der Bettdecke auf Spiders Bauch und beobachtete gespannt die Anzeigen auf dem Monitor.

Spiders Puls ging schneller, der Blutdruck stieg. Maya befürchtete, dass eine Schwester kommen würde. Dann normalisierten sich die Kurven auf dem Monitor wieder, die Herztöne, durch Piepen wiedergegeben, wurden langsamer, fast zu langsam. Spider lag einfach bloß da. Die beiden Frauen starrten ihn gebannt an.



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~ Weiter geht es mit Kapitel 12 in Leben (Fortsetzung) ~
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xavia

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Hallo Ahorn, wie schön, dich zu lesen! Hier hat sich inzwischen so viel verändert. Ich freue mich, dass du Lust auf mehr hast. Es gibt jeden Freitag eine Fortsetzung.
Liebe Grüße Xavia :)
 

ahorn

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Halo Xavier,

jetzt habe ich seinen Text zweimal durch und hohle meine Leselupe heraus.
Wie immer packst du deinen Leser mit einer spannenden Story. Erzählst, beschreibst das, was wichtig ist und lässt Nebensächlichkeiten weg. Lässt dem Leser Freiräume.
Leider – ich glaube, das hatten wir irgendwann bereits – führst du ihn nicht, verlässt den Ort, lässt ihn zurück. Erzählperspektive!
Und, na ja - Eigenheit von mir – :) die leeren „Vergleichs“-Adjektive.
Nebenbei, wenn ich irgendwo „ZU“ schreibe, dann heißt dieses, dass sich beim „Cpoy-Paste“ ein Zeilenumbruch eingeschlichen hat. ;)

Sie hatte sich in eine Ecke am Fenster des kleinen Cafés hingesetzt. Mitten im Trubel des Kommens und Gehens, der laut prustenden Espressomaschine und dem Stimmengewirr um sie her versuchte sie, sich klarzumachen, wie um alles in der Welt sie hier hergekommen war.
am Fenster in eine Ecke Wie viele Fenster hat das Café?
Klein? Spielt die Größe des Cafés eine entscheidende Rolle? Was ist groß, was ist klein? Stelle dir vor du kommst vom Dorf. Zwei Kneipen. Eine mit 5 Tischen, eine mit 10 Tischen. Welche ist die Kleine? Stelle dir vor du kommst wie Detlev Buck in seinem Erstlingswerk „Erst die Arbeit und dann“ in die Großstadt, welche Kneipe ist dann eine Große?

Als würde sie ihren inneren Aufruhr ...

..., wenn er nur wollte, aufschnappen könnte.
'Konnte' würde auch passen.

Niemand schien von der Frau im grauen KEIN KOMMA offenen Trenchcoat mit dem leicht fadenscheinigen Rollkragenpullover darunter und der schwarzen Jeans irgendeine Notiz zu nehmen.
Was ist leicht fadenscheinig?

Alle waren, wie sie selbst, ausschließlich mit sich selbst beschäftigt, emsig in ihren Tassen rührend, als könne man damit das, was einen umtrieb, aufräumen, die Chancen neu verteilen, die Karten aufs Neue mischen, irgendetwas Vergangenes ungeschehen machen. Und so rührte sie ihren mittlerweile schon recht abgekühlten Kakao um und um und versuchte, fast wie in Trance, den vielen scheinbar zusammenhanglosen, aber für sie so entscheidenden und alles verändernden, letzten Tagen eine neue Bedeutung zu geben, mit der sie wieder in Frieden leben könnte.
Verlangt es, dir dienen, Leser zu erschlagen. Die von dir wundervoll gewählten Worte, um die Ohren zu schlagen, ohne ihm Zeit zum Verweilen zu geben.
Alle waren, wie sie selbst, ausschließlich mit sich selbst beschäftigt. Emsig in ihren Tassen rührend, als könne man damit das, was einen umtrieb, aufräumen, die Chancen neu verteilen. Die Karten aufs Neue mischen, irgendetwas Vergangenes ungeschehen machen. Sie rührte ihren mittlerweile abgekühlten Kakao um und um. Fast wie in Trance versuchte sie, den vielen scheinbar zusammenhanglosen, aber für sie entscheidenden, alles verändernden, letzten Tagen eine neue Bedeutung zu geben, mit der sie wieder in Frieden leben könnte.

Die Tür ging auf und ein alter Mann mit einem Köfferchen trat ein.
Köfferchen???? Türchen, Tischchen.
Beschreibe die Größe.
Ein alter Mann mit einer Schachtel unterm Arm öffnete die Tür und trat hinein.

Die Angestellten hinter dem Tresen warfen einander bedeutungsvolle Blicke zu: Offensichtlich kannten sie ihn.
Den Sinn des Doppelpunktes verstehe ich nicht.
Die Angestellten hinter dem Tresen warfen einander bedeutungsvolle Blicke zu, als würden sie ihn kennen.

Er grüßte, trat in den Raum und sah sich um. – Suchte er jemanden?
Gedankenstrich? Wer denkt? Außerdem? Ist er nicht bereit eingetreten?
Er grüßte, sah sich um, als suchte er jemanden.

Manche blickten demonstrativ in eine andere Richtung, seit er den Raum betreten hatte. – Kannten sie ihn auch? –
Dito.
Er war mittelgroß und schlank, wäre nicht weiter aufgefallen.
Warum fällt es nicht auf, wenn er schlank ist?
Entweder Semikolon anstatt Komma oder ‚wirkte unauffällig‘ oder so.

Aber s sein Haar war weiß und erstaunlich voll für sein Alter , e PUNKTr hatte es zu einem Zopf zusammengebunden.

