Lichterfestpunsch

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Mir gefällt die Blume die sich verschwendet
an Blicke und Nüstern, an Summen in Gräsern
weil sie ihre Schönheit Allen hinspendet
Sie fließt wie ein Flüstern
das in Anderen
endet

Mir gefällt dein Lächeln das aufsteigt und kreist
über Menschen voll Kälte und Dunkelheit
Das immer ein Echo sich sucht und das heißt
es ist nicht in sich gedrängt es ist weit
und es breitet sich aus und befreit
wie Lachen von Traurigkeit
befreit

Mir gefällt die Dinge zum Klingen zu bringen
denn häufig ist in all ihrem Singen
ein verhaftungsbefreiendes Gleißen und Schwingen
ein Licht das durch alle Finsternis scheint
ein verjüngender Geist
der ungeteilt speist
der in jedem kreist
und alle
meint


 
Zuletzt bearbeitet:
G

Gelöschtes Mitglied 24777

Gast
Hallo Dionysos,

dieses Gedicht fällt zunächst durch seine interessante, trichterartige Form auf. Diese führt dazu, dass am Ende der jeweiligen Strophe ein einzelnes Wort immer eine besondere Stellung zugesprochen wird. Es handelt sich um die Verben enden - befreien - meinen. Aber schauen wir mal...

Mir gefällt die Blume die sich verschwendet
an Blicke und Nüstern, an Summen in Gräsern
weil sie ihre Schönheit Allen hinspendet
Sie fließt wie ein Flüstern
das in Anderen
endet
Eine Strophe voller Schönheit! Ich denke, man kann diese Verse auch allegorisch lesen, also bezogen auf den Menschen, welcher in seiner Lebendigkeit erblüht und den Segen der Freude in die Beziehungen zu seinen Mitmenschen trägt. Und nur dort, so verraten es die Verse 4-6, wird das gesamte Potential dieses Wunders ausgeschöpft - es hat beinahe etwas Heiliges, Erlösendes und vor allem: Weltliches. Ich fühle mich an eine Bibelstelle erinnert, in der Jesus von Nazareth sagt: Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden (Lk 20,38).

Ein kleiner Einwurf zur Form:

1. Der Reim Nüstern - Flüstern ist nicht nur originell, sondern er gibt dem Riechenden auch etwas im positiven Sinne Animalisches, sodass die Sinnesebene noch einmal extra hervorgehoben wird. Dadurch schaltet sich die Verstandesebene etwas aus und das Gedicht wird sinnlich wahrnehmbar.

2. Bei Relativnebensätzen halte ich es für ratsam, auf das Komma nicht zu verzichten, da zumindest ich ohne dieses immer ins Stocken gerate beim Lesen. Ich würde deshalb in Vers 1 das Komma empfehlen.

Mir gefällt dein Lächeln das aufsteigt und kreist
über Menschen voll Kälte und Dunkelheit
Das immer ein Echo sich sucht und das heißt
es ist nicht in sich gedrängt es ist weit
und es breitet sich aus und befreit
wie Lachen von Traurigkeit
befreit
Zuerst würde ich auch hier das Komma in Vers 1 bevorzugen. Und dann muss ich leider sagen, dass diese Strophe das enorme Niveau der ersten nicht hält. Woran liegt das? Meiner Meinung nach hat dies zwei wesentliche Ursachen:

1. Die von mir hoch gelobte erste Strophe hat es geschafft, ein konkretes Bild zu erzeugen und sogar darüber hinaus noch Wirkung zu erzielen. Diese Strophe aber verliert sich meiner Ansicht nach etwas im Abstrakten, worauf allein die Wortwahl einen großen Einfluss hat. Die Substantive Kälte, Dunkelheit, Lachen und Traurigkeit z.B. tragen zwar alle eine gewisse Sinnesebene in sich, aber sie schaffen es - zumindest für mich - nicht mehr ohne Weiteres, einen direkten Zugang zur Welt der Gefühle zu finden. Die Adjektive und Verben schließen sich demnach diesem Eindruck als Begleiter der Nomen an.

2. Diese Strophe empfinde ich formal als nicht mehr so harmonisch wie die erste. Allein die befreit - befreit - Dopplung lässt mich schon etwas unbefriedigt zurück. Und auch Vers 3 gefällt mir nicht so richtig, denn - wenn ich es richtig verstehe - bezieht sich hier das Verb heißen auf das Lächeln in Vers 1. Ich ahne, was du sagen wolltest, aber es ist mir dann doch zu viel des Guten. So wirkt das Wort sogar etwas dem Reim geschuldet.

Vers 4 bricht zudem aus der metrischen Form etwas aus, was ich dieses Mal nicht so elegant finde, aber ich kann mit mehrmaligem Lesen trotzdem einen Rhythmus für mich finden.

Mir gefällt die Dinge zum Klingen zu bringen
denn häufig ist in all ihrem Singen
ein verhaftungsbefreiendes Gleißen und Schwingen
ein Licht das durch alle Finsternis scheint
ein verjüngender Geist
der ungeteilt speist
der in jedem kreist
und alle
meint
Diese Strophe gefällt mir wieder besser. Erneut würde ich aber das Komma bei Relativsätzen bevorzugen.

Besonders schön finde ich den Klang der Worte: Dinge - Klingen - Singen - Schwingen. Damit hast du die Dinge tatsächlich zum Klingen gebracht :)

Aber verhaftungsbefreiendes Gleißen? Dieser Neologismus klingt in meinen Augen ungewollt bürokratisch und konterkariert damit die Stimmung der dritten Strophe.

Fazit: Ich erlaube mir festzustellen, dass dein Gedicht für mich noch einige Schwächen mit sich trägt, aber eine erste Strophe vorweisen kann, die seinesgleichen sucht. Hättest du nur diese Strophe eingestellt, hätte ich sie ohne Weiteres als vollwertiges Gedicht wahrgenommen und meiner Begeisterung darüber Ausdruck verliehen.

Ich hoffe, dass mein Kommentar für dich von hilfreicher Natur und trotz einiger kritischer Bemerkungen nicht unbeabsichtigt verletzend ist.

Liebe Grüße
Frodomir
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hi @Frodomir

vielen Dank für Deine tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Gedicht. Bei der Zeichensetzung kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein, Ich persönlich finde neben der Zeilengestaltung eine zusätzliche Zeichensetzung in Gedichten manchmal zu überfrachtet.

Die Gegenüberstellungen und das qualitative Gefälle in den Strophen hast Du aus meiner Sicht sehr gut hergeleitet, für mich nachvollziehbar und stringent. Ich gebe zu, dass die zweite Strophe durch das "heißt" auch ein bisschen belehrend und prosaisch daherkommt. Das das nicht zum Vorteil aus der Bilderhaftigkeit ausbricht ist mir durch den Kommentar klarer geworden.

Das verhaftungsbefreiende Gleißen ist sicher gewöhnungsbedürfig und stark Geschmackssache.

Es ist immer eine Freude, Deine Werke und Kommentare zu lesen

mes compliments

Dionysos
 



 
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