Liebe und Unterhosen

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Heinrich VII

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Beim Thema Liebe fallen mir immer gleich die Unterhosen ein, die Uschi mir mal geschenkt hat: Fünf Stück im Sammelpack, irgend so eine Wald und Wiesenmarke,
weniger als 10 Euro. Der Preis war noch drauf, als ich sie übergeben bekam. Uschi hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, ihn zu entfernen.
Als Geburtstagsgeschenk gedacht und wohl auch ein Geschenk für unser dreijähriges Zusammensein, das auch etwa in diese Zeit fiel.

Schon nach ein paar Wochen waren alle Unterhosen löcherig und der Gummi war ausgeleiert. Von Anfang an hatte auch ständig vorne etwas rausgeguckt,
weil sie nicht doppelt waren, wie bei guten Unterhosen. Wenn ich heute im Kaufhaus bin und zufällig an den Auslagen mit Billig-Unterwäsche vorbei komme,
muss ich sofort an meine Ex-Freundin denken? Genau solche hat sie mir zum Geburtstag geschenkt, denke ich dann. Ob ich will oder nicht.
Ich weiß noch, wie ich die Dinger immer noch im Schrank aufbewahrte, obwohl ich inzwischen die Wohnung gewechselt hatte und wir längst nicht mehr zusammen waren. Reliquien-Verehrung würde ein Außenstehender vielleicht dazu sagen. Den Grund, warum ich sie noch aufbewahrte, würde er vermutlich kaum verstehen. Jedenfalls war dieses Fach im Schrank eine ganze Zeit lang eine Art Schrein gewesen. Von zu Zeit zu Zeit öffnete ich ihn und dachte etwas ähnliches wie im Kaufhaus in der Unterwäsche-Abteilung: Genau solche hat sie mir zum Geburtstag geschenkt.

Am Anfang ging es ganz gut mit unserer Liebe. Aber das ist ja meist so, wenn man jemanden kennen lernt und auf Entdeckungsreise mit ihm geht.
Mit der Zeit - und das dauerte nicht allzu lange - ging es uns beiden, wie mir mit den Unterhosen. Alles bekam Löcher, der Gummi leierte aus und der Pimmel
guckte vorne raus – so als Zeichen von Verwahrlosung.
Inzwischen, jetzt wo ich wieder alleine bin und mein eigener Herr, trage ich sehr gute Unterhosen. Ich achte auf die Marke und gebe schon mal 25 € für
einen einzigen Slip aus. Kein anderes Kleidungsstück, das ich mir kaufe, muss so teuer sein. Bei Hosen, Jacken, Pullis, T-Shirts und dergleichen reichen mir Standardwaren von der Stange. Aber auf das erhebende Tragegefühl meiner Luxus´-Unterhosen will ich keinesfalls verzichten.

Wird man von einer Frau geliebt, die einem solche Lumpen von Unterhosen, zum Geschenk macht?
War es Nachlässigkeit?
Wusste sie es nicht besser?
War es ihr egal?
Oder war ICH ihr im Grunde egal?

Die Fakten sprechen dafür, die Wahrheit bleibt schwammig. Die Beweise können so oder so gedeutet werden. Eines scheint jedoch klar hervor zu treten,
nach all der Zeit der Trennung und des Nachdenkens: Schlechte Liebe und billige Unterhosen scheinen, und ich drücke mich da eher vorsichtig aus,
gewissen Gemeinsamkeiten zu unterliegen.
 
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fee_reloaded

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Lieber Heinrich VII!

Ich schlafe seit einigen Tagen schlecht. Das hat sich jetzt darin bemerkbar gemacht, dass ich seit einer halben Stunde versuche, dir zu diesem Text ein paar begeisterte Zeilen zu schreiben, in denen ich zum Ausdruck bringe, wie gut er mir gefällt und was mir alles so besonders gut an ihm gefällt - und das ist nicht wenig. Also eigentlich alles, wenn ich genau bin.
Ich bringe nur einfach keinen ordentlichen Satz mehr zusammen und habe deshalb die letzten gefühlten dreißig Versuche allesamt wieder gelöscht.
Nur so viel: ich mag ihn sehr! Da steckt ganz viel Charme drin und eine wundervolle Unaufgeregtheit. Spätestens beim Unterhosen-Schrein hat es so auf eine so liebevolle Art gemenschelt, dass ich hin und weg war. Am berührendsten finde ich die Abgeklärtheit, die aus den Fragen spricht. Da tut nichts mehr weh und alles ist gut. Sehr schön!

Sehr gerne gelesen! Und diesen Versuch lasse ich jetzt einfach so stehen - sonst wird das nie mehr was.

