Arno Abendschön
Mitglied
Damals in der Oberschule gab es eine spezielle Art von Aufklärung, die man im Rückblick sich gern erspart hätte. So schweifte die Lateinlehrerin einmal ab und ereiferte sich fachfremd über gewisse Stellen bei Goethe, und zwar aus dem Erlkönig: Willst, feiner Knabe, du mit mir gehen? Sie verzog das Gesicht zu verächtlicher Grimasse und fuhr fort: Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt … Abscheulich sei das, nicht präsentabel der Jugend. Ob es uns allen so grauste wie ihr? Oder war erst jetzt unser Interesse geweckt, wenn auch weniger an Goethe als … ja, woran eigentlich? Die Dreizehnjährigen sahen stumm vor sich auf die Schulbänke.
Jahre später im Französischunterricht. Racine wurde durchgenommen, es fiel der Begriff L’amour impossible und darüber scherzte der Lehrer: L’amour impossible – nicht dass das einer falsch versteht, so ist es nicht gemeint … Jetzt schmunzelten schon alle - fast alle. Die es unterließen, fühlten sich beinahe schuldig.
Es ging aber in dieser Sache gar nicht um Schuld, konnten die Beunruhigten bald im Religionsunterrricht erfahren. Der evangelische Pfarrer der kleinen Stadt schweifte auch mal ab, und zwar in die Familiengeschichte, die auch Zeitgeschichte war. Eine Tante von ihm war mit einem Homosexuellen unglücklich verheiratet gewesen und auf etwas makabre Weise wieder frei geworden: Goebbels habe wunschgemäß dafür gesorgt, dass der Gatte an der Ostfront einem Himmelfahrtskommando zugeteilt wurde. Beziehungen dieser Art hatte also die Tante des Pfarrers gehabt, der jetzt rhetorisch fragte: Wie findet ihr das? Es ist kein Vergnügen, einen Homosexuellen als Gatten zu haben, aber das geht wohl doch zu weit. Schließlich ist es so etwas wie Krankheit, so ähnlich wie Krebs …
Die Kollegen witzeln hinter seinem Rücken und sagen grinsend: Er fürchtet sich vor Darmkrebs … Das erzählte mir in Berlin im Jahrzehnt darauf ein junger Sonderschullehrer, schwul wie ich. Er selbst sei daher auf der Hut und gebe nichts preis. Peinlich seien schon ihre Kommentare beim Sportunterricht des anderen. So tuschelten sie dann: Schau an, wie er ihm Hilfestellung gibt!
Gewiss, das sind sehr alte Geschichten, heute unvorstellbar, so versichert man uns. Lehrer? Sind auch nur Menschen.
Jahre später im Französischunterricht. Racine wurde durchgenommen, es fiel der Begriff L’amour impossible und darüber scherzte der Lehrer: L’amour impossible – nicht dass das einer falsch versteht, so ist es nicht gemeint … Jetzt schmunzelten schon alle - fast alle. Die es unterließen, fühlten sich beinahe schuldig.
Es ging aber in dieser Sache gar nicht um Schuld, konnten die Beunruhigten bald im Religionsunterrricht erfahren. Der evangelische Pfarrer der kleinen Stadt schweifte auch mal ab, und zwar in die Familiengeschichte, die auch Zeitgeschichte war. Eine Tante von ihm war mit einem Homosexuellen unglücklich verheiratet gewesen und auf etwas makabre Weise wieder frei geworden: Goebbels habe wunschgemäß dafür gesorgt, dass der Gatte an der Ostfront einem Himmelfahrtskommando zugeteilt wurde. Beziehungen dieser Art hatte also die Tante des Pfarrers gehabt, der jetzt rhetorisch fragte: Wie findet ihr das? Es ist kein Vergnügen, einen Homosexuellen als Gatten zu haben, aber das geht wohl doch zu weit. Schließlich ist es so etwas wie Krankheit, so ähnlich wie Krebs …
Die Kollegen witzeln hinter seinem Rücken und sagen grinsend: Er fürchtet sich vor Darmkrebs … Das erzählte mir in Berlin im Jahrzehnt darauf ein junger Sonderschullehrer, schwul wie ich. Er selbst sei daher auf der Hut und gebe nichts preis. Peinlich seien schon ihre Kommentare beim Sportunterricht des anderen. So tuschelten sie dann: Schau an, wie er ihm Hilfestellung gibt!
Gewiss, das sind sehr alte Geschichten, heute unvorstellbar, so versichert man uns. Lehrer? Sind auch nur Menschen.