lieder sangen den sänger hervor (priamel, fast eine ghasele)

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G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
Hallo Mondnein,

Ich sehe dieses Werk als ein klanglich erfolgreiches, inhaltlich schwammiges Gedicht mit einigen umständlichen Formulierungen wie etwa
lieder sangen
den sänger hervor
LG
Peter
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Was, lieber Peter,

ist denn an diesem schlichten Sätzchen "umständlich"?

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
Sollte das denn nicht umgekehrt heißen: "Sänger sangen die Lieder hervor"?
Was ist denn die Aussage dieses Sätzchens?
 
T

Trainee

Gast
Hallo Mondnein und Etma,
ich halte die Verse

sangen die lieder
den sänger hervor
für die Quintessenz des Gedichts und deshalb für unverzichtbar.
Denn tatsächlich haben sich die frühen Menschen (beispielsweise bei den Aborigines) die Dinge in die Welt gesungen und getanzt. Ihre Zeichnungen bildeten gleichsam eine Ergänzung zu diesem symbolträchtigen Schöpfungsakt.
Folgt man den Traumpfaden der Kunstfertigen, stellen sich viele Gemeinsamkeiten zu europäischen apokryphen Mythen her.

lieder sangen
den sänger hervor

hör durch die linien
deiner empfindungen

lies durch die schriftspur
entbinde die bindungen

die ihren sinn durch
der sinne tor sinn sungen

durch melodien
geflechte chor wind zungen

als deren stimmen
ums sturm auge blind rungen

sangen die lieder
den sänger hervor
Insofern lässt sich der in die Welt gesungene Sänger erklären.
In seiner geschlossenen Form, die hier notwendig ist (alles ist Anfang und Ende), gefällt mir das Werk.
Allerdings mag ich Reime wie "rungen" und "sungen" weniger. Obwohl die meines Wissens sogar einmal richtig waren; hier aber, in der konsequenten Kleinschreibung, bizarr anmuten.

Liebe Grüße
Trainee
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Liebe Trainee,

ja, in der Tat sind "sungen" und "rungen" veraltete Formen (bekannt aus "Es sungen drei Engel"); die Kleinschreibung ist allerdings auch Wiederholung der Schreibweisen vor der Rennaissance, kann selbst als Archaismus gesehen werden.

Lieber Peter,

das ist eine Frage der Perspektive, wer wen hervorsingt. Ich finde die hier eingenommene die interessantere.
Der Rahmenvers ist auch eine Reflexion über die Kräfte, die eine Persönlichkeit, ein individuelles Wachbewußtsein, den "Sänger" als tönende Kehle, den Denker als Gedankenschiffer hervorzaubern. Ein interessantes Rätsel, für mich jedenfalls.

Das, wie es konventionell sein "muß", ist nett, aber von geringerem poetischem und philosophischem Reiz als das Aufbrechen des scheinbar Unmöglichen.

Bytheway: "schwammig" ist ein schwammiges Wort; "impressionistisch" wäre wohl treffender, wenn auch nicht in meiner Interpretation. Ich verstehe das lyrische Ich dieser Verse als einen Sänger, der an der Zeitlinie entlang läuft, denn auf diese Art von Konkretisierung laufen die Verse hinaus.
Es - bzw. er, der Sänger - ist die sprachliche Melodie, an der Zeitlinie konkret.
Das gibt es auch sonst (bei anderen) werkimmanent (d.h. innerhalb eines musikalischen Werks), z.B. am Ende des "Tristan", wo Isolde sich (angeblich? oder vielleicht eher thematisch-ausführlich?) in pure Musik verwandelt, nachdem sie die Verklärung Tristans hervor-gesungen hat.

