"Du bezeichnest Dich als Realisten und möchtest im gleichen Atemzug die Liebe verstehen und auch verschenken. Hier ist das Verständnis von Liebe eine andere als nur Augenblickaufnahme.
Liebe versteht alles und ist auch dumm, da sie auch unsinnige Sachen in Kauf nimmt. Als Realist hat man dann den Vorteil, sofort seine Ablehnung zu zeigen, denn eine durchdachte Liebe, die gefühlvoll sein soll ist keine wahre Liebe, sondern nur eine nüchterne Gedankendurchführung. Liebe kann nicht geplant werden. Das ist dann nur die sogenannte Chemie, darauf hat man keinen Einfluss."
Liebe ist keine Augenblickaufnahme; Verliebtsein ist Augenblickaufnahme. Liebe ist nicht einfach nur da. Liebe ist definitiv nicht nur Chemie (fühlst du Schmetterlinge im Bauch, wenn du deine Mutter oder deinen Bruder triffst?). Man hat Einfluss auf Liebe, denn man hat ihn ja auch auf sich. Etwas, was alles versteht, kann zugleich niemals dumm sein; es nimmt auch keine unsinnigen Sachen in Kauf. Liebe ist Arbeit. Liebe kämpft und ackert. Liebe evolviert sich und die Liebenden. 'Wahre Liebe' - ein Schlagwort, mehr nicht. Liebe ist individuell, immer anders und kann nur 'wahr' in einem spezifischen Sinne sein, nämlich in folgendem: Sie heilt, hilft, stärkt, fließt, sprießt und lebt. Wer redet von einer durchdachten Liebe? Nein, ich rede von einer denkfähigen Liebe, eine Liebe also, die Freundschaft und Eros involviert, die umfassend, allumfassend beinah, strebt nach mehr. Wie der Mensch sich entwickelt und entwickeln muss, so muss dies auch die Liebe; schließlich ist Liebe keine Stagnation, kein greifbares Ding, kein Etwas - sie ist Gefühl, doch niemals dummes Gefühl. Liebe macht nicht blind. Liebe macht sehend - ansonsten ist sie nicht als Liebe zu bezeichnen. Wiederholend empfehle ich Fromms kleine Abhandlung zu eben diesem Thema.