..., die man bei einem Mann seines Alters ZU

Inzwischen hatte er sich offenbar entschieden und ging zu der Frau im Trenchcoat hinüber.
Unterstellung des Erzählers. ;)

Bis hier haben wir eine Außensicht auf das geschehen. Daher würde ich hier einen Absatz spendieren.
Ab hier sind wir die Dame im Trenchcoat und das bleibt so lange, bis wir aufgefordert werden, sie zu verlassen.

„Natürlich“, krächzte sie unpassenderweise. Sie hätte eigentlich etwas ganz anderes sagen sollen, etwas lLockeres, l Lässiges. Etwa: „Klar, warum nicht“, aber dieses „natürlich“ purzelte aus ihren inneren, viel zu schnell ablaufenden, KEIN KOMMA Gedanken und Bildern, die die Ankunft dieses Mannes in ihr ausgelöst hatte.
‚Eigentlich etwas ganz‘ ein wenig zu viel des Guten. ;)

Sie hatte ihn bereits gebannt und wie paralysiert durch das große „ é “ des Wortes „ é f a C “, mit dem die leicht getönte Scheibe bedruckt war, beobachtet, wie er zielstrebig, federnden Schrittes, die Straße zum Café hinaufschritt.
Meinst du mit große „ é “ „E“, hast dich vertippt, oder den Buchstaben als solchen?

Schlagartig wurde ihr dabei bewusst, dass er ihr gefolgt sein musste, obwohl sie bereits einen Kontinent hinter sich und diesem ungeheuerlichen Abenteuer gelassen hatte ZU … aber warum ihr? Sie war in dem Spiel doch bloß … aber … natürlich! Es waren die Steine!
Gedankenstrich? Wer denkt? Sie denkt bereits.

Er hatte die Steine in dem Kasten! Das war es! ZEILENUMBRUCH „Natürlich“ KOMMA brachte sie also viel zu rau hervor und , dabei konnte sie ihren Blick kaum von dieser scheinbar harmlosen Spiele-Kiste wenden, in der sich im nächsten Moment die heiligen Steine zeigen würden, für die so viele Menschen schon ihr Leben gelassen hatten KEIN GEDANKENSTRICH und vielleicht noch lassen würden.
Kasten nicht mehr Köfferchen?
Für meinen Geschmack zu viele Ausrufezeichen, da verlieren sie ihre Wirkung.
...Spiele-Kiste wenden. In diesem Moment war sie sich sicher, dass in jener die heiligen Steine waren.
gelassen hatten. Lassen würden.
würde dramatischer klingen.

Sie Ihr fröstelte plötzlich es und kalter Schweiß begann, ihren Rücken hinabzulaufen. eine die Gänsehaut auf ihrem Arm ließ sie schaudern.

Für sie freudig und scheinbar ganz unbefangen schaffte er Platz auf dem Tisch zwischen Dekoration und Speisekarten und legte das Köfferchen dorthin ab.

. Der herbeigeeilten Kellnerin sagte er: „Einen Pott Kaffee und einen Cognac bitte.“ Als sie wieder weg war, raunte er seiner Gegenüber zu: „Lassen Sie sich nichts anmerken. Es stimmt, sie sind es.“
‚Seiner Gegenüber‘. Damit wechselst du die Perspektive, daher würde ich vor ‚Der herbeigeeilten Kellnerin‘ einen Absatz einfügen.

Mit flinken Fingern legte er die hellen und die dunklen Steine an ihre Plätze auf dem Spielbrett.
Schwarz und Weiß käme besser. ;)

„Haben Sie schon mal Backgammon gespielt? Es ist nicht schwer. Ich erkläre es Ihnen.“ Unauffällig blickte er sich um. Niemand schien Notiz von ihnen zu nehmen.
Wer ist in Aktion? Er. Daher hat es den Anschein, dass das ‚von ihnen zu nehmen‘ eher ein Gedanke von ihm ist, als eine Erklärung vom Erzähler. Perspektivwechsel?

Leise m Murmelte er:
Lautes Murmeln. :)

Lauter sagte er, als er die Kellnerin näherkommen sah:
Anstatt lauter könnest du ‚Mit erhobener Stimme‘ schreiben.

Seinen Kaffee hatte die Kellnerin noch nicht dabei, war anscheinend neugierig. – War sie auch eine von denen? Der Mann hat Nerven, dachte die Frau im Trenchcoat fast amüsiert.
Von wem kommt der Gedanke? ‚War anscheinend neugierig‘ ist eine Schlussfolgerung. ‚Dachte die Frau im Trenchcoat amüsiert‘. Sie. Damit kannst du auf den Trenchcoat verzichten, denn die Kellnerin ist sie nicht.
Gehen wir mal davon aus, dass du zuvor eine Außensicht hast:
Die Frau im Trenchcoat wandte sich der Kellnerin zu und wunderte sich darüber, weshalb diese nicht den vom ihm bestellten Kaffee servierte. War sie auch eine von denen? Der Mann hatte Nerven. Seine Kaltschnäuzigkeit amüsierte sie.

Wenn doch bloß Eins genügt entweder ‚doch‘ oder ‚bloß‘nicht alles so derart grotesk wäre, so unberechenbar.
Ein so reicht. ;)

Die Spielregeln, die er ihr mit Unschuldsmiene näherbringen wollte nahebrachte, ...
Er tat es bereits.

