Lenz

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sufnus

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Lenz

Sein Name auf Grün lautet L.
er beißt

Wir aber lieben
das Wetter im Doggystyle
spielen mit der Nachrichtenlage
und schämen uns fort in
den folgenden Tag

Heh brauner Falter
stürz dich ins Licht und
bau dir da ein Puppenschloss
wo dich kein Wurzelkindjubel
und kein Maulwurfsong trifft

L. beginnt kopfwärts zu lodern
jeder Tag ist eine kleine Pandemie
doch er sitzt völlig Rick-named
in der Eckkneipe zum durstigen Bergmann
in einer Großstadt mit C
vermutlich Chemnitz

Heh brauner Falter
stürz dich ins Licht
seit der Himmel flunkert
weht der Wind im Nachbardorf

stürz dich ins Licht

stürz dich ins Licht
 

sufnus

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Hey Mimi!
Ganz lieben Dank für den wohlwollenden Kommentar - freut mich, dass es Dir gefallen hat und ich finde mich auch sehr wieder in Deiner Formel "Meteorologie trifft Lyrik".
Womit ich hier ein bisschen hadere (der Text entzog sich meinem planerischen Zugriff) ist, dass dieses Gedicht als Einladung zu sehr komplizierten De-Codierungen (miss-)verstanden werden könnte und am Ende kommt man bei der Büchner'schen Poetologie über den Realismus in der Literatur raus... so ist es aber (im Prinzip) doch eher nicht gemeint. Erst einmal ist es ein Frühlingsgedicht. :)
LG!
S.
 

Tula

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Hallo sufnus
Ich überlege noch, wie ich die Wetterlage in Hundestellung deuten soll. Aber gut, im Frühling kommt ja einiges (endlich wieder!) durcheinander ;)

Auf jeden Fall ein Aufruf, sich jetzt aus dem Dunkel der Kneipen wieder ans Licht zu wagen. So wie Osterspaziergang, nur noch etwas durstiger ...

LG Tula
 

surrusus

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Hey suf,

das Werkchen ist ja wunderbar kreativwortgeschöpft.
Der braune Falter in Kombination mit der genannten Location aber könnte politische Rückschlüsse vermuten lassen (auch wegen karl-heinz-lenz).
Beim zweiten Betrachten aber entkräftigte das Rick-genamte und der Doggy doch meine erstere Lesart und verliebte sich in so einige lenzige Wortverwucherungen:
Mögen der Wurzelkindjubel viele Pflanztöppe befallen und für ein saftig-grünes Geflecht als Überleitung für den Sommer sorgen.

Schön lockerflockig geschrieben!

m
 

Tula

Mitglied
Witzig, an die politische Deutung dachte ich ebenfalls, weil das Wörtchen braun so 'belastet' ist. Wenn dann auch noch der Himmel flunkert ... Die Öffnung verschiedener Deutungsebenen entspräche ja wohl auch der dichterischen Natur unseres Freundes ;)

LG Tula
 

sufnus

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Hey Ihr Lieben! :)
Vielen Dank für Lob & Gedanken & Komplimente! :)
Das ist ja ein Ding... auf die Idee, dass mein Falterfarbcode eine braunpolitische Ebene anmoderieren könnte, die dann mit Chemnitz einen möglichen Echoraum bildet, bin ich überhaupt nicht gekommen... offenbar ist bei mir braun (zum Glück) noch in erster Linie eine Farbe, so dass ich das Wörtchen hier voller Unschuld zum Einsatz brachte. Und bei der Stadt hatte ich zuerst Celle da stehen, aber das gefiel mir an der Stelle vom Klang her nicht so gut. Aber Ihr habt natürlich recht, man könnte hier sehr leicht auf den Gedanken kommen... freut mich um so mehr, dass Ihr dann beide diese Deutungsebene ungenutzt gelassen habt. :)
LG!
S.
 

surrusus

Mitglied
Das ist ja ein Ding... auf die Idee, dass mein Falterfarbcode eine braunpolitische Ebene anmoderieren könnte
Da siehst du mal wie schön die assoziative Ebene der Lyrik ist und wie wundervoll dünn das Eis sein kann. Ich persönlich glaube, dass das sogar eine Stärke ist, wenn das in Werken vorkommt.
Ich denke, das kommt auch darauf an, wer das Gedicht liest und welchen regionalen Background derjenige besitzt.
Die "Kritik" wurde ja von mir gesandwhicht, sodass ich hoffe, dass du mein Wohlwollen erkennst und siehst, dass ich keine Übelkeitsschnitte dir servieren wollte.

Dir eine schöne Woche, sufnus.

lg m
 

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Servus, sufnus!

Für mich ein wenig zu gewollt "lässiger" Lenz an manchen Stellen (vor allem in Strophe zwo), aber insgesamt mit einem schönen Drive.

Der Doggy-Style will sich auch für mich nicht so ganz in den Text passen lassen und entzieht sich einer Deutung. Aber ein bisschen Geheimnis darf schon mal stehen bleiben...der April überrascht uns ja auch jedes Jahr wieder und lässt sich nie endgültig fassen.

Das Bild des Falters allerdings, der sich ein Puppenschloss bauen soll, ist für mich verkehrt. Als Falter ist er doch einem Puppenschloss entschlüpft und baut sich auch keines mehr. Das stört mich an der an sich schönen Strophe. Der "Wurzelkindjubel" ist total meins....hach!...eine wunderbare Wortschöpfung, die für mich die Natur auf der Stelle greifbar macht (mit allen Sinnen).

