Letzte Frist

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Wolke

Mitglied
Du bist des Sommers kühle Braut,
die durch den Wald ins Wasser geht,
und jeden, der sich mit dir traut,
in einem Nebel mit sich weht.

Du gibst ihr eine letzte Frist,
sie zieht den Schleier übers Land,
auf alles, was vergänglich ist,
du hebst noch einmal deine Hand.

Das ist der Abschied, es ist Zeit,
für einen Kuß am alten Ort,
der Einzige, den sie gefreit,

er wartet schon und nimmt sie fort,
ins Wasser und in Nebel weit,
und sie verschwindet mit ihm dort
 

sufnus

Mitglied
Mein lieber Meister Hans!
Das sind ja mal echt ungewohnte Klänge von Dir! Bin ganz geplättet! :)
Angesichts des typischen Beislsounds in all seiner unpolierten Authentizität bin ich tatsächlich verunsichert, ob Du hier einfach mal eine andere Tonlage ausprobierst oder ob nicht doch ein gewisses parodistisches Element mitschwingt.
Ich hab ja grad aus gegebenem Anlass andernorts die schwierige Kunst des Schüttelreimens erprobt und - ich weiß nicht wie - irgendwie klingt in Deinen Versen ein bisschen Schüttelreimanarchie durch, obwohl überhauptnix geschüttelt wird, sondern einfach "nur" (?) klassische (?) Reimkunst zur Anwendung kommt.
Du siehst mich beeindruckt und verunsichert. Was kann man besseres über ein Gedicht sagen! :)
LG!
S.

PS (ich leide mal wieder an schwerer postkripteritis)
Ist der Wechsel von der zweiten Person (Du bist des Sommers usw.) zur dritten Person (sie hält ihm Wort ... zog sie im Nebel fort) Absicht?
 
und sie verschwindet mit ihm dort

Angesichts des typischen Beislsounds in all seiner unpolierten Authentizität


Hallo Wolke, Hallo Sufnus,

Wolke, Wolke... my lovely Mr. Singingclub, das ist sehr, sehr gut und ich muss zurückrudern, weil ich deine Kommentare hier eher nervig in Erinnerung habe. Natürlich ist die Personenumkehr mit der Einbindung des LyIch eine neue Perspektive und zeigt die unterschiedliche Deutung .... aber ....

Es handelt sich bei dem Werk um eine ganz persönliche Geschichte. Eine Freundin und Journalistin hat sich vor Weihnachten das Leben genommen. Davor haben wir bei verschiedenen Gelegenheiten über den Freitod diskutiert und ich war passiv am Entschluss und der Ausführung beteiligt. Obwohl der Entschluss fest stand, hat mich ihr Tod dann doch überrascht und sehr traurig gemacht.

Weil das Werk mich immer an sie erinnern wird und soll, werde ich keine Veränderungen vornehmen aber ich danke für Komposition und Deutung.
Beislgrüße



Freut mich, dass du doch ein paar unbekannte Töne von mir kennengelernt hast, mein lieber Sufnus.
Siehe auch Beschreibung weiter oben.

Der typische Beislsound, knackig und kantig, hat mich aber doppelt gefreut, was du sehr richtig beschrieben hast.
Immer gerade raus, ohne doppelten Boden, hat mich manches mal geschützt aber auch in Mißkredit gebracht.
Der Personenwechsel war übrigens so beabsichtigt. Vom Zwiegespräch zum distanzierten Betrachter ... Dir entgeht auch rein gar nichts.
Vielen Dank fürs Vorbeischauen.
Beislgrüße
 
G

Gelöschtes Mitglied 24351

Gast
Wunderschön und sehr berührend. Auch ohne Deine Erklärung.

Liebe Grüsse Träumerinchen

Ps: Mein Mitgefühl
 

James Blond

Mitglied
Nuja, schon klar, dass so etwas dauert - oder zumindest dauern sollte.

Mir bereiten S1 und S2 auch keine Probleme: Der Text beginnt (S1) im Präsens: "Du bist ..."
Es folgt ein Rückblick auf die Vorgeschichte (Q2) im Imperfekt. So weit ist alles klar.

Anschließend geht es in S3 im Imperfekt weiter: "Ein Abschied nur, dann war es Zeit ..."
um dann in S4 den gleichen Satz im Präsens zu vollenden: "denn jener, [...] wartet schon"
Ich denke, dann sollte es besser "Ein Abschied nur, dann ist/wird es Zeit ..." lauten und der Rest im Präsens ganz zum Ende geführt werden:

und flüstert leise: - "bin bereit".
Danach zieht sie im Nebel fort.


Ich denke, eine Handlung, die sich mit "danach" an einen Satz im Präsens anschließt, kann nicht im Imperfekt stehen.

Liebe Grüße
JB

 



 
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