Klangen unter diesen Umständen wie eine Analyse der Geschehnisse der letzten Monate.
... die vielleicht nicht das ewige Leben ZU

Sie konnte sofort den Energiewechsel ZU

Und d Dann überschlugen sich die Ereignisse: Er blickte elektrisiert in Richtung Eingangstür: Eine junge Frau mit wallender ZUroter Mähne war eingetreten und guckte sich suchend um.
Was sollen die Doppelpunkte bedeuten?

Er sprang auf, griff seinen Rucksack und lief eilig eilte in die Nische der Garderobe, aber es war zu spät. Zielstrebig ZUkam sie auf ihn zu.
Welcher Garderobe?

... ehe sie noch reagieren konnte und hinaus auf die ZUStraße.

Sie stand fassungslos im Raum, sah die Frau an, die immer noch reglos vor dem Backgammon-Brett saß, dann blickte sie zur Tür, offenbar unschlüssig, was zu tun war.
Ich bin verwirrt. Ich weiß nicht mehr, wo ich mich befinde. Ich sitze weiterhin im Kopf der Frau im Trenchcoat. Woher weiß die, dass die andere fassungslos ist? Und dann. Dann schaue ich mich selbst durch die Augen der anderen an. Mir wird schwindelig.

Von draußen war ein dumpfer Aufprall zu hören.
Hilfe, wer bin ich. Jetzt bin ich der Erzähler.

Das Rennrad, das in Teilen auf der Straße gelegen hatte, wurde von Passanten beiseite geschafft.
Gelegen hatte, bevor es beiseitegeschafft wurde?
Das Rennrad, das in Teilen auf der Straße lag, schafften Passanten beiseite.
Damit umgehst du gleich ein unnötiges Passiv. ;)

Den Verletzten wagten sie nicht zu bewegen, erste Autos fuhren drum herum, einige ZULeute sprachen aufgeregt in ihre Handys, andere machten Fotos oder Filme.
‚Den Verletzten wagten sie nicht zu bewegen‘, Mutmaßung, vielleicht hatten sie einfach kein Bock. ;)
Drum herum? Ums Fahrrad?

Die Rothaarige rannte zu dem Mann am Boden:
Sprach am Boden?
Die Rothaarige rannte zu dem auf dem Boden Liegenden, sprach ihn an:

Von Ferne konnte man schon die Sirene eines Rettungswagens hören, ...
Obwohl ‚konnte man hören‘ nicht gerade toll ist.
Von Ferne erklangen, schallten, ...

„Vorsichtig! Er könnte innere Verletzungen haben. Gleich kommt Hilfe. Das wird schon wieder. Das sieht bestimmt schlimmer aus, als es ist.“
Wer sagt das?

ABSATZ Die Frau im Trenchcoat saß immer noch weiterhin im Café. Sie hatte den Vorgang durch das Fenster beobachtet.

..., was zu tun war PUNKT Sie ließ den Spielekasten mit ... warf einige Euros auf den Kaffeetisch, ZU

Sie wandte kurz den Blick zur Unfallszene und hatte beinahe die innere Gewissheit, dass er - als Profi, der er war - KOMMA diesen Zwischenfall inszeniert hatte.

PUNKT Schluss jetzt! Sie musste die Steine in Sicherheit bringen.

Sie rannte los und KOMMA lief um ihr Leben.
Liebe Grüße
Ahorn
 

onivido

Mitglied
Spannend. Leider kann ich keine Anregungen geben, weil ich sehr mit der deutschen Sprache hadere, Ich warte auf die Fortsetzung.
 

ahorn

Mitglied
Liebe Xavia,
ich bitte zu entschuldigen, obwohl es nicht passieren darf. Dein Nickname bleibt Xavia, finde ich auch schöner als Xavier. :rolleyes:
 

xavia

Mitglied
Lieber Ahorn, danke für deine ausführlichen Kommentare; da werde ich ja bis Freitag gut zu tun haben. Ich stimme nicht in allen Punkten zu aber in einigen schon und werde mir den Text noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen.
Dank auch für deinen Kommentar, onivido. Du siehst ja an Ahorns Kommentaren, dass wir uns auch mit der deutschen Sprache auseinandersetzen o_O
Liebe Grüße euch beiden und: Die Fortsetzung kommt bestimmt.
Xavia.
PS: Witzig, dass du das mit meinem Namen gemerkt hast, während ich schreibe. Es sei dir noch einmal verziehen ;)
 
Zuletzt bearbeitet:

xavia

Mitglied
Lieber Ahorn, ich habe viele deiner schönen Formulierungsvorschläge (vielen Dank dafür) eingebaut und die Erzählperspektive gründlich überarbeitet. Ich hoffe, dass dieses Kapitel nun insgesamt aus Mayas Perspektive erzählt ist, werde versuchen, nur noch kapitelweise zu wechseln.
Ein Einwand von mir: Ich meinte, dass ein mittelgroßer schlanker Mann nicht groß, nicht klein, nicht dick, nicht dünn ist und daher nicht auffällig. Ich hoffe, dass ich jetzt eine bessere Lösung gefunden habe für seine Beschreibung.
 

ahorn

Mitglied
Leider konnte ich nur die ersten zwei Absätze lesen, da die Zeit, die mir verblieb zu gering, zu knapp, um den Rest zu genießen.

Xavia. Großes Kino. ;)

Liebe Grüße
Ahorn

PS.: Morgen genieße ich alles.
 

xavia

Mitglied
Kapitel 4 ist online. Letzte Woche ist es etwas spät geworden, aber heute läuft es wieder wie geplant.
 

ahorn

Mitglied
Hallo Xavia,

schade, dass man bei der ‚neuen‘ LeLu einen Kommentar absetzen muss, damit die Leser erfahren, dass es weitergeht.
Ich habe jetzt eine Menge zu lesen.

