EIN LEITFADEN FÜR DIE LESELUPE
Wenn der Tag gekommen ist, da man ein neues Werk „posten“ möchte, stellt sich jedem wackren Schreiberling die Frage: wie fang ich’s an, daß meine Worte die Augen vieler, vieler Leser finden?
Nun, dies ist nicht so schwer, wie es erst scheint – man muß sich nur an ein paar winzige Regeln halten.
ÜBER DEN AUTOR
- Wähle ein Pseudonym. So kannst du dir nicht nur einen geheimnisvollen Anstrich verleihen, nein: Wenn dir Text und Reaktionen hinterher nicht mehr gefallen, ist es viel leichter, sich davon zu distanzieren.
- Laß deinen Text, einmal veröffentlicht, nicht im Regen stehen, sondern betreue ihn stetig und sorgsam, wie du es mit einem kleines Kind tun würdest (siehe auch unter: Über die Reaktionen).
ÜBER DEN INHALT
- Schreib unverständlich oder gleich wirres Zeug; was keiner kapiert, ist mit Sicherheit genial! So kann sich auch jeder seine eigenen Vorstellung von dem machen, was du da geschrieben hast. Das wirkt unkonventionell und sensibel.
o d e r :
- Laß Lücken, ruhig auch größere. Beharre darauf, daß deine Leser gefälligst ihre Phantasie gebrauchen sollen, damit der Text ihnen verständlich wird. Die Leser werden dir für diese Freiheit dankbar sein, und du wirkst dadurch locker und mutig.
o d e r :
- Erkläre akribisch jede Handlung, jeden Gedanken, jeden Sinn schon einmal im Text. Dadurch kommen deine Leser nicht auf dumme Gedanken, sondern sehen nur das im Text, was du hinein geschrieben hast. So wirkst du gebildet und aufmerksam.
Auf jeden Fall:
- Schreibe am besten nur klein oder nur groß und mit vielen Absätzen, Gedankenstrichen und Punkten (...). Wenn seltsame Schriftzeichen auf dem Bildschirm erscheinen, animiert das deine Leser, sich den Text durchzulesen.
ÜBER DIE FORM
- Schreibe kurz. Mute deinen Lesern in spe nie mehr als eine Seite
h ö c h s t e n s, besser noch weniger, zu. Sollte der Text länger werden, streiche die letzten Sätze einfach weg. Sollten dadurch Lücken entstehen, um so besser, denn: siehe oben.
- Schreibe am allerbesten ein Gedicht. Es muß sich dabei nicht reimen, es braucht auch keinen Rhythmus und kein Metrum: sorge einfach für ein gedichtmäßig anmutendes Layout und lehne dich zurück.
- Sollte es doch einmal prosaisch werden: Bedenke stets, daß komplizierter Satzbau (mehr als Subjekt, Prädikat, Objekt) den Leser ermüdet. Belasse es deshalb besser bei einer Ellipse oder schreibe viele kurze Sätze, als auf ein sowieso nicht vorhandenes grammatikalisches Potential bei der Leserschaft zu hoffen.
- Schreibe auf alle Fälle mehrere Texte (mindestens ein Dutzend) und veröffentliche sie alle zur selben Zeit. Wenn dein Name der einzige auf einer Seite ist, m ü s s e n deine Texte gelesen werden. Außerdem freut sich ein Leser, wenn er nicht vor soviel Auswahl gestellt wird, und wessen Texte könnten wichtiger sein als deine?
ÜBER DIE REAKTIONEN
- Erzähle, wie, wo, warum und womit du schreibst. Am besten flechtest du noch deine allgemeinen Weltansichten, deinen Glauben an Gott, das Schicksal und das Gute im Menschen ein. Den Leser interessiert das.
- Erkläre deinen Text. Sollte ihn jemand richtig verstanden haben, gratuliere ihm. Sollte ihn jemand mißverstanden habe, bestehe auf deine Deutung und mache den anderen notfalls nieder. Das gibt dir einen konsequenten Touch und steht dir gut.
- Egal, was man dir als Reaktion auf deinen Text gibt: r e a g i e r e
d a r a u f !
- Wenn dein Text gute Kritiken bekommt, schicke mindestens zweimal ein Dankeschön, am besten mit vielen bunten Smileys verziert. Sonst versteht nämlich niemand, daß du glücklich bist.
- Wenn du schlechte Kritiken bekommst, beschwere dich. Beklage dich über den Ton, bezeichne den Kritiker als inkompetent und anmaßend, und wenn das alles nichts hilft: beleidige ihn wild und ausfallend.
- Wenn dein Text keine Reaktionen bekommt, bitte um mehr Aufmerksamkeit. Wenn dann immer noch niemand reagiert: schreibe dir deine Kritiken selbst.
- Wenn dein Text einmal von der ersten Seite verschwunden ist, füge noch eine Antwort hinzu – und schwupp! ist er wieder oben. Das ist auch ein lustiges Spiel für lange Abende.
- Was für deine eigenen Texte gilt, muß auch für alle anderen gelten: wenn du viele Antworten gibst, wirst du auch viel gelesen. Unter diesen Antworten dürfen auch unsinnige Dinge sein, das ist nicht so wichtig. Hauptsache, die Zahl deiner Veröffentlichungen steigt. Nur ältere Texte solltest du nicht beantworten, da diese sonst deine eigenen Texte von der Spitze vertreiben.
***
Hat man dies alles berücksichtigt, steht einer Karriere in der Leselupe wohl nichts mehr im Wege.