LG,
fee
 

aliceg

Mitglied
Lieber Heinrich VII,

nach dem Titel würde man auf eine Satire oder etwas zum Schmunzeln schließen; nach dem Schlussresümee auf eine Lebensweisheit. Dazwischen findet sich Unterhaltendes und Amüsantes zum Lachen.
Das alles ist dir mit diesem Text auf einen Streich gelungen. Sehr lesenswert!
lg aliceg
 

Heinrich VII

Mitglied
Hallo fee,

Nur so viel: ich mag ihn sehr! Da steckt ganz viel Charme drin und eine wundervolle Unaufgeregtheit. Spätestens beim Unterhosen-Schrein hat es so auf eine so liebevolle Art gemenschelt, dass ich hin und weg war. Am berührendsten finde ich die Abgeklärtheit, die aus den Fragen spricht. Da tut nichts mehr weh und alles ist gut. Sehr schön!
Sehr gerne gelesen! Und diesen Versuch lasse ich jetzt einfach so stehen - sonst wird das nie mehr was.
Keine Bange, fee, dein Kommentar ist rüber gekommen. Freut mich, dass er dich sogar berührt hat. Der Text liegt schon länger in meinem Archiv. Da er sehr kurz ist, war es bisher nicht möglich, ihn irgendwo unter zu bringen. Dann entdeckte ich bei der Leselupe die Rubrik "Kurzprosa" und hab´ mir gedacht, da müsste er hin passen. Danke für deinen freundlichen Kommentar - hat mich sehr gefreut.

Gruß, Heinrich VII
 

Heinrich VII

Mitglied
Hallo aliceg,

Lieber Heinrich VII,
nach dem Titel würde man auf eine Satire oder etwas zum Schmunzeln schließen;
Ja - das stimmt. :)

nach dem Schlussresümee auf eine Lebensweisheit. Dazwischen findet sich Unterhaltendes und Amüsantes zum Lachen.
Das alles ist dir mit diesem Text auf einen Streich gelungen. Sehr lesenswert!
Danke für deinen Kommentar - freut mich, dass dich der Text amüsiert hat. ;)

Gruß, Heinrich VII
 

Blue Sky

Mitglied
Ist ihr Unterwäsche vielleicht wirklich egal? Wollte sie womöglich, dass er gar keine trägt?
Da fehlt mir noch die Beobachtung, wie sie selbst im Allgemeinen zu Wäsche gestanden hat.
Gibt es vielleicht so etwas wie ein Endzeit-Look Fetisch?:D
Aber die Überlegungen von dir sind sehr nachvollziehbar.
Gerne gelesen!
LG
BS
 

Heinrich VII

Mitglied
Hallo Blue Sky,
Ist ihr Unterwäsche vielleicht wirklich egal? Wollte sie womöglich, dass er gar keine trägt?
Da fehlt mir noch die Beobachtung, wie sie selbst im Allgemeinen zu Wäsche gestanden hat.
Du wirst lachen, ich habe darüber nach gedacht zu beschreiben, was sie für Unterwäsche trägt.
Bin davon ab gekommen, weil es mMn gar nicht um Unterhosen geht. Die sind nur ein Barometer
für den Grad Liebe, über den ich schreiben wollte.
Danke für deinen Kommentar.

Gruß, Heinrich VII
 

Blue Sky

Mitglied
Die sind nur ein Barometer
für den Grad Liebe
Ja, schon klar. Es soll ja auch humoristisch bleiben. Aber in einer Beziehung mit nur einem Instrument den Innendruck zu messen, führt bestimmt zu einer Fehldiagnose. Da müssten noch andere Parameter wie u. a. der Druck von Außen mit berücksichtigt werden.
Dann fröliches Schlübberwechseln!
Und nicht zu heiß waschen die Dinger.;)

LG
BS
 
Doch, ich finde den Text auch ganz nett. In meinen Augen wäre er noch besser, wenn das Schluss-Resumee unterblieben wäre, weil sich der Leser das selber so denken kann und es ihm nicht vorgekaut werden sollte.

Ansonsten möchte ich noch anmerken, dass es gar nicht so leicht ist, bei dem Thema einem platten Unterhosen-Humor zu entgehen, und das ist dem Text, so scheint mir, löblich gelungen.

MfG
Binsenbrecher
 

Heinrich VII

Mitglied
Hallo Binsenbrecher,

Doch, ich finde den Text auch ganz nett. In meinen Augen wäre er noch besser, wenn das Schluss-Resumee unterblieben wäre, weil sich der Leser das selber so denken kann und es ihm nicht vorgekaut werden sollte.
Die Schluss-Überlegung war eigentlich als ganz individuelle Ansicht meines Ich-Erzählers gedacht. Meinst du, dass jeder so denken würde und ich mir von daher
den Schluss (wie du vorschlägst) sparen könnte? Ich bin mir nicht sicher -

Ansonsten möchte ich noch anmerken, dass es gar nicht so leicht ist, bei dem Thema einem platten Unterhosen-Humor zu entgehen, und das ist dem Text, so scheint mir, löblich gelungen.
Das freut mich, dass das so bei dir angekommen ist. ;)

Danke für deine freundliche Antwort.
Gruß, Heinrich VII
 



 
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