Ein paar Ideen werfe ich dir hinüber.




Inga hörte Vögel zwitschern und stutzte: In ihrer Mansardenwohnung in Berlin hörte sie nie Vögel zwitschern.
Doppelpunkt? Klar, du möchtest den Leser anzeigen, dass Inga nicht nur hört, sondern denkt, allerdings würde ich in diesem Fall, wenn überhaupt Kursivschrift nehmen.

Träge wälzte sie sich auf die andere Seite und wunderte sich erneut: Da lag jemand neben ihr im Bett!
Träge? Wie wäre es mit behäbig?
Doppelpunkt. Dito.

Sie war nicht in ihrer Mansardenwohnung, s Sie war überhaupt nicht in Berlin.
Damit kommt die Abwesenheit besser zum Ausdruck. Krux. Dreimal ‚sie‘.
Mögliche Lösung:
Sie war nicht in ihrer Mansardenwohnung. Sie war überhaupt nicht in Berlin; war in einer Wohngemeinschaft, die eine alternative Lebensform suchte.
Eine Frage bleibt. Suchen sie eine andere Lebensform, oder leben sie diese? Ist es nicht eher ein Lebensmodell?

Sie wohnten / hausten irgendwo in Schottland . Eigenes KOMMA bautenGemüse , eigene an, hielten Nutztiere , An das gemeinsame Meditationen Meditieren und , die Gottesdienste , freie Liebe hatte sie sich gewöhnt / angepasst.
Fortsetzung der Alternative folgt. ;)

Letzteres fand sie extrem gewöhnungsbedürftig, war es doch bisher immer [italic]ihre[/italic] ihre Entscheidung gewesen, neben wem sie morgens aufwachte.
Letzteres fand sie Allerdings empfand sie die freie Liebe als extrem gewöhnungsbedürftig, war es doch bisher immer ihre Entscheidung gewesen, neben wem sie morgens aufwachte.
Achtung Widerspruch!
‚Freie Liebe‘ – bisher immer ihre Entscheidung gewesen, neben wem sie morgens aufwachte.

Hier fand niemand etwas dabei, sich nachts ein Bett zu suchen, in dem noch Platz war.
Niemand fand etwas dabei, sich nachts ein Bett zu suchen, in dem Platz war.
Betone das ‚niemand‘ nicht das ‚hier‘, dass es ‚hier‘ also ‚dort‘ ist, weißt der Leser.

Die blonden Locken des Typen neben ihr kamen ihr vom Abendessen her bekannt vor : PUNKT Sie grübelte: Timo oder Tim? Er war ein Freund eines Bewohners dieses Anwesens und wollte hier das Wochenende verbringen , SEMIKOLON war gestern angekommen.
Seine gute Laune und Selbstgefälligkeit hatten sie spontan abgeschreckt und sie hatte nicht weiter auf ihn geachtet.
Gute Laune. Was ist das für ein komischer Orden? Lachen verboten. ;)

Jetzt war sie schon gar nicht in der Stimmung für Kontakt und drehte sich wieder auf die andere Seite.
Huch! Da sind wir bei meinem Lieblingsthema: Inflationäre Verwendung von Steigerungen, oder kurz gesagt, wie aus einem probaten Mittel ein Füllwort wird.
‚Schon gar‘
Der Satz verliert keine Stärke ohne diese zwei Wörter. Sie Aussage ist klar. Jedoch verlieren diese Wörter ihre Wirkung, wenn man sie zu oft benutzt. (Leider trifft dies auf viele Texte zu, sodass man glauben muss, dass ‚nicht‘ ohne ‚gar‘ nicht existieren kann.)
Wenn steigern, dann seltener und voll auf die zwölf.
Jetzt war sie nicht, gar nicht in der Stimmung ....

Na, prächtig – s AUSRUFEZEICHEN Sie hatte die Wahl zwischen blonden Locken auf der einen und gelbem Wuschel auf der anderen Seite.

Hoffend, dass der Mensch am frühen Morgen mehr Zurückhaltung üben würde übte / an den Tag legte als der Hund drehte sie sich noch einmal um und blickte in ein fröhliches und für ihren Geschmack viel zu waches Gesicht : PUNKT

Oh weh, eine ganze Lebensgeschichte vor dem Frühstück! Sie bereute, dass sie sich nicht für die gelben Wuschel und die raue Hundezunge entschieden hatte KOMMA und antwortete konfliktvermeidend: »Ich heiße Inga. Du kannst mich ›schöne Frau‹ nennen, wenn du willst.« ZEILENUMBRUCH dann flüchtete sie ins Badezimmer.

Hach, so eine heiße Dusche war doch eine Wonne!
HACH, ZACK ZACK, HOPPLA, zu viel Comic genossen? ;)
Klassisch:
Hach, so eine heiße Dusche war doch eine Wonne, dachte sie sich.
„Hach, so eine heiße Dusche war doch eine Wonne“, murmelte / flüsterte sie.

Modern:
Sie schloss ihre Augen. KURSIV: Hach, so eine heiße Dusche war doch eine Wonne!
Nüchtern:
Eine heiße Dusche war für sie eine Wonne

Gut für sie, dass diese Ökos sich nicht für die ›natürliche‹ Variante eines Eimers mit kaltem Wasser, der im Garten aufgehängt ist war, entschieden hatten.
Du hast zwar ‚natürlich‘ in Anführungszeichen gesetzt, allerdings, was ist an einer Dusche im Haus ‚ unnatürlich.
Primitiv, schlicht, bescheiden.

