Lied an die Zwetschgenpflückerin

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klausKuckuck

Mitglied


>>> auf einen alten Tango gesungen
:


So geht das nicht weiter,
Du wirst immer breiter,
Versteckst deine Fülle
In schmeichelnder Hülle,

So geht das nicht weiter,
Du wirst immer breiter,
Du ruderst ins Runde
Und wuchtest die Pfunde,

So geht das nicht weiter,
Du wirst immer breiter,
Du stehst auf der Leiter,
Und ich steh davor und guck

Zu dir, zu dir hoch, Liebste,
Und glaub es nicht, ich glaubs nicht, Liebste,
Was seh, ach Gott, was seh ich, Liebste,
Ich guck und seh die Fülle, Liebste,

Du warst einstens meine Schlanke,
Meine schlanke Ranke,
Jetzt rankst du rund, rundumrund, kugelrund,
Pfund um Pfund
Um dich herum.

Ich guck zu dir hoch, Liebste,
Und ich glaub, ich glaub es nicht,
Was seh, seh, was seh ich, ach,
Ich seh, seh, die Fülle, Liebste,
Treib es, treibs nicht so weiter,
Steig von der Leiter,
Und komm und lauf jetzt, lauf jetzt,
mit mir ums Haus jetzt,
Ums Haus herum.

Verdammtnochmal,
So geht das nicht weiter,
Du wirst immer breiter,
Komm, wir drehn eine Runde,
Und schrumpfen die Pfunde,
Los, steig von der Leiter,
Wir, wir laufen ums Haus.

Wie ein Schmetterling
Bist du doch einstens geflogen,
Hast kaum was gewogen,
Bist im Schmetterlingsbogen
Um die Häuser gezogen.

Und jetzt bist du die Fülle
In schmeichelnder Hülle,
Du ruderst ins Runde
Und wuchtest die Pfunde.

Du, so geht das nicht weiter,
Du wirst immer breiter,
Also kommt von der Leiter,
Und wir rennen ums Haus.




 

petrasmiles

Mitglied
durchaus erotisch.
Liebe ubertas,

da hast Du offensichtlich andere Augen, Ohren oder Vorstellungskraft. Mal abgesehen davon, dass sie von der Leiter steigen und 'es' nicht so weiter treiben soll. Wenn das keine Absage an eben diese Erotik ist, was dann?
Dieses Gedicht ist für mich der klassische Fall der Wertbeimessung einer Frau durch das Begehren eines Mannes - oder eben das fehlende. Das ist Realität und an sich nicht zu beanstanden, denn Begehren lässt sich nicht steuern, allenfalls unterdrücken; es ist uns einfach nicht gegeben. Aber für mich ist dieser süffissante Ton, das Kleid des Reimes ein schwaches Feigenblatt für einen sexistischen Blick, die Reduzierung der Frau auf ihre Fähigkeit, Begehren auszulösen - oder zu behalten. Da übt ein Männerblick Macht aus, das ist für mich alles andere als erotisch.
Aber ansonsten soll sich jeder an diesem Text erfreuen, der es vermag.

Liebe Grüße
Petra
 

mondnein

Mitglied
Ich lese es als selbstbezügliche Abwägung des Dichtens, also eben dieses Gedichtes selbst: es ist einfach zu dick, hat ein paar Strophen zu viel und geht inhaltlich so sehr in die Breite, daß es schon platt wirkt, eher ein Pfannekuchen als eine Kugel. Der Dichter fordert sein Lied auf, heraubzusteigen, aber das ist in dieser Abundanz von wunderbarer Selbstwidersprüchlichkeit.

raffiniert!
 

petrasmiles

Mitglied
... es ist nur so traurig - mitunter tragisch - wenn das Begehren nicht mehr da ist und alles andere in Schieflage gerät. Die möglicherweise unausgesprochene Aufforderung: Ändere Dich, damit ich Dich lieben kann! ist eine Sackgasse - und menschenunwürdig.
Aber da merkt man mal wieder - ich kann am besten ernst nehmen. Wenn ich den Inhalt traurig finde, kann mich die Form nicht bekommen ... auch nicht die gelungene ... seufz
ok
:)
 