Heh brauner Falter
stürz dich ins Licht und
bau dir da ein Puppenschloss
wo dich kein Wurzelkindjubel
und kein Maulwurfsong trifft
Generell überleben Falter es nur selten, wenn sie sich ins Licht stürzen (Laternen-, Kerzenlicht, das sie ja fälschlich für den Mond halten)...was wolltest du mit der (wiederkehrenden) Zeile denn sagen? Dass er sich vor Frühlingsfreude umbringen soll, ja wohl eher nicht, oder? (keine sarkastisch sondern eine ernst gemeinte Frage...ich steh gefühlt nämlich auf dem Schlauch).

Liebe Grüße,
fee
 

sufnus

Mitglied
Hey Fee!
Vielen lieben Dank für Deinen wunderbar (kritisch) in den Text hineinleuchtenden Kommentar. :)
Die Paradoxien, dass der Falter ein(e) Puppe(nschloss) bauen soll (obwohl das ja biologisch nicht sinnig ist) und dass er sich wiederholt ins Licht stürzt (man stirbt nur zweimal?), waren gewollt, letztlich in dem "Sinn", dass der Lenz nicht nur die Sinne sondern eben auch den Sinn neu justiert (wobei der hehre und etwas langweilige Bereich der Logik auch einmal über Bord gehen darf). :)
LG!
S.
 

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Frühlingshafter Übermut also, wenn ich dich recht verstehe. ;)

Klar - der darf und soll auch. Wenn nicht im Frühling, wann dann?
Ich konnte deine Paradoxien als solche nicht erkennen. Ev. hat mich der Text oder die Stimmung des Textes davor das nicht er-lesen lassen. Und wenn du mich ein wenig kennst, weißt du, dass ich die Logik nicht über alles stelle. Nur hier wollte sie sich nicht beiseitedrängen lassen.
Halb so wild.

Liebe Grüße!
 

wiesner

Mitglied
Der Falter/Schmetterling ist in der Kiyose (=Liste einfacher Jahreszeitenwörter) Symbol der Lebenslust, aber auch Vergänglichkeit. Die wiederholte Aufforderung, ins Licht zu stürzen (richtig - nicht etwa steigen), findet hier ihre Folgerichtigkeit.

Lesenswert!

Gruß Béla
 

revilo

Mitglied
hhhhmmmmmmmm.....kommt bei mir nicht so an.....die stelle mit der kneipe ist ok, aber der falter flattert mir zu viel........LG
 

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Heh brauner Falter
stürz dich ins Licht
seit der Himmel flunkert
weht der Wind im Nachbardorf

stürz dich ins Licht

stürz dich ins Licht
Vor allem dieser Strophe wegen komme ich jetzt schon zum wiederholten Mal zu deinem Gedicht zurück, lieber sufnus.

Klar - sie wirkt natürlich nur im Zusammenspiel mit dem Text davor, wie sie wirkt, und ich muss wohl eine biologische Unschärfe anlegen, um das Puppenschloss anders zu lesen, aber insgesamt ist es ein ganz wundervolles unverbrauchtes Frühlingsfreudegedicht mit Tiefgang, der sich als Paradoxie tarnt. ;)

(schon wieder) gerne gelesen!

Gruß,
fee
 

sufnus

Mitglied
Ganz lieben Dank, Béla, für den lehrreichen Hinweis auf die Jahreszeitenwörter! So etwas hatte ich beim Falterchen jetzt nicht im Kopf - aber ich mag diese Deutungsebene sehr! Da hast Du dem Gedicht einen großen Gefallen getan! :)
Vielen Dank auch an Fee (Du hast gerade kommentiert, während ich hier schreibe) fürs Wiederlesen und das Herauslesen von Tiefgang. Wir hatten es ja bei einigen Gedichten schon davon, dass Texte irgendwie ein gewisses Eigenleben entfalten und die Autoren hier nur sehr bedingt Mitspracheberechtigt - Dein Lob der getarnten Tiefgründigkeit geht also zu gleichen Teilen an den Text und die Leserin und der Autor steht daneben und freut sich.
Und, revilo, was das Faltertierchen betrifft, bleibt zumindest ein möglicher Trost: Wenn sich das Kerlchen nach stattgehabter Lichtsturzveraschung wieder "in sein Nichts" zurückverpuppt, hat sichs erstmal ausgeflattert. :)
LG!
S.
 

Rachel

Mitglied
Hi Sufnus, ach, ich mag einfach deine kreativen Wortschöpfungen, Bilder und Anklänge sehr. Der Falter ließ auch mich politisch denken, zumal mit dem wehenden "Nachbardorf".

Dir einen schönen Sonntag! Liebe Grüße, Rachel
 

sufnus

Mitglied
Hi Rachel!
Wie schön, wenn Du mit den etwas verqueren Sprachbildern etwas anfangen kannst! :) Und ich finds total spannend, dass offensichtlich politische Assoziationen hier bei vielen von Euch geweckt werden - wie gesagt, an sowas hab ich da überhaupt nicht gedacht und weder beim Falter noch bei seiner Färbung habe ich an Politisches gedacht, auch die Erwähnung des Dörflichen oder die Erwähnung von Chemnitz war gar nicht politisch gemeint. Aber ich versteh im Nachgang natürlich, warum das so ankommen kann.
LG!
S.
 



 
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