Gesehen werden wollte sie auf keinen Fall bei sowas. SEMIKOLON oder es passtepasste irgendwie nicht hierher.
Aber die Stimmung, die in ihr lauerte und drohte und gerade mal kurz durch das Duschen zurückgedrängt worden war, passte ebenso wenig in diese ›heile Welt‹.
Aber die Stimmung, die in ihr lauerte, drohte, die das Duschen kurzzeitig zurückgedrängt hatte, passte gleichfalls nicht in diese ›heile Welt‹.

Also ging sie die Treppe hinunter, lief leichtfüßig mit einem extra-fröhlichen »morning« durch die geräumige Wohnküche mit den selbst gezimmerten Möbeln, in der einige beim Kräutertee saßen.
Das ‚also‘ passt irgendwie nicht. (Dennoch / trotzdem)
Lief leichtfüßig. Floskel!
Abgesehen davon habe ich ein Problem damit, wie man es mit einem extra-fröhlichen »morning« dieses vollführt. Können ihre Füße sprechen? Oder läuft sie auf ihrer Sprache.

Momente wie diesen vorhersehend hatte sie [bereits eine fertig fabrizierte Zigarette vorrätig,...

Sie hatte Sehnsucht nach zu Hause. Dieser Ort war ihr gar zu heiter und die Leute waren gar zu lieb zueinander. Aber sie hatte sowas ja nun einmal kennenlernen wollen.
Ein ‚gar‘ kannst du dir sparen.

›Seinen Horizont erweitern‹ nannte man das, ›Selbstfindung‹. Ihre Freundin war schon oft hier gewesen, hatte begeistert davon erzählt.

Dann schnäuzte sie sich die Nase und atmete tief durch.

Eine ganz neue Inga werden mit neuen Ideen und neuen Plänen.


Die frische Luft tat ihr gut und das Essen schmeckte phantastisch und PUNKT heute Nachmittag würde sie zu einem Vortrag gehen,...

– was Maya wohl gerade tat?
PUNKT Was Maya gerade tat?

..., wieso sie ihr nicht beistehen konnte in ihrer Trauer, sie hatte nur gesagt, ...

Tat es ja auch, ... Vielleicht sollte sie die Gelegenheit nutzen, sich hier das Rauchen abzugewöhnen.

Das wäre ja schon mal immerhin eine Maßnahme. Dann brauchte sie die Reserve-Zigarette nicht mehr, die sie gerade gedreht hatte. KOMMA dann konnte sie sie ebenso gut jetzt gleich rauchen. Gedacht, getan. Sie steckte sie an der Kippe an und überlegte, wie es wohl wäre sei, wenn das ihre letzte Zigarette wäre.

Der Rest von diesem Kapitel folgt.
Alles in allem eine extrem interessante Geschichte. ;)

Liebe Grüße
Ahorn
 

xavia

Mitglied
Hallo Ahorn,

wie schön, dass du wieder da bist! Ich dachte schon, du hättest die Lust verloren. Ich werde morgen ein extra kurzes Kapitel anhängen, damit du aufholen kannst, wollte erst zwei veröffentlichen.

Hab Dank für deine Kommentare und für das Lob am Ende, ich werde sogleich versuchen, das alles zu verarbeiten und ggf. umzusetzen.

Schlimm: Du scheinst etwas gegen Doppelpunkte zu haben; ich hingegen liebe sie, weisen sie doch darauf hin, dass gleich noch etwas kommt, das mit dem Bisherigen etwas zu tun hat, dieses erläutert.

Liebe Grüße Xavia.
 

xavia

Mitglied
Hallo Ahorn, jetzt habe ich deine Vorschläge eingebaut. Vieles habe ich übernommen, danke :)
Zu einigen Stellen will ich noch etwas sagen. Mist, das mit dem Zitieren finde ich extrem unhandlich. Ich mache die Zitate mal farbig.

Doppelpunkt? Klar, du möchtest den Leser anzeigen, dass Inga nicht nur hört, sondern denkt, allerdings würde ich in diesem Fall, wenn überhaupt Kursivschrift nehmen.
Kursivschrift würde ich nehmen, wenn es wörtliche Denke wäre, ist es aber nicht. Ich weiß, du magst keine Doppelpunkte, aber dieser ist aus meiner Sicht unverzichtbar, weil er ankündigt, dass der Grund für Ingas Stutzen noch kommt.

Träge? Wie wäre es mit behäbig?
Doppelpunkt. Dito.

Kursiv geht hier auch nicht, ebenso wie oben. Träge kann auch eine schlanke Person sein, die noch nicht ganz wach ist. Behäbig ist eher für eine Dicke passend, finde ich.

Eine Frage bleibt. Suchen sie eine andere Lebensform, oder leben sie diese? Ist es nicht eher ein Lebensmodell?
Ja, Lebensform ist da unpassend, klingt nach ET ;). Lebensmodell passt eher, ist mir aber nicht geläufig. Wie findest du meine neue Formulierung? Allerdings habe ich noch einen Doppelpunkt unterbringen können ;)

Oh weh, eine ganze Lebensgeschichte vor dem Frühstück! Sie bereute, dass sie sich nicht für die gelben Wuschel und die raue Hundezunge entschieden hatte KOMMA und antwortete konfliktvermeidend: »Ich heiße Inga. Du kannst mich ›schöne Frau‹ nennen, wenn du willst.« ZEILENUMBRUCH dann flüchtete sie ins Badezimmer.
Hier kann ich dir nicht folgen. Ich meine, das Komma ist da nicht nötig, vielleicht sogar falsch. Der Zeilenumbruch trennt eine Aktion von Inga in zwei Teile, die aus meiner Sicht zusammengehören.

