Leuchtende Momente

Aquasculum

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...Leuchtende Momente...

Ich saß gemütlich mit einem spannenden Buch und
einer Tasse Kakao auf dem Fensterbrett an der Heizung,
so wie ich es am liebsten tu.
Am Fenster eine bunte Lichterkette (es ging auf Weihnachten zu),
auf dem Tisch eine Kerze, Musik im Hintergrund...
warm und behaglich, doch mein Innerstes schien
nicht zu dieser Stimmung zu passen.
Ich blickte vom Buck auf, schaute aus dem Fenster:
Es wurde Zusehens dunkler dort draußen, vereinzelt
Lichter in den Fenstern...in den Wohnungen
war es wohl genauso gemütlich wie auch in meinem
Zimmer...
Als ich so durch das Fensterglas blickte, auf die kahlen
Äste der Bäume, die im dunklen noch einsamer wirkten,
erkannte ich mein Innerstes wieder – dort draußen.
Ich nahm das Buch wieder zur Hand, las einige
Seiten, nur um mich ein wenig von meinen
winterlichen Gedanken abzulenken...da klopfte es
an der Tür.
Na nu, dachte ich. Wer klopft denn so spät noch
an meine Türe? Ich erwartete doch niemanden.
Kurz überlegte ich, ob ich aufmachen sollte, ob
ich durch das Öffnen der Türe die
Kälte von draußen hereinlassen sollte, oder nicht.
Gerade hatte ich mich entschieden, die Stimmung
nicht durch die offene Tür verschwinden zu
lassen und mein Buch weiterzulesen, da klopfte
es noch mal, diesmal etwas lauter und fordernder.
Noch immer machte ich nicht auf, vielleicht
waren es nur irgendwelche Kinder, die sich einen Scherz
erlauben wollten, und so las ich noch einige Zeilen,
jedoch konnte ich mich nicht mehr richtig
konzentrieren, und als es zum dritten Mal
dann klopfte, stand ich auf, legte das Buch weg,
schlurfte zur Tür und öffnete.

Direkt strömte die kalte Luft herein, ließ das Licht der
Kerze flackern und mich frösteln.
Ein Junge – kaum älter als ich – stand vor mir. Die Backen rot
von der Kälte, eine Mütze tief in die Stirn gezogen.
Er fror, das sah man, er zitterte, doch seine Augen versprühten
einen warmen Glanz.
Keiner von uns beiden sprach ein Wort. Einen Moment
lang musterten wir uns gegenseitig, blickten in den anderen
hinein und erkannten das wirkliche Wesen im Gegenüber.
Ich fühlte mich, als würde ich von seinem Blick von
innen nach außen gekehrt, und da ich wusste, was für
einen traurigen Anblick mein Innerstes ihm bieten
musste, schämte ich mich zutiefst.
Doch gleichzeitig sah ich, wie warm, ausgeglichen
und erfüllt das Wesen dieses Jungen war. Ein bisschen
neidisch machte es mich, denn ich wusste nicht,
wie er es schaffte, von innen her so zu leuchten.
Der Moment war vorüber – ganz plötzlich – und
wir wurden beide etwas verlegen.
„Hi“, sagte er. „Ich habe bei Dir Licht gesehen und
wollte fragen, ob ich mich ein wenig bei Dir wärmen
kann...“
„Sicher, komm doch rein...“ bat ich ihn.
Er trat ein und setzte sich auf die Fensterbank.
Ich schloss die Tür vor der Kälte.
„Schön hast Dus hier...warm und gemütlich“, er
nippte an einer Tasse Kakao, die ich ihm gereicht
hatte. „Doch warum fühlst du in Dir genau das Gegenteil?“
Er fragte, als wäre es das normalste der Welt.
„Ich fühle mich einsam, mein Herz ist gebrochen, meine
Seele verlassen....wie soll ich das Licht und die Wärme
hineinlassen, wenn es mich nur schmerzt, wenn ich nicht
zu ihrer Behaglichkeit gehöre? Gerne würde ich so erfüllt
sein wie Du...“ Mir schossen die Tränen in die Augen.
Er kam zu mir und nahm mich in den Arm.
„Armes Lichtkind...mir ging es genau wie Dir...doch
auch Du wirst sehen, mit der Zeit kommt auch die Erfahrung,
die Weisheit, das Wissen um die Welt. Du wirst unterscheiden
können zwischen *Gut* und *Böse*, zwischen Freunden
und solchen, die nur vorgeben es zu sein. Du wirst
wissen, welches Licht, welche Wärme Du in Dein
Herz lassen kannst und welche Dir schadet, die
du draußen lassen solltest. Nimm Dir die *Zeit* und lerne...“
Dann zog er aus seiner Manteltasche eine kleine
Schachtel, die er mir gab.
„Wird es mir gehen wie Dir? Woher willst Du
das wissen...?“
„Wir beide, wir sind vom gleichen Schlag, glaub mir,
eines Tages wirst Du vom Inneren her leuchten, so
wie ich es tue, und Du wirst das Licht zu anderen
bringen, so wie ich es tue...“
„Aber wie..?“ Tränen glitzerten im Kerzenlicht.
„Du wirst es wissen, Lichtkind...“
Er löste sich von mir, wischte mit dem Finger die
Tränen von meinen Wangen, ging zur Tür und öffnete
sie. Die Kerze flackerte wieder.
Bevor er hinausging, drehte er den Kopf noch mal
und zwinkerte mir zu. Dann schloss er die Tür, die
Kerze hörte auf zu flackern und ich war wieder
allein in meinem gemütlichen Zimmer.
Einige Zeit saß ich einfach nur da, dachte an nichts.
Je mehr Minuten verstrichen, desto unwirklicher erschien
mir, was ich gerade erlebt hatte.
Ich klammerte mich mit Gedanken an diese Momente.
wie ich mich auch die Schachtel ungewollt mit meinen
Händen umklammerte.
Nach diesen Minuten der Regungslosigkeit, bemerkte
ich erst bewusst, dass ich die Schachtel in der
Hand hielt.
Gespannt öffnete ich sie.
Mit einem Lächeln erkannte ich, was dieses silberne
prachtvoll verzierte *Ding* im Kästchen war
... in meinem Händen hielt ich eine Sanduhr....
 



 
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