leisgurrende laute zu tauben-gesang (so nett)

G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4]leisgurrende laute zu tauben-gesang

die zarten die wilderen farben – der tanz
der wetter und wirbel – die wärme die kühle
bewegung berührung – die rhythmischen spiele
der sprache der schritte – der muntere glanz

der augen im harten im sanften gesicht
die weisheit voll ausdruck – naive gewalt
die karge die seltene – jede gestalt
verschwendung und jubel und kluger verzicht

geräusch-melodien gewunden im strang
leisgurrender laute zu tauben-gesang
sie schwingen sich ganz von allein zum gedicht

und tauschen die gesten die mienen den klang
und branden die weiten akkorde entlang
hält nur deine waage ihr gleichgewicht
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Mondnein, gut gelungen, drei Gedichte in einem, denn man kann es als Spaltsonett lesen.
Hierdurch treten verborgene Weisheiten ans Licht, aber ich möchte nicht dem eigenen Lesen der anderen vorgreifen.

Viele Grüße von Bernd
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Rhema

Herziches Dankeschön, Bernd! Die Polarität, die Gegensätzlichkeit der Ausdrucksgewichte ist Thema der Aufzählung, aber nicht gleich von Anfang an verseweise, so daß links im Vers die eine und rechts im Vers die andere Gewichtung erschiene, sondern zunächst, im ersten Quartett, lockerer gefügt, in Enjembements, erst im zweiten Quartett so auf die Vershälften verteilt. Deshalb ist die Überlegung, es als "Spaltsonett" zu lesen, reizvoll, verdeutlicht die Polaritäten, aber in strenger Form müßte jede Vershälfte zwei Amphibrachyen enthalten (xXxxXx) - zu oft greift aber die zweite Amphibrachys der ersten Vershälfte "daktylisch" in die zweite über, und immer ist die zweite anapästisch endbetont (xXxxX): ihr fehlt zu genauen Symmetrie die "weibliche" Kadenz, die unbetonte Silbe. Und natürlich fielen bei regelrechter Spaltung die beiden Waagen-Schalen auseinander.
Das erst in einer kruden, scheinbar zwecklosen Aufzählung verborgene, erst in den beiden Terzetten und dann im Schlußvers thematisierte (besser: rhematisierte) Motiv vom Gleichgewicht zeigt sich im ersten Quartett noch als eine Art Mobile, im zweiten dann als zweischalige Waage, in den Terzetten nicht mehr formell (und damit selbstbezüglich), sondern nun in nicht-polaren Aussagen, und schließlich in einer klaren Sentenz, einer provokativ-schlichten Allgemeinbedingung für "von allein" entstehende Lieder.
Ein Widerspruch zur (vielleicht häufigeren) Auffassung, man müsse Blut und Tränen schwitzen, um ein Lied zu singen (bzw. zu knödeln oder hervorzuquetschen ...) - "Waagen-Pendel-Spiel" gegen die "Fleischwolf"-Theorie.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Im strengen sinn ist es kein Spaltsonett, zumindest kein symmetrisches, auch reimen sich die Teile der ersten Hälfte nicht.


eisgurrende laute

die zarten die wilderen farben
der wetter und wirbel
bewegung berührung
der sprache der schritte

der augen im harten
die weisheit voll ausdruck
die karge die seltene
verschwendung und jubel

geräusch-melodien
leisgurrender laute
sie schwingen sich ganz

und tauschen die gesten
und branden die weiten
hält nur deine waage


zu tauben-gesang

der tanz
die wärme die kühle
die rhythmischen spiele
der muntere glanz

im sanften gesicht
naive gewalt
jede gestalt
und kluger verzicht

gewunden im strang
zu tauben-gesang
von allein zum gedicht

die mienen den klang
akkorde entlang
ihr gleichgewicht

Es bildet hier recht neue Zusammenhänge, nicht jeder der Schnitte ist eindeutig.

So entsteht ein Gegensatz vom Gleichgewicht des Gesamten zu dem Ungleichgewicht der Teile.
Und die wie von allein in mir entstehenden Teile belegen zugleich die wie von allein entstehende Gesamtheit.

Enjambements gespalten, neu gefügt und wieder zurück zum Ganzen.

Einiges nur möglich durch die konsequente Kleinschreibung, die Wörter sich wandeln lässt.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Den ersten Vers hast Du mutig geteilt: ungleichgewichtig, asymmetrisch - aber nur in dieser Weise werden die "Besen Besen" sinnvoll. Und sobald diese Schwelle überwunden ist, fließt es einigermaßen: ja es verdeutlicht die Polarität der beiden Flußarme, und beiderseits der trennenden Mitten-Insel "wallt" das Wasser "manche Strecke" über die Verknappungs-Klippen.
"die mienen den klang" - das miente sinnreich und musikalisch, wenn es einen Sinn über meine Binnenmusik hinaus hätte; zum Bleistift wie in einer "Zeichnung mit Bleistiftmiene", "iene miene mu und aus bist du" oder "vermientes Gelände" ... - in der Rezitation reduzierbar auf die bloße Lautung (oder im Schriftbild durch phonetische Schreibung); verdeutlicht etwa durch zwei verschiedene Sprecher (-innen, -außen o.ä. usw.).
 



 
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