Du hast zwar ‚natürlich‘ in Anführungszeichen gesetzt, allerdings, was ist an einer Dusche im Haus ‚ unnatürlich.
Primitiv, schlicht, bescheiden.

Inga benutzt ›natürlich‹ hier als eine Art Schimpfwort, weil das ›zurück zur Natur‹ ihr Bequemlichkeiten nimmt. In diesem Sinne ist eine Dusche im Haus nicht ›natürlich‹.

Aber die Stimmung, die in ihr lauerte, drohte, die das Duschen kurzzeitig zurückgedrängt hatte, passte gleichfalls nicht in diese ›heile Welt‹.
Ja! Super, danke.

Ein ‚gar‘ kannst du dir sparen.
Sei mir nicht böse, ich habe sie nun auch noch kursiv gemacht, die ›gar‹. Meinst du nicht, dass auf diese Weise ihr Überdruss deutlicher wird?

..., wieso sie ihr nicht beistehen konnte in ihrer Trauer, sie hatte nur gesagt, ...
Das wären mir dann zu viele ›sie‹.

Tat es -ja- auch,
Ich meine, das ist nicht dieselbe Aussage, wenn das ›ja‹ wegfällt. Das sagt man bei uns so, wenn man einräumt, dass jemand Recht hat.

Die vielen Zustimmungen spare ich uns, noch mal vielen Dank für deine guten Vorschläge.
 

ahorn

Mitglied
Mit gemeinsamen Meditationen und Gottesdiensten hatte Inga sich schon arrangiert,
Da fehlt, glaube ich, ein bestimmter Artikel.
"Mit den ..."
besser wäre vielleicht sogar:
"An die ..."

Du scheinst etwas gegen Doppelpunkte zu haben
Nö! Nur, wie du sie anwendest, ist für mich gewöhnungsbedürftig. ;)
Ich meine, das ist nicht dieselbe Aussage, wenn das ›ja‹ wegfällt. Das sagt man bei uns so, wenn man einräumt, dass jemand recht hat.
Jo! Bai ons og. :)
Jedoch bedenke, das ist "Spreche" und sicher in wörtlicher Rede angebracht, aber - das ist meine Ansicht - sollte man sich im Erzähltext, egal, ob Gedanken oder nicht, es sich zweimal überlegen - erst recht mit der Kombination mit 'auch'. ;)
Allerdings gilt hier wie überall, es sollte dir gefallen. :)
 

ahorn

Mitglied
Hallo Xavia,

Der Text spricht für sich. Mystisch. Das mag ich. ;)
Vorweg:
Hast du vielleicht überlegt, den Rückblick in der ersten Person zu schreiben?

Um Zeit zu sparen, habe ich diesmal, auf die Zitate verzichtete. Ich hoffe, dass du nichts dagegen hast. (Grün: Idee, Blau: Aua. ;))

Wirklich prickelnd fand er das Thema aber nicht.

Irgendwie war er immer noch weiterhin / nach wie vor angepisst, weil die Frau ihn so derart / dermaßen hatte abfahren lassen. Wozu war er überhaupt hier? Ja, okay. Er erinnerte sich an das kleine mickrige Nest, in dem er vor ein paar Tagen Rast gemacht hatte. Es gab dort einen kleinen unscheinbaren / bescheidenen / kärglichen Markt. Jetzt, wo er sich daran zu erinnern versuchte, entstand das Bild wieder ganz deutlich vor seinem inneren Auge.

Der leckere Duft von gegrilltem Fleisch und selbst frisch gebackenen Steinofenbroten lockt ihn an.

Plötzlich packt ihn ein Bauerntölpel am Arm und schleudert ihn mit einem kurzen raschen / flinken Ruck auf den Boden.

– nö Nein – vielleicht Ausrufezeichen. So weit geht seine Sympathie denn doch nicht.

Er setzt sich etwas abseits , eine dicke Eiche im Rücken (Wirkt runder),auf eine Steinmauer, blinzelt im ins (wenn du diese Floskel meinst) Nachmittagslicht und beobachtet wenig interessiert ohne Interesse das Treiben auf dem kleinen (Hat der Leser bestimmt nicht vergessen. ;)) Markt. Dabei denkt er über sich und die Welt nach – besonders über sich natürlich. Plötzlich bemerkt er einen kleinen popligen Stand, der fast schon beinahe / soeben noch (oder gleich: abseits) außerhalb des Marktes platziert ist In dieser Logik war. Alternative: aufgebaut war, oder schlicht stand, als sei der gerade erst dort entstanden. Es macht ihn neugierig, was wohl jemand verkaufen will verkauft, der sich so wenig in den Vordergrund drängt, wie das alte Mütterchen.

Als er nahe genug ist, erschrickt er , denn PUNKT (Das ‚denn‘ sowie ‚plötzlich‘ erschließt sich aus dem Kontext) Die Alte dreht sich plötzlich zu ihm um, sieht ihn mit durchdringenden, blitzenden Augen an und fragt ohne jede Einleitung, ob sie ihm ein paar wichtige für ihn bedeutsame Dinge sagen dürfe.
Mein Gott! Was ist das denn für eine? Er schaut verdattert auf die Eierpappen und die drei Bund Petersilie, die vor ihr auf dem Tischchen liegen und kombiniert, dass die Waren wohl nur eine Art Alibi-Funktion haben.

Dort war auch jedes Mal eine Wahrsagerin am Werk gewesen.

