Letzter Gang

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hermannknehr

Mitglied
Gib deine Hand, wir wollen jetzt
den letzten Weg gemeinsam gehn,
das Leben war uns bis zuletzt
ein Kampf, den wir zu überstehn

vermochten; nun ist es ganz leicht,
den kleinen Schritt bewusst zu tun,
wir haben doch das Ziel erreicht,
das wir uns einmal setzten. Nun

beginnt für uns ein neuer Tag,
wir werden anders, freier sein,
nichts ist mehr hässlich, nichts gemein,

nichts was uns fesselt oder klein
macht, wir sind jetzt nicht mehr allein,
was immer auch geschehen mag.
 

Herr H.

Mitglied
Hallo Hermann,
eine Aufforderung zum gemeinsamen Suizid, wie ich vermute. In den beiden Vierzeilern des Sonetts ist sie prägnant in Sprache gebracht. Die Dreizeiler fallen nach meinem Geschmack dagegen ab, insbesondere die letzte, recht blasse Zeile "was immer auch geschehen mag." Da fände ich es besser, einen positiven, motivierenden Akzent ans Ende zu setzen, etwa in dem Sinne: "Uns beiden winkt ein neuer Tag." Und die erste Zeile des ersten Terzetts könnte dann lauten: (Nun) "soll weichen Angst und Not und Klag".
Insgsamt sehr gern gelesen!
LG von Herrn H.
 
K

Kara

Gast
Das macht für mich den Reiz eines Gedichtes aus: Die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten.
Für mich sind es Zeilen über ein Paar, welches lange zu kämpfen hatte - manchmal allein, ohne gegenseitige Hilfe - und nun die verbleibende Zeit gemeinsam verbringen kann.
"was immer auch geschehen mag"
LG Uschi
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Herr H.,
Vielen Dank für Deine positive Kritik. Auch ich empfinde die beiden Terzette etwas gewollt und dadurch flach. Ein Gedicht nachträglich zu "verbessern" ist natürlich immer problematisch, da es ja meist aus einem Guss, aus einer Stimmung heraus geschrieben worden ist. Deinen Vorschlag aufgreifend, dem Gedicht einen etwas positiveren Ausklang zu geben, könnte ich schreiben:

sei ohne Furcht und ohne Zag,
wir werden anders, freier sein,
nichts ist mehr hässlich, nichts gemein,

nichts was uns fesselt oder klein
macht, wir sind jetzt nicht mehr allein,
uns beiden winkt ein neuer Tag.

LG
Hermann
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Kara,
vielen Dank auch für Deinen Beitrag. Wie Du ganz richtig erkannt hast soll der Satz "was immer auch geschehen mag" ausdrücken, dass sich das Paar, bei aller Zuversicht, nicht sicher ist, was es erwartet.
LG
Hermann
 

Herr H.

Mitglied
Hallo Hermannn,
die beiden Terzette beschäftigen mich noch immer. Was hältst du von folgendem Vorschlag:

..... Nun

sei heiter. Was auch kommen mag -
wir werden anders, freier sein,
erlöst von allem, was uns klein

und traurig machte. Nacht und Pein
wird schwinden. Und wir treten ein
in einen neuen, hellen Tag.

LG von
Herrn H.
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Hallo,

Zeile 11 passt für mein Empfinden metrisch überhaupt nicht. Trotz der Versetzungen liest sich das Gedicht eigentlich flüssig, aber an genannter Stelle bricht es abrupt ab.
Ich hätte einen Vorschlag:

nichts was uns fesselt oder klein
macht, [red]hält uns auf, und das allein
ist's, was die Zukunft bringen mag.[/red]
Ist vielleicht immer noch nicht das Gelbe, aber rhythmisch gehts in Ordnung.

Viele Grüße
Sta.tor
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Sta.tor,
Vielen Dank für Deine Interesse. Dass Zeile 11 metrisch nicht passt, kann ich allerdings nicht nachempfinden. Das Gedicht ist durchgehend in Jamben gehalten. Durch die Hebung auf "macht" und die Betonung auf "wir" in Zeile 13 wird bewusst eine Fermate gesetzt, die die letzte Aussage "wir sind jetzt nicht mehr allein, was immer auch geschehen mag" besonders hervorheben soll.
Gruß
Hermann
 
Hallo Hermann,
nachdem ich mir heute die „TRÄUMENDE TONSPUR“ geholt habe, konnte ich doch beim kurzen Durchblättern hocherfreut einen Mitstreiter aus der Leselupe entdecken. Leider hast du es mit deinem sehr nachdenklichen Stück nicht auf einen der vorderen Plätze geschafft. Aber vielleicht lag es am Thema, das der Jury nicht so lag. Mir gefällt es ausgesprochen gut, vor allem die zurückhaltende Zweisamkeit, die sich aber bestimmend durch alle Verse zieht. Auch deine bewusst gewählten Zeilenumbrüche, die eine gedämpfte Spannung immer wieder aufbauen, finde ich wunderbar.
Gruß Paul.
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Paul,
vielen Dank für Deine anerkennenden Worte. Ich war das erste mal beim "Lyrischen Lorbeer" dabei. Scheint ein recht anspruchsvoller Wettbewerb zu sein.
Gruß
Hermann
 



 
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