sufnus

Mitglied
Hey!
Beim ersten Gelesenhaben dieses Gedichts hat bei mir auch ein gewisses Stirnrunzeln überwogen. Bei mir rührte die Faltenbildung in der Frontalansicht hauptsächlich von einer leichten Verärgerung über mich selbst her: Da hat es ein Text auf nicht unbedingt subtile Weise auf Provokation anglegt (womöglich Autorenseitig völlig unbeabsichtigterweise - Stichwort: textliches Eigenleben) und ich Trottel lass mich auch prompt provozieren. Ein spürbarer Pieks in das liebgewonnene Selbstbild des souverän über den Dingen exegierenden Lesers.
Das ist natürlich schon per se ein interessanter Fall, womit der Schatten komfortabel ausgelegt wäre, über den ich nun springen und das Gedicht ohne Einschränkung loben könnte.
Es hakt dennoch etwas bei mir. Die Schwingungen sind nicht ganz identisch mit denen von Petra, weisen aber in eine ähnliche Richtung. Männliche Dominanz und eine Frau, die auf ihre Körperlichkeit reduziert wird, das ergibt eine Klischeevorlage für ein feministisches Mantra.
Ich will den Fall damit aber nicht ad acta legen. Das Gedicht ist zu gut gemacht und es hat m. E. einige Zwischentöne (auch wenn die etwas versteckter sind, als ich es mir wünschen würde). Vor allem aber kommt dieses Gedicht aus einer anderen Zeit angereist. Es ist in seinem Gestus ein Anachronismus - und hält (leider) zugleich auf der sozialen Ebene einem aktuellen Realitätsabgleich mühelos stand.
Jetzt reise ich selbst einmal in der Zeit zurück zu einem alten englischen Satiriker, ich weiß nicht mehr aus dem Kopf, ob es Laurence Sterne oder Jonathan Swift war oder ein anderer Autor dieser Preisklasse, aber mir fällt - nur sehr ungefähr sinngemäß wiedergegeben - ein Zitat ein: "Gestern kehrte ich endlich von meiner langen Reise nach Hause zurück. Die Angetraute wird immer fetter. Große Liebe!".
Wie auch immer .... ein Gedicht muss nicht "nett" sein oder gar "politisch korrekt" (gru-se-lig!) und für mich kann kein Text schlechter Machart durch eine edle Haltung als literarisches Geschehen gerechtfertigt werden. Manchmal, wenn eine innerliche Verstimmtheit nach Aufmunterung verlangt, greift man (ich) dann aber doch dankbar zu einem Schrieb, bei dem es die "gute Gesinnung" gratis dazu gibt.
So schwanke ich nun also inhaltlich kommentierend einigermaßen bambushaft hin und her. Am Ende wäre mir aber ein stärkeres Gegengewicht gegen die Gewichtsdiskussion lieb gewesen.
Ist es da dann noch einer Erwähnung wert, dass sich dieses Gedicht in seiner sprachlich-formalen, genauer in seiner rhythmisch-musikalischen Gestaltung als sehr gekonnt gemacht erweist? Oja. Das ist es.
Ob zu diesem Lied ein Tango ganz ohne weiteres komponier- und anschließend tanzbar wäre, da bin ich mir nicht 100% sicher, gerade am Anfang kommt mir vielleicht eher ein Slowfox in den Sinn. Andererseits: Ein guter Notensetzer kann vermutlich zu beinahe jedem Text, sofern dem denn eine textgemäße Musikalität innewohnt, einen adäquaten Tango verfassen, ob eher klassisch oder argentinisch oder von der neuen Art oder finnisch anmutend, die Auswahl ist ja riesengroß. Und Musikalität hat der Text zu genüge. Mich kann das auf alle Fälle von der Leiter locken.
LG!
S.
P.S.:
Insofern: Vier Sterne für den Gesamthabitus und dann noch einmal Extra-Astra als Nörgelkorrekturfaktor.
 

zurabal

Mitglied
Hallo klauskuckuck,

iich lese diese Gedicht auch als Diskrimnierung von Frauen, die nicht einem fremdbestimmten Schönheitsbild entsprechen bzw. nicht patriarchale Bedürfnisse bedienen.
„Pfunde wuchten“ passt semantisch eher zu Gewichthebern, „Du stehst auf der Leiter und ich guck“ würde ich von der Bedeutung her einem Spanner zuschreiben, wozu denn auch „treib es, treibs nicht so weiter“ passen würde. Das beinhaltet schließlich eine versteckte Drohung.

Natürlich kann man argumentieren, dass es gar nicht so gemeint war, wie es da steht. Aber mitdenkenede Leserinnen und Leser lesen nun einmal nicht was gemeint war, sondern das, was da tatsächlich geschrieben steht.

Kurz: ich interpretiere diesen Text beim Lesen auch als sexistisch motiviert.

Viele Grüße zurabal
 

petrasmiles

Mitglied
OOPs, liebe zurabal, lassen wir den Klaus leben , das
sexistisch motiviert.
sehe ich nicht so. Ich sehe eher ein 'In-Kauf-nehmen. Da hat sufnus mit seinen Ausführungen schon recht. Bei mir kommt nur die Botschaft vor der Kunst, aber wir sollten jetzt keine Sexismusdebatte hier starten. Das lag zumindest nicht in meiner Absicht.

Liebe Grüße
Petra
 

klausKuckuck

Mitglied
Leute, ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich mit einem verknisterten Schellackplatten-Tango einmal zum Kampf der Geschlechter etwas beitragen würde. Ein Kollege hatte mich auf eine argentinische Seite hingewiesen, die alte Tango-Orchester-Aufnahmen (1918-1924) zum Download anbot, hab ich mir gute hundert Stück heruntergeladen und ein paar davon vertextet und über Arbeitstisch-Mikrofon besungen. War für mich Gema-befreit eine Art Ersatzorchester für eine nicht vorhandene Band. Die Zwetschgenpflücker-Aufnahme hat vor zwei Tagen dann ihren Titel bekommen und ist in die ereignislose Sommerwelt geschickt worden. Und dann das: Kampfspiele! Für mich war es viel interessanter herauszufinden, wie man in der Lupe die Spalten-Funktion nutzt – und weil eine direkte mp3-Wiedergabe hier nicht möglich ist, wie man die Sache über einen Link regelt. Für alle, die aus meinem Beitrag etwas Sexistisches herauszuhören in der Lage sind, habe heute als Gegengewicht den Herrn der Schöpfung einen Dicken sein lassen: "Gebet vor dem Badezimmerspiegel".
Gruß in die Runde,
KK
 



 
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