Sein Vater hatte sich niemals eine solche Gelegenheit entgehen lassen, trotz der Proteste seiner Mutter, die ihn immer zurückgehalten hatte, wenn er neugierig seinem Vater folgen wollte.
In dem Satz steckt ein Wurm. Ich gehe davon aus, dass du diesen findest. ;)

Das hatte ihn damals nicht sonderlich gestört, es gab auf einem Rummelplatz ja wesentlich interessantere Dinge für einen Jungen.

Plötzlich Unverhofft sind seine Kindheit und sein Vater ihm sehr nah. Ihm ist irgendwie merkwürdig zumute: Welche Weisheiten sein Vater wohl damals mit auf den Weg bekommen hatte? Hatte eine dieser Frauen ihm ein aufregendes Schicksal prophezeit? Und FRAGEZEICHEN hatte es ihm genützt?

Plötzlich stürzt eine Unmenge an Fragen in seinen Sinn.
Unmenge von Fragen stürzten auf ihn ein.

Er hatte sich immer verkniffen, an seinen Vater zu denken, dem seine Mutter in all den Jahren niemals verziehen hatte , dass er PUNKT An ihn, der Haus und Hof verließ, um irgendsoein Abenteurer zu werden und sich fortan ›Spider‹ zu nennen. Er hatte dieses Kämmerchen in seinem Inneren , aus Rücksicht zur Mutter,stets verschlossen gehalten.


Liebe Grüße
Ahorn
 

ahorn

Mitglied
Ein Nachschlag:

Das Loch an Eilean ›leicht‹ zu finden, denn jeder in der Gegend kannte den See. Aber dann KOMMA dann, (Dopplung käme an der Stelle gut. ;)hatte Terreverde sich durch die unwegsame Waldlandschaft kämpfen müssen. Zwei Tage lang war er um das Loch herumgewandert die angrenzenden Wälder durchkämmt, hatte all seine Vorräte aufgebraucht, während er, bevor er endlich die ersten Hütten entdeckt hatte]. Die Gebäude der kleinen Gemeinschaft verschmolzen geradezu mit der Umgebung, fielen , selbst das Haupthaus, kaum auf , nicht. nur das Lachen auf dem Platz davor hatte ihm schließlich den Weg gewiesen.
Aber Nun war er hier und abgesehen davon, dass er wirklich, wie die Alte gesagt hatte, am Wochenende hier eingetroffen war, fand er alles viel weniger abenteuerlich als erhofft. Was sollte er bis zum Vortrag tun? Vielleicht konnte er die Frau, mit der er die Nacht verbracht hatte, finden und einfach mit ihr sprechen, damit sie ihren Irrtum einsah. Vielleicht ging es das erste Mal in seinem Leben nicht darum, Frauen ins Bett zu kriegen – belustigt stellte er fest, dass die Bettszene ja schon bereits hinter ihnen lag –, sondern … ja, um was denn bloß? Was gab es denn sonst noch hier?

Er war gerade Gerade? Hatte sie nicht die Nacht mit ihm verbracht? erst angekommen und hatte sich doch eigentlich ganz freundlich verhalten. Er hatte den obligatorischen Annäherungsversuch gemacht, den Frau von einem Mann erwarten konnte, der neben ihr geschlafen hatte KOMMA und er hatte diesen nicht weiter verfolgt, als er ihre schlechte Laune bemerkt hatte. im Kontext des Satzes ist das Verfolgen vorm Bemerken vielleicht war er gar nicht so übel. Außerdem war er nicht so ganz [color=Green ]derart?[/color] öko wie die anderen hier. Sollte sie ihm noch Wieviele hat sie ihm bereits geben? Soweit ich weiß keine. eine Chance geben? Maya würde das Schicksal entscheiden lassen. Ein Versuch konnte nicht schaden. Sie sah zu ihm hinüber und verabredete mit sich, dass er seine Chance bekäme PUNKT wenn er sie hier oben im Geäst entdecken würde , ihr zuwinken, was nicht wirklich leicht nicht wirklich leicht = extrem schwer / schwierig / problematisch war, denn sie saß hoch oben in der dicht belaubten Krone so hoch wie sie geklettert war und so dicht wie der Baum belaubt war. Würde er ihr zuwinken, dann würde sie zurückwinken. Wenn nicht, war er für sie gestorben.

Terreverde versuchte es erst einmal mit dem Garten.
Mit dem Garten? Was versucht er mit diesem?

Na mal sehen … Viel war hier ja nicht los.
„Na mal sehen … Viel ist hier ja nicht los“, flüsterte / murmelte er.

Alles recht übersichtlich. Der Satz bringt nichts.

Er sah hinüber zu einer riesigen hochgewachsenen / ausladenden Eiche, ...
Lachend er lachte, spähte er in die obere Baumetage hinauf, »die schöne Frau Inga.« und Er winkte, was das Zeug hielt, denn er freute sich wirklich sehr, sie wiedergefunden zu haben.

Er einmal gut für heute. ;)

Liebe Grüße
Ahorn
 

ahorn

Mitglied
Hallo Xavia,

hatte gerade ein paar Minuten.


Inga wäre vor Schreck fast beinahe vom Baum gefallen: Das war doch nur so ein Gedanke gewesen. Niemals hätte sie gedacht, dass er sie wirklich hier oben entdecken würde. Etwas zaghaft zögernd / zögerlich / unsicher / verhalten winkte sie zurück: »Na, auch hier?«

Auf jeden Fall hatte er total kein / null Bock darauf, den heutigen Vormittag nicht allein zu verbringen. Ihm dämmerte, dass Geheimnisse sich viel besser in Gemeinschaft lösen lassen. Uih. „Uih“, pfiff er. das war doch schon mal immerhin / auf jedem Fall ein Ansatz, auf den er seine weitere Suche aufbauen konnte!