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 21114

Gast
Hi hansz,
ich sehe das Werk aus der Perspektive meines Vorschreibers Etma. Denn die Erklärungen der Vorschreiberin Trainee (vorausgesetzt, du hast sie datensicher als Frau identifiziert) sehe ich als beinahe zu schön an, als dass sie deinen Text noch retten könnten. Du hast dich nicht verlesen. Ich habe gerade einen ganz wunderbaren Film über Joan Miro gesehen – eine einzige Ermunterung an die Welt: Guckt quer! Anders herum! … egal wie, nur nicht wie immer! Viele deiner Texte kann ich so angucken, den aktuellen allerding nicht. Er ist mir zu schlicht gestrickt. Ist ja auch aus einer Schaffensperiode, die bereits zweieinhalb Jahre zurückliegt. Möglicherweise schon überwunden ist. Der Miro hat viele seiner Werke, die er zu lange in seinem Atelier herumliegen sah, kurzerhand verbrannt. Vielleicht ist diese Verfahrensweise auch dir eine Überlegung wert.
grusz Joe
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Joe,

Du mußt Dich schon entscheiden, ob Du meine Gedichte verbrennen willst, weil Du sie nicht verstehst, oder, weil Du sie zu leicht verstehst.

Miros Protest gegen die Verkitschung seines Werks nun gegen meine Gedicht zu wenden, ist von einem halbgebildeten Surrealismus-Hasser schon ein starkes Stück.

Ich fasse meine Antwort kurz:

Nein.

grusz, hansz
 

Mimi

Mitglied
Hallo, Hansz,

oh ... ich empfinde nicht wie Joe.
Ist es für mich doch klanglich hervorragend und ohrenschmeichelnd komponiert .

Gruß

Mimi
 
G

Gelöschtes Mitglied 21263

Gast
Freunde der gehobenen Literatur: Bitte nicht vom Verbrennen reden, nirgendwo - in Deutschland schon gar nicht!

F.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ich habe es, zumindest für die Zeit, wo ich hier in den Abgrund des Ungelesenen abtauche, auf die Präsentationsoberfläche meiner Indexseite (12koerbe.de) gesetzt.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Bin wieder da.

Und sehe hier einen gewaltigen Friedhof.

Eigentlich dachte ich, alle schreiben fleißig im Houm-Offiß und veröffentlichen das Zeug, was in den Schubladen liegengeblieben war, als man nur zweidrei Gedichte pro Woche veröffentlichen konnte - nichts da?

Nun ja, im Experimentellen gabs ein Massaker, da liegen die Leichen noch unter der Verdiktdecke (verkoffert: unter dem Verdeck), - merkwürdig. Verstehe ich nicht.

Und dies hier, eines meiner besten Gedichte, mit Kommentaren von ich weißnichtwann Verstorbenen, - Untoten?

Gott!
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es ist Zeit. Ich bin dabei, 40 Jahre Sammlungen aufzuräumen und zu sortieren. Das ist auch eine Art Triage:

Abfall, Regal, Sonderplatz.

Die Zeit rennt vorbei. Ich schreibe nicht mehr so viel.

Die Lieder singen den Sänger nicht mehr. Der Sänger muss sie mühsam herauspolken.

Dein Lied gefällt mir gut.

Ich entbinde die Bindungen ...
Schriftspuren werden recycelt ...
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Lieber Bernd!

Ich hätte gerne eine Gesamtausgabe Deiner Gedichte. Möglichst in Papierform.

Pardon, dieses Konjunktivgewünsche ist Kundensprache. Es meint: Ich will unbedingt eine Gesamtausgabe Deiner Gedichte haben bzw. kaufen. Bitte hilf mir: Wie komme ich daran?

Im Gegenzug biete ich Dir gerne jedes meiner 16 Hundertliederbücher in Papierform an (kostenlos). Meinetwegen erst einmal eines der 16, die mit dem Neunstern als erstem Hundertliederbuch angefangen haben. Oder die ersten vier.
Der Siebenstern (75 Lieder aus den Siebziger und Achtziger Jahren) und der Achtstern (2012/13, 45 Lieder) liegen zeitlich davor. Passen gut in einen Briefumschlag.

In der Reihenfolge ihres Erscheinens in der Leselupe (chronologisch konsequent) bin ich jetzt mitten im achten der Hundertliederbücher (bzw. Hefte) angekommen. Nur der kürzlich abgesoffene Sonettinenkranz ist neueren Datums. Woran man sehen kann, daß ich auch langsam abbaue. Ein bißchen wie beim alten Ringelnatz, von dem man nicht weiß, ob er kühn surrealistisch wurde oder nur kraus im Kopf.

grusz, hansz
 



 
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