Liebeslied (Villanelle)

4,90 Stern(e) 8 Bewertungen

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Liebeslied



Und wieder rollt ein Röhren durch das Tal,
kriecht durch die Wälder, über Hänge bis ans Haus.
Ich lausche schaudernd, stumm, wie jedes Mal.

Für sie sein schönstes Lied als ihr Gemahl;
er schickt's aus voller Kehle weit hinaus.
Und wieder rollt ein Röhren durch das Tal.

Das letzte Licht des Tages, nebelfahl -
als löschte er's mit seinem Rufen aus.
Ich lausche schaudernd, stumm, wie jedes Mal.

Ich zähl die Strophen. Vier sind's an der Zahl.
Der letzten geht ein Klagelaut voraus.
Und wieder rollt ein Röhren durch das Tal.

Die Angebetete, so zart und schmal -
wann kommt sie wohl? Tritt aus dem Wald heraus?
Ich lausche schaudernd, stumm, wie jedes Mal.

Sein Lied - wie klingt's für mich nach Sehnsuchtsqual!
Kein andrer Laut drückt dieses besser aus!
Und wieder rollt ein Röhren durch das Tal.
Ich lausche schaudernd, stumm, wie jedes Mal.





.nov_2022
 

Tula

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Hallo fee
Sehr schön, rührend, natürlich natürlich ...
Im Hinterkopf geht mir ganz nebenbei auf: wer am lautesten röhrt, hat die besten Chancen ;)

LG
Tula
 

Mimi

Mitglied
Nun, liebe fee, Dein "Liebeslied" lässt sich gewiss ohne Weiteres auf eine andere Spezies übertragen ...

Gruß
Mimi
 

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Meinen Besten Dank, liebe Mimi, lieber Tula,

für die feinen Kommentare und die guten Bewertungen!
Dein "Liebeslied" lässt sich gewiss ohne Weiteres auf eine andere Spezies übertragen ...
Definitiv! ;) Ich höre lautes Röhren auch nicht nur im Wald.

Vielen Dank für die vielen Sterne auch an euch - LyrikPower, DidiCostaire und Windspiel! Ich hab mich sehr gefreut!

LG,
fee
 

James Blond

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Oh, liebe Fee, die Platzhirsche haben in diesem Forum auch schon vernehmbarer geröhrt! Es ist hier spürbar ruhiger geworden, die Brunft scheint vorüber ... ;)
Umso schöner, wenn nun die alten Formen wieder aufleben, das feine Spiel mit der Sprache Anklang findet und die Angebeteten mit Liedern anstatt Brunftgeschrei in seinen Bann zieht.

Ich würde aber den 2. Vers noch etwas kürzen.

Liebe Grüße
JB
 

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Umso schöner, wenn nun die alten Formen wieder aufleben, das feine Spiel mit der Sprache Anklang findet und die Angebeteten mit Liedern anstatt Brunftgeschrei in seinen Bann zieht.

Ich würde aber den 2. Vers noch etwas kürzen.

Danke, James,

für die netten Worte!
Meinst du den 2. Vers der zwei wiederkehrenden Verse? Also
Ich lausche schaudernd, stumm, wie jedes Mal.
oder den 2. Vers der ersten Strophe?

LG und einen schönen Sonntag,
fee
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe Fee,

das ist für mich der klassische Fall, um daran festzumachen, was ich an der Form zu Lasten des Inhalts bemängele - nicht bei Dir, sondern im Prinzip.
Dass die Wiederholung und die Betonung von A-Worten eine Formvorgabe erfüllt - und wie James Blond anmerkt, sogar trefflich, und für mich ist es gerade das, was mir missfällt, mich langweilt, mir einen Zauber zerstört, den die Worte ja auch schaffen.
Mein Revoluzzer-Ohr schreit: Nieder mit der Vanille, äh, Villanelle.

Liebe Grüße
Petra
 

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das ist für mich der klassische Fall, um daran festzumachen, was ich an der Form zu Lasten des Inhalts bemängele - nicht bei Dir, sondern im Prinzip.
Dass die Wiederholung und die Betonung von A-Worten eine Formvorgabe erfüllt - und wie James Blond anmerkt, sogar trefflich, und für mich ist es gerade das, was mir missfällt, mich langweilt, mir einen Zauber zerstört, den die Worte ja auch schaffen.
Spannend, liebe Petra,

das sich mal jemand, der das so empfindet, das auch sagen traut! Ich weiß diese Offenheit sehr zu schätzen!

Ich verstehe auch, was du meinst. Ich hätte über das Röhren der brünftigen Hirsche auch anders schreiben können. So, wie ich meine Prosagedichte schreibe. Klar. Da wäre dann der Stimmung definitiv der Vorzug gegeben worden.
Die Villanelle ist definitiv eine der dominantesten festen Formen und ich schreibe immer wieder gerne mal eine - einfach, weil mir das Basteln Freude macht und ich manche Inhalte für die Wiederholungen geeignet finde. Hier ist es das Röhren, das Mal für Mal jeden Abend seit Ende Oktober vom Berghang gegenüber zu mir ans Haus dringt. Die A-Endungen sind eventuell ein wenig zu penetrant...

Ich persönlich mag dieses Liedhafte, die Wiederholungen, die einen Inhalt im besten Fall auch unterstreichen können. Auch das Pantum oder Pantun ist eine Form, die ich sehr mag zum Beispiel.
Aber ja - expressiver ist sicherlich ein Vers Libre oder Prosalyrik. Das ist wie bei Gemälden - wenn beispielsweise ein Gainsborough einem Basquiat gegenübergestellt wird. Oder einem Gemälde eines Brücke-Malers.
 



 
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