Obwohl sie meinte, die Antwort zu kennen KOMMA und zweifelte, dass sie eine ehrliche Antwort bekommen würde, fragte sie, während sie auf den Schotterweg zugingen, der vom Grundstück herunterführte:
Mal auseinander dröseln. ;)
Obwohl sie meinte, die Antwort zu kennen, zweifelte sie daran, von ihm eine ehrliche Antwort zu bekommen. Trotzdem fragte sie ihn, während sie auf den Schotterweg zugingen, der vom Grundstück herunterführte:
Hast du das gemeint?

Donnerlüttchen, dachte er, die Frau geht ja gleich ans Eingemachte! Laut sagte er, nachdem sie einen schmalen Spazierweg, der von der Anlage gottweißwohin führte, erreicht hatten:
Noch so’n Ei. ;)
Donnerlüttchen, dachte er, die Frau geht ans Eingemachte, blieb ihr jedoch eine Antwort schuldig. Erst nachdem sie einen schmalen Weg, der von der Anlage führte, erreicht hatten, sprach er:

Und da er lieber schnell die kleine Lücke nutzen wollte, die nach seiner Eröffnung entstanden war, gestand er ihr fast die ganze Geschichte mit dem Mütterchen auf dem Markt. Das vorangegangene Potpourri mit dem Mädchen ließ er natürlich aus. Das tat ja fast nichts zur Sache – wenn man von der Tatsache absah, dass er ohne das Gerangel das Mütterchen gar nicht angesprochen hätte.
Wird’s jetzt ein Märchen?
Er erzählte ihr die Szene / Story / Geschichte von der Alten auf dem Markt.
Das genüg. ;)

»Na«, stieß er einigermaßen (einigermaßen???) atemlos hervor, »was sagst du dazu?« In den Augenblicken, die nun folgten, hatte er ziemlichen Bammel, dass sie ihn jetzt für völlig spinnert (wenn er süddeutscher ist okay ansonsten: irre / schrill ... halten könnte hielt (Möglichst im Indikativ bleiben). Er hörte recht lange nur das leise Rascheln der Gräser und Kräuter, die sie beim Laufen Gehen berührten.

Sie identifizierte die beiden Spaziergänger wohl als potentiell feindliche Eindringlinge in ihre grüne Welt.
Brauchst du diesen Satz?

Sie hatte ja schon bereits alles verloren. In so einem Fall einem Fall wie diesem war schonungslose Ehrlichkeit das Einfachste.

Liebe Grüße
Ahorn
 

ahorn

Mitglied
Hallo Xavia,

hier kommt der Rest. ;)

»Wiedergeburt, soso.« KOMMA sagte Inga und lugte vorsichtig durch ihre wirren schwarzen Strubbelhaare zu ihm hinüber. Er war genau der Typ, vor dem Mütter ihre Töchter warnten KOMMA und sie hatte nicht vor, ihm in die Falle zu tappen, auch wenn sie zugeben musste, dass er verdammt gut aussah. Aber er wusste das offensichtlich bestimmt und war daran gewöhnt, dass die Frauen ihm zu Füßen lagen. so einfach würde sie es ihm nicht machen. Sollte der hier doch eine ganz neue Erfahrung machen dürfen, ...

»Du meine Güte, nein«, stieß er in mit ehrlicher Entrüstung hervor.

Es war doch wirklich zum Mäusemelken! schnell zügig, rasch, flugs hatte er sich aber wieder gefasst.

Ein kurzer Seitenblick gab ihm Mut, noch ein wenig weiter auszuholen.

Inga war sich nicht sicher, ob sie davon reden durfte, entschied dann aber, dass sie diese Mission ihrer Freundin, wie so viele Missionen in der Vergangenheit, nicht ernst nehmen musste.

»Weißt du, mit welchem ›Verrückten‹ deine Freundin auf und davon ist?« KOMMAfragte er, einer plötzlichen Eingebung (Eine Eingebung ist plötzlich, sonst wäre es keine. ;)) folgend. Er musste plötzlich schallend lachen:

Er schaute mit einem strahlenden Lächeln und blitzenden blauen Augen gewinnend zu ihr hinüber.
Bitte nicht!
Er schaut mit einem Lächeln, das strahlt, wobei seine Augen blitzen, und er gewinnt.

»Das ist gar nicht mal so abwegig, wenn man bedenkt, dass es ja gar so viele völlig Verrückte nicht gibt« KOMMA stellte Inga sachlich fest, ...

Aber das erschien ihr an so einem spirituellen Ort wie diesem unklug.

... erinnerte sich Inga nachdenklich Wie sollte sie sich sonst erinnern..


Bin gespannt, wie es weitergeht.

Liebe Grüße
Ahorn
 

xavia

Mitglied
Hallo Ahorn, du bist unermüdlich, ich freue mich sehr und finde keine Superlative mehr für die Dankbarkeit, die ich empfinde. Ein Überfliegen deiner Kommentare zeigt mir, dass ich vieles umsetzen will. Vor allem die erste Person beim Rückblick. Darauf bin ich tatsächlich gar nicht gekommen, denke aber, das funktioniert, besser.
Hätte nie gedacht, dass mir, der Schmäherin von Füllwörtern, selbst soo viele passieren.
Ja, mit den farbigen Kommentaren bin ich mehr als einverstanden, das neue Design nervt und der damit verbundene Ablauf noch mehr.
Liebe Grüße Xavia.
 



 
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