Licht und Farbe

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Wie ein vergessenes Liebesgedicht drifte ich durch die Welt und finde keinen Halt auf meiner scheinbar endlosen Reise durch das raumlose Nichts, das ich vorher als Welt und Zuhause bezeichnet habe. Man besucht mich, man tröstet mich, man sorgt sich um mich. Doch irgendwie ist dennoch niemand da. Alles erscheint leer und sinnlos, vollkommen verlassen, während mein einziger Daseinsgrund eine Mahnung an die Welt da draußen zu sein scheint, die für mich nur noch theoretisch existiert. Ich mahne mit meiner Reise all die Liebenden, die vergessen, das Gefühl immer und immer wieder zu suchen, auch wenn sie es längst gefunden haben. Ich mahne, dass Liebe niemals vernachlässigt werden darf, dass sie allgegenwärtig ist wenn sich zwei Seelen gefunden haben, und nur durch unsere Verwirrung und Ignoranz scheinbar zeitweise auftritt.
Und so bewege ich mich durch die leeren Zimmer, die noch vor einiger Zeit von Liebe und Halt erfüllt waren, die nur dadurch Farbe erhalten haben. Im dunkelsten Winter oder auch an einem verregneten Wochenende. Es waren nicht eine einzelne Person oder die Menschen allgmein, die dies ausgesendet haben. Es war die Existenz an sich, die den Menschen und alles andere durch Liebe erstrahlen und ein Licht in der Welt werden lässt. Ein Gottesbeweis, ein Lebensbeweis, ein Sinnbeweis?
Mehr als man sich vorstellen kann, denke ich mir, während ich als Geist über dem Fußboden wie besessen aber doch abwesend meine Kreise ziehe und außer der bloßen Erinnerung an die Liebe nichts mehr anderes wahrnehme. Ich lebe nur noch dafür, für die Erinnerung an die Farbe des Universums, die Du uns mit deinem Licht geschenkt hast. Die wir gemeinsam bedeutsam und lebendig gemacht haben.
Jetzt bist Du fort und nichts scheint mehr einen Zweck zu haben. Die Farbe ist verschwunden, die Lichter gehen aus, meine Handlungen sind motorisch und unnötig, sinnentfremdet und ohne Geschmack. Auch die Energie scheint zu schwinden, ebenso wie mein Gefühl für ein Ziel oder Hoffnung.
Am Ende eines Raumes öffne ich das Fenster und starre auf einen mondlosen Sternenhimmel, der mich ansieht, als wäre er wie ein großes Poster am Himmel befestigt worden, und wolle mir trotzdem seine Unendlichkeit vorgaukeln. Doch dann kommt mir eine Erinnerung, die mir schon lange nicht mehr im Geiste aufgetaucht ist, auch nicht damals, als noch Licht und Farbe in meiner Welt gegenwärtig war. Der Gedanke an zwei parallele Sternschnuppen, die irgendein Schöpfer schon vor vielen Tausenden wenn nicht Millionen Jahren auf den Weg geschickt hat, um sie eines Tages für zwei Liebende an diesem Himmelszelt vor Erdenaugen erscheinen zu lassen, um deren Liebe in diesem Moment der Erkenntnis durch alles andere hindurchzubrennen, was das Licht und die Farbe in unseren Räumen und Zeiten hemmt. Durch alle Leblosigkeit, alle Verwirrung und Angst, alle Einsamkeit, alle Hoffnungslosigkeit und Trauer.
Noch immer komme ich mir vor wie ein Liebesgedicht, das der Mensch nicht gelesen hat, für den es bestimmt war. Doch eines Tages werde ich in all euren Ohren schallen, wenn die Bestimmung einen Zweck darin sieht. Und dann wirst es auch Du hören, mein verlorener Liebling, und Du wirst verstehen, zum ersten Mal und endgültig.
 



 
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