Wenn der Tag gekommen ist, da man ein neues Werk „posten“ möchte, stellt sich jedem wackren Schreiberling die Frage: wie fang ich’s an, daß meine Worte die Augen vieler, vieler Leser finden?
Nun, dies ist nicht so schwer, wie es erst scheint – man muß sich nur an ein paar winzige Regeln halten.
ÜBER DEN AUTOR
- Wähle ein Pseudonym. So kannst du dir nicht nur einen geheimnisvollen Anstrich verleihen, nein: Wenn dir Text und Reaktionen hinterher nicht mehr gefallen, ist es viel leichter, sich davon zu distanzieren.
- Laß deinen Text, einmal veröffentlicht, nicht im Regen stehen, sondern betreue ihn stetig und sorgsam, wie du es mit einem kleines Kind tun würdest (siehe auch unter: Über die Reaktionen).
ÜBER DEN INHALT
- Schreib unverständlich oder gleich wirres Zeug; was keiner kapiert, ist mit Sicherheit genial! So kann sich auch jeder seine eigenen Vorstellung von dem machen, was du da geschrieben hast. Das wirkt unkonventionell und sensibel.
o d e r :
- Laß Lücken, ruhig auch größere. Beharre darauf, daß deine Leser gefälligst ihre Phantasie gebrauchen sollen, damit der Text ihnen verständlich wird. Die Leser werden dir für diese Freiheit dankbar sein, und du wirkst dadurch locker und mutig.
o d e r :
- Erkläre akribisch jede Handlung, jeden Gedanken, jeden Sinn schon einmal im Text. Dadurch kommen deine Leser nicht auf dumme Gedanken, sondern sehen nur das im Text, was du hinein geschrieben hast. So wirkst du gebildet und aufmerksam.
Auf jeden Fall:
- Schreibe am besten nur klein oder nur groß und mit vielen Absätzen, Gedankenstrichen und Punkten (...). Wenn seltsame Schriftzeichen auf dem Bildschirm erscheinen, animiert das deine Leser, sich den Text durchzulesen.
ÜBER DIE FORM
- Schreibe kurz. Mute deinen Lesern in spe nie mehr als eine Seite
h ö c h s t e n s, besser noch weniger, zu. Sollte der Text länger werden, streiche die letzten Sätze einfach weg. Sollten dadurch Lücken entstehen, um so besser, denn: siehe oben.
- Schreibe am allerbesten ein Gedicht. Es muß sich dabei nicht reimen, es braucht auch keinen Rhythmus und kein Metrum: sorge einfach für ein gedichtmäßig anmutendes Layout und lehne dich zurück.
- Sollte es doch einmal prosaisch werden: Bedenke stets, daß komplizierter Satzbau (mehr als Subjekt, Prädikat, Objekt) den Leser ermüdet. Belasse es deshalb besser bei einer Ellipse oder schreibe viele kurze Sätze, als auf ein sowieso nicht vorhandenes grammatikalisches Potential bei der Leserschaft zu hoffen.
- Schreibe auf alle Fälle mehrere Texte (mindestens ein Dutzend) und veröffentliche sie alle zur selben Zeit. Wenn dein Name der einzige auf einer Seite ist, m ü s s e n deine Texte gelesen werden. Außerdem freut sich ein Leser, wenn er nicht vor soviel Auswahl gestellt wird, und wessen Texte könnten wichtiger sein als deine?
ÜBER DIE REAKTIONEN
- Erzähle, wie, wo, warum und womit du schreibst. Am besten flechtest du noch deine allgemeinen Weltansichten, deinen Glauben an Gott, das Schicksal und das Gute im Menschen ein. Den Leser interessiert das.
- Erkläre deinen Text. Sollte ihn jemand richtig verstanden haben, gratuliere ihm. Sollte ihn jemand mißverstanden habe, bestehe auf deine Deutung und mache den anderen notfalls nieder. Das gibt dir einen konsequenten Touch und steht dir gut.
- Egal, was man dir als Reaktion auf deinen Text gibt: r e a g i e r e
d a r a u f !
- Wenn dein Text gute Kritiken bekommt, schicke mindestens zweimal ein Dankeschön, am besten mit vielen bunten Smileys verziert. Sonst versteht nämlich niemand, daß du glücklich bist.
- Wenn du schlechte Kritiken bekommst, beschwere dich. Beklage dich über den Ton, bezeichne den Kritiker als inkompetent und anmaßend, und wenn das alles nichts hilft: beleidige ihn wild und ausfallend.
- Wenn dein Text keine Reaktionen bekommt, bitte um mehr Aufmerksamkeit. Wenn dann immer noch niemand reagiert: schreibe dir deine Kritiken selbst.
- Wenn dein Text einmal von der ersten Seite verschwunden ist, füge noch eine Antwort hinzu – und schwupp! ist er wieder oben. Das ist auch ein lustiges Spiel für lange Abende.
- Was für deine eigenen Texte gilt, muß auch für alle anderen gelten: wenn du viele Antworten gibst, wirst du auch viel gelesen. Unter diesen Antworten dürfen auch unsinnige Dinge sein, das ist nicht so wichtig. Hauptsache, die Zahl deiner Veröffentlichungen steigt. Nur ältere Texte solltest du nicht beantworten, da diese sonst deine eigenen Texte von der Spitze vertreiben.
***
Hat man dies alles berücksichtigt, steht einer Karriere in der Leselupe wohl nichts mehr im Wege.